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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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der Einzelne überall, wohin er blickt, nur die Abwesen-
heit
sittlicher Ueberzeugungen entdeckt, wenn ihm überall
nur andere als sittliche Beweggründe entgegentreten, dann
bedarf es einer ungewöhnlichen Stärke seines sittlichen Be-
wußtseins, wenn dasselbe nicht allmälig durch diese Eindrücke
immer mehr geschwächt werden soll, und nicht leicht wird ein
Mensch, wie redlich auch sein Streben sein mag, unter so
ungünstigen Umständen der Nämliche werden oder bleiben
können, welcher er unter günstigeren Umstände geworden oder
geblieben wäre. Denn "wer nicht für mich ist, der ist wider
mich." Eine Bildung, welche nicht von sittlichen Ueberzeu-
gungen getragen ist, vernichtet dieselben.

Kein anderes Verhältniß aber ist so geeignet, jenen vor-
bereitenden Einfluß auf die Gemüther, welchen die Wirksam-
keit der Kirche nicht entbehren kann, zu vermitteln, als das
Verhältniß der Eltern zu den Kindern, und keine andere
Zeit ist ihm so günstig, als die Zeit der ersten Lebens-
jahre.
Wo diese Zeit und dieses Verhältniß ungenützt vor-
übergeht, da kann das Versäumte später nur sehr schwer
nachgeholt werden, und am allerwenigsten durch die Kirche
allein nachgeholt werden, welcher fast alle äußeren Bedingungen
zu einer so weit reichenden Einwirkung fehlen. Darum wird
die Religion, die Jnnigkeit des Glaubens immer und über-
all es furchtbar schwer empfinden, wenn die häusliche
Erziehung
nicht mit voller Kraft ihren sittlich bildenden
Einfluß auf das heranwachsende Kind geltend macht.

Aber welche Bedingungen setzt wohl dieser sittlich
erziehende Einfluß der Eltern, von dessen Ausübung ein so
großer Theil unserer Befähigung zur Religion abhängt, in
den Eltern voraus? Setzt dieser Einfluß ein gewisses Maß

der Einzelne überall, wohin er blickt, nur die Abweſen-
heit
ſittlicher Ueberzeugungen entdeckt, wenn ihm überall
nur andere als ſittliche Beweggründe entgegentreten, dann
bedarf es einer ungewöhnlichen Stärke ſeines ſittlichen Be-
wußtſeins, wenn daſſelbe nicht allmälig durch dieſe Eindrücke
immer mehr geſchwächt werden ſoll, und nicht leicht wird ein
Menſch, wie redlich auch ſein Streben ſein mag, unter ſo
ungünſtigen Umſtänden der Nämliche werden oder bleiben
können, welcher er unter günſtigeren Umſtände geworden oder
geblieben wäre. Denn „wer nicht für mich iſt, der iſt wider
mich.“ Eine Bildung, welche nicht von ſittlichen Ueberzeu-
gungen getragen iſt, vernichtet dieſelben.

Kein anderes Verhältniß aber iſt ſo geeignet, jenen vor-
bereitenden Einfluß auf die Gemüther, welchen die Wirkſam-
keit der Kirche nicht entbehren kann, zu vermitteln, als das
Verhältniß der Eltern zu den Kindern, und keine andere
Zeit iſt ihm ſo günſtig, als die Zeit der erſten Lebens-
jahre.
Wo dieſe Zeit und dieſes Verhältniß ungenützt vor-
übergeht, da kann das Verſäumte ſpäter nur ſehr ſchwer
nachgeholt werden, und am allerwenigſten durch die Kirche
allein nachgeholt werden, welcher faſt alle äußeren Bedingungen
zu einer ſo weit reichenden Einwirkung fehlen. Darum wird
die Religion, die Jnnigkeit des Glaubens immer und über-
all es furchtbar ſchwer empfinden, wenn die häusliche
Erziehung
nicht mit voller Kraft ihren ſittlich bildenden
Einfluß auf das heranwachſende Kind geltend macht.

Aber welche Bedingungen ſetzt wohl dieſer ſittlich
erziehende Einfluß der Eltern, von deſſen Ausübung ein ſo
großer Theil unſerer Befähigung zur Religion abhängt, in
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[85/0091] der Einzelne überall, wohin er blickt, nur die Abweſen- heit ſittlicher Ueberzeugungen entdeckt, wenn ihm überall nur andere als ſittliche Beweggründe entgegentreten, dann bedarf es einer ungewöhnlichen Stärke ſeines ſittlichen Be- wußtſeins, wenn daſſelbe nicht allmälig durch dieſe Eindrücke immer mehr geſchwächt werden ſoll, und nicht leicht wird ein Menſch, wie redlich auch ſein Streben ſein mag, unter ſo ungünſtigen Umſtänden der Nämliche werden oder bleiben können, welcher er unter günſtigeren Umſtände geworden oder geblieben wäre. Denn „wer nicht für mich iſt, der iſt wider mich.“ Eine Bildung, welche nicht von ſittlichen Ueberzeu- gungen getragen iſt, vernichtet dieſelben. Kein anderes Verhältniß aber iſt ſo geeignet, jenen vor- bereitenden Einfluß auf die Gemüther, welchen die Wirkſam- keit der Kirche nicht entbehren kann, zu vermitteln, als das Verhältniß der Eltern zu den Kindern, und keine andere Zeit iſt ihm ſo günſtig, als die Zeit der erſten Lebens- jahre. Wo dieſe Zeit und dieſes Verhältniß ungenützt vor- übergeht, da kann das Verſäumte ſpäter nur ſehr ſchwer nachgeholt werden, und am allerwenigſten durch die Kirche allein nachgeholt werden, welcher faſt alle äußeren Bedingungen zu einer ſo weit reichenden Einwirkung fehlen. Darum wird die Religion, die Jnnigkeit des Glaubens immer und über- all es furchtbar ſchwer empfinden, wenn die häusliche Erziehung nicht mit voller Kraft ihren ſittlich bildenden Einfluß auf das heranwachſende Kind geltend macht. Aber welche Bedingungen ſetzt wohl dieſer ſittlich erziehende Einfluß der Eltern, von deſſen Ausübung ein ſo großer Theil unſerer Befähigung zur Religion abhängt, in den Eltern voraus? Setzt dieſer Einfluß ein gewiſſes Maß

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/91>, abgerufen am 02.05.2024.