Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

diese Kraft zugetraut hatten. Wie oft, wenn in Spanien,
in Mexiko, in ganz Südamerika keine Ruhe werden wollte,
und die Verwilderung immer allgemeiner zu werden schien,
wiesen wir auf unsere trefflichen Schulen, zumal auf die
Menge unserer Volksschulen und den allgemeinen Besuch
derselben mit der zuversichtlichen Behauptung hin, daß bei
uns kein Boden für solche Unordnungen sei und daß bei
uns die Civilisation auf zu festem Grunde ruhe, als daß
sie die Beute der Barbarei werden könnte. Wie oft erinnerten
wir mit Stolz daran, daß durch die Betheiligung Aller
am öffentlichen Unterricht, durch die allgemeine Verbreitung
der Fertigkeit im Lesen und Schreiben, durch die Wohlfeil-
heit der Pfennigslitteratur und aller ähnlichen Schriften,
durch die sich bis auf die entferntesten Hütten erstreckende
Macht der Presse die Aufklärung ein Gemeingut Aller ge-
worden sei. Wie steif und fest bildeten wir uns ein, in
dieser Aufklärung eine sichere Bürgschaft für die Festigkeit
des Staatsgebäudes zu besitzen! Wir gründeten bereits auf
diese Annahme den Glauben an die Möglichkeit, dem Staate
eine völlig veränderte Einrichtung geben, ihn auf der viel-
berühmten "breitesten Grundlage" aufbauen zu können. Und
siehe da, plötzlich gebehrdete sich ein großer Theil dieser
Aufgeklärten wie verrückt. Sie verlangten einen Staat, in
welchem Niemand gehorcht und Alle befehlen, Niemand be-
zahlt und Alle im Wohlstand leben, einen Staat ohne Ord-
nung, ohne Gesetz, ohne Sitte, einen Staat, in welchem
man heute umwirft, was man gestern gegründet hat, und
in welchem man im Namen der Freiheit einem Jeden auf
den Kopf schlägt, welcher das Alles nicht in der Ordnung
findet. Sie nannten das die "Rebublik."

dieſe Kraft zugetraut hatten. Wie oft, wenn in Spanien,
in Mexiko, in ganz Südamerika keine Ruhe werden wollte,
und die Verwilderung immer allgemeiner zu werden ſchien,
wieſen wir auf unſere trefflichen Schulen, zumal auf die
Menge unſerer Volksſchulen und den allgemeinen Beſuch
derſelben mit der zuverſichtlichen Behauptung hin, daß bei
uns kein Boden für ſolche Unordnungen ſei und daß bei
uns die Civiliſation auf zu feſtem Grunde ruhe, als daß
ſie die Beute der Barbarei werden könnte. Wie oft erinnerten
wir mit Stolz daran, daß durch die Betheiligung Aller
am öffentlichen Unterricht, durch die allgemeine Verbreitung
der Fertigkeit im Leſen und Schreiben, durch die Wohlfeil-
heit der Pfennigslitteratur und aller ähnlichen Schriften,
durch die ſich bis auf die entfernteſten Hütten erſtreckende
Macht der Preſſe die Aufklärung ein Gemeingut Aller ge-
worden ſei. Wie ſteif und feſt bildeten wir uns ein, in
dieſer Aufklärung eine ſichere Bürgſchaft für die Feſtigkeit
des Staatsgebäudes zu beſitzen! Wir gründeten bereits auf
dieſe Annahme den Glauben an die Möglichkeit, dem Staate
eine völlig veränderte Einrichtung geben, ihn auf der viel-
berühmten „breiteſten Grundlage“ aufbauen zu können. Und
ſiehe da, plötzlich gebehrdete ſich ein großer Theil dieſer
Aufgeklärten wie verrückt. Sie verlangten einen Staat, in
welchem Niemand gehorcht und Alle befehlen, Niemand be-
zahlt und Alle im Wohlſtand leben, einen Staat ohne Ord-
nung, ohne Geſetz, ohne Sitte, einen Staat, in welchem
man heute umwirft, was man geſtern gegründet hat, und
in welchem man im Namen der Freiheit einem Jeden auf
den Kopf ſchlägt, welcher das Alles nicht in der Ordnung
findet. Sie nannten das die „Rebublik.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="10"/>
die&#x017F;e Kraft zugetraut hatten. Wie oft, wenn in Spanien,<lb/>
in Mexiko, in ganz Südamerika keine Ruhe werden wollte,<lb/>
und die Verwilderung immer allgemeiner zu werden &#x017F;chien,<lb/>
wie&#x017F;en wir auf un&#x017F;ere trefflichen Schulen, zumal auf die<lb/>
Menge un&#x017F;erer Volks&#x017F;chulen und den allgemeinen Be&#x017F;uch<lb/>
der&#x017F;elben mit der zuver&#x017F;ichtlichen Behauptung hin, daß bei<lb/>
uns kein Boden für &#x017F;olche Unordnungen &#x017F;ei und daß bei<lb/>
uns die Civili&#x017F;ation auf zu fe&#x017F;tem Grunde ruhe, als daß<lb/>
&#x017F;ie die Beute der Barbarei werden könnte. Wie oft erinnerten<lb/>
wir mit Stolz daran, daß durch die Betheiligung Aller<lb/>
am öffentlichen Unterricht, durch die allgemeine Verbreitung<lb/>
der Fertigkeit im Le&#x017F;en und Schreiben, durch die Wohlfeil-<lb/>
heit der Pfennigslitteratur und aller ähnlichen Schriften,<lb/>
durch die &#x017F;ich bis auf die entfernte&#x017F;ten Hütten er&#x017F;treckende<lb/>
Macht der Pre&#x017F;&#x017F;e die Aufklärung ein Gemeingut Aller ge-<lb/>
worden &#x017F;ei. Wie &#x017F;teif und fe&#x017F;t bildeten wir uns ein, in<lb/>
die&#x017F;er Aufklärung eine &#x017F;ichere Bürg&#x017F;chaft für die Fe&#x017F;tigkeit<lb/>
des Staatsgebäudes zu be&#x017F;itzen! Wir gründeten bereits auf<lb/>
die&#x017F;e Annahme den Glauben an die Möglichkeit, dem Staate<lb/>
eine völlig veränderte Einrichtung geben, ihn auf der viel-<lb/>
berühmten &#x201E;breite&#x017F;ten Grundlage&#x201C; aufbauen zu können. Und<lb/>
&#x017F;iehe da, plötzlich gebehrdete &#x017F;ich ein großer Theil die&#x017F;er<lb/>
Aufgeklärten wie verrückt. Sie verlangten einen Staat, in<lb/>
welchem Niemand gehorcht und Alle befehlen, Niemand be-<lb/>
zahlt und Alle im Wohl&#x017F;tand leben, einen Staat ohne Ord-<lb/>
nung, ohne Ge&#x017F;etz, ohne Sitte, einen Staat, in welchem<lb/>
man heute umwirft, was man ge&#x017F;tern gegründet hat, und<lb/>
in welchem man im Namen der Freiheit einem Jeden auf<lb/>
den Kopf &#x017F;chlägt, welcher das Alles nicht in der Ordnung<lb/>
findet. Sie nannten das die &#x201E;Rebublik.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0016] dieſe Kraft zugetraut hatten. Wie oft, wenn in Spanien, in Mexiko, in ganz Südamerika keine Ruhe werden wollte, und die Verwilderung immer allgemeiner zu werden ſchien, wieſen wir auf unſere trefflichen Schulen, zumal auf die Menge unſerer Volksſchulen und den allgemeinen Beſuch derſelben mit der zuverſichtlichen Behauptung hin, daß bei uns kein Boden für ſolche Unordnungen ſei und daß bei uns die Civiliſation auf zu feſtem Grunde ruhe, als daß ſie die Beute der Barbarei werden könnte. Wie oft erinnerten wir mit Stolz daran, daß durch die Betheiligung Aller am öffentlichen Unterricht, durch die allgemeine Verbreitung der Fertigkeit im Leſen und Schreiben, durch die Wohlfeil- heit der Pfennigslitteratur und aller ähnlichen Schriften, durch die ſich bis auf die entfernteſten Hütten erſtreckende Macht der Preſſe die Aufklärung ein Gemeingut Aller ge- worden ſei. Wie ſteif und feſt bildeten wir uns ein, in dieſer Aufklärung eine ſichere Bürgſchaft für die Feſtigkeit des Staatsgebäudes zu beſitzen! Wir gründeten bereits auf dieſe Annahme den Glauben an die Möglichkeit, dem Staate eine völlig veränderte Einrichtung geben, ihn auf der viel- berühmten „breiteſten Grundlage“ aufbauen zu können. Und ſiehe da, plötzlich gebehrdete ſich ein großer Theil dieſer Aufgeklärten wie verrückt. Sie verlangten einen Staat, in welchem Niemand gehorcht und Alle befehlen, Niemand be- zahlt und Alle im Wohlſtand leben, einen Staat ohne Ord- nung, ohne Geſetz, ohne Sitte, einen Staat, in welchem man heute umwirft, was man geſtern gegründet hat, und in welchem man im Namen der Freiheit einem Jeden auf den Kopf ſchlägt, welcher das Alles nicht in der Ordnung findet. Sie nannten das die „Rebublik.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/16
Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/16>, abgerufen am 26.04.2024.