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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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Jn den Bereich dieser Abstimmungen kann aber alles
Mögliche hereingezogen werden, Regierungsform und Be-
setzung der Stellen, Gesetze und einzelne Maßregeln, Religion
und Erziehung, Eigenthumsrechte, persönliche Freiheit, und
überhaupt Alles, was dem menschlichen Willen zugänglich
ist. Es wäre überflüssig, daran zu erinnern, daß bei dem
gegenwärtigen Zustande der menschlichen Gesellschaft von
diesen allgemeinen Abstimmungen keine heilsamen Beschlüsse
zu erwarten sind. Aber daran kann nicht oft genug er-
innert werden, daß durch die Bewilligung dieser Forderung
die Achtung vor dem Gesetz und vor Allem, was zu Recht
besteht oder als eine Pflicht gilt, gründlich vernichtet
wird, denn dieses Alles gilt da nicht mehr aus dem Grunde,
weil es an sich gut und recht ist, kraft seiner höheren
und selbstständigen Geltung, sondern nur als die Frucht
eines zufälligen Majoritätsbeschlusses, welcher ebenso gut
auch anders hätte ausfallen können, und welcher um so ge-
ringeren Werth sogar in den Augen der großen Menge hat,
je deutlicher diese sich bewußt ist, wie verächtliche Elemente
und Beweggründe zu diesem Beschlusse mitgewirkt haben.
Zudem gelten diese Beschlüsse höchstens für einen kurzen
Zeitraum von wenigen Jahren, wo dann durch entgegen-
gesetzte Beschlüsse Alles wieder über den Haufen geworfen
werden kann. Jn der Zwischenzeit hat dann jeder Einzelne
das Recht, gegen das Beschlossene zu wühlen, es in der
öffentlichen Meinung herabzusetzen, die einflußreichen Per-
sonen zu verdächtigen oder durch Drohungen einzuschüchtern,
das ohnehin geringe Vertrauen in den Bestand der Verhält-
nisse noch mehr zu erschüttern und wohl auch durch Ver-
sprechungen, welche auf die Staatskasse oder den Geldbeutel

Jn den Bereich dieſer Abſtimmungen kann aber alles
Mögliche hereingezogen werden, Regierungsform und Be-
ſetzung der Stellen, Geſetze und einzelne Maßregeln, Religion
und Erziehung, Eigenthumsrechte, perſönliche Freiheit, und
überhaupt Alles, was dem menſchlichen Willen zugänglich
iſt. Es wäre überflüſſig, daran zu erinnern, daß bei dem
gegenwärtigen Zuſtande der menſchlichen Geſellſchaft von
dieſen allgemeinen Abſtimmungen keine heilſamen Beſchlüſſe
zu erwarten ſind. Aber daran kann nicht oft genug er-
innert werden, daß durch die Bewilligung dieſer Forderung
die Achtung vor dem Geſetz und vor Allem, was zu Recht
beſteht oder als eine Pflicht gilt, gründlich vernichtet
wird, denn dieſes Alles gilt da nicht mehr aus dem Grunde,
weil es an ſich gut und recht iſt, kraft ſeiner höheren
und ſelbſtſtändigen Geltung, ſondern nur als die Frucht
eines zufälligen Majoritätsbeſchluſſes, welcher ebenſo gut
auch anders hätte ausfallen können, und welcher um ſo ge-
ringeren Werth ſogar in den Augen der großen Menge hat,
je deutlicher dieſe ſich bewußt iſt, wie verächtliche Elemente
und Beweggründe zu dieſem Beſchluſſe mitgewirkt haben.
Zudem gelten dieſe Beſchlüſſe höchſtens für einen kurzen
Zeitraum von wenigen Jahren, wo dann durch entgegen-
geſetzte Beſchlüſſe Alles wieder über den Haufen geworfen
werden kann. Jn der Zwiſchenzeit hat dann jeder Einzelne
das Recht, gegen das Beſchloſſene zu wühlen, es in der
öffentlichen Meinung herabzuſetzen, die einflußreichen Per-
ſonen zu verdächtigen oder durch Drohungen einzuſchüchtern,
das ohnehin geringe Vertrauen in den Beſtand der Verhält-
niſſe noch mehr zu erſchüttern und wohl auch durch Ver-
ſprechungen, welche auf die Staatskaſſe oder den Geldbeutel

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[6/0012] Jn den Bereich dieſer Abſtimmungen kann aber alles Mögliche hereingezogen werden, Regierungsform und Be- ſetzung der Stellen, Geſetze und einzelne Maßregeln, Religion und Erziehung, Eigenthumsrechte, perſönliche Freiheit, und überhaupt Alles, was dem menſchlichen Willen zugänglich iſt. Es wäre überflüſſig, daran zu erinnern, daß bei dem gegenwärtigen Zuſtande der menſchlichen Geſellſchaft von dieſen allgemeinen Abſtimmungen keine heilſamen Beſchlüſſe zu erwarten ſind. Aber daran kann nicht oft genug er- innert werden, daß durch die Bewilligung dieſer Forderung die Achtung vor dem Geſetz und vor Allem, was zu Recht beſteht oder als eine Pflicht gilt, gründlich vernichtet wird, denn dieſes Alles gilt da nicht mehr aus dem Grunde, weil es an ſich gut und recht iſt, kraft ſeiner höheren und ſelbſtſtändigen Geltung, ſondern nur als die Frucht eines zufälligen Majoritätsbeſchluſſes, welcher ebenſo gut auch anders hätte ausfallen können, und welcher um ſo ge- ringeren Werth ſogar in den Augen der großen Menge hat, je deutlicher dieſe ſich bewußt iſt, wie verächtliche Elemente und Beweggründe zu dieſem Beſchluſſe mitgewirkt haben. Zudem gelten dieſe Beſchlüſſe höchſtens für einen kurzen Zeitraum von wenigen Jahren, wo dann durch entgegen- geſetzte Beſchlüſſe Alles wieder über den Haufen geworfen werden kann. Jn der Zwiſchenzeit hat dann jeder Einzelne das Recht, gegen das Beſchloſſene zu wühlen, es in der öffentlichen Meinung herabzuſetzen, die einflußreichen Per- ſonen zu verdächtigen oder durch Drohungen einzuſchüchtern, das ohnehin geringe Vertrauen in den Beſtand der Verhält- niſſe noch mehr zu erſchüttern und wohl auch durch Ver- ſprechungen, welche auf die Staatskaſſe oder den Geldbeutel

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/12>, abgerufen am 19.04.2024.