Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848.[Spaltenumbruch]
und Osten zur Beute. Die jetzt in Stuttgart berathenden vier, vielleicht Köln, 15 März. Daß der Prinz von Preußen, auf dessen Berlin, 15 März. Was wir gestern in einer Correspondenz *) Der Verfasser obigen Briefs ahnte nicht daß in dem Augenblick als er
diese trüben Betrachtungen niederschrieb, der Umschwung der Dinge in Wien vollendet war. [Spaltenumbruch]
und Oſten zur Beute. Die jetzt in Stuttgart berathenden vier, vielleicht ⊙ Köln, 15 März. Daß der Prinz von Preußen, auf deſſen Berlin, 15 März. Was wir geſtern in einer Correſpondenz *) Der Verfaſſer obigen Briefs ahnte nicht daß in dem Augenblick als er
dieſe trüben Betrachtungen niederſchrieb, der Umſchwung der Dinge in Wien vollendet war. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jComment" n="4"> <p><pb facs="#f0005" n="1253"/><cb/> und Oſten zur Beute. Die jetzt in Stuttgart berathenden vier, vielleicht<lb/> fünf Cabinette haben den König von Preußen zur Hegemonie berufen;<lb/> lehnt Preußen ab, zaudert es noch länger, ſo ſteht der Sonderbund da,<lb/> und niemand darf die Cabinette die ihn dann ſchließen für deſſen un-<lb/> ſelige Folgen anklagen, die zum äußerſten ein- und umſchlagen werden,<lb/> wenn und wo der, doch in ſich verzweifelnde, ſtörriſche Eigenſinn die<lb/> Fortſetzung der Reaction verſuchen ſollte. Es iſt ehrenwerth ſeine Exi-<lb/> ſtenz an ſeine Ueberzeugung ſetzen, für und mit ſeinem Grundſatze unter-<lb/> gehen, es iſt aber ein Verbrechen ſein Vaterland und ſein Volk aufs<lb/> Spiel ſetzen. Jndividuen können und ſollen jenes; die Könige aber find<lb/> nicht ſolche Jndividuen für ſich, ſelbſt von Gottes Gnaden find ſie eins<lb/> und untheilbar mit dem Volke, find in ſolchem Sinne das Höchſte, eine<lb/> Jdee. — Damit aber Preußen, deſſen fleckenloſer König mit reiner Hand<lb/> und reinem Leben, zu der perſönlichen Achtung auch das feſte Vertrauen<lb/> der Nation gewinne, muß Preußen, damit es der ſtarke Hort Deutſch-<lb/> lands bleibe, raſch und entſchloſſen, ohne Arg und diplomatiſche Rück-<lb/> ſicht, in den Mittelpunkt treten; damit es dieſen behaupten und die Be-<lb/> wegung mit ſtarker Hand bemeiſtern könne und dazu das Vertrauen der<lb/> deutſchen Nation gewinne, muß es in ſeinem Jnnern großartig das voll-<lb/> enden was es minder ſo am 3 Febr. 1847 begonnen, die Repräſentativ-<lb/> Verfaſſung geben, ſeine Kammern <hi rendition="#g">ſofort</hi> berufen, ihnen die früher ver-<lb/> ſprochenen (wir glauben immer noch nicht eigentlich geweigerten, ſondern<lb/> nur, zu wenig vertrauend und die eigentlichen Verhältniſſe verkennend,<lb/> vielleicht kleinmüthigen oder perſiden fremden Einflüſſen zugänglich, zu-<lb/> rückgehaltenen) Rechte — es find alte gute Rechte, älter als die vorge-<lb/> ſchützte Souveränetät — eine breite Unterlage dem Wahlgeſetze gewäh-<lb/> ren, es muß dabei die Vertretung von der Scholle, an die ſie, und höch-<lb/> ſtens noch am Gelde, geknüpft war, löſen, auf der einen Seite das Ueber-<lb/> gewicht der Ariſtokratie, auf der andern die Ausſchließung der Jntelli-<lb/> genz beſeitigen. Dann aber muß es vor allem Deutſchland und den<lb/> Nachbarn gegenüber es in die Hand nehmen, die wahrhafte Vertretung<lb/> der Nation, der ganzen <hi rendition="#g">deutſchen</hi> Nation an und in dem deutſchen Bunde,<lb/> die Erfüllung dieſer alten Forderung Deutſchlands, ohne welche dieſes<lb/> als ſolches nicht mehr, nicht mehr Ordnung und Macht nach unten und<lb/> oben, außen und innen beſtehen kann, herzuſtellen. Daß dieß ſein ehr-<lb/> licher Wille, ſeine Aufgabe in großer ſchwerer Gegenwart ſey, ehe alle<lb/> Bande der Ordnung und des Rechts ſich löſen und der Sturm der dann<lb/> unbezwinglichen Verwirrung in den großen Maſſen, ſchon drohend am<lb/> Horizont, hereinbricht, muß Preußen weltkundig und raſch ausſprechen.<lb/> Mit ihm iſt ſo alles zu retten, ohne dasſelbe für Deutſchland und für<lb/> Preußen alles verloren; denn der Sonderbund kann theilweiſe Wider-<lb/> ſtand leiſten, auf die Dauer nicht, er wird der Anfang vom Ende ſeyn.<lb/><hi rendition="#g">Nachſchrift</hi>. Es verbreitet ſich die Nachricht es würden ſich auf Ein-<lb/> ladung eines der größern Staaten Deutſchlands die deutſchen Fürſten<lb/> noch im Laufe dieſes Monats in Dresden zu einer perſönlichen Beſpre-<lb/> chung verſammeln. Wir freuen uns deſſen aufrichtig, und mögen auch<lb/> entfernt nicht den peſſimiſtiſchen Befürchtungen unſer Ohr, vielweniger<lb/> unſer Herz öffnen, als ſey dort ein Congreß von Verona in Ausſicht.<lb/> So etwas läßt ſich nicht zweimal thun, und unſere deutſchen Fürſten find<lb/> keine Bourbons die nichts lernen und nichts vergeſſen ꝛc., <hi rendition="#g">das iſt un-<lb/> möglich</hi>! Aber rathſam iſt es gewiß daß eine ſolche Zuſammenkunft<lb/> ſtattfinde; ſie kann und wird in einem Tage mehr fördern und ſichern<lb/> als Wochen und Monate der Beſchickungen und Verhandlungen aus der<lb/> Ferne. Wenn deutſche Männer tagen, dürfen ihre Fürſten nicht feiern;<lb/> redlich und frei zuſammentreten müſſen alle deutſchen Herzen, jedes für<lb/> ſeine Aufgabe in den Tagen der gemeinſamen Gefahr. Nur, und das<lb/> geſtehen wir freimüthig, das wünſchen wir daß um der im Vertrauen<lb/> Schwachen und um der Böſen willen, die auch nicht feiern, nicht <hi rendition="#g">Dres-<lb/> den</hi> gewählt werde. Nürnberg oder noch beſſer Frankfurt a. M. wäre<lb/> der rechte Ort, um ſo mehr als auch geſchichtlich in dieſen, wie ehemals<lb/> reichs- ſo jetzt verdachtfreien Städten der deutſche Königsſtuhl ſchon<lb/> oft ſtand. Selbſt der am Rhein bei Rhenſe wieder aufgerichtete Königs-<lb/> ſtuhl oder deſſen unmittelbare Nähe, Stolzenfels, wäre uns lieber als<lb/> Dresden. Handelt es ſich doch nach langer, langer Zeit einmal wieder<lb/> darum der deutſchen Nation Einen Führer zu küren — handelt es ſich<lb/> doch eine große deutſche Bewegung von einem Mittelpunkt aus in feſte<lb/> ſichere Hand zu legen und zu nehmen; dazu mögen unſere Fürſten in den<lb/> Mittelpunkt derſelben Bewegung treten. Das iſt Dresden nicht; das<lb/> iſt Frankfurt a. M. vor allem. <hi rendition="#aq">Et — audaces fortuna juvat.</hi><note place="foot" n="*)">Der Verfaſſer obigen Briefs ahnte nicht daß in dem Augenblick als er<lb/> dieſe trüben Betrachtungen niederſchrieb, der Umſchwung der Dinge in<lb/> Wien vollendet war.</note></p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>⊙ <hi rendition="#b">Köln,</hi> 15 März.</dateline><lb/> <p>Daß der Prinz von Preußen, auf deſſen<lb/> Empfang alles vorbereitet war, hier angekommen, beruht auf einem<lb/> Mißverſtändniß; aus ſicherer Quelle läuft die Nachricht ein daß ſeine<lb/> Herkunft verſchoben iſt. Uebermorgen früh wird eine aus zwölf<lb/> Mitgliedern beſtehende Deputation des Stadtraths nach Berlin ab-<lb/> gehen um dem König perſönlich die Lage der Stadt und des Landes<lb/> darzuſtellen. Sie werden Se. Maj. beſonders auf die drohenden Folgen<lb/> des allgemein erſchütterten Zutrauens aufmerkſam machen. Die Auf-<lb/> träge hören auf, der Abſatz ſteht ſtill, große Häuſer brechen, die Ar-<lb/> beiter werden entlaſſen. Schon ziehen ſie hier durch die Straßen, und<lb/> verlangen auf dem Rathhauſe Beſchäftigung. Die rheiniſchen Abgeord-<lb/> neten haben ſämmtliche Abgeordnete des Vereinigten preußiſchen Land-<lb/> tags von ihrer Vorſtellung an den König in Kenntniß geſetzt, und ſie<lb/> aufgefordert ihrem Beiſpiel zu folgen. Hier laufen eine Menge Auf-<lb/> rufe ein gegen die Ruſſen, gegen den deutſchen Bund, für die Republik ꝛc.<lb/> Ein hieſiger Weinhändler hat die Nachricht erhalten daß ſein Beſitzthum<lb/> am Johannisberg verſchont, das Eigenthum des Fürſten Metternich<lb/> dagegen verwüſtet ſey (alſo zuſammentreffend mit dem Auſſtand von<lb/> Wien).</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 15 März.</dateline><lb/> <p>Was wir geſtern in einer Correſpondenz<lb/> über die Rede des Königs an die Adreſſedeputation des Magiſtrats<lb/> und der Stadtverordneten von Berlin mittheilten, können wir heute<lb/> aus der Allg. Pr. Z. berichtigen und ergänzen. Dieſe, nachdem ſie<lb/> die Adreſſe abgedruckt hat, fährt fort: Se. Majeſtät geruhten hierauf<lb/> im weſentlichen folgendes zu äußern: „Se. Majeſtät fühlten die Be-<lb/> deutung des Augenblicks; es ſey die erſte Adreſſe welche Sie in die-<lb/> ſer bewegten Zeit von Hand zu Hand entgegennehmen, und es ſey<lb/> Allerhöchſtihnen ein angenehmes Gefühl daß Sie von ihrer lieben<lb/> Vaterſtadt komme, die ſich auch in dieſer Zeit der Bewegung in er-<lb/> freulichſter Weiſe bewährt habe. Wenn es ringsum koche, dürfe<lb/> man freilich nicht erwarten daß hier allein die Stimmung unter dem<lb/> Gefrierpunkte ſtehe, und erwäge man dieß, ſo ſey es anerkennungs-<lb/> werth daß in einer Stadt von ſolcher Größe, in der es an reichli-<lb/> chen Elementen der Unruhe nicht fehle, die Ordnung nicht erheblich<lb/> geſtört ſey. Selbſt der geſtrige Abend könne dieſes Anerkenntniß nicht<lb/> weſentlich trüben; denn bei allen denen auf deren Benehmen Se.<lb/> Majeſtät Werth lege, wäre die ruhigſte und beſonnenſte Haltung zu<lb/> erkennen, und Sie ſeyen über die Haltung der Bürger erfreut gewe-<lb/> ſen. Was die Adreſſe ſelbſt betreffe, ſo könne Se. Majeſtät nicht,<lb/> wie es in andern Ländern Sitte ſey, darauf in wohlſtyliſirter Rede<lb/> antworten; nur im Converſationston wollten Sie einige Worte er-<lb/> wiedern. Zunächſt freuten Sie Sich auf die Hauptbitte erwiedern<lb/> zu können daß ſie bereits gewährt ſey. Die Einberufung des Ver-<lb/> einigten Landtags ſey ſeit mehreren Tagen beſchloſſen, und das Be-<lb/> rufungspatent bereits vollzogen. Mit Zuverſicht ſehe der König deſ-<lb/> ſen naher Verſammlung entgegen, da ächtpreußiſche Geſinnung in<lb/> Tagen der Gefahr am wenigſten fehlen werde. Mit vollſter Offen-<lb/> heit und vollſtem Vertrauen würden Se. Majeſtät dem Landtage ent-<lb/> gegentreten. Ihre Loſung ſey: „freie Völker“ „freie Fürſten;“ nur wenn<lb/> beide frei wären, könne die wahre Wohlfahrt gedeihen! Die andern<lb/> Bitten könnten nur durch den Landtag ihre Löſung erhalten; ein nähe-<lb/> res Eingehen darauf ſey daher nicht nöthig. Doch eines Ausdrucks der<lb/> Adreſſe müßten Se. Majeſtät erwähnen, desjenigen nämlich welcher<lb/> gegen die allmähliche Entwicklung der Verfaſſung gerichtet ſey; die-<lb/> ſem könnten Sie nicht unbedingt beitreten. Es gebe gewiſſe Dinge<lb/> die ſich nicht übereilen ließen, wenn man nicht Gefahr laufen wolle<lb/> ſie auf den Kopf zu ſtellen. Das lehre ja auch die Geſchichte des<lb/> Nachbarlandes, wo ſich innerhalb Menſchengedenken fünfzehn beſchworene<lb/> Verfaſſungen einander verdrängt hätten, wo erſt neuerdings das ſelbſt-<lb/> geſchaffene Gebäude zuſammengefallen ſey. Nicht in ſechs Wochen<lb/> dürfe man z. B. ein Haus bauen, welches zu bauen anderthalb Jahre<lb/> erfordere: auch nicht auf Sand dürfe man es bauen wenn es beſtehen<lb/> ſolle! — <hi rendition="#g">Kühn und bedächtig</hi>, das ſeyen die Loſungsworte je-<lb/> des guten Feldherrn; ungeſtraft dürften ſie nicht getrennt, nicht das<lb/> eine über dem andern vergeſſen werden! Das wollten auch Se.<lb/> Majeſtät nicht vergeſſen. Die gute alte deutſche Ordnung dürfe<lb/> nicht unbeachtet bleiben; auch die Gliederung der Stände ſei deutſch;<lb/> wer dagegen anſtrebe, der ſetze ſich Gefahren aus. Auch dafür<lb/> fehle es nicht an Beiſpielen; ebenſo der Beſitz als althergebrachte<lb/> Grundlage der Standſchaft komme in Betracht. Doch alles dieſes<lb/> könne nur mit dem Landtag erledigt werden; wie Se. Majeſtät ihm<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1253/0005]
und Oſten zur Beute. Die jetzt in Stuttgart berathenden vier, vielleicht
fünf Cabinette haben den König von Preußen zur Hegemonie berufen;
lehnt Preußen ab, zaudert es noch länger, ſo ſteht der Sonderbund da,
und niemand darf die Cabinette die ihn dann ſchließen für deſſen un-
ſelige Folgen anklagen, die zum äußerſten ein- und umſchlagen werden,
wenn und wo der, doch in ſich verzweifelnde, ſtörriſche Eigenſinn die
Fortſetzung der Reaction verſuchen ſollte. Es iſt ehrenwerth ſeine Exi-
ſtenz an ſeine Ueberzeugung ſetzen, für und mit ſeinem Grundſatze unter-
gehen, es iſt aber ein Verbrechen ſein Vaterland und ſein Volk aufs
Spiel ſetzen. Jndividuen können und ſollen jenes; die Könige aber find
nicht ſolche Jndividuen für ſich, ſelbſt von Gottes Gnaden find ſie eins
und untheilbar mit dem Volke, find in ſolchem Sinne das Höchſte, eine
Jdee. — Damit aber Preußen, deſſen fleckenloſer König mit reiner Hand
und reinem Leben, zu der perſönlichen Achtung auch das feſte Vertrauen
der Nation gewinne, muß Preußen, damit es der ſtarke Hort Deutſch-
lands bleibe, raſch und entſchloſſen, ohne Arg und diplomatiſche Rück-
ſicht, in den Mittelpunkt treten; damit es dieſen behaupten und die Be-
wegung mit ſtarker Hand bemeiſtern könne und dazu das Vertrauen der
deutſchen Nation gewinne, muß es in ſeinem Jnnern großartig das voll-
enden was es minder ſo am 3 Febr. 1847 begonnen, die Repräſentativ-
Verfaſſung geben, ſeine Kammern ſofort berufen, ihnen die früher ver-
ſprochenen (wir glauben immer noch nicht eigentlich geweigerten, ſondern
nur, zu wenig vertrauend und die eigentlichen Verhältniſſe verkennend,
vielleicht kleinmüthigen oder perſiden fremden Einflüſſen zugänglich, zu-
rückgehaltenen) Rechte — es find alte gute Rechte, älter als die vorge-
ſchützte Souveränetät — eine breite Unterlage dem Wahlgeſetze gewäh-
ren, es muß dabei die Vertretung von der Scholle, an die ſie, und höch-
ſtens noch am Gelde, geknüpft war, löſen, auf der einen Seite das Ueber-
gewicht der Ariſtokratie, auf der andern die Ausſchließung der Jntelli-
genz beſeitigen. Dann aber muß es vor allem Deutſchland und den
Nachbarn gegenüber es in die Hand nehmen, die wahrhafte Vertretung
der Nation, der ganzen deutſchen Nation an und in dem deutſchen Bunde,
die Erfüllung dieſer alten Forderung Deutſchlands, ohne welche dieſes
als ſolches nicht mehr, nicht mehr Ordnung und Macht nach unten und
oben, außen und innen beſtehen kann, herzuſtellen. Daß dieß ſein ehr-
licher Wille, ſeine Aufgabe in großer ſchwerer Gegenwart ſey, ehe alle
Bande der Ordnung und des Rechts ſich löſen und der Sturm der dann
unbezwinglichen Verwirrung in den großen Maſſen, ſchon drohend am
Horizont, hereinbricht, muß Preußen weltkundig und raſch ausſprechen.
Mit ihm iſt ſo alles zu retten, ohne dasſelbe für Deutſchland und für
Preußen alles verloren; denn der Sonderbund kann theilweiſe Wider-
ſtand leiſten, auf die Dauer nicht, er wird der Anfang vom Ende ſeyn.
Nachſchrift. Es verbreitet ſich die Nachricht es würden ſich auf Ein-
ladung eines der größern Staaten Deutſchlands die deutſchen Fürſten
noch im Laufe dieſes Monats in Dresden zu einer perſönlichen Beſpre-
chung verſammeln. Wir freuen uns deſſen aufrichtig, und mögen auch
entfernt nicht den peſſimiſtiſchen Befürchtungen unſer Ohr, vielweniger
unſer Herz öffnen, als ſey dort ein Congreß von Verona in Ausſicht.
So etwas läßt ſich nicht zweimal thun, und unſere deutſchen Fürſten find
keine Bourbons die nichts lernen und nichts vergeſſen ꝛc., das iſt un-
möglich! Aber rathſam iſt es gewiß daß eine ſolche Zuſammenkunft
ſtattfinde; ſie kann und wird in einem Tage mehr fördern und ſichern
als Wochen und Monate der Beſchickungen und Verhandlungen aus der
Ferne. Wenn deutſche Männer tagen, dürfen ihre Fürſten nicht feiern;
redlich und frei zuſammentreten müſſen alle deutſchen Herzen, jedes für
ſeine Aufgabe in den Tagen der gemeinſamen Gefahr. Nur, und das
geſtehen wir freimüthig, das wünſchen wir daß um der im Vertrauen
Schwachen und um der Böſen willen, die auch nicht feiern, nicht Dres-
den gewählt werde. Nürnberg oder noch beſſer Frankfurt a. M. wäre
der rechte Ort, um ſo mehr als auch geſchichtlich in dieſen, wie ehemals
reichs- ſo jetzt verdachtfreien Städten der deutſche Königsſtuhl ſchon
oft ſtand. Selbſt der am Rhein bei Rhenſe wieder aufgerichtete Königs-
ſtuhl oder deſſen unmittelbare Nähe, Stolzenfels, wäre uns lieber als
Dresden. Handelt es ſich doch nach langer, langer Zeit einmal wieder
darum der deutſchen Nation Einen Führer zu küren — handelt es ſich
doch eine große deutſche Bewegung von einem Mittelpunkt aus in feſte
ſichere Hand zu legen und zu nehmen; dazu mögen unſere Fürſten in den
Mittelpunkt derſelben Bewegung treten. Das iſt Dresden nicht; das
iſt Frankfurt a. M. vor allem. Et — audaces fortuna juvat. *)
⊙ Köln, 15 März.
Daß der Prinz von Preußen, auf deſſen
Empfang alles vorbereitet war, hier angekommen, beruht auf einem
Mißverſtändniß; aus ſicherer Quelle läuft die Nachricht ein daß ſeine
Herkunft verſchoben iſt. Uebermorgen früh wird eine aus zwölf
Mitgliedern beſtehende Deputation des Stadtraths nach Berlin ab-
gehen um dem König perſönlich die Lage der Stadt und des Landes
darzuſtellen. Sie werden Se. Maj. beſonders auf die drohenden Folgen
des allgemein erſchütterten Zutrauens aufmerkſam machen. Die Auf-
träge hören auf, der Abſatz ſteht ſtill, große Häuſer brechen, die Ar-
beiter werden entlaſſen. Schon ziehen ſie hier durch die Straßen, und
verlangen auf dem Rathhauſe Beſchäftigung. Die rheiniſchen Abgeord-
neten haben ſämmtliche Abgeordnete des Vereinigten preußiſchen Land-
tags von ihrer Vorſtellung an den König in Kenntniß geſetzt, und ſie
aufgefordert ihrem Beiſpiel zu folgen. Hier laufen eine Menge Auf-
rufe ein gegen die Ruſſen, gegen den deutſchen Bund, für die Republik ꝛc.
Ein hieſiger Weinhändler hat die Nachricht erhalten daß ſein Beſitzthum
am Johannisberg verſchont, das Eigenthum des Fürſten Metternich
dagegen verwüſtet ſey (alſo zuſammentreffend mit dem Auſſtand von
Wien).
Berlin, 15 März.
Was wir geſtern in einer Correſpondenz
über die Rede des Königs an die Adreſſedeputation des Magiſtrats
und der Stadtverordneten von Berlin mittheilten, können wir heute
aus der Allg. Pr. Z. berichtigen und ergänzen. Dieſe, nachdem ſie
die Adreſſe abgedruckt hat, fährt fort: Se. Majeſtät geruhten hierauf
im weſentlichen folgendes zu äußern: „Se. Majeſtät fühlten die Be-
deutung des Augenblicks; es ſey die erſte Adreſſe welche Sie in die-
ſer bewegten Zeit von Hand zu Hand entgegennehmen, und es ſey
Allerhöchſtihnen ein angenehmes Gefühl daß Sie von ihrer lieben
Vaterſtadt komme, die ſich auch in dieſer Zeit der Bewegung in er-
freulichſter Weiſe bewährt habe. Wenn es ringsum koche, dürfe
man freilich nicht erwarten daß hier allein die Stimmung unter dem
Gefrierpunkte ſtehe, und erwäge man dieß, ſo ſey es anerkennungs-
werth daß in einer Stadt von ſolcher Größe, in der es an reichli-
chen Elementen der Unruhe nicht fehle, die Ordnung nicht erheblich
geſtört ſey. Selbſt der geſtrige Abend könne dieſes Anerkenntniß nicht
weſentlich trüben; denn bei allen denen auf deren Benehmen Se.
Majeſtät Werth lege, wäre die ruhigſte und beſonnenſte Haltung zu
erkennen, und Sie ſeyen über die Haltung der Bürger erfreut gewe-
ſen. Was die Adreſſe ſelbſt betreffe, ſo könne Se. Majeſtät nicht,
wie es in andern Ländern Sitte ſey, darauf in wohlſtyliſirter Rede
antworten; nur im Converſationston wollten Sie einige Worte er-
wiedern. Zunächſt freuten Sie Sich auf die Hauptbitte erwiedern
zu können daß ſie bereits gewährt ſey. Die Einberufung des Ver-
einigten Landtags ſey ſeit mehreren Tagen beſchloſſen, und das Be-
rufungspatent bereits vollzogen. Mit Zuverſicht ſehe der König deſ-
ſen naher Verſammlung entgegen, da ächtpreußiſche Geſinnung in
Tagen der Gefahr am wenigſten fehlen werde. Mit vollſter Offen-
heit und vollſtem Vertrauen würden Se. Majeſtät dem Landtage ent-
gegentreten. Ihre Loſung ſey: „freie Völker“ „freie Fürſten;“ nur wenn
beide frei wären, könne die wahre Wohlfahrt gedeihen! Die andern
Bitten könnten nur durch den Landtag ihre Löſung erhalten; ein nähe-
res Eingehen darauf ſey daher nicht nöthig. Doch eines Ausdrucks der
Adreſſe müßten Se. Majeſtät erwähnen, desjenigen nämlich welcher
gegen die allmähliche Entwicklung der Verfaſſung gerichtet ſey; die-
ſem könnten Sie nicht unbedingt beitreten. Es gebe gewiſſe Dinge
die ſich nicht übereilen ließen, wenn man nicht Gefahr laufen wolle
ſie auf den Kopf zu ſtellen. Das lehre ja auch die Geſchichte des
Nachbarlandes, wo ſich innerhalb Menſchengedenken fünfzehn beſchworene
Verfaſſungen einander verdrängt hätten, wo erſt neuerdings das ſelbſt-
geſchaffene Gebäude zuſammengefallen ſey. Nicht in ſechs Wochen
dürfe man z. B. ein Haus bauen, welches zu bauen anderthalb Jahre
erfordere: auch nicht auf Sand dürfe man es bauen wenn es beſtehen
ſolle! — Kühn und bedächtig, das ſeyen die Loſungsworte je-
des guten Feldherrn; ungeſtraft dürften ſie nicht getrennt, nicht das
eine über dem andern vergeſſen werden! Das wollten auch Se.
Majeſtät nicht vergeſſen. Die gute alte deutſche Ordnung dürfe
nicht unbeachtet bleiben; auch die Gliederung der Stände ſei deutſch;
wer dagegen anſtrebe, der ſetze ſich Gefahren aus. Auch dafür
fehle es nicht an Beiſpielen; ebenſo der Beſitz als althergebrachte
Grundlage der Standſchaft komme in Betracht. Doch alles dieſes
könne nur mit dem Landtag erledigt werden; wie Se. Majeſtät ihm
*) Der Verfaſſer obigen Briefs ahnte nicht daß in dem Augenblick als er
dieſe trüben Betrachtungen niederſchrieb, der Umſchwung der Dinge in
Wien vollendet war.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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