Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Schluß.

Wenn es gegenwärtig noch einen Gedanken gibt, in
welchem Alle übereinstimmen, so ist es der, daß unsere jetzigen
Zustände auf die Dauer ganz unhaltbar sind und daß es für
Niemand eine Wohlthat wäre, wenn sie lange fortdauerten.
"Es muß anders werden," das ist die Ueberzeugung
aller Parteien. Und es wird anders werden, so gewiß, als
auf den Winter ein Frühling folgt. Daß wir zu etwas Besse-
rem geboren und fähig sind, als zu einem erbärmlichen Streit
um Formen, und zu einem das Herz austrocknenden Egois-
mus, das zeigt uns die Geschichte, indem sie uns lehrt, daß
wir etwas Besseres waren. Und das sagt uns auch unser
eigenes Herz. Wir fühlen, daß uns Etwas fehlt, ohne dessen
Besitz alles Andere werthlos ist. Vielleicht ist dieses Gefühl
zur Zeit noch nicht allgemein genug oder nicht lebendig genug,
um schon in der nächsten Zukunft die rechten Früchte tragen
zu können. Aber wir nähern uns jedenfalls mit starken
Schritten dem Zeitpunkt, wo die Hilfe am nächsten ist, weil
-- die Noth am größten ist. Das so lange schon in seiner
wahren Natur verkannte, in seinen heiligsten Rechten miß-
achtete sittliche Bewußtsein, welches seit Anbeginn der Welt so
oft schon unter den verschiedensten Verhältnissen und auch bei
dem geringsten Grade von Bildung den Menschen zum Glück
befähigte und sogar den meist so rohen und kindischen Vor-
stellungen heidnischer Religionen die Kraft verlieh, Ehr-
furcht vor Gott zu erzeugen, Staaten zu gründen und eine
gesittete Geselligkeit zu erhalten, diese sittliche Anlage des
Menschen erstirbt nie vollständig in der menschlichen Brust

Schluß.

Wenn es gegenwärtig noch einen Gedanken gibt, in
welchem Alle übereinſtimmen, ſo iſt es der, daß unſere jetzigen
Zuſtände auf die Dauer ganz unhaltbar ſind und daß es für
Niemand eine Wohlthat wäre, wenn ſie lange fortdauerten.
Es muß anders werden,“ das iſt die Ueberzeugung
aller Parteien. Und es wird anders werden, ſo gewiß, als
auf den Winter ein Frühling folgt. Daß wir zu etwas Beſſe-
rem geboren und fähig ſind, als zu einem erbärmlichen Streit
um Formen, und zu einem das Herz austrocknenden Egois-
mus, das zeigt uns die Geſchichte, indem ſie uns lehrt, daß
wir etwas Beſſeres waren. Und das ſagt uns auch unſer
eigenes Herz. Wir fühlen, daß uns Etwas fehlt, ohne deſſen
Beſitz alles Andere werthlos iſt. Vielleicht iſt dieſes Gefühl
zur Zeit noch nicht allgemein genug oder nicht lebendig genug,
um ſchon in der nächſten Zukunft die rechten Früchte tragen
zu können. Aber wir nähern uns jedenfalls mit ſtarken
Schritten dem Zeitpunkt, wo die Hilfe am nächſten iſt, weil
— die Noth am größten iſt. Das ſo lange ſchon in ſeiner
wahren Natur verkannte, in ſeinen heiligſten Rechten miß-
achtete ſittliche Bewußtſein, welches ſeit Anbeginn der Welt ſo
oft ſchon unter den verſchiedenſten Verhältniſſen und auch bei
dem geringſten Grade von Bildung den Menſchen zum Glück
befähigte und ſogar den meiſt ſo rohen und kindiſchen Vor-
ſtellungen heidniſcher Religionen die Kraft verlieh, Ehr-
furcht vor Gott zu erzeugen, Staaten zu gründen und eine
geſittete Geſelligkeit zu erhalten, dieſe ſittliche Anlage des
Menſchen erſtirbt nie vollſtändig in der menſchlichen Bruſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0120" n="114"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Schluß.</hi> </hi> </head><lb/>
        <p>Wenn es gegenwärtig noch einen Gedanken gibt, in<lb/>
welchem Alle überein&#x017F;timmen, &#x017F;o i&#x017F;t es der, daß un&#x017F;ere jetzigen<lb/>
Zu&#x017F;tände auf die Dauer ganz unhaltbar &#x017F;ind und daß es für<lb/>
Niemand eine Wohlthat wäre, wenn &#x017F;ie lange fortdauerten.<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">Es muß anders werden,</hi>&#x201C; das i&#x017F;t die Ueberzeugung<lb/>
aller Parteien. Und es <hi rendition="#g">wird</hi> anders werden, &#x017F;o gewiß, als<lb/>
auf den Winter ein Frühling folgt. Daß wir zu etwas Be&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
rem geboren und fähig &#x017F;ind, als zu einem erbärmlichen Streit<lb/>
um Formen, und zu einem das Herz austrocknenden Egois-<lb/>
mus, das zeigt uns die Ge&#x017F;chichte, indem &#x017F;ie uns lehrt, daß<lb/>
wir etwas Be&#x017F;&#x017F;eres <hi rendition="#g">waren.</hi> Und das &#x017F;agt uns auch un&#x017F;er<lb/>
eigenes Herz. Wir fühlen, daß uns Etwas fehlt, ohne de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Be&#x017F;itz alles Andere werthlos i&#x017F;t. Vielleicht i&#x017F;t die&#x017F;es Gefühl<lb/>
zur Zeit noch nicht allgemein genug oder nicht lebendig genug,<lb/>
um &#x017F;chon in der näch&#x017F;ten Zukunft die rechten Früchte tragen<lb/>
zu können. Aber wir nähern uns jedenfalls mit &#x017F;tarken<lb/>
Schritten dem Zeitpunkt, wo die Hilfe am näch&#x017F;ten i&#x017F;t, weil<lb/>
&#x2014; die Noth am größten i&#x017F;t. Das &#x017F;o lange &#x017F;chon in &#x017F;einer<lb/>
wahren Natur verkannte, in &#x017F;einen heilig&#x017F;ten Rechten miß-<lb/>
achtete &#x017F;ittliche Bewußt&#x017F;ein, welches &#x017F;eit Anbeginn der Welt &#x017F;o<lb/>
oft &#x017F;chon unter den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Verhältni&#x017F;&#x017F;en und auch bei<lb/>
dem gering&#x017F;ten Grade von Bildung den Men&#x017F;chen zum Glück<lb/>
befähigte und &#x017F;ogar den mei&#x017F;t &#x017F;o rohen und kindi&#x017F;chen Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen heidni&#x017F;cher Religionen die Kraft verlieh, Ehr-<lb/>
furcht vor Gott zu erzeugen, Staaten zu gründen und eine<lb/>
ge&#x017F;ittete Ge&#x017F;elligkeit zu erhalten, die&#x017F;e &#x017F;ittliche Anlage des<lb/>
Men&#x017F;chen er&#x017F;tirbt nie voll&#x017F;tändig in der men&#x017F;chlichen Bru&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0120] Schluß. Wenn es gegenwärtig noch einen Gedanken gibt, in welchem Alle übereinſtimmen, ſo iſt es der, daß unſere jetzigen Zuſtände auf die Dauer ganz unhaltbar ſind und daß es für Niemand eine Wohlthat wäre, wenn ſie lange fortdauerten. „Es muß anders werden,“ das iſt die Ueberzeugung aller Parteien. Und es wird anders werden, ſo gewiß, als auf den Winter ein Frühling folgt. Daß wir zu etwas Beſſe- rem geboren und fähig ſind, als zu einem erbärmlichen Streit um Formen, und zu einem das Herz austrocknenden Egois- mus, das zeigt uns die Geſchichte, indem ſie uns lehrt, daß wir etwas Beſſeres waren. Und das ſagt uns auch unſer eigenes Herz. Wir fühlen, daß uns Etwas fehlt, ohne deſſen Beſitz alles Andere werthlos iſt. Vielleicht iſt dieſes Gefühl zur Zeit noch nicht allgemein genug oder nicht lebendig genug, um ſchon in der nächſten Zukunft die rechten Früchte tragen zu können. Aber wir nähern uns jedenfalls mit ſtarken Schritten dem Zeitpunkt, wo die Hilfe am nächſten iſt, weil — die Noth am größten iſt. Das ſo lange ſchon in ſeiner wahren Natur verkannte, in ſeinen heiligſten Rechten miß- achtete ſittliche Bewußtſein, welches ſeit Anbeginn der Welt ſo oft ſchon unter den verſchiedenſten Verhältniſſen und auch bei dem geringſten Grade von Bildung den Menſchen zum Glück befähigte und ſogar den meiſt ſo rohen und kindiſchen Vor- ſtellungen heidniſcher Religionen die Kraft verlieh, Ehr- furcht vor Gott zu erzeugen, Staaten zu gründen und eine geſittete Geſelligkeit zu erhalten, dieſe ſittliche Anlage des Menſchen erſtirbt nie vollſtändig in der menſchlichen Bruſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/120
Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/120>, abgerufen am 30.04.2024.