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Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848.

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[Spaltenumbruch] habe. 5) Bildung in nächster Zukunft einer Solidarität der deutschen
Volksstämme, an welcher sich alle feindlichen inneren und äußeren Zeit-
strömungen als einen unüberwindlichen Wall brechen werden. 6) Un-
verzügliche
Trennung des Richteramts von der Verwaltung und Ein-
führung der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit in die Rechtspflege mit
Schwurgerichten, nach dem Vorbilde Englands. 7) Verbesserung des
Schulwesens, unbedingte Lehrfreiheit, bürgerliche und politische Gleich-
berechtigung aller religiösen Bekenntnisse, das Recht der Association und
freien Volksversammlung. 8) Polizeigesetz, wodurch dessen Handhabung
durch Richteramtspersonen der Willkür der letzte Boden entzogen und
der klar anerkannte Wille des Gesetzes entscheidet. 9) Volksbewaffnung
zum Schutz des Gesetzes und der Unabhängigkeit unseres deutschen Vater-
landes. 10) Befreiung des Grundbefitzes von drückenden Reallasten.
11) Erwartung daß alle Vorrechte schwinden welche die Kraft der Ver-
waltung schwächen, die Sicherheit der Rechtspflege gefährden und den
Wohlstand des Landes verkümmern. 12) Bessere Fürsorge für die arbei-
tende Classe einerseits durch Hebung von Jndustrie und Gewerben, ande-
rerseits durch zweckmäßigere Vertheilung der Steuern. 13) Ungehemmte
Entwicklung der individuellen Freiheit fordert das Volk als erste Bürg-
schaft seiner staatlichen Existenz.

Gr. Hessen.

In der gestrigen
Sitzung der zweiten Kammer richtete der Abg. Kretschmar an den Mi-
nister Gagern die Frage: ob die preußische Staatsregierung, sowie an
das badische, so auch an das hessische Gouvernement das Ansinnen ge-
richtet habe sich zu keinen Concessionen zu verstehen. Hr. v. Gagern,
der auch Minister des Aeußern ist, antwortete daß eine solche Einladung
nicht ergangen sey, er auch guten Grund habe zu erklären daß ebenso-
wenig an Baden ein solches Ansinnen gelangt sey. Das gestrige Regie-
rungsblatt enthält Dienstnachrichten welche die letzten Ernennungen in
den obersten Verwaltungskreisen darlegen. Ministerium der auswär-
tigen Angelegenheiten: Gagern, Hallwachs, geheimer Staatsrath. Mi-
nist erium des Innern: Gagern, v. Kuder, Meurer (bisher Kreisrath),
Eig enbrodt (bisher Fiscalanwalt). Minisierium der Justiz: Kilian
(bis her Generalstaatsprocurator, nun Minister), v. Lindelof, Emmer-
ling (bisher Advocat, Mitglied und Secretär der zweiten Kammer,
Präsident des Gesetzgebungsausschusses). Die Ministerialräthe v. Bech-
told und Breidenbach wurden "bis auf weiteres in den Ruhestand ver-
setzt." Besonders letzterer ist ein Mann von ausgezeichneten Eigen-
schaften, so daß das Publicum um so mehr sich dem Glauben hingibt
daß er bald wieder in den Staatsdienst zurückgerufen wird. Erst neu-
lich noch hat er bei dem Wechselcongreß Hessen sehr befriedigend repräsen-
tirt. -- Heute Abend wird zur Feier des Namensfestes der Gemahlin
des Mitregenten (Mathilde) Dullers Dornenröschen aufgeführt, ein
"Märchen" das von vielen Goldfäden politischer Poeste durchwebt seyn
wird.

Freie Städte,

Die Mit-
theilungen in verschiedenen öffentlichen Blättern, auch in der Allgem.
Zeitung, betreffend die Verhandlungen der Bundesversammlung über
Bundesreform, sind nach der Erzählung von Männern die gut un-
terrichtet seyn können in folgender Weise zu ordnen, zu berichtigen
und zu ergänzen. Am 8 März habe der badische Bundestagsgesandte
erklärt: Wiederholt habe Baden ausgesprochen daß es den bisherigen
Zustand der Bundespreßgesetzgebung für unzweckmäßig halte. Es habe
in ruhigen Zeiten das Opfer gebracht an dieser festzuhalten, in der
Hoffnung daß der Bund die Verheißungen des Art. 18 der Bundes-
acte erfüllen werde. Es freue sich daher daß der Bundesbeschluß vom
3 März Aussicht zur Erfüllung dieser Hoffnung gebe. Schon am
9 März wurde ein Ausschuß gewählt dessen Berichterstatter, man sagt:
v. Blittersdorff, schon Tags darauf einen Bericht, im wesentlichen
folgenden Inhalts, vortrug: Das Organ des deutschen Bundes, die
Bundesversammlung, habe längst das allgemeine Vertrauen verloren,
und schon die Grundverfassung des Bundes sey mangelhaft gewesen.
Gegenstände habe er in sich aufgenommen welche den einzelnen Bundes-
gliedern hätten überlassen bleiben können, während solche bei denen dieß
nicht der Fall seyn dürf, von seiner Competenz ausgeschlossen seyen.
Anderes sey bloßes Versprechen geblieben, und diese Versprechungen
seyen Täuschungen gewesen weil ihre Erfüllung von Einhelligkeit der
Stimmen abhängig gemacht wäre. Hieraus sey einestheils eine so
ausgedehnte Souveränetät der einzelnen Bundesstaaten, und daher die
Abhängigkeit der Bundestagsgesandten von den Instructionen ihrer
Höfe entstanden. Die Protokolle der Bundesversammlung seyen nichts
[Spaltenumbruch] als Repositorien von Vorträgen ohne Leben und Zusammenhang, ohne
Austausch der Ansichten, ohne folgerichtiges Ergebniß. Hinzukomme
die mangelhafte Geschäftsordnung welche durch die langen Abwesen-
heiten des Bundestagspräsidialgesandten noch mehr gehemmt sey. So
habe das Ansehen der Bundesversammlung von Tag zu Tag sinken
müssen, um so mehr als auch viele Bundesregierungen die oft mübsam
zustandegekommenen Beschlüsse häufig nicht veröffentlicht, oder nicht
befolgt, oder für unverbindlich erklärt hätten. Aber solche Beschlüsse
seyen veröffentlicht und befolgt die der öffentlichen Meinung entgegen-
traten. Inzwischen bildeten die Ständeversammlungen die landstän-
dischen Verfassungen (denen also die verkehrte Einrichtung der Bundes-
versammlung zum Segen gereichte) zu wahren Repräsentativverfassun-
gen aus und wurden zugleich durch die Oeffentlichkeit ihrer Verhand-
lungen zu Trägern der öffentlichen Meinung, so daß die deutschen
Völker (was zur Geschichte ihrer politischen Ausbildung gehört) sich
immer mehr den Ständeversammlungen als den Regierungen zu-
wandten. Sondervereine der einzelnen Regierungen gewährten keine
Entschädigung für die Unpopularität des immer mehr versinkenden
Bundes. In solcher Lage wurde Deutschland von den neuesten Er-
eignissen überrascht, so daß die Revolution hier vieles zu ihren Gunsten
vorbereitet fand. Die plötzlichen Zugeständnisse der Regierungen stehen
mit dem bisherigen Bundessystem im Widerspruch, dieses muß also
schon deßhalb verändert und die Centralgewalt des Bundes im volks-
thümlichen Sinne bedeutend erweitert werden. Die neuesten Bundes-
beschlüsse und Aufrufe haben zwar bei vielen Einzelnen einen guten
Eindruck gemacht, im allgemeinen aber kein Vertrauen zu erwecken
vermocht. Also müsse die Bundesversammlung sich schleunigst mit
Umgestaltung der Bundesverfassung auf zeitgemäßer volksthümlicher
Grundlage beschäftigen. Dann werde sie die Augen des deutschen
Volkes auf sich ziehen und, gelinge das große volksthümliche Werk, das
allgemeine Vertrauen gewinnen. Dieß ist der wesentliche Inhalt des
merkwürdigen Berichtes welchen Hr. v. Blittersdorff so rasch im Sinne
seiner Regierung erstattete. Fast hätte ich vergessen daß derselbe auch
die Heidelberger Versammlung vom 5 März in ehrender Weise er-
wähnt und als ein Gegengift gegen die zum Theil unpatriotischen
Bestrebungen der Republicaner und Ultraradicalen darstellt. Tags
darauf schlug er dann bekanntlich im Auftrag seiner Regierung vor
daß die Bundesversammlung zur bessern Ausbildung des Organs des
des deutschen Bundes weitere Einrichtungen, insbesondere eine stän-
dische Vertretung der deutschen Bundesländer bei der Bundesver-
sammlung in Berathung nehme, und wieder Tags darauf machte er
als Berichterstatter des Ausschusses den bereits aus den öffentlichen
Blättern bekannten Antrag, unverzüglich Männer zuzuziehen (auf
jede der 17 Stimmen des engeren Rathes einen
) die das öf-
fentliche Vertrauen genießen.


(Erneuerung des Tumults.)

Am gestrigen
Tage berichtete ich Ihnen wie der Rath- und Bürgerconvent ganz
ruhig abgehalten worden, und den Tag über keine Ruhestörung statt-
gefunden habe. Allgemein war man der Ansicht daß weder für den
Abend noch für die nächste Zeit ein ernstlicher Tumult sich wieder-
holen werde, denn durch Freigebung der Presse, durch die Wahl der
Reformdeputation und die öffentliche Anerkennung der 12 Reform-
punkte, als von dieser Deputation besonders zu berücksichtigen, war
der politischen Aufregung jeder Grund und Vorwand genommen.
Kaum aber war gestern Abend um 6 Uhr die Bürgergarde entlassen,
so wurde schon eine Stunde darauf wieder der Generalmarsch geschla-
gen und die Bürgergarde mußte aufs neue aufgeboten werden. Die
Veranlassung zu den sich unerwartet erneuernden Ruhestörungen war
eigentlich nur die Lust des Pöbels zu Excessen; es war ein Tumult
ohne igendwelchen Grund oder Zweck. Am meisten Gedränge war in
der Nähe des Stadthauses auf dem Neuenwall und in der Gegend
des Altonaer Thores, wo sich auch manches fremde Gesindel gesam-
melt hatte. Hier kam es auch zur Anwendung von Waffengewalt,
und sind von dem Pöbel oder den unberufenen und unvorsichtigen
Zuschauern einige (man spricht von 5) tödtlich, mehrere sonst ver-
wundet worden. Das Bürgermilitär hat große Mäßigung beobachtet.
Heute Morgen ist nun ein scharfes Mandat publicirt worden, wodurch
angezeigt wird daß bei Wiederkehr solcher tumultuarischen Ruhestö-
rungen scharf gefeuert werden solle. Dieser Schritt findet die all-
gemeinste Billigung, und man darf erwarten daß dieß Mandat hinreichen
wird solchen ärgerlichen Pöbelexcessen ohne Sinn und Verstand ein Ende

[Spaltenumbruch] habe. 5) Bildung in nächſter Zukunft einer Solidarität der deutſchen
Volksſtämme, an welcher ſich alle feindlichen inneren und äußeren Zeit-
ſtrömungen als einen unüberwindlichen Wall brechen werden. 6) Un-
verzügliche
Trennung des Richteramts von der Verwaltung und Ein-
führung der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit in die Rechtspflege mit
Schwurgerichten, nach dem Vorbilde Englands. 7) Verbeſſerung des
Schulweſens, unbedingte Lehrfreiheit, bürgerliche und politiſche Gleich-
berechtigung aller religiöſen Bekenntniſſe, das Recht der Aſſociation und
freien Volksverſammlung. 8) Polizeigeſetz, wodurch deſſen Handhabung
durch Richteramtsperſonen der Willkür der letzte Boden entzogen und
der klar anerkannte Wille des Geſetzes entſcheidet. 9) Volksbewaffnung
zum Schutz des Geſetzes und der Unabhängigkeit unſeres deutſchen Vater-
landes. 10) Befreiung des Grundbefitzes von drückenden Reallaſten.
11) Erwartung daß alle Vorrechte ſchwinden welche die Kraft der Ver-
waltung ſchwächen, die Sicherheit der Rechtspflege gefährden und den
Wohlſtand des Landes verkümmern. 12) Beſſere Fürſorge für die arbei-
tende Claſſe einerſeits durch Hebung von Jnduſtrie und Gewerben, ande-
rerſeits durch zweckmäßigere Vertheilung der Steuern. 13) Ungehemmte
Entwicklung der individuellen Freiheit fordert das Volk als erſte Bürg-
ſchaft ſeiner ſtaatlichen Exiſtenz.

Gr. Heſſen.

In der geſtrigen
Sitzung der zweiten Kammer richtete der Abg. Kretſchmar an den Mi-
niſter Gagern die Frage: ob die preußiſche Staatsregierung, ſowie an
das badiſche, ſo auch an das heſſiſche Gouvernement das Anſinnen ge-
richtet habe ſich zu keinen Conceſſionen zu verſtehen. Hr. v. Gagern,
der auch Miniſter des Aeußern iſt, antwortete daß eine ſolche Einladung
nicht ergangen ſey, er auch guten Grund habe zu erklären daß ebenſo-
wenig an Baden ein ſolches Anſinnen gelangt ſey. Das geſtrige Regie-
rungsblatt enthält Dienſtnachrichten welche die letzten Ernennungen in
den oberſten Verwaltungskreiſen darlegen. Miniſterium der auswär-
tigen Angelegenheiten: Gagern, Hallwachs, geheimer Staatsrath. Mi-
niſt erium des Innern: Gagern, v. Kuder, Meurer (bisher Kreisrath),
Eig enbrodt (bisher Fiscalanwalt). Miniſierium der Juſtiz: Kilian
(bis her Generalſtaatsprocurator, nun Miniſter), v. Lindelof, Emmer-
ling (bisher Advocat, Mitglied und Secretär der zweiten Kammer,
Präſident des Geſetzgebungsausſchuſſes). Die Miniſterialräthe v. Bech-
told und Breidenbach wurden „bis auf weiteres in den Ruheſtand ver-
ſetzt.“ Beſonders letzterer iſt ein Mann von ausgezeichneten Eigen-
ſchaften, ſo daß das Publicum um ſo mehr ſich dem Glauben hingibt
daß er bald wieder in den Staatsdienſt zurückgerufen wird. Erſt neu-
lich noch hat er bei dem Wechſelcongreß Heſſen ſehr befriedigend repräſen-
tirt. — Heute Abend wird zur Feier des Namensfeſtes der Gemahlin
des Mitregenten (Mathilde) Dullers Dornenröschen aufgeführt, ein
„Märchen“ das von vielen Goldfäden politiſcher Poeſte durchwebt ſeyn
wird.

Freie Städte,

Die Mit-
theilungen in verſchiedenen öffentlichen Blättern, auch in der Allgem.
Zeitung, betreffend die Verhandlungen der Bundesverſammlung über
Bundesreform, ſind nach der Erzählung von Männern die gut un-
terrichtet ſeyn können in folgender Weiſe zu ordnen, zu berichtigen
und zu ergänzen. Am 8 März habe der badiſche Bundestagsgeſandte
erklärt: Wiederholt habe Baden ausgeſprochen daß es den bisherigen
Zuſtand der Bundespreßgeſetzgebung für unzweckmäßig halte. Es habe
in ruhigen Zeiten das Opfer gebracht an dieſer feſtzuhalten, in der
Hoffnung daß der Bund die Verheißungen des Art. 18 der Bundes-
acte erfüllen werde. Es freue ſich daher daß der Bundesbeſchluß vom
3 März Ausſicht zur Erfüllung dieſer Hoffnung gebe. Schon am
9 März wurde ein Ausſchuß gewählt deſſen Berichterſtatter, man ſagt:
v. Blittersdorff, ſchon Tags darauf einen Bericht, im weſentlichen
folgenden Inhalts, vortrug: Das Organ des deutſchen Bundes, die
Bundesverſammlung, habe längſt das allgemeine Vertrauen verloren,
und ſchon die Grundverfaſſung des Bundes ſey mangelhaft geweſen.
Gegenſtände habe er in ſich aufgenommen welche den einzelnen Bundes-
gliedern hätten überlaſſen bleiben können, während ſolche bei denen dieß
nicht der Fall ſeyn dürf, von ſeiner Competenz ausgeſchloſſen ſeyen.
Anderes ſey bloßes Verſprechen geblieben, und dieſe Verſprechungen
ſeyen Täuſchungen geweſen weil ihre Erfüllung von Einhelligkeit der
Stimmen abhängig gemacht wäre. Hieraus ſey einestheils eine ſo
ausgedehnte Souveränetät der einzelnen Bundesſtaaten, und daher die
Abhängigkeit der Bundestagsgeſandten von den Inſtructionen ihrer
Höfe entſtanden. Die Protokolle der Bundesverſammlung ſeyen nichts
[Spaltenumbruch] als Repoſitorien von Vorträgen ohne Leben und Zuſammenhang, ohne
Austauſch der Anſichten, ohne folgerichtiges Ergebniß. Hinzukomme
die mangelhafte Geſchäftsordnung welche durch die langen Abweſen-
heiten des Bundestagspräſidialgeſandten noch mehr gehemmt ſey. So
habe das Anſehen der Bundesverſammlung von Tag zu Tag ſinken
müſſen, um ſo mehr als auch viele Bundesregierungen die oft mübſam
zuſtandegekommenen Beſchlüſſe häufig nicht veröffentlicht, oder nicht
befolgt, oder für unverbindlich erklärt hätten. Aber ſolche Beſchlüſſe
ſeyen veröffentlicht und befolgt die der öffentlichen Meinung entgegen-
traten. Inzwiſchen bildeten die Ständeverſammlungen die landſtän-
diſchen Verfaſſungen (denen alſo die verkehrte Einrichtung der Bundes-
verſammlung zum Segen gereichte) zu wahren Repräſentativverfaſſun-
gen aus und wurden zugleich durch die Oeffentlichkeit ihrer Verhand-
lungen zu Trägern der öffentlichen Meinung, ſo daß die deutſchen
Völker (was zur Geſchichte ihrer politiſchen Ausbildung gehört) ſich
immer mehr den Ständeverſammlungen als den Regierungen zu-
wandten. Sondervereine der einzelnen Regierungen gewährten keine
Entſchädigung für die Unpopularität des immer mehr verſinkenden
Bundes. In ſolcher Lage wurde Deutſchland von den neueſten Er-
eigniſſen überraſcht, ſo daß die Revolution hier vieles zu ihren Gunſten
vorbereitet fand. Die plötzlichen Zugeſtändniſſe der Regierungen ſtehen
mit dem bisherigen Bundesſyſtem im Widerſpruch, dieſes muß alſo
ſchon deßhalb verändert und die Centralgewalt des Bundes im volks-
thümlichen Sinne bedeutend erweitert werden. Die neueſten Bundes-
beſchlüſſe und Aufrufe haben zwar bei vielen Einzelnen einen guten
Eindruck gemacht, im allgemeinen aber kein Vertrauen zu erwecken
vermocht. Alſo müſſe die Bundesverſammlung ſich ſchleunigſt mit
Umgeſtaltung der Bundesverfaſſung auf zeitgemäßer volksthümlicher
Grundlage beſchäftigen. Dann werde ſie die Augen des deutſchen
Volkes auf ſich ziehen und, gelinge das große volksthümliche Werk, das
allgemeine Vertrauen gewinnen. Dieß iſt der weſentliche Inhalt des
merkwürdigen Berichtes welchen Hr. v. Blittersdorff ſo raſch im Sinne
ſeiner Regierung erſtattete. Faſt hätte ich vergeſſen daß derſelbe auch
die Heidelberger Verſammlung vom 5 März in ehrender Weiſe er-
wähnt und als ein Gegengift gegen die zum Theil unpatriotiſchen
Beſtrebungen der Republicaner und Ultraradicalen darſtellt. Tags
darauf ſchlug er dann bekanntlich im Auftrag ſeiner Regierung vor
daß die Bundesverſammlung zur beſſern Ausbildung des Organs des
des deutſchen Bundes weitere Einrichtungen, insbeſondere eine ſtän-
diſche Vertretung der deutſchen Bundesländer bei der Bundesver-
ſammlung in Berathung nehme, und wieder Tags darauf machte er
als Berichterſtatter des Ausſchuſſes den bereits aus den öffentlichen
Blättern bekannten Antrag, unverzüglich Männer zuzuziehen (auf
jede der 17 Stimmen des engeren Rathes einen
) die das öf-
fentliche Vertrauen genießen.


(Erneuerung des Tumults.)

Am geſtrigen
Tage berichtete ich Ihnen wie der Rath- und Bürgerconvent ganz
ruhig abgehalten worden, und den Tag über keine Ruheſtörung ſtatt-
gefunden habe. Allgemein war man der Anſicht daß weder für den
Abend noch für die nächſte Zeit ein ernſtlicher Tumult ſich wieder-
holen werde, denn durch Freigebung der Preſſe, durch die Wahl der
Reformdeputation und die öffentliche Anerkennung der 12 Reform-
punkte, als von dieſer Deputation beſonders zu berückſichtigen, war
der politiſchen Aufregung jeder Grund und Vorwand genommen.
Kaum aber war geſtern Abend um 6 Uhr die Bürgergarde entlaſſen,
ſo wurde ſchon eine Stunde darauf wieder der Generalmarſch geſchla-
gen und die Bürgergarde mußte aufs neue aufgeboten werden. Die
Veranlaſſung zu den ſich unerwartet erneuernden Ruheſtörungen war
eigentlich nur die Luſt des Pöbels zu Exceſſen; es war ein Tumult
ohne igendwelchen Grund oder Zweck. Am meiſten Gedränge war in
der Nähe des Stadthauſes auf dem Neuenwall und in der Gegend
des Altonaer Thores, wo ſich auch manches fremde Geſindel geſam-
melt hatte. Hier kam es auch zur Anwendung von Waffengewalt,
und ſind von dem Pöbel oder den unberufenen und unvorſichtigen
Zuſchauern einige (man ſpricht von 5) tödtlich, mehrere ſonſt ver-
wundet worden. Das Bürgermilitär hat große Mäßigung beobachtet.
Heute Morgen iſt nun ein ſcharfes Mandat publicirt worden, wodurch
angezeigt wird daß bei Wiederkehr ſolcher tumultuariſchen Ruheſtö-
rungen ſcharf gefeuert werden ſolle. Dieſer Schritt findet die all-
gemeinſte Billigung, und man darf erwarten daß dieß Mandat hinreichen
wird ſolchen ärgerlichen Pöbelexceſſen ohne Sinn und Verſtand ein Ende

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[1251/0003] habe. 5) Bildung in nächſter Zukunft einer Solidarität der deutſchen Volksſtämme, an welcher ſich alle feindlichen inneren und äußeren Zeit- ſtrömungen als einen unüberwindlichen Wall brechen werden. 6) Un- verzügliche Trennung des Richteramts von der Verwaltung und Ein- führung der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit in die Rechtspflege mit Schwurgerichten, nach dem Vorbilde Englands. 7) Verbeſſerung des Schulweſens, unbedingte Lehrfreiheit, bürgerliche und politiſche Gleich- berechtigung aller religiöſen Bekenntniſſe, das Recht der Aſſociation und freien Volksverſammlung. 8) Polizeigeſetz, wodurch deſſen Handhabung durch Richteramtsperſonen der Willkür der letzte Boden entzogen und der klar anerkannte Wille des Geſetzes entſcheidet. 9) Volksbewaffnung zum Schutz des Geſetzes und der Unabhängigkeit unſeres deutſchen Vater- landes. 10) Befreiung des Grundbefitzes von drückenden Reallaſten. 11) Erwartung daß alle Vorrechte ſchwinden welche die Kraft der Ver- waltung ſchwächen, die Sicherheit der Rechtspflege gefährden und den Wohlſtand des Landes verkümmern. 12) Beſſere Fürſorge für die arbei- tende Claſſe einerſeits durch Hebung von Jnduſtrie und Gewerben, ande- rerſeits durch zweckmäßigere Vertheilung der Steuern. 13) Ungehemmte Entwicklung der individuellen Freiheit fordert das Volk als erſte Bürg- ſchaft ſeiner ſtaatlichen Exiſtenz. München, 17 März 1848. Gr. Heſſen. *** Darmſtadt, 15 März. In der geſtrigen Sitzung der zweiten Kammer richtete der Abg. Kretſchmar an den Mi- niſter Gagern die Frage: ob die preußiſche Staatsregierung, ſowie an das badiſche, ſo auch an das heſſiſche Gouvernement das Anſinnen ge- richtet habe ſich zu keinen Conceſſionen zu verſtehen. Hr. v. Gagern, der auch Miniſter des Aeußern iſt, antwortete daß eine ſolche Einladung nicht ergangen ſey, er auch guten Grund habe zu erklären daß ebenſo- wenig an Baden ein ſolches Anſinnen gelangt ſey. Das geſtrige Regie- rungsblatt enthält Dienſtnachrichten welche die letzten Ernennungen in den oberſten Verwaltungskreiſen darlegen. Miniſterium der auswär- tigen Angelegenheiten: Gagern, Hallwachs, geheimer Staatsrath. Mi- niſt erium des Innern: Gagern, v. Kuder, Meurer (bisher Kreisrath), Eig enbrodt (bisher Fiscalanwalt). Miniſierium der Juſtiz: Kilian (bis her Generalſtaatsprocurator, nun Miniſter), v. Lindelof, Emmer- ling (bisher Advocat, Mitglied und Secretär der zweiten Kammer, Präſident des Geſetzgebungsausſchuſſes). Die Miniſterialräthe v. Bech- told und Breidenbach wurden „bis auf weiteres in den Ruheſtand ver- ſetzt.“ Beſonders letzterer iſt ein Mann von ausgezeichneten Eigen- ſchaften, ſo daß das Publicum um ſo mehr ſich dem Glauben hingibt daß er bald wieder in den Staatsdienſt zurückgerufen wird. Erſt neu- lich noch hat er bei dem Wechſelcongreß Heſſen ſehr befriedigend repräſen- tirt. — Heute Abend wird zur Feier des Namensfeſtes der Gemahlin des Mitregenten (Mathilde) Dullers Dornenröschen aufgeführt, ein „Märchen“ das von vielen Goldfäden politiſcher Poeſte durchwebt ſeyn wird. Freie Städte, *** Frankfurt a. M., 15 März. Die Mit- theilungen in verſchiedenen öffentlichen Blättern, auch in der Allgem. Zeitung, betreffend die Verhandlungen der Bundesverſammlung über Bundesreform, ſind nach der Erzählung von Männern die gut un- terrichtet ſeyn können in folgender Weiſe zu ordnen, zu berichtigen und zu ergänzen. Am 8 März habe der badiſche Bundestagsgeſandte erklärt: Wiederholt habe Baden ausgeſprochen daß es den bisherigen Zuſtand der Bundespreßgeſetzgebung für unzweckmäßig halte. Es habe in ruhigen Zeiten das Opfer gebracht an dieſer feſtzuhalten, in der Hoffnung daß der Bund die Verheißungen des Art. 18 der Bundes- acte erfüllen werde. Es freue ſich daher daß der Bundesbeſchluß vom 3 März Ausſicht zur Erfüllung dieſer Hoffnung gebe. Schon am 9 März wurde ein Ausſchuß gewählt deſſen Berichterſtatter, man ſagt: v. Blittersdorff, ſchon Tags darauf einen Bericht, im weſentlichen folgenden Inhalts, vortrug: Das Organ des deutſchen Bundes, die Bundesverſammlung, habe längſt das allgemeine Vertrauen verloren, und ſchon die Grundverfaſſung des Bundes ſey mangelhaft geweſen. Gegenſtände habe er in ſich aufgenommen welche den einzelnen Bundes- gliedern hätten überlaſſen bleiben können, während ſolche bei denen dieß nicht der Fall ſeyn dürf, von ſeiner Competenz ausgeſchloſſen ſeyen. Anderes ſey bloßes Verſprechen geblieben, und dieſe Verſprechungen ſeyen Täuſchungen geweſen weil ihre Erfüllung von Einhelligkeit der Stimmen abhängig gemacht wäre. Hieraus ſey einestheils eine ſo ausgedehnte Souveränetät der einzelnen Bundesſtaaten, und daher die Abhängigkeit der Bundestagsgeſandten von den Inſtructionen ihrer Höfe entſtanden. Die Protokolle der Bundesverſammlung ſeyen nichts als Repoſitorien von Vorträgen ohne Leben und Zuſammenhang, ohne Austauſch der Anſichten, ohne folgerichtiges Ergebniß. Hinzukomme die mangelhafte Geſchäftsordnung welche durch die langen Abweſen- heiten des Bundestagspräſidialgeſandten noch mehr gehemmt ſey. So habe das Anſehen der Bundesverſammlung von Tag zu Tag ſinken müſſen, um ſo mehr als auch viele Bundesregierungen die oft mübſam zuſtandegekommenen Beſchlüſſe häufig nicht veröffentlicht, oder nicht befolgt, oder für unverbindlich erklärt hätten. Aber ſolche Beſchlüſſe ſeyen veröffentlicht und befolgt die der öffentlichen Meinung entgegen- traten. Inzwiſchen bildeten die Ständeverſammlungen die landſtän- diſchen Verfaſſungen (denen alſo die verkehrte Einrichtung der Bundes- verſammlung zum Segen gereichte) zu wahren Repräſentativverfaſſun- gen aus und wurden zugleich durch die Oeffentlichkeit ihrer Verhand- lungen zu Trägern der öffentlichen Meinung, ſo daß die deutſchen Völker (was zur Geſchichte ihrer politiſchen Ausbildung gehört) ſich immer mehr den Ständeverſammlungen als den Regierungen zu- wandten. Sondervereine der einzelnen Regierungen gewährten keine Entſchädigung für die Unpopularität des immer mehr verſinkenden Bundes. In ſolcher Lage wurde Deutſchland von den neueſten Er- eigniſſen überraſcht, ſo daß die Revolution hier vieles zu ihren Gunſten vorbereitet fand. Die plötzlichen Zugeſtändniſſe der Regierungen ſtehen mit dem bisherigen Bundesſyſtem im Widerſpruch, dieſes muß alſo ſchon deßhalb verändert und die Centralgewalt des Bundes im volks- thümlichen Sinne bedeutend erweitert werden. Die neueſten Bundes- beſchlüſſe und Aufrufe haben zwar bei vielen Einzelnen einen guten Eindruck gemacht, im allgemeinen aber kein Vertrauen zu erwecken vermocht. Alſo müſſe die Bundesverſammlung ſich ſchleunigſt mit Umgeſtaltung der Bundesverfaſſung auf zeitgemäßer volksthümlicher Grundlage beſchäftigen. Dann werde ſie die Augen des deutſchen Volkes auf ſich ziehen und, gelinge das große volksthümliche Werk, das allgemeine Vertrauen gewinnen. Dieß iſt der weſentliche Inhalt des merkwürdigen Berichtes welchen Hr. v. Blittersdorff ſo raſch im Sinne ſeiner Regierung erſtattete. Faſt hätte ich vergeſſen daß derſelbe auch die Heidelberger Verſammlung vom 5 März in ehrender Weiſe er- wähnt und als ein Gegengift gegen die zum Theil unpatriotiſchen Beſtrebungen der Republicaner und Ultraradicalen darſtellt. Tags darauf ſchlug er dann bekanntlich im Auftrag ſeiner Regierung vor daß die Bundesverſammlung zur beſſern Ausbildung des Organs des des deutſchen Bundes weitere Einrichtungen, insbeſondere eine ſtän- diſche Vertretung der deutſchen Bundesländer bei der Bundesver- ſammlung in Berathung nehme, und wieder Tags darauf machte er als Berichterſtatter des Ausſchuſſes den bereits aus den öffentlichen Blättern bekannten Antrag, unverzüglich Männer zuzuziehen (auf jede der 17 Stimmen des engeren Rathes einen) die das öf- fentliche Vertrauen genießen. ** Hamburg, 12 März. (Erneuerung des Tumults.) Am geſtrigen Tage berichtete ich Ihnen wie der Rath- und Bürgerconvent ganz ruhig abgehalten worden, und den Tag über keine Ruheſtörung ſtatt- gefunden habe. Allgemein war man der Anſicht daß weder für den Abend noch für die nächſte Zeit ein ernſtlicher Tumult ſich wieder- holen werde, denn durch Freigebung der Preſſe, durch die Wahl der Reformdeputation und die öffentliche Anerkennung der 12 Reform- punkte, als von dieſer Deputation beſonders zu berückſichtigen, war der politiſchen Aufregung jeder Grund und Vorwand genommen. Kaum aber war geſtern Abend um 6 Uhr die Bürgergarde entlaſſen, ſo wurde ſchon eine Stunde darauf wieder der Generalmarſch geſchla- gen und die Bürgergarde mußte aufs neue aufgeboten werden. Die Veranlaſſung zu den ſich unerwartet erneuernden Ruheſtörungen war eigentlich nur die Luſt des Pöbels zu Exceſſen; es war ein Tumult ohne igendwelchen Grund oder Zweck. Am meiſten Gedränge war in der Nähe des Stadthauſes auf dem Neuenwall und in der Gegend des Altonaer Thores, wo ſich auch manches fremde Geſindel geſam- melt hatte. Hier kam es auch zur Anwendung von Waffengewalt, und ſind von dem Pöbel oder den unberufenen und unvorſichtigen Zuſchauern einige (man ſpricht von 5) tödtlich, mehrere ſonſt ver- wundet worden. Das Bürgermilitär hat große Mäßigung beobachtet. Heute Morgen iſt nun ein ſcharfes Mandat publicirt worden, wodurch angezeigt wird daß bei Wiederkehr ſolcher tumultuariſchen Ruheſtö- rungen ſcharf gefeuert werden ſolle. Dieſer Schritt findet die all- gemeinſte Billigung, und man darf erwarten daß dieß Mandat hinreichen wird ſolchen ärgerlichen Pöbelexceſſen ohne Sinn und Verſtand ein Ende

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848, S. 1251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine79_1848/3>, abgerufen am 23.11.2024.