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Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.

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[Spaltenumbruch] glaubten, welches man uns aber immer von neuem auf den Hals hetzt --
ich meine die Gräfin Landsfeld. Jch würde Sie verschonen mit diesem
Gegenstand, wenn es nicht offenbar wäre daß derselbe wieder zu ernsten
Ruhestörungen die Veranlassung zu geben im Begriff steht. Es ist doch
wahrhaft schmählich daß unsere Stadt, die im gegenwärtigen Augenblick
mit so hochwichtigen Dingen sich zu beschäftigen hat, die Angesichts der
ernsten Verwickelungen welche sich in und um das Vaterland aufthürmen
der ruhigen Fassung so nothwendig bedarf, daß diese fort und fort wieder
sich muß in Aufregung versetzen lassen durch den Ruf "sie ist schon wieder
da!" Gälte es bloß der Person, man würde sich nichts darum kümmern
und die Sache so schnell wieder vergessen als man sie gehört, aber es ist
nur zu bekannt wie hartnäckig sie den vielleicht nie ganz verlornen Ein-
fluß wieder zu erobern sucht, und wie ein Gelingen um so näher liegt je
näher sie sich München befindet. Daher der Unmuth und die gerechte Er-
bitterung welche nun schon drei Tage in steigendem Maße die hiefigen
Mittelclassen erfüllt, nachdem man in Erfahrung gebracht daß jener
Poltergeist sich wieder in unserer Nähe, und zwar in dem eine Stunde
von hier entfernten Schlosse Fürstenried befinde. Man ist zu dem festen
Entschluß gekommen um jeden Preis diese Landplage unschädlich zu
machen. Zu dem Zweck zog gestern Abend eine Schaar von einigen
Hunderten hinaus nach Fürstenried, hielt eine förmliche Streife gegen
sie und verjagte sie von dort. Jn der Dunkelheit der Nacht entging fie
ihren Verfolgern, und flüchtete sich hieher. Aus einem Umstand, den ich
verschweigen muß, schloß man daß fie sich in einem Hause der Wurzerstraße
bei demselben ehemaligen Günstling versteckt halte, bei welchem sie kürzlich
in der Nacht entdeckt und unter einem Canapee hervorgezogen worden
war. Heute Nachmittag umstellten deßhalb viele Hunderte das Haus,
sperrten die Straße von beiden Seiten ab, und eine Art Untersuchungs-
Commission durchstöberte alle Theile des Hauses -- ohne aber sie aus-
findig zu machen. Nun zieht die Menge vor alle jene Häuser wo fie
möglicherweise einen Zufluchtsort gefunden haben könnte, und das Zu-
sammenströmen großer Massen von Unzufriedenen und Neugierigen wird
dadurch wieder in die verschiedensten Theile der Stadt getragen. Jst es
nicht unverantwortlich daß dem nicht gründlich vorgebeugt worden, daß
man unredlich zu Werk gegangen bei ihrer letzten Hinwegschaffung von
hier? Denn wenn es nur bei den Aufläufen bliebe -- aber die Menge
wird darin neuen Anlaß zu Ausgelaffenheiten suchen, und ich müßte mich
sehr irren wenn ich Jhnen nicht morgen von Straßenexceffen zu berich-
ten haben sollte. Wen aber trifft hier die Verantwortung? Unser
Minister des Jnnern ließ gestern Abend, gewissermaßen officiell, verbrei-
ten "daß wenn die Gräfin in der Nähe Münchens sey, sie es sey wider
Wiffen und Willen Sr. Majestät," und der Vorwurf der im Munde des
Volks nach dieser Seite hin gemacht wird, zerfällt dadurch in Nichts.
Jst derselbe aber beseitigt, so können wir von den Behörden verlangen
daß sie dem höchsten Willen völlig entsprechen, die Gräfin von hier blei-
bend entfernen, und dadurch die möglicherweise sehr traurig ausfallenden
Folgen der nun einmal heraufbeschworenen Volksrache verhüten.


Ich sende Ihnen obigen Brief als den ge-
treuen Ausdruck der Ansichten und Ueberzeugungen, wie sie bis zur
Stunde wo er geschrieben wurde, hier allgemein geltend waren. Als
eben die letzten Zeilen geschrieben waren, rief mich der unheimliche
Ton des Generalmarsches vom Hause weg. Meiner Vorhersage war
die Erfüllung auf dem Fuße nachgefolgt. Um 7 Uhr begann ein
Volkshaufe die Polizei zu stürmen. Alle Fenster, viele derselben
sammt den Kreuzstöcken wurden mit Steinen eingeworfen und mit
Wagendeichseln eingestoßen. Die Thore, die beim ersten Angriff ge-
sperrt worden waren, wichen in kurzer Zeit den Brechinstrumenten
die man anwendete. Man drang ein ohne auf wesentlichen Wider-
stand zu stoßen. Der Haufe ergoß sich in die Amtszimmer. Als-
bald wurden Actenstöße, Bücher, Pulte und andere Geräthschaften
durch die Fenster herausgeworfen oder zum Hausthore heraus-
getragen; besonders aus dem Paßbureau sollen eine Menge Pa-
piere hinweggeschleppt und vernichtet worden seyn. Die Tumultuan-
ten hatten die zum Polizeigebäude führenden Straßenzugänge durch
Barrikaden versperrt und so sich vor augenblicklicher Störung ihres
Vernichtungswerkes geschützt. Jnnerhalb des Gebäudes sollen Gefan-
gene befreit worden seyn und es muß dabei eine Zeitlang zum Kampfe
mit Gendarmen gekommen seyn, denn man will Schüsse gehört haben,
auch wurde einigemale herausgeschossen auf die Stürmer. Gegen 8
Uhr rückte Militär an, sperrte die Zugänge ab und trieb allmählich die
[Spaltenumbruch] Eingedrungenen hinweg. Hiebei wurde einer derselben bedeutend an der
Hand verletzt. Fast zur selben Zeit als dieß an der Polizei vorging hatte ein
Haufe in der Residenzstraße, gegenüber dem Chokolade-Fabrikanten
Mayrhofer, die Fenster der Residenz einzuwerfen begonnen. Diesem
wurde aber bald Einhalt gethan; Cuirasstere und Linientruppen säuber-
ten rasch diese Gegend, aber auch hier nicht ohne Blutpergießen, einer
erhielt dabei einen Stich in die rechte Seite und ein anderer einen Sä-
belhieb über den Kopf. Bis gegen halb 9 Uhr waren alle Zugänge zur
Residenz mit Militär abgeschlossen, der Schrannenplatz besetzt und frü-
her schon das bürgerliche Zeughaus durch eine ansehnliche Truppenmacht
aller Gattungen (die Studenten mit eingerechnet) geschützt. Von Seite
der Bürger-Artillerie die mit Gewehren ausgerückt war sollen hier etwa
5--6 Schüsse gefallen seyn, jedoch ohne daß einer von den Herausfor-
derern verletzt worden wäre. Um halb 10 Uhr etwa wurde an allen Orten
wo sich größere Gruppen befanden folgende Bekanntmachung vertheilt:
"Nachdem sich wiederholt das Gerücht verbreitet hat daß die Gräfin
Landsfeld in hiesiger Stadt oder deren nächster Umgebung sich besinde,
so wird hiemit in Folge höchster Entschließung des königl. Ministeriums
des Jnnern bekannt gemacht: daß nach Privatmittheilungen von ganz
verlässigen Personen aus Karlsruhe vom 14 d. M. Gräfin Lands-
feld an eben diesem 14 d. Mts. in Karlsruhe eintraf und von da
nach Frankfurt a. M. abreiste. München am 16 März 1848, Abends
8 Uhr. Der Magistrat der k. Haupt- und Residenzstadt München.
v. Steinsdorf, Bürgermeister, Lachmayr, Secretär." Jch konnte je-
doch wahrnehmen daß keiner von allen die dieselbe beim Mondschein
lasen oder vorlesen hörten der darin enthaltenen Versicherung Glauben
schenkte; "der Minister müsse selbst getäuscht seyn, oder durch den
Drang der Umstände gezwungen seyn zu täuschen" -- so hörte ich all-
gemein sagen.*) Um 3/4 auf 10 Uhr fiel auf dem Schraunenplatz vom
Rathhause aus, wo ein lärmender Haufen stand, ein Pistolenschuß
auf die am Platze aufgestellten Cuirassierre, und später wurden letztere
noch mehrmals mit zahlreichen Steinwürfen von den Bögen aus an-
gegriffen. Dasselbe widerfuhr auch mehrern Studentenabtheilungen,
die alle unter Gewehr die Gefahren mit den übrigen Soldaten zu
theilen und unter ihnen zu leiden hatten. Jch enthalte mich ein Ur-
theil abzugeben ob diese Unruhe ihre Grundlage in einer großartigen Täu-
schung hatte oder in der factischen Anwesenheit der verhaßten Gräfin.
Eine gründliche Untersuchung und Beweisführung wird, so wünsche und
hoffe ich, den Worten des verehrten Ministers des Jnnern die ihnen
gebührrende Achtung verschaffen.


Heute Nacht ist eine Abtheilung
des dahier garnisonirenden Cheveaulegersregiments König nach Edelstetten
abgegangen, wo das fürstl. Esterhazy'sche Herrschaftsgericht dieses Na-
mens seinen Sitz hat; andere Abtheilungen des Cheveaulegerregiments
Herzog Maximilian zu Dillingen sind in den jüngsten Tagen für die
fürstl. Oettingen-Wallerstein'schen Herrschaftsgerichte und das königl.
Landgericht Burgau in Anspruch genommen worden. Eine, wie es
scheint, ziemlich allgemein sich kundgebende Unzufriedenheit der standes-
und gutsherrschaftlichen Grundholden in Bezug auf die Grundbarkeits-
verhältnisse und darangeknüpfte Forderungen der gutsherrlichen Hinter-
fassen, mit bedrohlichen Demonstrationen geltend gemacht und von der
herrschenden Aufregung unterstützt, sollen diese militärische Besetzung
nothwendig gemacht haben. Mehrere Grundherrschaften haben sich durch
ähnliche Veranlassung, aber bei viel bescheidenern Ausprüchen gedrun-
gen gefunden sich mit ihren Grundholden zu vereinbaren, so in den
Fürstenthümern Oettingen-Spielberg und Fugger-Babenhausen. Diese
Vorgänge dürfen indeß mit den wilden Ausbrüchen die anderwärts
vorgekommen nicht in eine Linie gestellt werden. Wir verweisen in
dieser Beziehung nur auf die bekanntgewordene Vorstellung der fürstlich
Oettingen-Wallerstein'schen Hinterfassen im Ries, deren Jnhalt laut
genug für die längst anerkannte dringende Nothwendigkeit zeitge-
mäßer Umgestaltung des Grundbarkeitsverhältnisses auf gesetzlichem
Wege spricht.

Württemberg

Die in Ihrer Num-
mer vom gestrigen Tage von zwei hiefigen Correspondenten gegebene
Nachricht von der Flucht des Fürften von Hechingen ist glücklicherweise
irrig. Auch der größere Theil der Berichte über den "Bauernkrieg"
welche gegenwärtig die Runde durch die Zeitungen machen, ist über-

*) Ebenso wenig Glauben sand ein königlicher Prinz, welcher durch die
gleichen Versicherungen die aufgeregten Haufen zu beruhigen suchte
Der Eins.

[Spaltenumbruch] glaubten, welches man uns aber immer von neuem auf den Hals hetzt —
ich meine die Gräfin Landsfeld. Jch würde Sie verſchonen mit dieſem
Gegenſtand, wenn es nicht offenbar wäre daß derſelbe wieder zu ernſten
Ruheſtörungen die Veranlaſſung zu geben im Begriff ſteht. Es iſt doch
wahrhaft ſchmählich daß unſere Stadt, die im gegenwärtigen Augenblick
mit ſo hochwichtigen Dingen ſich zu beſchäftigen hat, die Angeſichts der
ernſten Verwickelungen welche ſich in und um das Vaterland aufthürmen
der ruhigen Faſſung ſo nothwendig bedarf, daß dieſe fort und fort wieder
ſich muß in Aufregung verſetzen laſſen durch den Ruf „ſie iſt ſchon wieder
da!“ Gälte es bloß der Perſon, man würde ſich nichts darum kümmern
und die Sache ſo ſchnell wieder vergeſſen als man ſie gehört, aber es iſt
nur zu bekannt wie hartnäckig ſie den vielleicht nie ganz verlornen Ein-
fluß wieder zu erobern ſucht, und wie ein Gelingen um ſo näher liegt je
näher ſie ſich München befindet. Daher der Unmuth und die gerechte Er-
bitterung welche nun ſchon drei Tage in ſteigendem Maße die hiefigen
Mittelclaſſen erfüllt, nachdem man in Erfahrung gebracht daß jener
Poltergeiſt ſich wieder in unſerer Nähe, und zwar in dem eine Stunde
von hier entfernten Schloſſe Fürſtenried befinde. Man iſt zu dem feſten
Entſchluß gekommen um jeden Preis dieſe Landplage unſchädlich zu
machen. Zu dem Zweck zog geſtern Abend eine Schaar von einigen
Hunderten hinaus nach Fürſtenried, hielt eine förmliche Streife gegen
ſie und verjagte ſie von dort. Jn der Dunkelheit der Nacht entging fie
ihren Verfolgern, und flüchtete ſich hieher. Aus einem Umſtand, den ich
verſchweigen muß, ſchloß man daß fie ſich in einem Hauſe der Wurzerſtraße
bei demſelben ehemaligen Günſtling verſteckt halte, bei welchem ſie kürzlich
in der Nacht entdeckt und unter einem Canapee hervorgezogen worden
war. Heute Nachmittag umſtellten deßhalb viele Hunderte das Haus,
ſperrten die Straße von beiden Seiten ab, und eine Art Unterſuchungs-
Commiſſion durchſtöberte alle Theile des Hauſes — ohne aber ſie aus-
findig zu machen. Nun zieht die Menge vor alle jene Häuſer wo fie
möglicherweiſe einen Zufluchtsort gefunden haben könnte, und das Zu-
ſammenſtrömen großer Maſſen von Unzufriedenen und Neugierigen wird
dadurch wieder in die verſchiedenſten Theile der Stadt getragen. Jſt es
nicht unverantwortlich daß dem nicht gründlich vorgebeugt worden, daß
man unredlich zu Werk gegangen bei ihrer letzten Hinwegſchaffung von
hier? Denn wenn es nur bei den Aufläufen bliebe — aber die Menge
wird darin neuen Anlaß zu Ausgelaffenheiten ſuchen, und ich müßte mich
ſehr irren wenn ich Jhnen nicht morgen von Straßenexceffen zu berich-
ten haben ſollte. Wen aber trifft hier die Verantwortung? Unſer
Miniſter des Jnnern ließ geſtern Abend, gewiſſermaßen officiell, verbrei-
ten „daß wenn die Gräfin in der Nähe Münchens ſey, ſie es ſey wider
Wiffen und Willen Sr. Majeſtät,“ und der Vorwurf der im Munde des
Volks nach dieſer Seite hin gemacht wird, zerfällt dadurch in Nichts.
Jſt derſelbe aber beſeitigt, ſo können wir von den Behörden verlangen
daß ſie dem höchſten Willen völlig entſprechen, die Gräfin von hier blei-
bend entfernen, und dadurch die möglicherweiſe ſehr traurig ausfallenden
Folgen der nun einmal heraufbeſchworenen Volksrache verhüten.


Ich ſende Ihnen obigen Brief als den ge-
treuen Ausdruck der Anſichten und Ueberzeugungen, wie ſie bis zur
Stunde wo er geſchrieben wurde, hier allgemein geltend waren. Als
eben die letzten Zeilen geſchrieben waren, rief mich der unheimliche
Ton des Generalmarſches vom Hauſe weg. Meiner Vorherſage war
die Erfüllung auf dem Fuße nachgefolgt. Um 7 Uhr begann ein
Volkshaufe die Polizei zu ſtürmen. Alle Fenſter, viele derſelben
ſammt den Kreuzſtöcken wurden mit Steinen eingeworfen und mit
Wagendeichſeln eingeſtoßen. Die Thore, die beim erſten Angriff ge-
ſperrt worden waren, wichen in kurzer Zeit den Brechinſtrumenten
die man anwendete. Man drang ein ohne auf weſentlichen Wider-
ſtand zu ſtoßen. Der Haufe ergoß ſich in die Amtszimmer. Als-
bald wurden Actenſtöße, Bücher, Pulte und andere Geräthſchaften
durch die Fenſter herausgeworfen oder zum Hausthore heraus-
getragen; beſonders aus dem Paßbureau ſollen eine Menge Pa-
piere hinweggeſchleppt und vernichtet worden ſeyn. Die Tumultuan-
ten hatten die zum Polizeigebäude führenden Straßenzugänge durch
Barrikaden verſperrt und ſo ſich vor augenblicklicher Störung ihres
Vernichtungswerkes geſchützt. Jnnerhalb des Gebäudes ſollen Gefan-
gene befreit worden ſeyn und es muß dabei eine Zeitlang zum Kampfe
mit Gendarmen gekommen ſeyn, denn man will Schüſſe gehört haben,
auch wurde einigemale herausgeſchoſſen auf die Stürmer. Gegen 8
Uhr rückte Militär an, ſperrte die Zugänge ab und trieb allmählich die
[Spaltenumbruch] Eingedrungenen hinweg. Hiebei wurde einer derſelben bedeutend an der
Hand verletzt. Faſt zur ſelben Zeit als dieß an der Polizei vorging hatte ein
Haufe in der Reſidenzſtraße, gegenüber dem Chokolade-Fabrikanten
Mayrhofer, die Fenſter der Reſidenz einzuwerfen begonnen. Dieſem
wurde aber bald Einhalt gethan; Cuiraſſtere und Linientruppen ſäuber-
ten raſch dieſe Gegend, aber auch hier nicht ohne Blutpergießen, einer
erhielt dabei einen Stich in die rechte Seite und ein anderer einen Sä-
belhieb über den Kopf. Bis gegen halb 9 Uhr waren alle Zugänge zur
Reſidenz mit Militär abgeſchloſſen, der Schrannenplatz beſetzt und frü-
her ſchon das bürgerliche Zeughaus durch eine anſehnliche Truppenmacht
aller Gattungen (die Studenten mit eingerechnet) geſchützt. Von Seite
der Bürger-Artillerie die mit Gewehren ausgerückt war ſollen hier etwa
5—6 Schüſſe gefallen ſeyn, jedoch ohne daß einer von den Herausfor-
derern verletzt worden wäre. Um halb 10 Uhr etwa wurde an allen Orten
wo ſich größere Gruppen befanden folgende Bekanntmachung vertheilt:
„Nachdem ſich wiederholt das Gerücht verbreitet hat daß die Gräfin
Landsfeld in hieſiger Stadt oder deren nächſter Umgebung ſich beſinde,
ſo wird hiemit in Folge höchſter Entſchließung des königl. Miniſteriums
des Jnnern bekannt gemacht: daß nach Privatmittheilungen von ganz
verläſſigen Perſonen aus Karlsruhe vom 14 d. M. Gräfin Lands-
feld an eben dieſem 14 d. Mts. in Karlsruhe eintraf und von da
nach Frankfurt a. M. abreiste. München am 16 März 1848, Abends
8 Uhr. Der Magiſtrat der k. Haupt- und Reſidenzſtadt München.
v. Steinsdorf, Bürgermeiſter, Lachmayr, Secretär.“ Jch konnte je-
doch wahrnehmen daß keiner von allen die dieſelbe beim Mondſchein
laſen oder vorleſen hörten der darin enthaltenen Verſicherung Glauben
ſchenkte; „der Miniſter müſſe ſelbſt getäuſcht ſeyn, oder durch den
Drang der Umſtände gezwungen ſeyn zu täuſchen“ — ſo hörte ich all-
gemein ſagen.*) Um ¾ auf 10 Uhr fiel auf dem Schraunenplatz vom
Rathhauſe aus, wo ein lärmender Haufen ſtand, ein Piſtolenſchuß
auf die am Platze aufgeſtellten Cuiraſſierre, und ſpäter wurden letztere
noch mehrmals mit zahlreichen Steinwürfen von den Bögen aus an-
gegriffen. Dasſelbe widerfuhr auch mehrern Studentenabtheilungen,
die alle unter Gewehr die Gefahren mit den übrigen Soldaten zu
theilen und unter ihnen zu leiden hatten. Jch enthalte mich ein Ur-
theil abzugeben ob dieſe Unruhe ihre Grundlage in einer großartigen Täu-
ſchung hatte oder in der factiſchen Anweſenheit der verhaßten Gräfin.
Eine gründliche Unterſuchung und Beweisführung wird, ſo wünſche und
hoffe ich, den Worten des verehrten Miniſters des Jnnern die ihnen
gebührrende Achtung verſchaffen.


Heute Nacht iſt eine Abtheilung
des dahier garniſonirenden Cheveaulegersregiments König nach Edelſtetten
abgegangen, wo das fürſtl. Eſterhazy’ſche Herrſchaftsgericht dieſes Na-
mens ſeinen Sitz hat; andere Abtheilungen des Cheveaulegerregiments
Herzog Maximilian zu Dillingen ſind in den jüngſten Tagen für die
fürſtl. Oettingen-Wallerſtein’ſchen Herrſchaftsgerichte und das königl.
Landgericht Burgau in Anſpruch genommen worden. Eine, wie es
ſcheint, ziemlich allgemein ſich kundgebende Unzufriedenheit der ſtandes-
und gutsherrſchaftlichen Grundholden in Bezug auf die Grundbarkeits-
verhältniſſe und darangeknüpfte Forderungen der gutsherrlichen Hinter-
faſſen, mit bedrohlichen Demonſtrationen geltend gemacht und von der
herrſchenden Aufregung unterſtützt, ſollen dieſe militäriſche Beſetzung
nothwendig gemacht haben. Mehrere Grundherrſchaften haben ſich durch
ähnliche Veranlaſſung, aber bei viel beſcheidenern Auſprüchen gedrun-
gen gefunden ſich mit ihren Grundholden zu vereinbaren, ſo in den
Fürſtenthümern Oettingen-Spielberg und Fugger-Babenhauſen. Dieſe
Vorgänge dürfen indeß mit den wilden Ausbrüchen die anderwärts
vorgekommen nicht in eine Linie geſtellt werden. Wir verweiſen in
dieſer Beziehung nur auf die bekanntgewordene Vorſtellung der fürſtlich
Oettingen-Wallerſtein’ſchen Hinterfaſſen im Ries, deren Jnhalt laut
genug für die längſt anerkannte dringende Nothwendigkeit zeitge-
mäßer Umgeſtaltung des Grundbarkeitsverhältniſſes auf geſetzlichem
Wege ſpricht.

Württemberg

Die in Ihrer Num-
mer vom geſtrigen Tage von zwei hiefigen Correſpondenten gegebene
Nachricht von der Flucht des Fürften von Hechingen iſt glücklicherweiſe
irrig. Auch der größere Theil der Berichte über den „Bauernkrieg“
welche gegenwärtig die Runde durch die Zeitungen machen, iſt über-

*) Ebenſo wenig Glauben ſand ein königlicher Prinz, welcher durch die
gleichen Verſicherungen die aufgeregten Haufen zu beruhigen ſuchte
Der Einſ.
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[1218/0002] glaubten, welches man uns aber immer von neuem auf den Hals hetzt — ich meine die Gräfin Landsfeld. Jch würde Sie verſchonen mit dieſem Gegenſtand, wenn es nicht offenbar wäre daß derſelbe wieder zu ernſten Ruheſtörungen die Veranlaſſung zu geben im Begriff ſteht. Es iſt doch wahrhaft ſchmählich daß unſere Stadt, die im gegenwärtigen Augenblick mit ſo hochwichtigen Dingen ſich zu beſchäftigen hat, die Angeſichts der ernſten Verwickelungen welche ſich in und um das Vaterland aufthürmen der ruhigen Faſſung ſo nothwendig bedarf, daß dieſe fort und fort wieder ſich muß in Aufregung verſetzen laſſen durch den Ruf „ſie iſt ſchon wieder da!“ Gälte es bloß der Perſon, man würde ſich nichts darum kümmern und die Sache ſo ſchnell wieder vergeſſen als man ſie gehört, aber es iſt nur zu bekannt wie hartnäckig ſie den vielleicht nie ganz verlornen Ein- fluß wieder zu erobern ſucht, und wie ein Gelingen um ſo näher liegt je näher ſie ſich München befindet. Daher der Unmuth und die gerechte Er- bitterung welche nun ſchon drei Tage in ſteigendem Maße die hiefigen Mittelclaſſen erfüllt, nachdem man in Erfahrung gebracht daß jener Poltergeiſt ſich wieder in unſerer Nähe, und zwar in dem eine Stunde von hier entfernten Schloſſe Fürſtenried befinde. Man iſt zu dem feſten Entſchluß gekommen um jeden Preis dieſe Landplage unſchädlich zu machen. Zu dem Zweck zog geſtern Abend eine Schaar von einigen Hunderten hinaus nach Fürſtenried, hielt eine förmliche Streife gegen ſie und verjagte ſie von dort. Jn der Dunkelheit der Nacht entging fie ihren Verfolgern, und flüchtete ſich hieher. Aus einem Umſtand, den ich verſchweigen muß, ſchloß man daß fie ſich in einem Hauſe der Wurzerſtraße bei demſelben ehemaligen Günſtling verſteckt halte, bei welchem ſie kürzlich in der Nacht entdeckt und unter einem Canapee hervorgezogen worden war. Heute Nachmittag umſtellten deßhalb viele Hunderte das Haus, ſperrten die Straße von beiden Seiten ab, und eine Art Unterſuchungs- Commiſſion durchſtöberte alle Theile des Hauſes — ohne aber ſie aus- findig zu machen. Nun zieht die Menge vor alle jene Häuſer wo fie möglicherweiſe einen Zufluchtsort gefunden haben könnte, und das Zu- ſammenſtrömen großer Maſſen von Unzufriedenen und Neugierigen wird dadurch wieder in die verſchiedenſten Theile der Stadt getragen. Jſt es nicht unverantwortlich daß dem nicht gründlich vorgebeugt worden, daß man unredlich zu Werk gegangen bei ihrer letzten Hinwegſchaffung von hier? Denn wenn es nur bei den Aufläufen bliebe — aber die Menge wird darin neuen Anlaß zu Ausgelaffenheiten ſuchen, und ich müßte mich ſehr irren wenn ich Jhnen nicht morgen von Straßenexceffen zu berich- ten haben ſollte. Wen aber trifft hier die Verantwortung? Unſer Miniſter des Jnnern ließ geſtern Abend, gewiſſermaßen officiell, verbrei- ten „daß wenn die Gräfin in der Nähe Münchens ſey, ſie es ſey wider Wiffen und Willen Sr. Majeſtät,“ und der Vorwurf der im Munde des Volks nach dieſer Seite hin gemacht wird, zerfällt dadurch in Nichts. Jſt derſelbe aber beſeitigt, ſo können wir von den Behörden verlangen daß ſie dem höchſten Willen völlig entſprechen, die Gräfin von hier blei- bend entfernen, und dadurch die möglicherweiſe ſehr traurig ausfallenden Folgen der nun einmal heraufbeſchworenen Volksrache verhüten. * Nachts 12 Uhr. Ich ſende Ihnen obigen Brief als den ge- treuen Ausdruck der Anſichten und Ueberzeugungen, wie ſie bis zur Stunde wo er geſchrieben wurde, hier allgemein geltend waren. Als eben die letzten Zeilen geſchrieben waren, rief mich der unheimliche Ton des Generalmarſches vom Hauſe weg. Meiner Vorherſage war die Erfüllung auf dem Fuße nachgefolgt. Um 7 Uhr begann ein Volkshaufe die Polizei zu ſtürmen. Alle Fenſter, viele derſelben ſammt den Kreuzſtöcken wurden mit Steinen eingeworfen und mit Wagendeichſeln eingeſtoßen. Die Thore, die beim erſten Angriff ge- ſperrt worden waren, wichen in kurzer Zeit den Brechinſtrumenten die man anwendete. Man drang ein ohne auf weſentlichen Wider- ſtand zu ſtoßen. Der Haufe ergoß ſich in die Amtszimmer. Als- bald wurden Actenſtöße, Bücher, Pulte und andere Geräthſchaften durch die Fenſter herausgeworfen oder zum Hausthore heraus- getragen; beſonders aus dem Paßbureau ſollen eine Menge Pa- piere hinweggeſchleppt und vernichtet worden ſeyn. Die Tumultuan- ten hatten die zum Polizeigebäude führenden Straßenzugänge durch Barrikaden verſperrt und ſo ſich vor augenblicklicher Störung ihres Vernichtungswerkes geſchützt. Jnnerhalb des Gebäudes ſollen Gefan- gene befreit worden ſeyn und es muß dabei eine Zeitlang zum Kampfe mit Gendarmen gekommen ſeyn, denn man will Schüſſe gehört haben, auch wurde einigemale herausgeſchoſſen auf die Stürmer. Gegen 8 Uhr rückte Militär an, ſperrte die Zugänge ab und trieb allmählich die Eingedrungenen hinweg. Hiebei wurde einer derſelben bedeutend an der Hand verletzt. Faſt zur ſelben Zeit als dieß an der Polizei vorging hatte ein Haufe in der Reſidenzſtraße, gegenüber dem Chokolade-Fabrikanten Mayrhofer, die Fenſter der Reſidenz einzuwerfen begonnen. Dieſem wurde aber bald Einhalt gethan; Cuiraſſtere und Linientruppen ſäuber- ten raſch dieſe Gegend, aber auch hier nicht ohne Blutpergießen, einer erhielt dabei einen Stich in die rechte Seite und ein anderer einen Sä- belhieb über den Kopf. Bis gegen halb 9 Uhr waren alle Zugänge zur Reſidenz mit Militär abgeſchloſſen, der Schrannenplatz beſetzt und frü- her ſchon das bürgerliche Zeughaus durch eine anſehnliche Truppenmacht aller Gattungen (die Studenten mit eingerechnet) geſchützt. Von Seite der Bürger-Artillerie die mit Gewehren ausgerückt war ſollen hier etwa 5—6 Schüſſe gefallen ſeyn, jedoch ohne daß einer von den Herausfor- derern verletzt worden wäre. Um halb 10 Uhr etwa wurde an allen Orten wo ſich größere Gruppen befanden folgende Bekanntmachung vertheilt: „Nachdem ſich wiederholt das Gerücht verbreitet hat daß die Gräfin Landsfeld in hieſiger Stadt oder deren nächſter Umgebung ſich beſinde, ſo wird hiemit in Folge höchſter Entſchließung des königl. Miniſteriums des Jnnern bekannt gemacht: daß nach Privatmittheilungen von ganz verläſſigen Perſonen aus Karlsruhe vom 14 d. M. Gräfin Lands- feld an eben dieſem 14 d. Mts. in Karlsruhe eintraf und von da nach Frankfurt a. M. abreiste. München am 16 März 1848, Abends 8 Uhr. Der Magiſtrat der k. Haupt- und Reſidenzſtadt München. v. Steinsdorf, Bürgermeiſter, Lachmayr, Secretär.“ Jch konnte je- doch wahrnehmen daß keiner von allen die dieſelbe beim Mondſchein laſen oder vorleſen hörten der darin enthaltenen Verſicherung Glauben ſchenkte; „der Miniſter müſſe ſelbſt getäuſcht ſeyn, oder durch den Drang der Umſtände gezwungen ſeyn zu täuſchen“ — ſo hörte ich all- gemein ſagen. *) Um ¾ auf 10 Uhr fiel auf dem Schraunenplatz vom Rathhauſe aus, wo ein lärmender Haufen ſtand, ein Piſtolenſchuß auf die am Platze aufgeſtellten Cuiraſſierre, und ſpäter wurden letztere noch mehrmals mit zahlreichen Steinwürfen von den Bögen aus an- gegriffen. Dasſelbe widerfuhr auch mehrern Studentenabtheilungen, die alle unter Gewehr die Gefahren mit den übrigen Soldaten zu theilen und unter ihnen zu leiden hatten. Jch enthalte mich ein Ur- theil abzugeben ob dieſe Unruhe ihre Grundlage in einer großartigen Täu- ſchung hatte oder in der factiſchen Anweſenheit der verhaßten Gräfin. Eine gründliche Unterſuchung und Beweisführung wird, ſo wünſche und hoffe ich, den Worten des verehrten Miniſters des Jnnern die ihnen gebührrende Achtung verſchaffen. †* Augsburg, 17 März. Heute Nacht iſt eine Abtheilung des dahier garniſonirenden Cheveaulegersregiments König nach Edelſtetten abgegangen, wo das fürſtl. Eſterhazy’ſche Herrſchaftsgericht dieſes Na- mens ſeinen Sitz hat; andere Abtheilungen des Cheveaulegerregiments Herzog Maximilian zu Dillingen ſind in den jüngſten Tagen für die fürſtl. Oettingen-Wallerſtein’ſchen Herrſchaftsgerichte und das königl. Landgericht Burgau in Anſpruch genommen worden. Eine, wie es ſcheint, ziemlich allgemein ſich kundgebende Unzufriedenheit der ſtandes- und gutsherrſchaftlichen Grundholden in Bezug auf die Grundbarkeits- verhältniſſe und darangeknüpfte Forderungen der gutsherrlichen Hinter- faſſen, mit bedrohlichen Demonſtrationen geltend gemacht und von der herrſchenden Aufregung unterſtützt, ſollen dieſe militäriſche Beſetzung nothwendig gemacht haben. Mehrere Grundherrſchaften haben ſich durch ähnliche Veranlaſſung, aber bei viel beſcheidenern Auſprüchen gedrun- gen gefunden ſich mit ihren Grundholden zu vereinbaren, ſo in den Fürſtenthümern Oettingen-Spielberg und Fugger-Babenhauſen. Dieſe Vorgänge dürfen indeß mit den wilden Ausbrüchen die anderwärts vorgekommen nicht in eine Linie geſtellt werden. Wir verweiſen in dieſer Beziehung nur auf die bekanntgewordene Vorſtellung der fürſtlich Oettingen-Wallerſtein’ſchen Hinterfaſſen im Ries, deren Jnhalt laut genug für die längſt anerkannte dringende Nothwendigkeit zeitge- mäßer Umgeſtaltung des Grundbarkeitsverhältniſſes auf geſetzlichem Wege ſpricht. Württemberg ** Stuttgart, 14 März. Die in Ihrer Num- mer vom geſtrigen Tage von zwei hiefigen Correſpondenten gegebene Nachricht von der Flucht des Fürften von Hechingen iſt glücklicherweiſe irrig. Auch der größere Theil der Berichte über den „Bauernkrieg“ welche gegenwärtig die Runde durch die Zeitungen machen, iſt über- *) Ebenſo wenig Glauben ſand ein königlicher Prinz, welcher durch die gleichen Verſicherungen die aufgeregten Haufen zu beruhigen ſuchte Der Einſ.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848, S. 1218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine77_1848/2>, abgerufen am 18.12.2024.