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Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848.

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[Spaltenumbruch] zu machen. Sollten sie jedoch in den nächsten Tagen wiederkehren, so
kann man voraussehen daß es den Ruhestörern sehr schlimm gehen
wird, denn die Bürgergarde wie das Linienmilitär ist sehr erbittert
und wird nicht mehr gleiche Schonung wie bisher walten lassen. Um
der Bürgergarde ihren anstrengenden Dienst zu erleichtern haben sich
heute Mittag eine große Anzahl jüngerer Kaufleute welche nicht im
Dienste des Bürgermilitärs sind, zu einem freiwilligen Corps vereinigt
und sich den Behörden zur Disposition gestellt. Gleiches ist schon
früher von den noch noch übrigen "Hanseatischen Kampfgenossen von
1813" geschehen.


Die Bürgerversammlung der zum Con-
vent zusammengerufenen 600 Mitglieder der hiesigen Bürgerschaft ist so
eben abgehalten worden, und zwar in derselben würdigen ruhig gehalte-
nen Weise, in welcher sich bisher unsere ganze Reformbewegung ent-
wickelt hat. Es sind achtzehn Männer gewählt worden (unter denen sich
die Häupter der Reformpartei, die HH. Wischmann, Kotzenberg und
Feldmann befinden), welche eine Commission zur Anordnung der Wah-
len, Bestimmung der Wahlgesetze und des Wahlmodus bilden sollten.
Bei den Verhandlungen der Bürgerversammlung fiel es angenehm auf
daß alles frühere zopfige Titularwesen von "Hoch- und Wohlweis-
heit" des "edlen" Raths und Hochachtbarkeit und sonstigem Krimskrams
der Bürgerschaft zum erstenmal weggelassen wurde. Die Stimmung der-
jenigen, welche in dieser Versammlung eine so vielhundertjährige Ver-
fassungsform die ihnen so manchen Vortheil und so manche Auszeichnung
gewährt, zu Grabe tragen sahen, war im höchsten Grade bewegt, und in
manchem Angesichte las man deutlich die Spuren tiefer innerer Er-
schütterung. -- Hier verbreitet sich so eben das Gerücht daß der Groß-
herzog von Oldenburg, in Folge der letzten in Oldenburg stattgehabten
etwas unruhigen Auftritte bei Gelegenheit der an den Großherzog ge-
sendeten Deputationen der Provinzen um Berathung der Constitutions-
urkunde mit den erfahrenen Männern des Landes, gesonnen sey seine
Residenz von Oldenburg weg nach Eutin hin zu verlegen. Dieß würde
für die kleine durch den Hof rasch aufgeblühte bisherige Residenzstadt
ein sehr empfindlicher Verlust seyn. Eine andere Nachricht ist die daß
Preußen bei den norddeutschen Cabinetten Sympathien für eine nordi-
sche Allianz anzuregen suche, und diese Nachricht setzt alles in die hef-
tigste Bewegung. So apathisch und schwerfällig auch der deutsche Nor-
den ist, so ist doch der Stoß von Westen allzugewaltig gewesen als daß
er nicht den politischen Jndifferentismus nachhaltig aufgerüttelt hätte.
Die wichtigsten Interessen des Lebens civilisirter Völker werden auch hier
schon mit Lebhaftigkeit in Wort und Schrift discutirt. Durch die Massen
hindurch geht der Aufruf der Meinungen zum Theil in offen sich bekäm-
pfenden Gegensätzen laut und gewaltig, wie im scharfen Froste Eisspal-
ten sich krachend aufreißen über die Seeflächen. In Einem aber ist alles
einig: darin daß Deutschland mit Preußen vereint sich auf sich selbst,
auf seine Kraft und Einigkeit, nicht auf irgendeine fremde Hülfe stützen
müsse, und daß Rußland vor allem keinen Fuß setzen dürfe auf deutsche
Erde. Diese Gedanken sprechen die geringsten Leute aus. Jch hörte
ihn in den Schenken der Matrosen nicht minder als in den Cafes der
Kaufherren und Ressourcen der Bürger unserer Stadt. Umsoweniger
hat Preußens officielle Sprache in der Thronrede seines Königs und in
dessen letzter Cabinetsordre die Menschen hier befriedigt, während alle
Welt mit Freuden König Ludwigs hochherzige deutsche Politik an-
erkennt.

Preußen.

Sie werden die ver-
schiedenen Adressen der Städte des preußischen Rheinlandes und die der
zu Bonn versammelt gewesenen Landtagsabgeordneten erhalten und aus
denselben ein Bild der in der Provinz vorhandenen Bewegung und Stim-
mung entnommen haben. Jene nimmt zu, diese verschlimmert sich, in-
sofern das Zuwarten immer unleidlicher wird und bösen Einflüssen, wenn
auch nicht von außen, doch nach unten Raum gibt. Jch darf nur das
eine erwähnen daß, während von allen Seiten die unter gänzlicher Preß-
freiheit erscheinenden Zeitungen zuströmen, die inländischen Blätter,
selbst die tüchtigen und gesinnungstreuen, z. B. die Kölnische, die Aache-
ner Ztg. nicht nur unter Censur gehalten, sondern mitunter auf ver-
kehrte Weise von dieser belästigt werden. Das erzürnt, beleidigt ohne
irgendeinen Zweck zu erreichen; es befremdet selbst sehr ruhige Leute die,
nur einer besonnenen Entwickelung vertrauend, nicht gemeint sind die
Regierung zu drängen, deßhalb: weil dabei von einer Concession gar
keine Rede seyn kann, wenn es wahr ist daß gerade die preußische Re-
gierung zuerst auf Abschaffung der Censur angetragen hat. Es ist offen-
[Spaltenumbruch] bar ein Mangel an Umsicht von Seiten des Oberpräsidenten Eichmann,
in dessen vollkommener Befugniß als oberster Censurbehörde der Rhein-
provinz es lag die Censur factisch mindern zu lassen um den schneidenden
Contrast aufzuheben, der jetzt mit der Erklärung des Bundestages und
der Preßfreiheit in den umliegenden Staaten eingetreten ist und in der
Trierer Adresse bereits den Ausdruck für die Frage erhalten hat: ob die
Rheinländer weniger Rechte haben als andere. Die Haltung dieser
Adresse, die wir nicht billigen mögen, während wir bezeugen müssen daß
sie wirklich der Ausdruck der öffentlichen Meinung daselbst und an der
Saar entlang ist, beweist zugleich auf welchem Punkte diese Stimmung
angekommen ist. Als eine Folge des Zauderns in dem was nicht mehr
umgangen werden kann, noch darf, betrachten wir die Thätigkeit einer
Winkelpresse, von welcher, unter dem Einfluß revolutionärer und com-
munistischer Wühler in der Schweiz und Frankreich, die auf allen Wegen
in Unzahl in diesen Tagen unter das Volk gebrachten Aufrufe für "die
Republik" ausgehen. Welche Zukunft diese dem Vaterlande bereiten
wollen, mögen Sie daraus entnehmen daß eine oberrheinische Republik
(Württemberg und Baden), eine mittelrheinische (Hessen - Darmstadt,
Frankfurt, Nassau) als schon constituirt angekündigt und eine nieder-
rheinische zu bilden von der Rheinprovinz gefordert wird, während aus
der Schweiz ein schon lang vorbereiteter Zuzug mit dem Namen der
Führer für das Frühjahr angekündigt wird, in Constanz und Waldshut
Volksversammlungen für die Republik tagen und in der Pfalz auf bei-
den Rheinufern Unterschriften und Verbrüderung für dieselbe gesammelt
werden. Wie will die Regierung die Erfolge jener Winkelpresse, welche
nach allen Zeichen in der Hauptstadt der Provinz sich befindet, mit der
Censur und anders als durch Freiheit für die offene Presse bekämpfen,
paralysiren? Wir begreifen es nicht. Es ist überhaupt ein sehr un-
glücklicher Wahn: man dürfe, um der "Krone", dem "Königsrechte von
Gottes Gnaden", der "Souveränetät" nichts zu vergeben, keine Conces-
sionen im Drange der gewaltigen Zeit machen. Seit wann ist es denn
ein Schaden der Krone, gegen die Königsrechte und ein Abbruch der
Souveränetät, diese selbst und das Vaterland und das "von Gott anver-
traute" Volk zu retten, indem man so bald, so rasch, so vollkommen, so
ehrlich, als irgend möglich das thut was recht und geboten zugleich ist.
Concessionen macht man einem Gegner und im Zweifel über das was
zu Recht besteht. Seit wann sind denn die Fürsten und die Völker Geg-
ner in thesi, die um das was jedem zu Recht gebührt, processiren müssen?
und wo ist der Gerichtshof dieses Rechtsstreites anders als in der Ge-
schichte, dem Weltgerichte? Jst aber diese bloß in der Vergangenheit,
gehört ihr nicht auch die Gegenwart, ist nicht gestern der Richter Lehrer
für heute und recken sich nicht heutzutage die Tage, die Stunden zu
Jahrzehnten und Jahrhunderten in Ereigniß und Folge? Seit wann?
haben wir eben gefragt, wir müssen eigentlich fragen: "warum? aus
wessen Schuld?" Die Antwort, und daß nicht in den Völkern die Schuld
liege, kann der Sehende nicht mehr suchen, der Blinde kann sie greifen,
das Gewissen, selbst das politische, muß sie geben. Jhr Fürst v. Leinin-
gen hat beides ausgesprochen in der Denkschrift vom 20 Febr., die unter
diesem Datum ein merkwürdiges Beispiel politischer Perspicacität,
einer Providenz ist, die, während in der Gewitterschwüle noch alles
ruhig schlief, mit den eigentlichen Ursachen schon alle, alle Folgen
nachwies welche der Entladungsschlag haben mußte und wirklich ge-
habt hat. Daß demselben Fürsten im Odenwald eine Fackel auf-
gegangen ist über das was er selbst versäumt hat, nimmt seiner Denk-
schrift nicht das geringste am Werth, ist eine menschliche Erscheinung,
wie sie an Friedrich II, an Stein, an andern, ja, wenn wir ehrlich
find, an jedem von uns offenbar geworden find und offenbar werden. --
Was jetzt zur Rettung des Vaterlandes gegen den von außen und innen
anders nicht mehr ausweichlichen Untergang zu thun und vor allem die
Aufgabe Preußens sey, ist bereits keine Frage mehr, ist eine Thatsache
geworden. Was einzelne tüchtige und vor- und umsichtige Männer schon
vor Jahren erkannten, was v. Gagern z. B. in den offenen Berathungen
über die Gründung der Deutschen Zeitung im vorigen Jahr und am 5 d.
M. in der Berathung zu Heidelberg aussprach, was die Deutsche Zeitung
demnächst immer und namentlich in ihrer Polemik verfolgt und jetzt un-
umwunden ausgesprochen hat, ist die eine und allgemeine Wahrheit:
Deutschland sieht und fällt mit Preußen, Preußen mit Deutschland.
Deutschland kann sich nur selbst helfen, kann es nur mit einem Mittel-
punkt, und dieser ist nur Preußen. Preußen aber kann nur mit der
Nation siehen, ohne dieselbe nur fallen; mit ihm fällt Deutschland zu-
nächst in Theilung auseinander, dann und damit dem laurenden Westen

[Spaltenumbruch] zu machen. Sollten ſie jedoch in den nächſten Tagen wiederkehren, ſo
kann man vorausſehen daß es den Ruheſtörern ſehr ſchlimm gehen
wird, denn die Bürgergarde wie das Linienmilitär iſt ſehr erbittert
und wird nicht mehr gleiche Schonung wie bisher walten laſſen. Um
der Bürgergarde ihren anſtrengenden Dienſt zu erleichtern haben ſich
heute Mittag eine große Anzahl jüngerer Kaufleute welche nicht im
Dienſte des Bürgermilitärs ſind, zu einem freiwilligen Corps vereinigt
und ſich den Behörden zur Dispoſition geſtellt. Gleiches iſt ſchon
früher von den noch noch übrigen „Hanſeatiſchen Kampfgenoſſen von
1813“ geſchehen.


Die Bürgerverſammlung der zum Con-
vent zuſammengerufenen 600 Mitglieder der hieſigen Bürgerſchaft iſt ſo
eben abgehalten worden, und zwar in derſelben würdigen ruhig gehalte-
nen Weiſe, in welcher ſich bisher unſere ganze Reformbewegung ent-
wickelt hat. Es ſind achtzehn Männer gewählt worden (unter denen ſich
die Häupter der Reformpartei, die HH. Wiſchmann, Kotzenberg und
Feldmann befinden), welche eine Commiſſion zur Anordnung der Wah-
len, Beſtimmung der Wahlgeſetze und des Wahlmodus bilden ſollten.
Bei den Verhandlungen der Bürgerverſammlung fiel es angenehm auf
daß alles frühere zopfige Titularweſen von „Hoch- und Wohlweis-
heit“ des „edlen“ Raths und Hochachtbarkeit und ſonſtigem Krimskrams
der Bürgerſchaft zum erſtenmal weggelaſſen wurde. Die Stimmung der-
jenigen, welche in dieſer Verſammlung eine ſo vielhundertjährige Ver-
faſſungsform die ihnen ſo manchen Vortheil und ſo manche Auszeichnung
gewährt, zu Grabe tragen ſahen, war im höchſten Grade bewegt, und in
manchem Angeſichte las man deutlich die Spuren tiefer innerer Er-
ſchütterung. — Hier verbreitet ſich ſo eben das Gerücht daß der Groß-
herzog von Oldenburg, in Folge der letzten in Oldenburg ſtattgehabten
etwas unruhigen Auftritte bei Gelegenheit der an den Großherzog ge-
ſendeten Deputationen der Provinzen um Berathung der Conſtitutions-
urkunde mit den erfahrenen Männern des Landes, geſonnen ſey ſeine
Reſidenz von Oldenburg weg nach Eutin hin zu verlegen. Dieß würde
für die kleine durch den Hof raſch aufgeblühte bisherige Reſidenzſtadt
ein ſehr empfindlicher Verluſt ſeyn. Eine andere Nachricht iſt die daß
Preußen bei den norddeutſchen Cabinetten Sympathien für eine nordi-
ſche Allianz anzuregen ſuche, und dieſe Nachricht ſetzt alles in die hef-
tigſte Bewegung. So apathiſch und ſchwerfällig auch der deutſche Nor-
den iſt, ſo iſt doch der Stoß von Weſten allzugewaltig geweſen als daß
er nicht den politiſchen Jndifferentismus nachhaltig aufgerüttelt hätte.
Die wichtigſten Intereſſen des Lebens civiliſirter Völker werden auch hier
ſchon mit Lebhaftigkeit in Wort und Schrift discutirt. Durch die Maſſen
hindurch geht der Aufruf der Meinungen zum Theil in offen ſich bekäm-
pfenden Gegenſätzen laut und gewaltig, wie im ſcharfen Froſte Eisſpal-
ten ſich krachend aufreißen über die Seeflächen. In Einem aber iſt alles
einig: darin daß Deutſchland mit Preußen vereint ſich auf ſich ſelbſt,
auf ſeine Kraft und Einigkeit, nicht auf irgendeine fremde Hülfe ſtützen
müſſe, und daß Rußland vor allem keinen Fuß ſetzen dürfe auf deutſche
Erde. Dieſe Gedanken ſprechen die geringſten Leute aus. Jch hörte
ihn in den Schenken der Matroſen nicht minder als in den Cafés der
Kaufherren und Reſſourcen der Bürger unſerer Stadt. Umſoweniger
hat Preußens officielle Sprache in der Thronrede ſeines Königs und in
deſſen letzter Cabinetsordre die Menſchen hier befriedigt, während alle
Welt mit Freuden König Ludwigs hochherzige deutſche Politik an-
erkennt.

Preußen.

Sie werden die ver-
ſchiedenen Adreſſen der Städte des preußiſchen Rheinlandes und die der
zu Bonn verſammelt geweſenen Landtagsabgeordneten erhalten und aus
denſelben ein Bild der in der Provinz vorhandenen Bewegung und Stim-
mung entnommen haben. Jene nimmt zu, dieſe verſchlimmert ſich, in-
ſofern das Zuwarten immer unleidlicher wird und böſen Einflüſſen, wenn
auch nicht von außen, doch nach unten Raum gibt. Jch darf nur das
eine erwähnen daß, während von allen Seiten die unter gänzlicher Preß-
freiheit erſcheinenden Zeitungen zuſtrömen, die inländiſchen Blätter,
ſelbſt die tüchtigen und geſinnungstreuen, z. B. die Kölniſche, die Aache-
ner Ztg. nicht nur unter Cenſur gehalten, ſondern mitunter auf ver-
kehrte Weiſe von dieſer beläſtigt werden. Das erzürnt, beleidigt ohne
irgendeinen Zweck zu erreichen; es befremdet ſelbſt ſehr ruhige Leute die,
nur einer beſonnenen Entwickelung vertrauend, nicht gemeint ſind die
Regierung zu drängen, deßhalb: weil dabei von einer Conceſſion gar
keine Rede ſeyn kann, wenn es wahr iſt daß gerade die preußiſche Re-
gierung zuerſt auf Abſchaffung der Cenſur angetragen hat. Es iſt offen-
[Spaltenumbruch] bar ein Mangel an Umſicht von Seiten des Oberpräſidenten Eichmann,
in deſſen vollkommener Befugniß als oberſter Cenſurbehörde der Rhein-
provinz es lag die Cenſur factiſch mindern zu laſſen um den ſchneidenden
Contraſt aufzuheben, der jetzt mit der Erklärung des Bundestages und
der Preßfreiheit in den umliegenden Staaten eingetreten iſt und in der
Trierer Adreſſe bereits den Ausdruck für die Frage erhalten hat: ob die
Rheinländer weniger Rechte haben als andere. Die Haltung dieſer
Adreſſe, die wir nicht billigen mögen, während wir bezeugen müſſen daß
ſie wirklich der Ausdruck der öffentlichen Meinung daſelbſt und an der
Saar entlang iſt, beweist zugleich auf welchem Punkte dieſe Stimmung
angekommen iſt. Als eine Folge des Zauderns in dem was nicht mehr
umgangen werden kann, noch darf, betrachten wir die Thätigkeit einer
Winkelpreſſe, von welcher, unter dem Einfluß revolutionärer und com-
muniſtiſcher Wühler in der Schweiz und Frankreich, die auf allen Wegen
in Unzahl in dieſen Tagen unter das Volk gebrachten Aufrufe für „die
Republik“ ausgehen. Welche Zukunft dieſe dem Vaterlande bereiten
wollen, mögen Sie daraus entnehmen daß eine oberrheiniſche Republik
(Württemberg und Baden), eine mittelrheiniſche (Heſſen – Darmſtadt,
Frankfurt, Naſſau) als ſchon conſtituirt angekündigt und eine nieder-
rheiniſche zu bilden von der Rheinprovinz gefordert wird, während aus
der Schweiz ein ſchon lang vorbereiteter Zuzug mit dem Namen der
Führer für das Frühjahr angekündigt wird, in Conſtanz und Waldshut
Volksverſammlungen für die Republik tagen und in der Pfalz auf bei-
den Rheinufern Unterſchriften und Verbrüderung für dieſelbe geſammelt
werden. Wie will die Regierung die Erfolge jener Winkelpreſſe, welche
nach allen Zeichen in der Hauptſtadt der Provinz ſich befindet, mit der
Cenſur und anders als durch Freiheit für die offene Preſſe bekämpfen,
paralyſiren? Wir begreifen es nicht. Es iſt überhaupt ein ſehr un-
glücklicher Wahn: man dürfe, um der „Krone“, dem „Königsrechte von
Gottes Gnaden“, der „Souveränetät“ nichts zu vergeben, keine Conceſ-
ſionen im Drange der gewaltigen Zeit machen. Seit wann iſt es denn
ein Schaden der Krone, gegen die Königsrechte und ein Abbruch der
Souveränetät, dieſe ſelbſt und das Vaterland und das „von Gott anver-
traute“ Volk zu retten, indem man ſo bald, ſo raſch, ſo vollkommen, ſo
ehrlich, als irgend möglich das thut was recht und geboten zugleich iſt.
Conceſſionen macht man einem Gegner und im Zweifel über das was
zu Recht beſteht. Seit wann ſind denn die Fürſten und die Völker Geg-
ner in thesi, die um das was jedem zu Recht gebührt, proceſſiren müſſen?
und wo iſt der Gerichtshof dieſes Rechtsſtreites anders als in der Ge-
ſchichte, dem Weltgerichte? Jſt aber dieſe bloß in der Vergangenheit,
gehört ihr nicht auch die Gegenwart, iſt nicht geſtern der Richter Lehrer
für heute und recken ſich nicht heutzutage die Tage, die Stunden zu
Jahrzehnten und Jahrhunderten in Ereigniß und Folge? Seit wann?
haben wir eben gefragt, wir müſſen eigentlich fragen: „warum? aus
weſſen Schuld?“ Die Antwort, und daß nicht in den Völkern die Schuld
liege, kann der Sehende nicht mehr ſuchen, der Blinde kann ſie greifen,
das Gewiſſen, ſelbſt das politiſche, muß ſie geben. Jhr Fürſt v. Leinin-
gen hat beides ausgeſprochen in der Denkſchrift vom 20 Febr., die unter
dieſem Datum ein merkwürdiges Beiſpiel politiſcher Perſpicacität,
einer Providenz iſt, die, während in der Gewitterſchwüle noch alles
ruhig ſchlief, mit den eigentlichen Urſachen ſchon alle, alle Folgen
nachwies welche der Entladungsſchlag haben mußte und wirklich ge-
habt hat. Daß demſelben Fürſten im Odenwald eine Fackel auf-
gegangen iſt über das was er ſelbſt verſäumt hat, nimmt ſeiner Denk-
ſchrift nicht das geringſte am Werth, iſt eine menſchliche Erſcheinung,
wie ſie an Friedrich II, an Stein, an andern, ja, wenn wir ehrlich
find, an jedem von uns offenbar geworden find und offenbar werden. —
Was jetzt zur Rettung des Vaterlandes gegen den von außen und innen
anders nicht mehr ausweichlichen Untergang zu thun und vor allem die
Aufgabe Preußens ſey, iſt bereits keine Frage mehr, iſt eine Thatſache
geworden. Was einzelne tüchtige und vor- und umſichtige Männer ſchon
vor Jahren erkannten, was v. Gagern z. B. in den offenen Berathungen
über die Gründung der Deutſchen Zeitung im vorigen Jahr und am 5 d.
M. in der Berathung zu Heidelberg ausſprach, was die Deutſche Zeitung
demnächſt immer und namentlich in ihrer Polemik verfolgt und jetzt un-
umwunden ausgeſprochen hat, iſt die eine und allgemeine Wahrheit:
Deutſchland ſieht und fällt mit Preußen, Preußen mit Deutſchland.
Deutſchland kann ſich nur ſelbſt helfen, kann es nur mit einem Mittel-
punkt, und dieſer iſt nur Preußen. Preußen aber kann nur mit der
Nation ſiehen, ohne dieſelbe nur fallen; mit ihm fällt Deutſchland zu-
nächſt in Theilung auseinander, dann und damit dem laurenden Weſten

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[0004] zu machen. Sollten ſie jedoch in den nächſten Tagen wiederkehren, ſo kann man vorausſehen daß es den Ruheſtörern ſehr ſchlimm gehen wird, denn die Bürgergarde wie das Linienmilitär iſt ſehr erbittert und wird nicht mehr gleiche Schonung wie bisher walten laſſen. Um der Bürgergarde ihren anſtrengenden Dienſt zu erleichtern haben ſich heute Mittag eine große Anzahl jüngerer Kaufleute welche nicht im Dienſte des Bürgermilitärs ſind, zu einem freiwilligen Corps vereinigt und ſich den Behörden zur Dispoſition geſtellt. Gleiches iſt ſchon früher von den noch noch übrigen „Hanſeatiſchen Kampfgenoſſen von 1813“ geſchehen. * Bremen, 14 März. Die Bürgerverſammlung der zum Con- vent zuſammengerufenen 600 Mitglieder der hieſigen Bürgerſchaft iſt ſo eben abgehalten worden, und zwar in derſelben würdigen ruhig gehalte- nen Weiſe, in welcher ſich bisher unſere ganze Reformbewegung ent- wickelt hat. Es ſind achtzehn Männer gewählt worden (unter denen ſich die Häupter der Reformpartei, die HH. Wiſchmann, Kotzenberg und Feldmann befinden), welche eine Commiſſion zur Anordnung der Wah- len, Beſtimmung der Wahlgeſetze und des Wahlmodus bilden ſollten. Bei den Verhandlungen der Bürgerverſammlung fiel es angenehm auf daß alles frühere zopfige Titularweſen von „Hoch- und Wohlweis- heit“ des „edlen“ Raths und Hochachtbarkeit und ſonſtigem Krimskrams der Bürgerſchaft zum erſtenmal weggelaſſen wurde. Die Stimmung der- jenigen, welche in dieſer Verſammlung eine ſo vielhundertjährige Ver- faſſungsform die ihnen ſo manchen Vortheil und ſo manche Auszeichnung gewährt, zu Grabe tragen ſahen, war im höchſten Grade bewegt, und in manchem Angeſichte las man deutlich die Spuren tiefer innerer Er- ſchütterung. — Hier verbreitet ſich ſo eben das Gerücht daß der Groß- herzog von Oldenburg, in Folge der letzten in Oldenburg ſtattgehabten etwas unruhigen Auftritte bei Gelegenheit der an den Großherzog ge- ſendeten Deputationen der Provinzen um Berathung der Conſtitutions- urkunde mit den erfahrenen Männern des Landes, geſonnen ſey ſeine Reſidenz von Oldenburg weg nach Eutin hin zu verlegen. Dieß würde für die kleine durch den Hof raſch aufgeblühte bisherige Reſidenzſtadt ein ſehr empfindlicher Verluſt ſeyn. Eine andere Nachricht iſt die daß Preußen bei den norddeutſchen Cabinetten Sympathien für eine nordi- ſche Allianz anzuregen ſuche, und dieſe Nachricht ſetzt alles in die hef- tigſte Bewegung. So apathiſch und ſchwerfällig auch der deutſche Nor- den iſt, ſo iſt doch der Stoß von Weſten allzugewaltig geweſen als daß er nicht den politiſchen Jndifferentismus nachhaltig aufgerüttelt hätte. Die wichtigſten Intereſſen des Lebens civiliſirter Völker werden auch hier ſchon mit Lebhaftigkeit in Wort und Schrift discutirt. Durch die Maſſen hindurch geht der Aufruf der Meinungen zum Theil in offen ſich bekäm- pfenden Gegenſätzen laut und gewaltig, wie im ſcharfen Froſte Eisſpal- ten ſich krachend aufreißen über die Seeflächen. In Einem aber iſt alles einig: darin daß Deutſchland mit Preußen vereint ſich auf ſich ſelbſt, auf ſeine Kraft und Einigkeit, nicht auf irgendeine fremde Hülfe ſtützen müſſe, und daß Rußland vor allem keinen Fuß ſetzen dürfe auf deutſche Erde. Dieſe Gedanken ſprechen die geringſten Leute aus. Jch hörte ihn in den Schenken der Matroſen nicht minder als in den Cafés der Kaufherren und Reſſourcen der Bürger unſerer Stadt. Umſoweniger hat Preußens officielle Sprache in der Thronrede ſeines Königs und in deſſen letzter Cabinetsordre die Menſchen hier befriedigt, während alle Welt mit Freuden König Ludwigs hochherzige deutſche Politik an- erkennt. Preußen. * Vom Rhein, 15 März. Sie werden die ver- ſchiedenen Adreſſen der Städte des preußiſchen Rheinlandes und die der zu Bonn verſammelt geweſenen Landtagsabgeordneten erhalten und aus denſelben ein Bild der in der Provinz vorhandenen Bewegung und Stim- mung entnommen haben. Jene nimmt zu, dieſe verſchlimmert ſich, in- ſofern das Zuwarten immer unleidlicher wird und böſen Einflüſſen, wenn auch nicht von außen, doch nach unten Raum gibt. Jch darf nur das eine erwähnen daß, während von allen Seiten die unter gänzlicher Preß- freiheit erſcheinenden Zeitungen zuſtrömen, die inländiſchen Blätter, ſelbſt die tüchtigen und geſinnungstreuen, z. B. die Kölniſche, die Aache- ner Ztg. nicht nur unter Cenſur gehalten, ſondern mitunter auf ver- kehrte Weiſe von dieſer beläſtigt werden. Das erzürnt, beleidigt ohne irgendeinen Zweck zu erreichen; es befremdet ſelbſt ſehr ruhige Leute die, nur einer beſonnenen Entwickelung vertrauend, nicht gemeint ſind die Regierung zu drängen, deßhalb: weil dabei von einer Conceſſion gar keine Rede ſeyn kann, wenn es wahr iſt daß gerade die preußiſche Re- gierung zuerſt auf Abſchaffung der Cenſur angetragen hat. Es iſt offen- bar ein Mangel an Umſicht von Seiten des Oberpräſidenten Eichmann, in deſſen vollkommener Befugniß als oberſter Cenſurbehörde der Rhein- provinz es lag die Cenſur factiſch mindern zu laſſen um den ſchneidenden Contraſt aufzuheben, der jetzt mit der Erklärung des Bundestages und der Preßfreiheit in den umliegenden Staaten eingetreten iſt und in der Trierer Adreſſe bereits den Ausdruck für die Frage erhalten hat: ob die Rheinländer weniger Rechte haben als andere. Die Haltung dieſer Adreſſe, die wir nicht billigen mögen, während wir bezeugen müſſen daß ſie wirklich der Ausdruck der öffentlichen Meinung daſelbſt und an der Saar entlang iſt, beweist zugleich auf welchem Punkte dieſe Stimmung angekommen iſt. Als eine Folge des Zauderns in dem was nicht mehr umgangen werden kann, noch darf, betrachten wir die Thätigkeit einer Winkelpreſſe, von welcher, unter dem Einfluß revolutionärer und com- muniſtiſcher Wühler in der Schweiz und Frankreich, die auf allen Wegen in Unzahl in dieſen Tagen unter das Volk gebrachten Aufrufe für „die Republik“ ausgehen. Welche Zukunft dieſe dem Vaterlande bereiten wollen, mögen Sie daraus entnehmen daß eine oberrheiniſche Republik (Württemberg und Baden), eine mittelrheiniſche (Heſſen – Darmſtadt, Frankfurt, Naſſau) als ſchon conſtituirt angekündigt und eine nieder- rheiniſche zu bilden von der Rheinprovinz gefordert wird, während aus der Schweiz ein ſchon lang vorbereiteter Zuzug mit dem Namen der Führer für das Frühjahr angekündigt wird, in Conſtanz und Waldshut Volksverſammlungen für die Republik tagen und in der Pfalz auf bei- den Rheinufern Unterſchriften und Verbrüderung für dieſelbe geſammelt werden. Wie will die Regierung die Erfolge jener Winkelpreſſe, welche nach allen Zeichen in der Hauptſtadt der Provinz ſich befindet, mit der Cenſur und anders als durch Freiheit für die offene Preſſe bekämpfen, paralyſiren? Wir begreifen es nicht. Es iſt überhaupt ein ſehr un- glücklicher Wahn: man dürfe, um der „Krone“, dem „Königsrechte von Gottes Gnaden“, der „Souveränetät“ nichts zu vergeben, keine Conceſ- ſionen im Drange der gewaltigen Zeit machen. Seit wann iſt es denn ein Schaden der Krone, gegen die Königsrechte und ein Abbruch der Souveränetät, dieſe ſelbſt und das Vaterland und das „von Gott anver- traute“ Volk zu retten, indem man ſo bald, ſo raſch, ſo vollkommen, ſo ehrlich, als irgend möglich das thut was recht und geboten zugleich iſt. Conceſſionen macht man einem Gegner und im Zweifel über das was zu Recht beſteht. Seit wann ſind denn die Fürſten und die Völker Geg- ner in thesi, die um das was jedem zu Recht gebührt, proceſſiren müſſen? und wo iſt der Gerichtshof dieſes Rechtsſtreites anders als in der Ge- ſchichte, dem Weltgerichte? Jſt aber dieſe bloß in der Vergangenheit, gehört ihr nicht auch die Gegenwart, iſt nicht geſtern der Richter Lehrer für heute und recken ſich nicht heutzutage die Tage, die Stunden zu Jahrzehnten und Jahrhunderten in Ereigniß und Folge? Seit wann? haben wir eben gefragt, wir müſſen eigentlich fragen: „warum? aus weſſen Schuld?“ Die Antwort, und daß nicht in den Völkern die Schuld liege, kann der Sehende nicht mehr ſuchen, der Blinde kann ſie greifen, das Gewiſſen, ſelbſt das politiſche, muß ſie geben. Jhr Fürſt v. Leinin- gen hat beides ausgeſprochen in der Denkſchrift vom 20 Febr., die unter dieſem Datum ein merkwürdiges Beiſpiel politiſcher Perſpicacität, einer Providenz iſt, die, während in der Gewitterſchwüle noch alles ruhig ſchlief, mit den eigentlichen Urſachen ſchon alle, alle Folgen nachwies welche der Entladungsſchlag haben mußte und wirklich ge- habt hat. Daß demſelben Fürſten im Odenwald eine Fackel auf- gegangen iſt über das was er ſelbſt verſäumt hat, nimmt ſeiner Denk- ſchrift nicht das geringſte am Werth, iſt eine menſchliche Erſcheinung, wie ſie an Friedrich II, an Stein, an andern, ja, wenn wir ehrlich find, an jedem von uns offenbar geworden find und offenbar werden. — Was jetzt zur Rettung des Vaterlandes gegen den von außen und innen anders nicht mehr ausweichlichen Untergang zu thun und vor allem die Aufgabe Preußens ſey, iſt bereits keine Frage mehr, iſt eine Thatſache geworden. Was einzelne tüchtige und vor- und umſichtige Männer ſchon vor Jahren erkannten, was v. Gagern z. B. in den offenen Berathungen über die Gründung der Deutſchen Zeitung im vorigen Jahr und am 5 d. M. in der Berathung zu Heidelberg ausſprach, was die Deutſche Zeitung demnächſt immer und namentlich in ihrer Polemik verfolgt und jetzt un- umwunden ausgeſprochen hat, iſt die eine und allgemeine Wahrheit: Deutſchland ſieht und fällt mit Preußen, Preußen mit Deutſchland. Deutſchland kann ſich nur ſelbſt helfen, kann es nur mit einem Mittel- punkt, und dieſer iſt nur Preußen. Preußen aber kann nur mit der Nation ſiehen, ohne dieſelbe nur fallen; mit ihm fällt Deutſchland zu- nächſt in Theilung auseinander, dann und damit dem laurenden Weſten

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine79_1848/4>, abgerufen am 25.11.2024.