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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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anderer Leute lauten, Stimmen für seine Plane zu werben.
Redliche und besonnene Leute werden sich unter solchen Um-
ständen immer mehr von den öffentlichen Angelegenheiten
zurückziehen und Wühlern von Profession oder ehrgeizigen
Wagehälsen das Glück von Millionen Menschen Preis geben
müssen. Wenn aber die Leidenschaften höher gehen, so wird
die Partei, welche bei der letzten Abstimmung unterlag, gar
nicht bis zur nächsten Abstimmung warten, sondern schon
nach kurzer Frist eine neue Abstimmung fordern, weil
das früher durch die Ränke der siegenden Partei bethörte
Volk jetzt über seine wahren Jnteressen aufgeklärt und an-
derer Meinung geworden sei. Verweigert ihr die neue Ab-
stimmung, -- und man kann ja doch am Ende nicht alle
paar Wochen über Alles und Jedes von Neuem abstimmen
-- so erklärt man euch für Volksverräther und schlägt euch
auf offener Straße todt im Namen der Volkssouveränetät,
die ihr selbst anerkannt habt, also von Rechtswegen.

Die zweite Forderung der Anarchie, der Wohlstand
für Alle, führt mit gleicher Nothwendigkeit zur Auflösung des
Staats und der Gesellschaft, denn nach dem Sinne, welchen
die Anarchie mit dieser Forderung verbindet, ist dieselbe
nichts mehr und nichts weniger, als eine vom Staate für die
Liederlichkeit ausgesetzte Prämie. Gerade so wie die Freiheit
für Alle keineswegs dem gewissenhaften Manne Schutz gegen
Unterdrückung durch schlechte Leidenschaften gewähren, keines-
wegs ihm die Bürgschaft verschaffen soll, daß er in einem
wohlgeordneten Staate, ungehemmt durch menschliche Will-
kür oder durch verkehrte Gesetze, die Möglichkeit finde, seine
ihm durch eine höhere Hand gesetzte Bestimmung bei red-
lichem Streben zu erreichen, sondern ihn vielmehr der Willkür

anderer Leute lauten, Stimmen für ſeine Plane zu werben.
Redliche und beſonnene Leute werden ſich unter ſolchen Um-
ſtänden immer mehr von den öffentlichen Angelegenheiten
zurückziehen und Wühlern von Profeſſion oder ehrgeizigen
Wagehälſen das Glück von Millionen Menſchen Preis geben
müſſen. Wenn aber die Leidenſchaften höher gehen, ſo wird
die Partei, welche bei der letzten Abſtimmung unterlag, gar
nicht bis zur nächſten Abſtimmung warten, ſondern ſchon
nach kurzer Friſt eine neue Abſtimmung fordern, weil
das früher durch die Ränke der ſiegenden Partei bethörte
Volk jetzt über ſeine wahren Jntereſſen aufgeklärt und an-
derer Meinung geworden ſei. Verweigert ihr die neue Ab-
ſtimmung, — und man kann ja doch am Ende nicht alle
paar Wochen über Alles und Jedes von Neuem abſtimmen
— ſo erklärt man euch für Volksverräther und ſchlägt euch
auf offener Straße todt im Namen der Volksſouveränetät,
die ihr ſelbſt anerkannt habt, alſo von Rechtswegen.

Die zweite Forderung der Anarchie, der Wohlſtand
für Alle, führt mit gleicher Nothwendigkeit zur Auflöſung des
Staats und der Geſellſchaft, denn nach dem Sinne, welchen
die Anarchie mit dieſer Forderung verbindet, iſt dieſelbe
nichts mehr und nichts weniger, als eine vom Staate für die
Liederlichkeit ausgeſetzte Prämie. Gerade ſo wie die Freiheit
für Alle keineswegs dem gewiſſenhaften Manne Schutz gegen
Unterdrückung durch ſchlechte Leidenſchaften gewähren, keines-
wegs ihm die Bürgſchaft verſchaffen ſoll, daß er in einem
wohlgeordneten Staate, ungehemmt durch menſchliche Will-
kür oder durch verkehrte Geſetze, die Möglichkeit finde, ſeine
ihm durch eine höhere Hand geſetzte Beſtimmung bei red-
lichem Streben zu erreichen, ſondern ihn vielmehr der Willkür

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[7/0013] anderer Leute lauten, Stimmen für ſeine Plane zu werben. Redliche und beſonnene Leute werden ſich unter ſolchen Um- ſtänden immer mehr von den öffentlichen Angelegenheiten zurückziehen und Wühlern von Profeſſion oder ehrgeizigen Wagehälſen das Glück von Millionen Menſchen Preis geben müſſen. Wenn aber die Leidenſchaften höher gehen, ſo wird die Partei, welche bei der letzten Abſtimmung unterlag, gar nicht bis zur nächſten Abſtimmung warten, ſondern ſchon nach kurzer Friſt eine neue Abſtimmung fordern, weil das früher durch die Ränke der ſiegenden Partei bethörte Volk jetzt über ſeine wahren Jntereſſen aufgeklärt und an- derer Meinung geworden ſei. Verweigert ihr die neue Ab- ſtimmung, — und man kann ja doch am Ende nicht alle paar Wochen über Alles und Jedes von Neuem abſtimmen — ſo erklärt man euch für Volksverräther und ſchlägt euch auf offener Straße todt im Namen der Volksſouveränetät, die ihr ſelbſt anerkannt habt, alſo von Rechtswegen. Die zweite Forderung der Anarchie, der Wohlſtand für Alle, führt mit gleicher Nothwendigkeit zur Auflöſung des Staats und der Geſellſchaft, denn nach dem Sinne, welchen die Anarchie mit dieſer Forderung verbindet, iſt dieſelbe nichts mehr und nichts weniger, als eine vom Staate für die Liederlichkeit ausgeſetzte Prämie. Gerade ſo wie die Freiheit für Alle keineswegs dem gewiſſenhaften Manne Schutz gegen Unterdrückung durch ſchlechte Leidenſchaften gewähren, keines- wegs ihm die Bürgſchaft verſchaffen ſoll, daß er in einem wohlgeordneten Staate, ungehemmt durch menſchliche Will- kür oder durch verkehrte Geſetze, die Möglichkeit finde, ſeine ihm durch eine höhere Hand geſetzte Beſtimmung bei red- lichem Streben zu erreichen, ſondern ihn vielmehr der Willkür

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/13>, abgerufen am 19.04.2024.