Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Der Arbeitgeber. Nr. 676. Frankfurt a. M., 15. April 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] sie haben es meist in der Hand über die Annahme einer Amme zu
bestimmen. Würden sie die Mütter veranlassen, ihre Kinder selbst zu
stillen und wo dieß nicht angeht, zur Saugflasche greifen, die durch
kondensirte Milch und Liebig's Kindersuppe das Aufziehen der Kinder
ohne Muttermilch jetzt eher möglich macht, so würden die stellenlosen
Ammen eine gute Warnung für das Landvolk sein.

* Arbeiter=Angelegenheiten. Jn der letzten Wochenversamm-
lung des Arbeitervereins in Pforzheim wurde beschlossen, Abgeord-
nete zu den Prüfungen der dortigen Volksschule und der Gewerbe-
schule zu schicken, und an den Vereinsvorort das Ansuchen zu stellen,
auch die übrigen Vereine zu einem ähnlichen Vorgehen zu veranlassen.
Es wurde dabei der Grundsatz geltend gemacht, daß die Lösung der
sozialen Frage ganz wesentlich von einer entsprechenden Organisation
des Volksunterrichtswesens bedingt, und darum eine Mithilfe des
Arbeiterstandes an der Entwickelung des Schulwesens dringend ge-
boten sei.

-- Jn Klausthal hatten die Bergschmiede die Arbeit einge-
stellt; konnten indeß ihre Forderungen nicht durchsetzen und sahen sich
genöthigt die Arbeit unter den früheren Bedingungen wieder aufzu-
nehmen.

-- Jn Koblenz haben die Herrenschneider die Arbeit eingestellt.

-- Jn Ober=Oderwitz bei Zittau besteht eine Arbeiterge-
nossenschaft, welche die Leinenfabrikation betreibt. Die Genossenschaft
hat 140 Mitglieder. Seit ihrem kurzen Bestehen hat dieselbe für
8000 Thaler Waaren gefertigt. Dieselbe fordert Konsumvereine ec.
zur Ertheilung von Aufträgen auf, indem sie gute und billige Be-
dienung zusichert. Ordres sind zu richten an Herrn Samuel Wenzel,
Ortsrichter.

-- Während den Osterfeiertagen wird der Vereinstag der han-
noverischen Arbeiter= und Arbeiterbildungsvereine in Celle abgehalten.
Auf der Tagesordnung stehen unter anderem folgende Fragen: Sollen
die Arbeiterbildungsvereine die Gründung von Gewerkvereinen beför-
dern? Soll sich der Verband dem Arbeiterbund anschließen?

-- Der Arbeiterverein in Kaiserslautern hat an die Kam-
mer der Abgeordneten in München eine Petition um Gewährung der
Koalitionsfreiheit und Aufhebung des Lohnarrestes abgehen lassen.

-- Der Vorstand und Beirath des Berliner Arbeiterinnen-
vereins hat an den Handelsminister ein Gesuch gerichtet, in welchem
gebeten wird, bei Anstellung von Stationseinnehmerinnen die be-
schränkende Bedingung der Familienangehörigkeit fallen zu lassen, und
statt dessen jede qualificirte Bewerberin unter eigener Verantwortlich-
keit die Zulassung zu gestatten.

* Deutsche Gesellschaft in Newyork. Dem Jahresbericht der
"deutschen Gesellschaft in Newyork", welche im Jahre 1784 gegründet
wurde und seit dieser Zeit unermüdlich bestrebt war die deutschen
Einwanderer zu unterstützen und Nothleidenden Hilfe zu leisten, ent-
nehmen wir folgende, die humane Thätigkeit der Gesellschaft illustri-
rende Daten: Jm verflossenen Jahre wurden 9376 Dollars an
Unterstützungen verausgabt; der Fonds der Gesellschaft beträgt
36,600 Dollars; die Gesammtzahl der Einwanderung im Hafen von
Newyork betrug für die letzten 10 Jahre 1,736,643 Personen, da-
runter waren 695,177 Deutsche. Jm verflossenen Jahre verschaffte
das Arbeitsbureau der Gesellschaft 22,844 Männern und 12,111 Frauen
angemessene Beschäftigung.

* Stadterweiterung. Der Gemeinderath in Mainz hat für
die Erweiterung der Stadt vier Million Gulden votirt, welche durch
eine Prämienanleihe beschafft werden sollen.

Handel und Verkehr.

* Die Reform des Eisenbahntarifwesens im Sinne des
Peuny=Porto's. Der Gedanke, die Fahrpreise auf den Eisenbahnen
ähnlich zu reguliren, wie das Briefporto und die Telegraphentaxe
gewinnt, wie uns Herr F. Perrot mittheilt, in England bereits
festen Boden. Perrot hat die Sache schon im vorigen Jahr angeregt
und wollte auch den Gütertarif nach demselben System umgeändert
wissen. Jetzt beschränkt er seinen Vorschlag auf den Personentarif,
für welchen sich die Hauptrechnungsgrundlagen in wenigen Ziffern
übersichtlich geben lassen. Laut amtlicher Statistik hat die Zahl der
verausgabten Personalbillets im Jahre 1867 auf den Bahnen der
alten Provinzen Preußens38 1 / 2 Millionen Stück betragen und es
[Spaltenumbruch] waren dafür aufgekommen rund nahe 19 Millionen Thaler. Führt
man nun einen zweistufigen Tarif -- bis zu 10 Meilen und darüber
hinaus -- ein, etwa mit folgenden Sätzen:

bis 10 Meilenüber 10 Meilen
I. Klasse1 Thlr.2 Thlr.
II. "5 Sgr.15 Sgr.
III.    "   3    "   10    "   

so ergibt sich, daß sich bei diesem Tarif die Frequenz nicht einmal
zu verdoppeln brauchte, um die Einnahme von 19 Millionen Thaler
in 1867 wieder zu erreichen. Bei dem einstufigen Tarif von 5,
10, 60 Sgr. für die 3 Klassen und jede Entfernung würden sich
8 Millionen Thaler ergeben. Zieht man nun in Betracht, daß die
Personenfrequenz der Eisenbahnen in England jährlich 9, in Preußen
dagegen nur 2 Billets pr. Kopf der Bevölkerung ausmacht, während
die Bevölkerungsdichtigkeit in England zwischen 5 und 6000, in
Preußen nahe 4000 Seelen pr. Quadratmeile beträgt, -- so dürfte
eine Steigerung der bisherigen Frequenz um ihr1 1 / 2 faches, mit obi-
gem einstufigen Tarif doch wohl nicht für eine allzu kühne Voraus-
setzung angesehen werden: -- damit wäre aber bereits eine Einnahme
von 20 Millionen Thaler, also schon ein Plus, gegenüber dem bis-
herigen Tarif, gesichert. Eine beträchtliche Vermehrung des Betriebs-
materials der Bahnen, durch die zu erwartende Frequenzsteigerung
bedingt, wäre kaum nöthig, da nach amtlicher Statistik im J. 1867
auf den Preußischen Bahnen nur 27 pCt. der bewegten Sitzplätze
ausgenutzt wurden. Es würde sich aber für die Eisenbahnen eine
ganz enorme Vereinfachung des Betriebes nebst entsprechender Erspar-
niß ergeben. Der Vortheil des verkehrtreibenden und reisenden Publi-
kums wäre ganz unberechenbar, abgesehen davon, daß durch diesen
Tarif die zahlreichste Bevölkerungsklasse erst eigentlich von der Scholle
befreit würde, an welcher sie bis jetzt noch in hohem Grade haftet.

* Eisenbahnen. Jn der Rheinpfalz sind 27,79 Meilen
Bahnen projektirt und dafür 26,525,000 fl. Baukapital vorgesehen.

* Telegraphenwesen. Das Little' sche Telegraphensystem soll
zwischen Newyork und Washington eingeführt werden. Zahlreiche
Arbeiter sind bereits beschäftigt, die neuen Linien einzurichten. Das
neue System, welches von dem Morse'schen wesentlich abweicht, würde,
wenn die Mittheilungen amerikanischer Blätter begründet sind, eine
Revolution im Telegraphenwesen hervorbringen. Es soll darnach
möglich sein, vermittelst eines Drahtes 200 Wörter in der Minute
zu befördern, während nach dem früheren Systeme der geübteste Tele-
graphist nicht mehr als 50 Worte befördern konnte. Der Unter-
nehmer behauptet, durch sein System die Tarife für die Depeschen-
beförderung um die Hälfte herabsetzen zu können. Der Postverkehr
würde bedeutend abnehmen, der Depeschenwechsel dagegen wenigstens
um das Zehnfache wachsen. Es ist erwiesen worden, daß nach diesem
Systeme 200 Worte per Minute über eine 2000 Meilen lange
Strecke telegraphirt werden und daß zum Dienste Knaben und Mäd-
chen verwendet werden können. Die Maschinerie ist dabei außer-
ordentlich einfach und billig.

* Briefbeförderung. Nach einem Newyorker Blatt hat sich
dort eine Gesellschaft gebildet, um durch luftleere Räume in Röhren
eine Kugel, welche Briefe und kleinere Päckchen enthält, schnell bis
nach Philadelphia gelangen zu lassen. Das Neue bei dieser Unter-
nehmung ist die Kugelform. Die hölzernen Röhren von 7--8 Fuß
Durchmesser würden, mit den nöthigen Kugeln, nur 10,000 Dollars
per Meile ( der Weg bis Philadelphia höchstens 2 Millionen ) kosten.

* Jnternationale Goldmünze. Den neuesten Newyorker Blät-
tern zufolge wurde im Senate der Vereinigten Staaten auf Antrag
des Senators Sherman die folgende Resolution einstimmig ange-
nommen: "Beschlossen -- daß der Präsident ersucht werde, zu einer
Korrespondenz mit Großbritannien und anderen auswärtigen Mächten
einzuladen, falls dies nicht gegen die öffentlichen Jnteressen verstößt,
um die Annahme einer gemeinschaftlichen Einheit für eine interna-
tionale Goldwährung durch die Legislaturen der verschiedenen Mächte
zu fördern, und daß diese Korrespondenz dem Kongreß für seine Jn-
formation und sein Handeln vorgelegt werde."

* Vorschuß=Vereine. Der Vorschuß=Verein in Speyer hatte
Ende 1869: 383 Mitglieder. Derselbe zahlte letztes Jahr eine
Dividende von 8 pCt.

-- Aus dem Stand der Frankfurter Gewerbekasse am 31. März
1870 heben wir hervor: Antheile der Mitglieder 370,660 fl. +
4530. Spaareinlagen 188,930 fl. + 6400. Mitgliederzahl 988
+ 9. Kassenumsatz 2,150,000 fl.

[Spaltenumbruch] sie haben es meist in der Hand über die Annahme einer Amme zu
bestimmen. Würden sie die Mütter veranlassen, ihre Kinder selbst zu
stillen und wo dieß nicht angeht, zur Saugflasche greifen, die durch
kondensirte Milch und Liebig's Kindersuppe das Aufziehen der Kinder
ohne Muttermilch jetzt eher möglich macht, so würden die stellenlosen
Ammen eine gute Warnung für das Landvolk sein.

* Arbeiter=Angelegenheiten. Jn der letzten Wochenversamm-
lung des Arbeitervereins in Pforzheim wurde beschlossen, Abgeord-
nete zu den Prüfungen der dortigen Volksschule und der Gewerbe-
schule zu schicken, und an den Vereinsvorort das Ansuchen zu stellen,
auch die übrigen Vereine zu einem ähnlichen Vorgehen zu veranlassen.
Es wurde dabei der Grundsatz geltend gemacht, daß die Lösung der
sozialen Frage ganz wesentlich von einer entsprechenden Organisation
des Volksunterrichtswesens bedingt, und darum eine Mithilfe des
Arbeiterstandes an der Entwickelung des Schulwesens dringend ge-
boten sei.

-- Jn Klausthal hatten die Bergschmiede die Arbeit einge-
stellt; konnten indeß ihre Forderungen nicht durchsetzen und sahen sich
genöthigt die Arbeit unter den früheren Bedingungen wieder aufzu-
nehmen.

-- Jn Koblenz haben die Herrenschneider die Arbeit eingestellt.

-- Jn Ober=Oderwitz bei Zittau besteht eine Arbeiterge-
nossenschaft, welche die Leinenfabrikation betreibt. Die Genossenschaft
hat 140 Mitglieder. Seit ihrem kurzen Bestehen hat dieselbe für
8000 Thaler Waaren gefertigt. Dieselbe fordert Konsumvereine ec.
zur Ertheilung von Aufträgen auf, indem sie gute und billige Be-
dienung zusichert. Ordres sind zu richten an Herrn Samuel Wenzel,
Ortsrichter.

-- Während den Osterfeiertagen wird der Vereinstag der han-
noverischen Arbeiter= und Arbeiterbildungsvereine in Celle abgehalten.
Auf der Tagesordnung stehen unter anderem folgende Fragen: Sollen
die Arbeiterbildungsvereine die Gründung von Gewerkvereinen beför-
dern? Soll sich der Verband dem Arbeiterbund anschließen?

-- Der Arbeiterverein in Kaiserslautern hat an die Kam-
mer der Abgeordneten in München eine Petition um Gewährung der
Koalitionsfreiheit und Aufhebung des Lohnarrestes abgehen lassen.

-- Der Vorstand und Beirath des Berliner Arbeiterinnen-
vereins hat an den Handelsminister ein Gesuch gerichtet, in welchem
gebeten wird, bei Anstellung von Stationseinnehmerinnen die be-
schränkende Bedingung der Familienangehörigkeit fallen zu lassen, und
statt dessen jede qualificirte Bewerberin unter eigener Verantwortlich-
keit die Zulassung zu gestatten.

* Deutsche Gesellschaft in Newyork. Dem Jahresbericht der
„deutschen Gesellschaft in Newyork“, welche im Jahre 1784 gegründet
wurde und seit dieser Zeit unermüdlich bestrebt war die deutschen
Einwanderer zu unterstützen und Nothleidenden Hilfe zu leisten, ent-
nehmen wir folgende, die humane Thätigkeit der Gesellschaft illustri-
rende Daten: Jm verflossenen Jahre wurden 9376 Dollars an
Unterstützungen verausgabt; der Fonds der Gesellschaft beträgt
36,600 Dollars; die Gesammtzahl der Einwanderung im Hafen von
Newyork betrug für die letzten 10 Jahre 1,736,643 Personen, da-
runter waren 695,177 Deutsche. Jm verflossenen Jahre verschaffte
das Arbeitsbureau der Gesellschaft 22,844 Männern und 12,111 Frauen
angemessene Beschäftigung.

* Stadterweiterung. Der Gemeinderath in Mainz hat für
die Erweiterung der Stadt vier Million Gulden votirt, welche durch
eine Prämienanleihe beschafft werden sollen.

Handel und Verkehr.

* Die Reform des Eisenbahntarifwesens im Sinne des
Peuny=Porto's. Der Gedanke, die Fahrpreise auf den Eisenbahnen
ähnlich zu reguliren, wie das Briefporto und die Telegraphentaxe
gewinnt, wie uns Herr F. Perrot mittheilt, in England bereits
festen Boden. Perrot hat die Sache schon im vorigen Jahr angeregt
und wollte auch den Gütertarif nach demselben System umgeändert
wissen. Jetzt beschränkt er seinen Vorschlag auf den Personentarif,
für welchen sich die Hauptrechnungsgrundlagen in wenigen Ziffern
übersichtlich geben lassen. Laut amtlicher Statistik hat die Zahl der
verausgabten Personalbillets im Jahre 1867 auf den Bahnen der
alten Provinzen Preußens38 1 / 2 Millionen Stück betragen und es
[Spaltenumbruch] waren dafür aufgekommen rund nahe 19 Millionen Thaler. Führt
man nun einen zweistufigen Tarif -- bis zu 10 Meilen und darüber
hinaus -- ein, etwa mit folgenden Sätzen:

bis 10 Meilenüber 10 Meilen
I. Klasse1 Thlr.2 Thlr.
II. „5 Sgr.15 Sgr.
III.    „   3    „   10    „   

so ergibt sich, daß sich bei diesem Tarif die Frequenz nicht einmal
zu verdoppeln brauchte, um die Einnahme von 19 Millionen Thaler
in 1867 wieder zu erreichen. Bei dem einstufigen Tarif von 5,
10, 60 Sgr. für die 3 Klassen und jede Entfernung würden sich
8 Millionen Thaler ergeben. Zieht man nun in Betracht, daß die
Personenfrequenz der Eisenbahnen in England jährlich 9, in Preußen
dagegen nur 2 Billets pr. Kopf der Bevölkerung ausmacht, während
die Bevölkerungsdichtigkeit in England zwischen 5 und 6000, in
Preußen nahe 4000 Seelen pr. Quadratmeile beträgt, -- so dürfte
eine Steigerung der bisherigen Frequenz um ihr1 1 / 2 faches, mit obi-
gem einstufigen Tarif doch wohl nicht für eine allzu kühne Voraus-
setzung angesehen werden: -- damit wäre aber bereits eine Einnahme
von 20 Millionen Thaler, also schon ein Plus, gegenüber dem bis-
herigen Tarif, gesichert. Eine beträchtliche Vermehrung des Betriebs-
materials der Bahnen, durch die zu erwartende Frequenzsteigerung
bedingt, wäre kaum nöthig, da nach amtlicher Statistik im J. 1867
auf den Preußischen Bahnen nur 27 pCt. der bewegten Sitzplätze
ausgenutzt wurden. Es würde sich aber für die Eisenbahnen eine
ganz enorme Vereinfachung des Betriebes nebst entsprechender Erspar-
niß ergeben. Der Vortheil des verkehrtreibenden und reisenden Publi-
kums wäre ganz unberechenbar, abgesehen davon, daß durch diesen
Tarif die zahlreichste Bevölkerungsklasse erst eigentlich von der Scholle
befreit würde, an welcher sie bis jetzt noch in hohem Grade haftet.

* Eisenbahnen. Jn der Rheinpfalz sind 27,79 Meilen
Bahnen projektirt und dafür 26,525,000 fl. Baukapital vorgesehen.

* Telegraphenwesen. Das Little' sche Telegraphensystem soll
zwischen Newyork und Washington eingeführt werden. Zahlreiche
Arbeiter sind bereits beschäftigt, die neuen Linien einzurichten. Das
neue System, welches von dem Morse'schen wesentlich abweicht, würde,
wenn die Mittheilungen amerikanischer Blätter begründet sind, eine
Revolution im Telegraphenwesen hervorbringen. Es soll darnach
möglich sein, vermittelst eines Drahtes 200 Wörter in der Minute
zu befördern, während nach dem früheren Systeme der geübteste Tele-
graphist nicht mehr als 50 Worte befördern konnte. Der Unter-
nehmer behauptet, durch sein System die Tarife für die Depeschen-
beförderung um die Hälfte herabsetzen zu können. Der Postverkehr
würde bedeutend abnehmen, der Depeschenwechsel dagegen wenigstens
um das Zehnfache wachsen. Es ist erwiesen worden, daß nach diesem
Systeme 200 Worte per Minute über eine 2000 Meilen lange
Strecke telegraphirt werden und daß zum Dienste Knaben und Mäd-
chen verwendet werden können. Die Maschinerie ist dabei außer-
ordentlich einfach und billig.

* Briefbeförderung. Nach einem Newyorker Blatt hat sich
dort eine Gesellschaft gebildet, um durch luftleere Räume in Röhren
eine Kugel, welche Briefe und kleinere Päckchen enthält, schnell bis
nach Philadelphia gelangen zu lassen. Das Neue bei dieser Unter-
nehmung ist die Kugelform. Die hölzernen Röhren von 7--8 Fuß
Durchmesser würden, mit den nöthigen Kugeln, nur 10,000 Dollars
per Meile ( der Weg bis Philadelphia höchstens 2 Millionen ) kosten.

* Jnternationale Goldmünze. Den neuesten Newyorker Blät-
tern zufolge wurde im Senate der Vereinigten Staaten auf Antrag
des Senators Sherman die folgende Resolution einstimmig ange-
nommen: „Beschlossen -- daß der Präsident ersucht werde, zu einer
Korrespondenz mit Großbritannien und anderen auswärtigen Mächten
einzuladen, falls dies nicht gegen die öffentlichen Jnteressen verstößt,
um die Annahme einer gemeinschaftlichen Einheit für eine interna-
tionale Goldwährung durch die Legislaturen der verschiedenen Mächte
zu fördern, und daß diese Korrespondenz dem Kongreß für seine Jn-
formation und sein Handeln vorgelegt werde.“

* Vorschuß=Vereine. Der Vorschuß=Verein in Speyer hatte
Ende 1869: 383 Mitglieder. Derselbe zahlte letztes Jahr eine
Dividende von 8 pCt.

-- Aus dem Stand der Frankfurter Gewerbekasse am 31. März
1870 heben wir hervor: Antheile der Mitglieder 370,660 fl. +
4530. Spaareinlagen 188,930 fl. + 6400. Mitgliederzahl 988
+ 9. Kassenumsatz 2,150,000 fl.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0005"/><cb n="8328"/>
sie haben es meist in der Hand über die Annahme einer Amme zu<lb/>
bestimmen. Würden sie die Mütter veranlassen, ihre Kinder selbst zu<lb/>
stillen und wo dieß nicht angeht, zur Saugflasche greifen, die durch<lb/>
kondensirte Milch und Liebig's Kindersuppe das Aufziehen der Kinder<lb/>
ohne Muttermilch jetzt eher möglich macht, so würden die stellenlosen<lb/>
Ammen eine gute Warnung für das Landvolk sein.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Arbeiter=Angelegenheiten. Jn der letzten Wochenversamm-<lb/>
lung des Arbeitervereins in <hi rendition="#g">Pforzheim</hi> wurde beschlossen, Abgeord-<lb/>
nete zu den Prüfungen der dortigen Volksschule und der Gewerbe-<lb/>
schule zu schicken, und an den Vereinsvorort das Ansuchen zu stellen,<lb/>
auch die übrigen Vereine zu einem ähnlichen Vorgehen zu veranlassen.<lb/>
Es wurde dabei der Grundsatz geltend gemacht, daß die Lösung der<lb/>
sozialen Frage ganz wesentlich von einer entsprechenden Organisation<lb/>
des Volksunterrichtswesens bedingt, und darum eine Mithilfe des<lb/>
Arbeiterstandes an der Entwickelung des Schulwesens dringend ge-<lb/>
boten sei.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <p>-- Jn <hi rendition="#g">Klausthal</hi> hatten die Bergschmiede die Arbeit einge-<lb/>
stellt; konnten indeß ihre Forderungen nicht durchsetzen und sahen sich<lb/>
genöthigt die Arbeit unter den früheren Bedingungen wieder aufzu-<lb/>
nehmen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <p>-- Jn <hi rendition="#g">Koblenz</hi> haben die Herrenschneider die Arbeit eingestellt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <p>-- Jn <hi rendition="#g">Ober=Oderwitz</hi> bei Zittau besteht eine Arbeiterge-<lb/>
nossenschaft, welche die Leinenfabrikation betreibt. Die Genossenschaft<lb/>
hat 140 Mitglieder. Seit ihrem kurzen Bestehen hat dieselbe für<lb/>
8000 Thaler Waaren gefertigt. Dieselbe fordert Konsumvereine <abbr>ec.</abbr><lb/>
zur Ertheilung von Aufträgen auf, indem sie gute und billige Be-<lb/>
dienung zusichert. Ordres sind zu richten an Herrn Samuel Wenzel,<lb/>
Ortsrichter.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <p>-- Während den Osterfeiertagen wird der Vereinstag der han-<lb/>
noverischen Arbeiter= und Arbeiterbildungsvereine in <hi rendition="#g">Celle</hi> abgehalten.<lb/>
Auf der Tagesordnung stehen unter anderem folgende Fragen: Sollen<lb/>
die Arbeiterbildungsvereine die Gründung von Gewerkvereinen beför-<lb/>
dern? Soll sich der Verband dem Arbeiterbund anschließen?</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <p>-- Der Arbeiterverein in <hi rendition="#g">Kaiserslautern</hi> hat an die Kam-<lb/>
mer der Abgeordneten in München eine Petition um Gewährung der<lb/>
Koalitionsfreiheit und Aufhebung des Lohnarrestes abgehen lassen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <p>-- Der Vorstand und Beirath des <hi rendition="#g">Berliner</hi> Arbeiterinnen-<lb/>
vereins hat an den Handelsminister ein Gesuch gerichtet, in welchem<lb/>
gebeten wird, bei Anstellung von Stationseinnehmerinnen die be-<lb/>
schränkende Bedingung der Familienangehörigkeit fallen zu lassen, und<lb/>
statt dessen jede qualificirte Bewerberin unter eigener Verantwortlich-<lb/>
keit die Zulassung zu gestatten.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#sup">*</hi> Deutsche Gesellschaft <hi rendition="#g">in Newyork.</hi> Dem Jahresbericht der<lb/>
&#x201E;deutschen Gesellschaft in Newyork&#x201C;, welche im Jahre 1784 gegründet<lb/>
wurde und seit dieser Zeit unermüdlich bestrebt war die deutschen<lb/>
Einwanderer zu unterstützen und Nothleidenden Hilfe zu leisten, ent-<lb/>
nehmen wir folgende, die humane Thätigkeit der Gesellschaft illustri-<lb/>
rende Daten: Jm verflossenen Jahre wurden 9376 Dollars an<lb/>
Unterstützungen verausgabt; der Fonds der Gesellschaft beträgt<lb/>
36,600 Dollars; die Gesammtzahl der Einwanderung im Hafen von<lb/>
Newyork betrug für die letzten 10 Jahre 1,736,643 Personen, da-<lb/>
runter waren 695,177 Deutsche. Jm verflossenen Jahre verschaffte<lb/>
das Arbeitsbureau der Gesellschaft 22,844 Männern und 12,111 Frauen<lb/>
angemessene Beschäftigung.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#sup">*</hi> Stadterweiterung. Der Gemeinderath in <hi rendition="#g">Mainz</hi> hat für<lb/>
die Erweiterung der Stadt vier Million Gulden votirt, welche durch<lb/>
eine Prämienanleihe beschafft werden sollen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="jFinancialNews">
        <div type="jFinancialNews">
          <head> <hi rendition="#c #g">Handel und Verkehr.</hi> </head><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Die Reform des Eisenbahntarifwesens im Sinne des<lb/>
Peuny=Porto's. Der Gedanke, die Fahrpreise auf den Eisenbahnen<lb/>
ähnlich zu reguliren, wie das Briefporto und die Telegraphentaxe<lb/>
gewinnt, wie uns Herr F. <hi rendition="#g">Perrot</hi> mittheilt, in England bereits<lb/>
festen Boden. Perrot hat die Sache schon im vorigen Jahr angeregt<lb/>
und wollte auch den Gütertarif nach demselben System umgeändert<lb/>
wissen. Jetzt beschränkt er seinen Vorschlag auf den Personentarif,<lb/>
für welchen sich die Hauptrechnungsgrundlagen in wenigen Ziffern<lb/>
übersichtlich geben lassen. Laut amtlicher Statistik hat die Zahl der<lb/>
verausgabten Personalbillets im Jahre 1867 auf den Bahnen der<lb/>
alten Provinzen Preußens38 1 / 2 Millionen Stück betragen und es<lb/><cb n="8329"/>
waren dafür aufgekommen rund nahe 19 Millionen Thaler. Führt<lb/>
man nun einen zweistufigen Tarif -- bis zu 10 Meilen und darüber<lb/>
hinaus -- ein, etwa mit folgenden Sätzen:</p><lb/>
            <table>
              <row>
                <cell/>
                <cell> <hi rendition="#g">bis 10 Meilen</hi> </cell>
                <cell> <hi rendition="#g">über 10 Meilen</hi> </cell>
              </row><lb/>
              <row>
                <cell><hi rendition="#aq">I</hi>. Klasse</cell>
                <cell>1 Thlr.</cell>
                <cell>2 Thlr.</cell>
              </row><lb/>
              <row>
                <cell><hi rendition="#aq">II</hi>.           &#x201E;</cell>
                <cell>5 Sgr.</cell>
                <cell>15 Sgr.</cell>
              </row><lb/>
              <row>
                <cell><hi rendition="#aq">III</hi>.           <space dim="horizontal"/>&#x201E;<space dim="horizontal"/></cell>
                <cell>3           <space dim="horizontal"/>&#x201E;<space dim="horizontal"/></cell>
                <cell>10           <space dim="horizontal"/>&#x201E;<space dim="horizontal"/></cell>
              </row>
            </table><lb/>
            <p>so ergibt sich, daß sich bei diesem Tarif die Frequenz nicht einmal<lb/>
zu verdoppeln brauchte, um die Einnahme von 19 Millionen Thaler<lb/>
in 1867 wieder zu erreichen. Bei dem <hi rendition="#g">einstufigen</hi> Tarif von 5,<lb/>
10, 60 Sgr. für die 3 Klassen und jede Entfernung würden sich<lb/>
8 Millionen Thaler ergeben. Zieht man nun in Betracht, daß die<lb/>
Personenfrequenz der Eisenbahnen in England jährlich 9, in Preußen<lb/>
dagegen nur 2 Billets pr. Kopf der Bevölkerung ausmacht, während<lb/>
die Bevölkerungsdichtigkeit in England zwischen 5 und 6000, in<lb/>
Preußen nahe 4000 Seelen pr. Quadratmeile beträgt, -- so dürfte<lb/>
eine Steigerung der bisherigen Frequenz um ihr1 1 / 2 faches, mit obi-<lb/>
gem einstufigen Tarif doch wohl nicht für eine allzu kühne Voraus-<lb/>
setzung angesehen werden: -- damit wäre aber bereits eine Einnahme<lb/>
von 20 Millionen Thaler, also schon ein Plus, gegenüber dem bis-<lb/>
herigen Tarif, gesichert. Eine beträchtliche Vermehrung des Betriebs-<lb/>
materials der Bahnen, durch die zu erwartende Frequenzsteigerung<lb/>
bedingt, wäre kaum nöthig, da nach amtlicher Statistik im J. 1867<lb/>
auf den Preußischen Bahnen nur 27 pCt. der bewegten Sitzplätze<lb/>
ausgenutzt wurden. Es würde sich aber für die Eisenbahnen eine<lb/>
ganz enorme Vereinfachung des Betriebes nebst entsprechender Erspar-<lb/>
niß ergeben. Der Vortheil des verkehrtreibenden und reisenden Publi-<lb/>
kums wäre ganz unberechenbar, abgesehen davon, daß durch diesen<lb/>
Tarif die zahlreichste Bevölkerungsklasse erst eigentlich von der Scholle<lb/>
befreit würde, an welcher sie bis jetzt noch in hohem Grade haftet.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Eisenbahnen. Jn der <hi rendition="#g">Rheinpfalz</hi> sind 27,79 Meilen<lb/>
Bahnen projektirt und dafür 26,525,000 fl. Baukapital vorgesehen.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Telegraphenwesen. Das <hi rendition="#g">Little'</hi> sche Telegraphensystem soll<lb/>
zwischen Newyork und Washington eingeführt werden. Zahlreiche<lb/>
Arbeiter sind bereits beschäftigt, die neuen Linien einzurichten. Das<lb/>
neue System, welches von dem Morse'schen wesentlich abweicht, würde,<lb/>
wenn die Mittheilungen amerikanischer Blätter begründet sind, eine<lb/>
Revolution im Telegraphenwesen hervorbringen. Es soll darnach<lb/>
möglich sein, vermittelst eines Drahtes 200 Wörter in der Minute<lb/>
zu befördern, während nach dem früheren Systeme der geübteste Tele-<lb/>
graphist nicht mehr als 50 Worte befördern konnte. Der Unter-<lb/>
nehmer behauptet, durch sein System die Tarife für die Depeschen-<lb/>
beförderung um die Hälfte herabsetzen zu können. Der Postverkehr<lb/>
würde bedeutend abnehmen, der Depeschenwechsel dagegen wenigstens<lb/>
um das Zehnfache wachsen. Es ist erwiesen worden, daß nach diesem<lb/>
Systeme 200 Worte per Minute über eine 2000 Meilen lange<lb/>
Strecke telegraphirt werden und daß zum Dienste Knaben und Mäd-<lb/>
chen verwendet werden können. Die Maschinerie ist dabei außer-<lb/>
ordentlich einfach und billig.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Briefbeförderung. Nach einem Newyorker Blatt hat sich<lb/>
dort eine Gesellschaft gebildet, um durch luftleere Räume in Röhren<lb/>
eine Kugel, welche Briefe und kleinere Päckchen enthält, schnell bis<lb/>
nach Philadelphia gelangen zu lassen. Das Neue bei dieser Unter-<lb/>
nehmung ist die Kugelform. Die hölzernen Röhren von 7--8 Fuß<lb/>
Durchmesser würden, mit den nöthigen Kugeln, nur 10,000 Dollars<lb/>
per Meile ( der Weg bis Philadelphia höchstens 2 Millionen ) kosten.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Jnternationale Goldmünze. Den neuesten Newyorker Blät-<lb/>
tern zufolge wurde im Senate der Vereinigten Staaten auf Antrag<lb/>
des Senators Sherman die folgende Resolution einstimmig ange-<lb/>
nommen: &#x201E;Beschlossen -- daß der Präsident ersucht werde, zu einer<lb/>
Korrespondenz mit Großbritannien und anderen auswärtigen Mächten<lb/>
einzuladen, falls dies nicht gegen die öffentlichen Jnteressen verstößt,<lb/>
um die Annahme einer gemeinschaftlichen Einheit für eine interna-<lb/>
tionale Goldwährung durch die Legislaturen der verschiedenen Mächte<lb/>
zu fördern, und daß diese Korrespondenz dem Kongreß für seine Jn-<lb/>
formation und sein Handeln vorgelegt werde.&#x201C;</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle">
            <p><hi rendition="#sup">*</hi> Vorschuß=Vereine. Der Vorschuß=Verein in <hi rendition="#g">Speyer</hi> hatte<lb/>
Ende 1869: 383 Mitglieder. Derselbe zahlte letztes Jahr eine<lb/>
Dividende von 8 pCt.</p><lb/>
            <p>-- Aus dem Stand der <hi rendition="#g">Frankfurter</hi> Gewerbekasse am 31. März<lb/>
1870 heben wir hervor: Antheile der Mitglieder 370,660 fl. +<lb/>
4530. Spaareinlagen 188,930 fl. + 6400. Mitgliederzahl 988<lb/>
+ 9. Kassenumsatz 2,150,000 fl.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0005] sie haben es meist in der Hand über die Annahme einer Amme zu bestimmen. Würden sie die Mütter veranlassen, ihre Kinder selbst zu stillen und wo dieß nicht angeht, zur Saugflasche greifen, die durch kondensirte Milch und Liebig's Kindersuppe das Aufziehen der Kinder ohne Muttermilch jetzt eher möglich macht, so würden die stellenlosen Ammen eine gute Warnung für das Landvolk sein. * Arbeiter=Angelegenheiten. Jn der letzten Wochenversamm- lung des Arbeitervereins in Pforzheim wurde beschlossen, Abgeord- nete zu den Prüfungen der dortigen Volksschule und der Gewerbe- schule zu schicken, und an den Vereinsvorort das Ansuchen zu stellen, auch die übrigen Vereine zu einem ähnlichen Vorgehen zu veranlassen. Es wurde dabei der Grundsatz geltend gemacht, daß die Lösung der sozialen Frage ganz wesentlich von einer entsprechenden Organisation des Volksunterrichtswesens bedingt, und darum eine Mithilfe des Arbeiterstandes an der Entwickelung des Schulwesens dringend ge- boten sei. -- Jn Klausthal hatten die Bergschmiede die Arbeit einge- stellt; konnten indeß ihre Forderungen nicht durchsetzen und sahen sich genöthigt die Arbeit unter den früheren Bedingungen wieder aufzu- nehmen. -- Jn Koblenz haben die Herrenschneider die Arbeit eingestellt. -- Jn Ober=Oderwitz bei Zittau besteht eine Arbeiterge- nossenschaft, welche die Leinenfabrikation betreibt. Die Genossenschaft hat 140 Mitglieder. Seit ihrem kurzen Bestehen hat dieselbe für 8000 Thaler Waaren gefertigt. Dieselbe fordert Konsumvereine ec. zur Ertheilung von Aufträgen auf, indem sie gute und billige Be- dienung zusichert. Ordres sind zu richten an Herrn Samuel Wenzel, Ortsrichter. -- Während den Osterfeiertagen wird der Vereinstag der han- noverischen Arbeiter= und Arbeiterbildungsvereine in Celle abgehalten. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem folgende Fragen: Sollen die Arbeiterbildungsvereine die Gründung von Gewerkvereinen beför- dern? Soll sich der Verband dem Arbeiterbund anschließen? -- Der Arbeiterverein in Kaiserslautern hat an die Kam- mer der Abgeordneten in München eine Petition um Gewährung der Koalitionsfreiheit und Aufhebung des Lohnarrestes abgehen lassen. -- Der Vorstand und Beirath des Berliner Arbeiterinnen- vereins hat an den Handelsminister ein Gesuch gerichtet, in welchem gebeten wird, bei Anstellung von Stationseinnehmerinnen die be- schränkende Bedingung der Familienangehörigkeit fallen zu lassen, und statt dessen jede qualificirte Bewerberin unter eigener Verantwortlich- keit die Zulassung zu gestatten. * Deutsche Gesellschaft in Newyork. Dem Jahresbericht der „deutschen Gesellschaft in Newyork“, welche im Jahre 1784 gegründet wurde und seit dieser Zeit unermüdlich bestrebt war die deutschen Einwanderer zu unterstützen und Nothleidenden Hilfe zu leisten, ent- nehmen wir folgende, die humane Thätigkeit der Gesellschaft illustri- rende Daten: Jm verflossenen Jahre wurden 9376 Dollars an Unterstützungen verausgabt; der Fonds der Gesellschaft beträgt 36,600 Dollars; die Gesammtzahl der Einwanderung im Hafen von Newyork betrug für die letzten 10 Jahre 1,736,643 Personen, da- runter waren 695,177 Deutsche. Jm verflossenen Jahre verschaffte das Arbeitsbureau der Gesellschaft 22,844 Männern und 12,111 Frauen angemessene Beschäftigung. * Stadterweiterung. Der Gemeinderath in Mainz hat für die Erweiterung der Stadt vier Million Gulden votirt, welche durch eine Prämienanleihe beschafft werden sollen. Handel und Verkehr. * Die Reform des Eisenbahntarifwesens im Sinne des Peuny=Porto's. Der Gedanke, die Fahrpreise auf den Eisenbahnen ähnlich zu reguliren, wie das Briefporto und die Telegraphentaxe gewinnt, wie uns Herr F. Perrot mittheilt, in England bereits festen Boden. Perrot hat die Sache schon im vorigen Jahr angeregt und wollte auch den Gütertarif nach demselben System umgeändert wissen. Jetzt beschränkt er seinen Vorschlag auf den Personentarif, für welchen sich die Hauptrechnungsgrundlagen in wenigen Ziffern übersichtlich geben lassen. Laut amtlicher Statistik hat die Zahl der verausgabten Personalbillets im Jahre 1867 auf den Bahnen der alten Provinzen Preußens38 1 / 2 Millionen Stück betragen und es waren dafür aufgekommen rund nahe 19 Millionen Thaler. Führt man nun einen zweistufigen Tarif -- bis zu 10 Meilen und darüber hinaus -- ein, etwa mit folgenden Sätzen: bis 10 Meilen über 10 Meilen I. Klasse 1 Thlr. 2 Thlr. II. „ 5 Sgr. 15 Sgr. III. „ 3 „ 10 „ so ergibt sich, daß sich bei diesem Tarif die Frequenz nicht einmal zu verdoppeln brauchte, um die Einnahme von 19 Millionen Thaler in 1867 wieder zu erreichen. Bei dem einstufigen Tarif von 5, 10, 60 Sgr. für die 3 Klassen und jede Entfernung würden sich 8 Millionen Thaler ergeben. Zieht man nun in Betracht, daß die Personenfrequenz der Eisenbahnen in England jährlich 9, in Preußen dagegen nur 2 Billets pr. Kopf der Bevölkerung ausmacht, während die Bevölkerungsdichtigkeit in England zwischen 5 und 6000, in Preußen nahe 4000 Seelen pr. Quadratmeile beträgt, -- so dürfte eine Steigerung der bisherigen Frequenz um ihr1 1 / 2 faches, mit obi- gem einstufigen Tarif doch wohl nicht für eine allzu kühne Voraus- setzung angesehen werden: -- damit wäre aber bereits eine Einnahme von 20 Millionen Thaler, also schon ein Plus, gegenüber dem bis- herigen Tarif, gesichert. Eine beträchtliche Vermehrung des Betriebs- materials der Bahnen, durch die zu erwartende Frequenzsteigerung bedingt, wäre kaum nöthig, da nach amtlicher Statistik im J. 1867 auf den Preußischen Bahnen nur 27 pCt. der bewegten Sitzplätze ausgenutzt wurden. Es würde sich aber für die Eisenbahnen eine ganz enorme Vereinfachung des Betriebes nebst entsprechender Erspar- niß ergeben. Der Vortheil des verkehrtreibenden und reisenden Publi- kums wäre ganz unberechenbar, abgesehen davon, daß durch diesen Tarif die zahlreichste Bevölkerungsklasse erst eigentlich von der Scholle befreit würde, an welcher sie bis jetzt noch in hohem Grade haftet. * Eisenbahnen. Jn der Rheinpfalz sind 27,79 Meilen Bahnen projektirt und dafür 26,525,000 fl. Baukapital vorgesehen. * Telegraphenwesen. Das Little' sche Telegraphensystem soll zwischen Newyork und Washington eingeführt werden. Zahlreiche Arbeiter sind bereits beschäftigt, die neuen Linien einzurichten. Das neue System, welches von dem Morse'schen wesentlich abweicht, würde, wenn die Mittheilungen amerikanischer Blätter begründet sind, eine Revolution im Telegraphenwesen hervorbringen. Es soll darnach möglich sein, vermittelst eines Drahtes 200 Wörter in der Minute zu befördern, während nach dem früheren Systeme der geübteste Tele- graphist nicht mehr als 50 Worte befördern konnte. Der Unter- nehmer behauptet, durch sein System die Tarife für die Depeschen- beförderung um die Hälfte herabsetzen zu können. Der Postverkehr würde bedeutend abnehmen, der Depeschenwechsel dagegen wenigstens um das Zehnfache wachsen. Es ist erwiesen worden, daß nach diesem Systeme 200 Worte per Minute über eine 2000 Meilen lange Strecke telegraphirt werden und daß zum Dienste Knaben und Mäd- chen verwendet werden können. Die Maschinerie ist dabei außer- ordentlich einfach und billig. * Briefbeförderung. Nach einem Newyorker Blatt hat sich dort eine Gesellschaft gebildet, um durch luftleere Räume in Röhren eine Kugel, welche Briefe und kleinere Päckchen enthält, schnell bis nach Philadelphia gelangen zu lassen. Das Neue bei dieser Unter- nehmung ist die Kugelform. Die hölzernen Röhren von 7--8 Fuß Durchmesser würden, mit den nöthigen Kugeln, nur 10,000 Dollars per Meile ( der Weg bis Philadelphia höchstens 2 Millionen ) kosten. * Jnternationale Goldmünze. Den neuesten Newyorker Blät- tern zufolge wurde im Senate der Vereinigten Staaten auf Antrag des Senators Sherman die folgende Resolution einstimmig ange- nommen: „Beschlossen -- daß der Präsident ersucht werde, zu einer Korrespondenz mit Großbritannien und anderen auswärtigen Mächten einzuladen, falls dies nicht gegen die öffentlichen Jnteressen verstößt, um die Annahme einer gemeinschaftlichen Einheit für eine interna- tionale Goldwährung durch die Legislaturen der verschiedenen Mächte zu fördern, und daß diese Korrespondenz dem Kongreß für seine Jn- formation und sein Handeln vorgelegt werde.“ * Vorschuß=Vereine. Der Vorschuß=Verein in Speyer hatte Ende 1869: 383 Mitglieder. Derselbe zahlte letztes Jahr eine Dividende von 8 pCt. -- Aus dem Stand der Frankfurter Gewerbekasse am 31. März 1870 heben wir hervor: Antheile der Mitglieder 370,660 fl. + 4530. Spaareinlagen 188,930 fl. + 6400. Mitgliederzahl 988 + 9. Kassenumsatz 2,150,000 fl.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0676_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0676_1870/5
Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 676. Frankfurt a. M., 15. April 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0676_1870/5>, abgerufen am 23.11.2024.