Allgemeine Zeitung, Nr. 98, 8. April 1849.[Spaltenumbruch]
tion und der Torypartei, würde zur Königin beschieden werden. Lord * London, 1 April. Hier gehen die Dinge ihren ruhigen Gang Italien. sha Genua, 28 März. Seit dem Wiederbeginnen der Feindseligkei- [Spaltenumbruch]
tion und der Torypartei, würde zur Königin beſchieden werden. Lord * London, 1 April. Hier gehen die Dinge ihren ruhigen Gang Italien. ᔕ Genua, 28 März. Seit dem Wiederbeginnen der Feindſeligkei- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0007" n="1503"/><cb/> tion und der Torypartei, würde zur Königin beſchieden werden. Lord<lb/> Stanley iſt dreiſt genug die Bildung einer Regierung zu übernehmen, das<lb/> Haus der Gemeinen aufzuköſen und mittels einer neuen allgemeinen Wahl<lb/> an das Land zu appelliren. Allein aus welchen Stoffen würde ſein. Ca-<lb/> binet beſtehen? Im Unterhaus wären Goulburn, Herries, Bankes und<lb/> Diſraeli buchſtäblich die einzig brauchbaren Namen; denn alle fähigeren<lb/> Conſervativen, Peel, Graham, Gladſtone, Lincoln u. a. haben mit den<lb/> Whigs für Abſchaffung der Navigationsgeſetze geſtimmt. — Ein Verſuch<lb/> ein reines Tory-Miniſterium zu bilden mag gewagt werden, aber es kann<lb/> nur von ſehr kurzer Dauer ſeyn. Zwar ich zweifle ob ein ſolches Cabinet<lb/> überall zu Stande kommen kann, und mißlänge der Verſuch, dann wäre<lb/> die ſchon mehrfach beabſichtigte Verſchmelzung zwiſchen den liberalen Con-<lb/> ſervativen und den conſervativen Whigs — die Bildung eines Coalitions-<lb/> miniſteriums — weſentlich erleichtert. Sir Robert Peel hat eine ſehr<lb/> hervorragende und gebieteriſche Stellung in Bezug auf Irland eingenom-<lb/> men, wo er die überſchuldeten Güter von ihren jetzigen ſchlechten Wirthen<lb/> befreien, und ſie mit einer zahlreichen engliſchen Einwanderung beſtedeln<lb/> will. Es läßt ſich kaum glauben daß ein großer Staatsmann wie Peel,<lb/> der eben jetzt mit einem ſo großen Plan hervortritt, der Regierungsgewalt<lb/> auf immer Lebewohl geſagt habe; vielmehr iſt es wahrſcheinlicher gewor-<lb/> den als es noch vor einigen Monaten war, daß England früher oder ſpä-<lb/> ter wieder zu einem Miniſterium gelange, welches ſein und Europa’s Ver-<lb/> trauen beſſer verdienen wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">London,</hi> 1 April.</dateline><lb/> <p>Hier gehen die Dinge ihren ruhigen Gang<lb/> fort. Die gräßliche Armuth in einem Theile Irlands beunruhigt und<lb/> beſchäftigt zwar immerfort das Publicum überhaupt und das Parlament<lb/> insbeſondere; doch iſt in politiſcher Hinſicht jenes Land ſo ganz beruhigt,<lb/> daß ſelbſt Parlamentsmitglieder es wagen als einen Grund darauf hinzu-<lb/> weiſen, weßwegen ſie die Regierung um die Freilaſſung Duffy’s angegan-<lb/> gen. Auch hört man von den meiſten Gegenden des Landes daß größere<lb/> und kleinere Pächter eifrig zum Anbau des Bodens zurückgekehrt find, und<lb/> ſtatt der gefährdeten Kartoffel häufig Hafer, Gerſte, Wurzeln und künſt-<lb/> liche Grasarten anbauen; ja hier und da ernſtlich um Flachsſamen und<lb/> Unterricht in dem Anbau dieſes wichtigen Products gebeten haben. Aber<lb/> trotzdem gibt es große Strecken im Lande, wo bei einer gedrängten Beröl-<lb/> kerung der Boden gänzlich unangebaut bleibt, und die Maſſen nicht nur<lb/> für den Augenblick ohne Nahrung find, ſondern auch keine Anſtalt treffen<lb/> für die nächſte Ernte Nahrung aus dem Boden zu ziehen. Deſſenunge-<lb/> achtet findet in der Widerſetzlichkeit gegen die vorgeſchlagene Armenſteuer<lb/> im übrigen Lande zur Unterſtützung dieſer armſeligen Gegenden keine<lb/> Milderung ſtatt. Die Gutsbeſitzer haben freilich anerkennen lernen daß<lb/> es unrecht ſeyn würde dieſe Bürde ein Jahr nach dem andern England<lb/> aufzuladen. Aber ſie erklären, ſie wollen lieber die Vermögen- und Ein-<lb/> kommenſteuer in Irland eingeführt ſehen, weil dieſe alle Claſſen und nicht<lb/> die verarmten Gutsbeſitzer allein erreichen würde. Dahin wird es auch<lb/> wahrſcheinlich kommen, wenn auch die Regierung fürs erſte ihren Vor-<lb/> ſchlag durchſetzt. Peel unterſtützt ſie; obgleich er meint daß noch viel<lb/> mehr geſchehen müſſe um dem iriſchen Elend ein Ende zu machen. Er<lb/> wünſcht daß eine Commiſſion eingeſetzt werde welche die Verwaltung der<lb/> verarmten Gegenden auf ſich nehme, die verlaſſenen Güter bebaue, die<lb/> verſchuldeten veräußere, Landſtraßen anlege, Auswanderung befördere,<lb/> kurz alles thue was ſich nur immer thun laſſe, um allmählich die Bevölke-<lb/> rung dem Ertrag des Bodens anzupaſſen, und den Boden ſo einträglich<lb/> als immer möglich zu machen. Er möchte freilich gegen die welche jetzt<lb/> für deſſen Eigenthümer gelten nicht zu gewaltſam verfahren; aber um<lb/> einem großen drängenden Uebel zu begegnen hat er nichts dawider daß<lb/> man, mit Umgehung der Perſönlichkeiten des Kanzleihofes durch Art von<lb/> Standrecht entſcheide wem der Boden wirklich gehört. Dann aber<lb/> möchte er auch, ſtatt daß man das gewonnene Land wieder in Maſſe ver-<lb/> kaufe, es in kleineren Abſchnitten verkaufen und ſo es in die Hände von<lb/> kleineren Capitaliſten bringen, welche es für ihre eigene Rechnung an-<lb/> bauen, und größere Anſtrengungen zu deſſen Verbeſſerung machen wür-<lb/> den als ariſtokratiſche Gutsbeſitzer. Ob dieſe hingeworfenen Ideen ſich<lb/> ausführen laſſen oder nicht, iſt freilich eine für Irland, ja für das ganze<lb/> Reich wichtige Frage. Peel aber wird damit unendlich bei den Mittel-<lb/> claſſen gewinnen, denen im allgemeinen nichts willkommener iſt als die<lb/> ſogenannte Erweiterung des Ländereimarktes, wodurch der Boden wie<lb/> alle andern Dinge dem Handel hingegeben zu werden verſpricht. — Unter-<lb/> deſſen währt auch in England die Gährung unter den Landleuten immer<lb/> fort, wobei diejenigen Pächter welche die Gutsherren früher zur Unter-<lb/> ſtützung des Korngeſetzes vorgeſchoben, ſich immer unabhängiger machen,<lb/> und kühner ihre eigene Straße einſchlagen. Da wird es denn immer<lb/> deutlicher daß dieſe die Abſchaffung der Hopfen- und Malzſteuer zur Vo-<lb/> gelſcheuche machen wollen. Dieſe Steuern, ſagen ſie, drücken den Land-<lb/> mann; und wenn ihr uns nicht aufs neue gegen die Concurrenz des Aus-<lb/><cb/> länders ſchützet, ſo müßt ihr uns von denſelben befreien, gleichviel was<lb/> die Folgen ſeyen. Natürlich klopfen ihnen die Oekonomiſten dabei auf<lb/> die Achſeln, indem ſie meinen: wenn dem Staatsſchatz erſt 5 bis 10 Mil-<lb/> lionen ſeiner Einkünfte entzogen ſeyen, da müſſe die Regierung ſchon auf<lb/> eine große Verminderung von Heer und Flotte denken. Die Gutshetren<lb/> aber wiſſen dabei gar nicht was ſie thun ſollen. Ihnen iſt es nur um<lb/> die Erhaltung der bisherigen hohen. Zinſen zu thun, und ſie möchten da-<lb/> her gern die Schutzzölle zurückbringen. Indem ſie aber erkennen müſſen<lb/> daß ſie ſtatt dieſelben zu erhalten, Gefahr laufen durch jene Verminderung<lb/> die beſten Gelegenheiten für die Verſorgung ihrer jüngern Söhne zu ver-<lb/> lieren, ſcheinen viele geneigt den Sturm den ſie angefacht wieder zu be-<lb/> ſchwichtigen. — Die Zeitungen melden daß ein Pfarrer auf dem Lande<lb/> ſeiner Pfründe entſagt, und nach dem Beiſpiele Baptiſt Noels die bi-<lb/> ſchöfliche Kirche verlaſſen hat.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>ᔕ <hi rendition="#b">Genua</hi>, 28 März.</dateline><lb/> <p>Seit dem Wiederbeginnen der Feindſeligkei-<lb/> ten hatte es hier an allen officiellen Neuigkeiten gemangelt, und nach Pri-<lb/> vatbriefen erfüllten die allerabgeſchmackteſten und widerſprechendſten Ge-<lb/> rüchte dieſe Stadt. Schon am 22 hieß es diß die piemonteſiſche Armee<lb/> ſtegreich in Mailand eingezogen, nachdem das öſterreichiſche Armeecorps un-<lb/> ter d’Aſpre gänzlich geſchlagen und nicht weniger als 40,000 Oeſterreicher<lb/> auf piemonteſtſchem Grund und Boden zu Gefangenen gemacht worden<lb/> ſeyen. Aehnliche tolle Gerüchte erhielten mehrere Tage hintereinander die<lb/> hieſige Einwohnerſchaft guten Muths, bis endlich vorgeſtern nicht länger<lb/> an der Niederlage zu zweifeln blieb welche die Piemonteſen am 23 erlitten.<lb/> Ein ſcharfes Verbot gegen jede Privatmittheilung von den Ereigruſſen im<lb/> Feldlager wurde hier ſogar auf die Gazetta di Genova erſtreckt. Erſt geſtern<lb/> Nachmittag wurde die officielle Nachricht von jenem Treffen und von der<lb/> Abdankung Karl Alberts bier durch öffentliche Anſchlagzettel bekannt ge-<lb/> macht. Am Fuße dieſer Bekanntmachung befanden ſich in großer Schrift<lb/> die Worte: <hi rendition="#aq">Viva Vittorio Emanuele II,</hi> welche ſogleich vom Volk abge-<lb/> riſſen wurden. Das Bulletin von der Schlacht ſelbſt iſt ſehr weitſchweiſig,<lb/> ſagt aber im ganzen nur daß die Oeſterreicher am 23 Morgens um 11 Uhr<lb/> die Piemonteſen auf dem linken Flügel mit einer ſolchen Heftigkeit angrif-<lb/> fen daß das Feuer ſich in wenigen Minuten über die ganze Linie verbrei-<lb/> tete. Das Regiment Savona (genueſiſch), welches ſich in erſter Linie be-<lb/> fand, wich vor dem Feinde, und die Brigade Savoyen trat an deſſen Stelle.<lb/> Unterdeſſen ließ das Feuer der Oeſterreicher auf unſerm linken Flügel<lb/> nach, während ihr Angriff ſich mit verdoppelter Wuth gegen unſer Cen-<lb/> trum richtete, welches bei einer Maierei, die Citadelle genannt, aufgeſtellt<lb/> war. Dieſe Citadelle wurde mehrmals von den Oeſterreichern und von<lb/> den Unſrigen genommen, wobei ſich beſonders die Brigaden Caſale, Acqui,<lb/> und Parma unter dem Commando des Generals Bes tapfer bewieſen.<lb/> Späterhin ward der Angriff der Oeſterreicher wieder gänzlich gegen unſere<lb/> Linke gerichtet, ſo daß die Brigaden Savona und Savoyen ſich auf die<lb/> Bicocca zurückwarfen. Kurz darauf wurden ſie auch aus dieſer Stellung<lb/> vertrieben, wodurch das Schickſal des Tages entſchieden wurde. Der Her-<lb/> zog von Genua welcher mit der Reſerve herbeigeeilt war, hielt ſich ſehr<lb/> tapfer und focht zu Fuß, nachdem ihm mehrere Pferde getödtet oder ver-<lb/> wundet worden. Sein Muth und ſeine perſönliche Tapferkeit konnten jedoch<lb/> die Schlacht nicht retten. Die Oeſterreicher warfen ſich nun mit ihrer ganzen<lb/> Macht auf unſer Centrum, welchem der rechte Flügel ſogleich zu Hülfe<lb/> eilte. Die Schlacht ward mörderiſch und lange unentſchieden, bis endlich<lb/> ein Bataillon der Unſrigen nach dem andern wich, ſo daß mit einbrechen-<lb/> der Nacht uns nichts übrig blieb als den Rückmarſch zu blaſen. Von der<lb/> Zahl der Todten, Verwundeten und Gefangenen erwähnt das Bulletin<lb/> nicht ein Wort. In einer Nachſchrift heißt es ſodann: „Se. Majeſtät<lb/> Karl Albert ſetzte ſich überall dem feindlichen Feuer aus wo es am hef-<lb/> tigſten war, und ſelbſt noch am Abend ſtand er auf den Wällen der Stadt<lb/> hinter welchen wir uns vertheidigten, ſo daß der General Durando ihn<lb/> endlich beim Arme nahm und ihn mit Gewalt von einer Stelle entfernen<lb/> wollte wo er ſich unnützerweiſe der größten Gefahr ausſetzte. Karl<lb/> Albert widerſtand ihm, indem er ausrief: Laßt mich ſterben, General,<lb/> dieß iſt der letzte Tag meines Lebens! Bald darauf überzeugte der König<lb/> ſich jedoch daß jeder Widerſtand fruchtlos ſey, und er ſogar um einen<lb/> Waffenſtillſtand bitten und harte Vedingungen unterzeichnen müſſe. Er<lb/> erklärte daher ſein Tagwerk für beendet und ſeinen feſten Entſchluß zu<lb/> Gunſten des Herzogs von Savoyen abzudanken. Die Herzoge von Sa-<lb/> voyen und von Genua, der Miniſter Cadorna, der Generalmajor Chrza-<lb/> nowski und die Adjutanten des Königs, welche ſich um ſeine Perſon<lb/> befanden, drangen in ihn dieſen Beſchluß zu widerrufen. Doch Karl<lb/> Albert erwiderte mit großer Ruhe und Feſtigkeit: „Mein Entſchluß iſt<lb/> gefaßt, ich bin nicht länger der König; mein Sohn Victor Emanuel iſt<lb/> jetzt euer König!“ Darauf umarmte er ſeine Söhne und die Umſtehenden,<lb/> und reiste ſchon um Mitternacht nur von zwei Dienern begleitet ab.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1503/0007]
tion und der Torypartei, würde zur Königin beſchieden werden. Lord
Stanley iſt dreiſt genug die Bildung einer Regierung zu übernehmen, das
Haus der Gemeinen aufzuköſen und mittels einer neuen allgemeinen Wahl
an das Land zu appelliren. Allein aus welchen Stoffen würde ſein. Ca-
binet beſtehen? Im Unterhaus wären Goulburn, Herries, Bankes und
Diſraeli buchſtäblich die einzig brauchbaren Namen; denn alle fähigeren
Conſervativen, Peel, Graham, Gladſtone, Lincoln u. a. haben mit den
Whigs für Abſchaffung der Navigationsgeſetze geſtimmt. — Ein Verſuch
ein reines Tory-Miniſterium zu bilden mag gewagt werden, aber es kann
nur von ſehr kurzer Dauer ſeyn. Zwar ich zweifle ob ein ſolches Cabinet
überall zu Stande kommen kann, und mißlänge der Verſuch, dann wäre
die ſchon mehrfach beabſichtigte Verſchmelzung zwiſchen den liberalen Con-
ſervativen und den conſervativen Whigs — die Bildung eines Coalitions-
miniſteriums — weſentlich erleichtert. Sir Robert Peel hat eine ſehr
hervorragende und gebieteriſche Stellung in Bezug auf Irland eingenom-
men, wo er die überſchuldeten Güter von ihren jetzigen ſchlechten Wirthen
befreien, und ſie mit einer zahlreichen engliſchen Einwanderung beſtedeln
will. Es läßt ſich kaum glauben daß ein großer Staatsmann wie Peel,
der eben jetzt mit einem ſo großen Plan hervortritt, der Regierungsgewalt
auf immer Lebewohl geſagt habe; vielmehr iſt es wahrſcheinlicher gewor-
den als es noch vor einigen Monaten war, daß England früher oder ſpä-
ter wieder zu einem Miniſterium gelange, welches ſein und Europa’s Ver-
trauen beſſer verdienen wird.
* London, 1 April.
Hier gehen die Dinge ihren ruhigen Gang
fort. Die gräßliche Armuth in einem Theile Irlands beunruhigt und
beſchäftigt zwar immerfort das Publicum überhaupt und das Parlament
insbeſondere; doch iſt in politiſcher Hinſicht jenes Land ſo ganz beruhigt,
daß ſelbſt Parlamentsmitglieder es wagen als einen Grund darauf hinzu-
weiſen, weßwegen ſie die Regierung um die Freilaſſung Duffy’s angegan-
gen. Auch hört man von den meiſten Gegenden des Landes daß größere
und kleinere Pächter eifrig zum Anbau des Bodens zurückgekehrt find, und
ſtatt der gefährdeten Kartoffel häufig Hafer, Gerſte, Wurzeln und künſt-
liche Grasarten anbauen; ja hier und da ernſtlich um Flachsſamen und
Unterricht in dem Anbau dieſes wichtigen Products gebeten haben. Aber
trotzdem gibt es große Strecken im Lande, wo bei einer gedrängten Beröl-
kerung der Boden gänzlich unangebaut bleibt, und die Maſſen nicht nur
für den Augenblick ohne Nahrung find, ſondern auch keine Anſtalt treffen
für die nächſte Ernte Nahrung aus dem Boden zu ziehen. Deſſenunge-
achtet findet in der Widerſetzlichkeit gegen die vorgeſchlagene Armenſteuer
im übrigen Lande zur Unterſtützung dieſer armſeligen Gegenden keine
Milderung ſtatt. Die Gutsbeſitzer haben freilich anerkennen lernen daß
es unrecht ſeyn würde dieſe Bürde ein Jahr nach dem andern England
aufzuladen. Aber ſie erklären, ſie wollen lieber die Vermögen- und Ein-
kommenſteuer in Irland eingeführt ſehen, weil dieſe alle Claſſen und nicht
die verarmten Gutsbeſitzer allein erreichen würde. Dahin wird es auch
wahrſcheinlich kommen, wenn auch die Regierung fürs erſte ihren Vor-
ſchlag durchſetzt. Peel unterſtützt ſie; obgleich er meint daß noch viel
mehr geſchehen müſſe um dem iriſchen Elend ein Ende zu machen. Er
wünſcht daß eine Commiſſion eingeſetzt werde welche die Verwaltung der
verarmten Gegenden auf ſich nehme, die verlaſſenen Güter bebaue, die
verſchuldeten veräußere, Landſtraßen anlege, Auswanderung befördere,
kurz alles thue was ſich nur immer thun laſſe, um allmählich die Bevölke-
rung dem Ertrag des Bodens anzupaſſen, und den Boden ſo einträglich
als immer möglich zu machen. Er möchte freilich gegen die welche jetzt
für deſſen Eigenthümer gelten nicht zu gewaltſam verfahren; aber um
einem großen drängenden Uebel zu begegnen hat er nichts dawider daß
man, mit Umgehung der Perſönlichkeiten des Kanzleihofes durch Art von
Standrecht entſcheide wem der Boden wirklich gehört. Dann aber
möchte er auch, ſtatt daß man das gewonnene Land wieder in Maſſe ver-
kaufe, es in kleineren Abſchnitten verkaufen und ſo es in die Hände von
kleineren Capitaliſten bringen, welche es für ihre eigene Rechnung an-
bauen, und größere Anſtrengungen zu deſſen Verbeſſerung machen wür-
den als ariſtokratiſche Gutsbeſitzer. Ob dieſe hingeworfenen Ideen ſich
ausführen laſſen oder nicht, iſt freilich eine für Irland, ja für das ganze
Reich wichtige Frage. Peel aber wird damit unendlich bei den Mittel-
claſſen gewinnen, denen im allgemeinen nichts willkommener iſt als die
ſogenannte Erweiterung des Ländereimarktes, wodurch der Boden wie
alle andern Dinge dem Handel hingegeben zu werden verſpricht. — Unter-
deſſen währt auch in England die Gährung unter den Landleuten immer
fort, wobei diejenigen Pächter welche die Gutsherren früher zur Unter-
ſtützung des Korngeſetzes vorgeſchoben, ſich immer unabhängiger machen,
und kühner ihre eigene Straße einſchlagen. Da wird es denn immer
deutlicher daß dieſe die Abſchaffung der Hopfen- und Malzſteuer zur Vo-
gelſcheuche machen wollen. Dieſe Steuern, ſagen ſie, drücken den Land-
mann; und wenn ihr uns nicht aufs neue gegen die Concurrenz des Aus-
länders ſchützet, ſo müßt ihr uns von denſelben befreien, gleichviel was
die Folgen ſeyen. Natürlich klopfen ihnen die Oekonomiſten dabei auf
die Achſeln, indem ſie meinen: wenn dem Staatsſchatz erſt 5 bis 10 Mil-
lionen ſeiner Einkünfte entzogen ſeyen, da müſſe die Regierung ſchon auf
eine große Verminderung von Heer und Flotte denken. Die Gutshetren
aber wiſſen dabei gar nicht was ſie thun ſollen. Ihnen iſt es nur um
die Erhaltung der bisherigen hohen. Zinſen zu thun, und ſie möchten da-
her gern die Schutzzölle zurückbringen. Indem ſie aber erkennen müſſen
daß ſie ſtatt dieſelben zu erhalten, Gefahr laufen durch jene Verminderung
die beſten Gelegenheiten für die Verſorgung ihrer jüngern Söhne zu ver-
lieren, ſcheinen viele geneigt den Sturm den ſie angefacht wieder zu be-
ſchwichtigen. — Die Zeitungen melden daß ein Pfarrer auf dem Lande
ſeiner Pfründe entſagt, und nach dem Beiſpiele Baptiſt Noels die bi-
ſchöfliche Kirche verlaſſen hat.
Italien.
ᔕ Genua, 28 März.
Seit dem Wiederbeginnen der Feindſeligkei-
ten hatte es hier an allen officiellen Neuigkeiten gemangelt, und nach Pri-
vatbriefen erfüllten die allerabgeſchmackteſten und widerſprechendſten Ge-
rüchte dieſe Stadt. Schon am 22 hieß es diß die piemonteſiſche Armee
ſtegreich in Mailand eingezogen, nachdem das öſterreichiſche Armeecorps un-
ter d’Aſpre gänzlich geſchlagen und nicht weniger als 40,000 Oeſterreicher
auf piemonteſtſchem Grund und Boden zu Gefangenen gemacht worden
ſeyen. Aehnliche tolle Gerüchte erhielten mehrere Tage hintereinander die
hieſige Einwohnerſchaft guten Muths, bis endlich vorgeſtern nicht länger
an der Niederlage zu zweifeln blieb welche die Piemonteſen am 23 erlitten.
Ein ſcharfes Verbot gegen jede Privatmittheilung von den Ereigruſſen im
Feldlager wurde hier ſogar auf die Gazetta di Genova erſtreckt. Erſt geſtern
Nachmittag wurde die officielle Nachricht von jenem Treffen und von der
Abdankung Karl Alberts bier durch öffentliche Anſchlagzettel bekannt ge-
macht. Am Fuße dieſer Bekanntmachung befanden ſich in großer Schrift
die Worte: Viva Vittorio Emanuele II, welche ſogleich vom Volk abge-
riſſen wurden. Das Bulletin von der Schlacht ſelbſt iſt ſehr weitſchweiſig,
ſagt aber im ganzen nur daß die Oeſterreicher am 23 Morgens um 11 Uhr
die Piemonteſen auf dem linken Flügel mit einer ſolchen Heftigkeit angrif-
fen daß das Feuer ſich in wenigen Minuten über die ganze Linie verbrei-
tete. Das Regiment Savona (genueſiſch), welches ſich in erſter Linie be-
fand, wich vor dem Feinde, und die Brigade Savoyen trat an deſſen Stelle.
Unterdeſſen ließ das Feuer der Oeſterreicher auf unſerm linken Flügel
nach, während ihr Angriff ſich mit verdoppelter Wuth gegen unſer Cen-
trum richtete, welches bei einer Maierei, die Citadelle genannt, aufgeſtellt
war. Dieſe Citadelle wurde mehrmals von den Oeſterreichern und von
den Unſrigen genommen, wobei ſich beſonders die Brigaden Caſale, Acqui,
und Parma unter dem Commando des Generals Bes tapfer bewieſen.
Späterhin ward der Angriff der Oeſterreicher wieder gänzlich gegen unſere
Linke gerichtet, ſo daß die Brigaden Savona und Savoyen ſich auf die
Bicocca zurückwarfen. Kurz darauf wurden ſie auch aus dieſer Stellung
vertrieben, wodurch das Schickſal des Tages entſchieden wurde. Der Her-
zog von Genua welcher mit der Reſerve herbeigeeilt war, hielt ſich ſehr
tapfer und focht zu Fuß, nachdem ihm mehrere Pferde getödtet oder ver-
wundet worden. Sein Muth und ſeine perſönliche Tapferkeit konnten jedoch
die Schlacht nicht retten. Die Oeſterreicher warfen ſich nun mit ihrer ganzen
Macht auf unſer Centrum, welchem der rechte Flügel ſogleich zu Hülfe
eilte. Die Schlacht ward mörderiſch und lange unentſchieden, bis endlich
ein Bataillon der Unſrigen nach dem andern wich, ſo daß mit einbrechen-
der Nacht uns nichts übrig blieb als den Rückmarſch zu blaſen. Von der
Zahl der Todten, Verwundeten und Gefangenen erwähnt das Bulletin
nicht ein Wort. In einer Nachſchrift heißt es ſodann: „Se. Majeſtät
Karl Albert ſetzte ſich überall dem feindlichen Feuer aus wo es am hef-
tigſten war, und ſelbſt noch am Abend ſtand er auf den Wällen der Stadt
hinter welchen wir uns vertheidigten, ſo daß der General Durando ihn
endlich beim Arme nahm und ihn mit Gewalt von einer Stelle entfernen
wollte wo er ſich unnützerweiſe der größten Gefahr ausſetzte. Karl
Albert widerſtand ihm, indem er ausrief: Laßt mich ſterben, General,
dieß iſt der letzte Tag meines Lebens! Bald darauf überzeugte der König
ſich jedoch daß jeder Widerſtand fruchtlos ſey, und er ſogar um einen
Waffenſtillſtand bitten und harte Vedingungen unterzeichnen müſſe. Er
erklärte daher ſein Tagwerk für beendet und ſeinen feſten Entſchluß zu
Gunſten des Herzogs von Savoyen abzudanken. Die Herzoge von Sa-
voyen und von Genua, der Miniſter Cadorna, der Generalmajor Chrza-
nowski und die Adjutanten des Königs, welche ſich um ſeine Perſon
befanden, drangen in ihn dieſen Beſchluß zu widerrufen. Doch Karl
Albert erwiderte mit großer Ruhe und Feſtigkeit: „Mein Entſchluß iſt
gefaßt, ich bin nicht länger der König; mein Sohn Victor Emanuel iſt
jetzt euer König!“ Darauf umarmte er ſeine Söhne und die Umſtehenden,
und reiste ſchon um Mitternacht nur von zwei Dienern begleitet ab.
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(2022-09-09T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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