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Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.

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[Spaltenumbruch] trieben oder falsch, und der Brand einer Reihe von Schlössern der z. B.
der Deutschen Zeitung gemeldet wird, reducirt sich was Württemberg
betrifft, von dem Brand eines Schloßflügels zu Niederstetten abgesehen
in welchem sich das Archiv und die Wohnung eines verhaßten Beamten
befand, auf Verbrennung von Acten der grundherrlichen Rentämter.
Eine ansteckende Krankheit grasfirt allerdings, und am besten würden
die Regierungen ein tägliches Bulletin ausgeben; Pflicht der Corre-
spondenten aber ist heutzutage mehr als je die umlaufenden Gerüchte
der vorsichtigsten Prüfung zu unterziehen. Der zur Berathung der
dringendsten Angelegenheiten auf kurze Zeit wiederberufene Landtag
ward heute eröffnet, und der neue Departementschef des Innern, Staats-
rath Duvernoy, legte ein Landwehrgesetz vor, worauf sich über als-
baldige Vorlage von Ablösungsgesetzen eine längere Discussion ent-
spann. Die bereits angekündete Auflösung des Landtags und die Vor-
nahme neuer Wahlen in die zweite Kammer wird ohne Zweifel in kür-
zefier Zeit erfolgen.


So eben aus der ersten Sitzung der
wiedereröffneten Kammer zurückgekehrt, ist mir dort der bestimmteste Ein-
druck über die Zweckmäßigkeit der von der Regierung angeordneten und
auf dem Wesen der conftitutionellen Monarchie begründeten Auflösung ge-
worden. Man erkannte es an der ganzen Phyfiognomie der Kammer daß
dieselbe den jetzigen Umständen nicht gewachsen ist; sie war unter ge-
wöhnlichen Verhältnissen zusammengesetzt, und enthielt nur sehr wenige
Elemente von welchen die Leitung der jetzigen Umstände ausgehen
könnte, so sehr auch die Mehrheit geneigt seyn mag sich denselben
anzupassen. Der Widerwille sich der unvermeidlichen Auflösung zu
sügen war leicht erkennbar, obgleich derselbe in einer Verhandlung
mehrerer Stunden nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde. Offenbar
wird der größere Theil der Mitglieder nicht wieder gewählt werden und
scheint dieß auch zu empfinden, daher der Wunsch die Verhandlungen
der Kammer auf einen größern Kreis auszudehnen, wie die Regierung
dieß gestattet hat, damit die Deputirten zu den Wählern mit Resulta-
ten zurückkehren die sie bisher von sich wiesen, zu deren theilweiser Er-
langung sie wenigstens Zeit genug gehabt haben, wenn ein ernstlicher
Wille bei der Mehrheit wirklich vorhanden gewesen ist. Von keiner
Seite her ist aber ein Widerstand gegen die Minister laut geworden;
alle scheinen zu empfinden daß die Führung der Ordnung und die Be-
ruhigung des Volkes nur von den Führern der bisherigen Minderheit
ausgehen kann. Nachdem der Präsident, der Kanzler v. Wächter, die
Sitzung mit einigen passenden Worten über die Bedeutung der jetzigen
Zeitumstände eröffnet hatte, nahm der Minister des Auswärtigen, Graf
v. Beroldingen, als ältestes Mitglied der Regierung, das Wort, um die
nahe Auflösung der Ständeversammlung nach Erledigung des Gesetzes
über Volksbewaffnung und die Freiheit öffentlicher Versammlungen un-
verhohlen auszusprechen. Dieselbe geschehe nicht wegen der Besorgnisse
daß die Kammer die Unterflützung aus Parteigründen versage, sondern
nach der aufrichtigen Uebung des Repräsentativ-Systems; es sey noth-
wendig daß ein neues Cabinet, welches nicht aus der Mehrheit hervor-
ging, die Bestätigung des Volkes erhalte, damit kein Zwiespalt mit der
öffentlichen Meinung eintrete. Alsdann trat der Staatsrath Duver-
noy mit der Vorlegung des Gesetzentwurfs über Volksbewaffnung auf.
Derselbe sey in der Verfassungsurkunde bereits begründet, weil das
Recht Waffen zu tragen darin ausgesprochen wurde. Die bisherigen
Beschränkungen hinfichtlich des Besitzes und des Gebrauchs der Waffen
seyen aufzuheben. Diese Verbote beruhen auf Mißtrauen und enthal-
ten zugleich eine Beschränkung der persönlichen Freiheit; ferner begrün-
den sie dauernde und höchst widerwärtige Eingriffe in das Eigenthums-
recht. Folgende sind die vorgeschlagenen Hauptbestimmungen des Ge-
setzes: die Bürgerwehr gilt als ein auf der Gemeindeverbindung be-
gründetes Jnstitut. Nach der Gleichheit vor dem Gesetz find alle Mit-
glieder derselben vom 18ten bis zum 50sten Jahr zu dem Eintritt ver-
pflichtet, mit Ausnahme der activen Militärs, der Candidaten der Theo-
logie, körperlich oder geistig unfähiger Personen etc. Die Bewaffnung, übri-
gens so viel wie möglich vereinfacht, wird von den Bürgern bestritten. Die
Wahl der Officiere und Unteroffieiere geschieht durch die Bürgerwehr, die
Regierung aber behält sich die Bestätigung vor. Die Besorgung der Admi-
nistrativ-Angelegenheiten geschieht von besondern Behörden, die aus
der Gemeinde und der Bürgerwehr zusammengesetzt den Schulzen an der
Spitze haben. Jm Dienst gilt militärische Subordination, die außer-
halb desselben wegfällt. Nach der Vorlage dieses Gesetzes begann
[Spaltenumbruch] eine allgemein gehaltene Discussion über die gegenwärtigen Ver-
hältnisse, woraus das obenerwähnte Widerstreben der Mehrheit sich
auflösen zu lassen hevorging. Wir heben daraus nur einige Punkte
hervor. Der Abgeordnete Müller beklagte sich über die Uebertreibung
hinsichtlich der Hohenlohe'schen Unruhen, sowohl durch Gerüchte wie Be-
richte, welche übrigens in solchen Fällen der Aufregung niemals aue-
zubleiben pflegt; nach seiner Verficherung hat diese Uebertreibung
im Hohenlohe'schen selbst sehr viel Lachen verursacht. Der Hr. v. Horn-
stein sprach alsdann seine unbedingte Hochachtung vor den jetzigen Mi-
nistern aus; 33 Jahre lang habe er die Bahn der ständischen Verfassung
betreten, aber nie mehr schätzenswerihe Bekanntschaften wie diejenigen
der Männer gemacht, welche gegeuwärtig an der Spitze des Staates stän-
den. Er habe oft andere Ansichten als jene gehegt, allein ihre beider-
seitigen Grundsätze träfen häufiger zusammen, denn in der Hauptsache
stimmten diejenigen überein, die auf philosophischer und religiöser
Grundlage beruhten. Man könne auf seine mit Aufrichtigkeit darge-
botene Unterstützung rechnen, solange seine Principien dieses erlaubten.
Er hoffe daß drei Hauptpunkte durch die Regierung eine befriedigende
Lösung erlangen werden: ein deutsches Reichsparlament, das schon aus
der Bundesacte hervorgehe, denn da man beabsichtigt habe den mediati-
sirten Fürsten (Standesherren) eine Virilstimme zu übertragen, könne
auch das Volk nicht wegbleiben; ferner die Ablösung der Feudallasten
und die Hülfe der Gewerbe -- Fragen, die von der jetzigen Kammer zu erle-
digen seyen; endlich der Punkt, den er nicht zu nennen brauche, weil er
ihn von jeher vertreten habe (die Selbständigkeit der katholischen Kirche).
Jener zweite Punkt wurde hierauf von der bisherigen Mehrheit aufge-
griffen und lange verhandelt, bis endlich Fetzer (von der bisherigen
Minderheit) entschieden aussprach: meiner Ansicht nach find wir sobald
wie möglich aufzulösen, die Kammer besaß das Vertrauen des Volkes
nicht; wir sind im Begriff in die frühere Ruhe zurückzusinken, aber
das kleinste Ereigniß kann das Volk plötzlich wieder aufregen. Die
nächste Kammer wird wissen, was das Volk will. Ein Gesetz über
Ablösung verlange große Vorarbeiten, und schon deßhalb sey die Lö-
sung der Frage der nächsten Kammer anheimzugeben. Als die Ver-
handlung über die jetzige Erledigung aber von andern Mitglie-
dern der Mehrheit und von einigen andern dennoch wieder aufgenom-
men wurde, erklärte Murschel einem der bisherigen Mitglieder der
Mehrheit (Holzinger) aüf noch schärfere Weise: "er scheine zu besor-
gen daß es ihm bei der neuen Wahl ergehen werde wie den liberalen
Kammermitgliedern, die seit 25 Jahren auf jede nur mögliche Weise
angefeindet seyen." Endlich erklärten sich die Minister bestimmt dagegen.
Römer: "Man sagt zwar, die Sache läßt sich in kurzen Sätzen zusam-
menfassen, man bedenkt-aber nicht die verschiedene Art der Feudalrechte
und Grundlasten. Ein solcher Gesetzesentwurf läßt sich nicht in weni-
gen Tagen verfassen. Alsdann können wir nichts befriedigendes vor-
legen. Lieber gar nichts. So sehr die Zeit drängt, läßt es sich nicht
vermeiden daß man sich nicht später eine zu große Hast vorwerfen muß;
was die Erleichterung der Gewerbe betreffe, so könne dabei überhaupt
höchstens von Versuchen die Rede seyn; betrachte man die einander ent-
gegengesetzten Vorschläge, die von verschiedenen Gewerbsclassen her-
stammen, so lasse sich wenigstens hier in der Kammer kein sicheres Re-
sultat erzielen. Jedenfalls genüge es nicht die Kammer zu befragen,
das Volk sey zu befragen, und im Falle es uns nicht bestätigt, treten
wir ab. Zur Berufung einer vollkommen freien Wahl aber seyen die
Beschränkungen hinsichtlich des Versammlungsrechts aufgehoben. Auch
Pfizer erklärte offen neue Petitionen und Jnterpellationen erschwerten
die Stellung der neuen Minister, die von allen Seiten durch den Zudrang
von Geschäften schon genug schwierig sey. Er erklärte ferner die Ver-
tretung der unbedingten religiösen Freiheit und Gleichstellung aller Confes-
sionen sey ein Grundprincip der neuen Regierung. Nach Pfizer machte
Eisenlohr einige Bemerkungen über die plötzliche Veränderung der Lage
im Gegensatz zu der frühern Stellung der Opposition, wie diese im ver-
zweiflungsvollen Kampfe gegen das Befiehende ihre Kräfte nutzlos zu
erschöpfen schien zu einer Zeit, wo man an der deutschen Nation habe
verzweifeln müssen. Nehmen wir daraus die Lehre daß man kühne
Jdeen nicht als revolutionär stempeln darf. Er verwies auf einen Mann,
der einft in dieser Versammlung durch gewaltthätige Justiz ausgestoßen
ward, den man persönlich kränkte und dessen Ehre man verfolgte, der
leider in Entmuthigung starb, weil er den jetzigen Umschwung
nicht ahnen konnte. Ehre dem Andenken von Friedrich List. -- Heute
Abend Sitzung zur Wahl der Commission.

[Spaltenumbruch] trieben oder falſch, und der Brand einer Reihe von Schlöſſern der z. B.
der Deutſchen Zeitung gemeldet wird, reducirt ſich was Württemberg
betrifft, von dem Brand eines Schloßflügels zu Niederſtetten abgeſehen
in welchem ſich das Archiv und die Wohnung eines verhaßten Beamten
befand, auf Verbrennung von Acten der grundherrlichen Rentämter.
Eine anſteckende Krankheit graſfirt allerdings, und am beſten würden
die Regierungen ein tägliches Bulletin ausgeben; Pflicht der Corre-
ſpondenten aber iſt heutzutage mehr als je die umlaufenden Gerüchte
der vorſichtigſten Prüfung zu unterziehen. Der zur Berathung der
dringendſten Angelegenheiten auf kurze Zeit wiederberufene Landtag
ward heute eröffnet, und der neue Departementschef des Innern, Staats-
rath Duvernoy, legte ein Landwehrgeſetz vor, worauf ſich über als-
baldige Vorlage von Ablöſungsgeſetzen eine längere Discuſſion ent-
ſpann. Die bereits angekündete Auflöſung des Landtags und die Vor-
nahme neuer Wahlen in die zweite Kammer wird ohne Zweifel in kür-
zefier Zeit erfolgen.


So eben aus der erſten Sitzung der
wiedereröffneten Kammer zurückgekehrt, iſt mir dort der beſtimmteſte Ein-
druck über die Zweckmäßigkeit der von der Regierung angeordneten und
auf dem Weſen der conftitutionellen Monarchie begründeten Auflöſung ge-
worden. Man erkannte es an der ganzen Phyfiognomie der Kammer daß
dieſelbe den jetzigen Umſtänden nicht gewachſen iſt; ſie war unter ge-
wöhnlichen Verhältniſſen zuſammengeſetzt, und enthielt nur ſehr wenige
Elemente von welchen die Leitung der jetzigen Umſtände ausgehen
könnte, ſo ſehr auch die Mehrheit geneigt ſeyn mag ſich denſelben
anzupaſſen. Der Widerwille ſich der unvermeidlichen Auflöſung zu
ſügen war leicht erkennbar, obgleich derſelbe in einer Verhandlung
mehrerer Stunden nicht ausdrücklich ausgeſprochen wurde. Offenbar
wird der größere Theil der Mitglieder nicht wieder gewählt werden und
ſcheint dieß auch zu empfinden, daher der Wunſch die Verhandlungen
der Kammer auf einen größern Kreis auszudehnen, wie die Regierung
dieß geſtattet hat, damit die Deputirten zu den Wählern mit Reſulta-
ten zurückkehren die ſie bisher von ſich wieſen, zu deren theilweiſer Er-
langung ſie wenigſtens Zeit genug gehabt haben, wenn ein ernſtlicher
Wille bei der Mehrheit wirklich vorhanden geweſen iſt. Von keiner
Seite her iſt aber ein Widerſtand gegen die Miniſter laut geworden;
alle ſcheinen zu empfinden daß die Führung der Ordnung und die Be-
ruhigung des Volkes nur von den Führern der bisherigen Minderheit
ausgehen kann. Nachdem der Präſident, der Kanzler v. Wächter, die
Sitzung mit einigen paſſenden Worten über die Bedeutung der jetzigen
Zeitumſtände eröffnet hatte, nahm der Miniſter des Auswärtigen, Graf
v. Beroldingen, als älteſtes Mitglied der Regierung, das Wort, um die
nahe Auflöſung der Ständeverſammlung nach Erledigung des Geſetzes
über Volksbewaffnung und die Freiheit öffentlicher Verſammlungen un-
verhohlen auszuſprechen. Dieſelbe geſchehe nicht wegen der Beſorgniſſe
daß die Kammer die Unterflützung aus Parteigründen verſage, ſondern
nach der aufrichtigen Uebung des Repräſentativ-Syſtems; es ſey noth-
wendig daß ein neues Cabinet, welches nicht aus der Mehrheit hervor-
ging, die Beſtätigung des Volkes erhalte, damit kein Zwieſpalt mit der
öffentlichen Meinung eintrete. Alsdann trat der Staatsrath Duver-
noy mit der Vorlegung des Geſetzentwurfs über Volksbewaffnung auf.
Derſelbe ſey in der Verfaſſungsurkunde bereits begründet, weil das
Recht Waffen zu tragen darin ausgeſprochen wurde. Die bisherigen
Beſchränkungen hinfichtlich des Beſitzes und des Gebrauchs der Waffen
ſeyen aufzuheben. Dieſe Verbote beruhen auf Mißtrauen und enthal-
ten zugleich eine Beſchränkung der perſönlichen Freiheit; ferner begrün-
den ſie dauernde und höchſt widerwärtige Eingriffe in das Eigenthums-
recht. Folgende ſind die vorgeſchlagenen Hauptbeſtimmungen des Ge-
ſetzes: die Bürgerwehr gilt als ein auf der Gemeindeverbindung be-
gründetes Jnſtitut. Nach der Gleichheit vor dem Geſetz find alle Mit-
glieder derſelben vom 18ten bis zum 50ſten Jahr zu dem Eintritt ver-
pflichtet, mit Ausnahme der activen Militärs, der Candidaten der Theo-
logie, körperlich oder geiſtig unfähiger Perſonen ꝛc. Die Bewaffnung, übri-
gens ſo viel wie möglich vereinfacht, wird von den Bürgern beſtritten. Die
Wahl der Officiere und Unteroffieiere geſchieht durch die Bürgerwehr, die
Regierung aber behält ſich die Beſtätigung vor. Die Beſorgung der Admi-
niſtrativ-Angelegenheiten geſchieht von beſondern Behörden, die aus
der Gemeinde und der Bürgerwehr zuſammengeſetzt den Schulzen an der
Spitze haben. Jm Dienſt gilt militäriſche Subordination, die außer-
halb desſelben wegfällt. Nach der Vorlage dieſes Geſetzes begann
[Spaltenumbruch] eine allgemein gehaltene Discuſſion über die gegenwärtigen Ver-
hältniſſe, woraus das obenerwähnte Widerſtreben der Mehrheit ſich
auflöſen zu laſſen hevorging. Wir heben daraus nur einige Punkte
hervor. Der Abgeordnete Müller beklagte ſich über die Uebertreibung
hinſichtlich der Hohenlohe’ſchen Unruhen, ſowohl durch Gerüchte wie Be-
richte, welche übrigens in ſolchen Fällen der Aufregung niemals aue-
zubleiben pflegt; nach ſeiner Verficherung hat dieſe Uebertreibung
im Hohenlohe’ſchen ſelbſt ſehr viel Lachen verurſacht. Der Hr. v. Horn-
ſtein ſprach alsdann ſeine unbedingte Hochachtung vor den jetzigen Mi-
niſtern aus; 33 Jahre lang habe er die Bahn der ſtändiſchen Verfaſſung
betreten, aber nie mehr ſchätzenswerihe Bekanntſchaften wie diejenigen
der Männer gemacht, welche gegeuwärtig an der Spitze des Staates ſtän-
den. Er habe oft andere Anſichten als jene gehegt, allein ihre beider-
ſeitigen Grundſätze träfen häufiger zuſammen, denn in der Hauptſache
ſtimmten diejenigen überein, die auf philoſophiſcher und religiöſer
Grundlage beruhten. Man könne auf ſeine mit Aufrichtigkeit darge-
botene Unterſtützung rechnen, ſolange ſeine Principien dieſes erlaubten.
Er hoffe daß drei Hauptpunkte durch die Regierung eine befriedigende
Löſung erlangen werden: ein deutſches Reichsparlament, das ſchon aus
der Bundesacte hervorgehe, denn da man beabſichtigt habe den mediati-
ſirten Fürſten (Standesherren) eine Virilſtimme zu übertragen, könne
auch das Volk nicht wegbleiben; ferner die Ablöſung der Feudallaſten
und die Hülfe der Gewerbe — Fragen, die von der jetzigen Kammer zu erle-
digen ſeyen; endlich der Punkt, den er nicht zu nennen brauche, weil er
ihn von jeher vertreten habe (die Selbſtändigkeit der katholiſchen Kirche).
Jener zweite Punkt wurde hierauf von der bisherigen Mehrheit aufge-
griffen und lange verhandelt, bis endlich Fetzer (von der bisherigen
Minderheit) entſchieden ausſprach: meiner Anſicht nach find wir ſobald
wie möglich aufzulöſen, die Kammer beſaß das Vertrauen des Volkes
nicht; wir ſind im Begriff in die frühere Ruhe zurückzuſinken, aber
das kleinſte Ereigniß kann das Volk plötzlich wieder aufregen. Die
nächſte Kammer wird wiſſen, was das Volk will. Ein Geſetz über
Ablöſung verlange große Vorarbeiten, und ſchon deßhalb ſey die Lö-
ſung der Frage der nächſten Kammer anheimzugeben. Als die Ver-
handlung über die jetzige Erledigung aber von andern Mitglie-
dern der Mehrheit und von einigen andern dennoch wieder aufgenom-
men wurde, erklärte Murſchel einem der bisherigen Mitglieder der
Mehrheit (Holzinger) aüf noch ſchärfere Weiſe: „er ſcheine zu beſor-
gen daß es ihm bei der neuen Wahl ergehen werde wie den liberalen
Kammermitgliedern, die ſeit 25 Jahren auf jede nur mögliche Weiſe
angefeindet ſeyen.“ Endlich erklärten ſich die Miniſter beſtimmt dagegen.
Römer: „Man ſagt zwar, die Sache läßt ſich in kurzen Sätzen zuſam-
menfaſſen, man bedenkt-aber nicht die verſchiedene Art der Feudalrechte
und Grundlaſten. Ein ſolcher Geſetzesentwurf läßt ſich nicht in weni-
gen Tagen verfaſſen. Alsdann können wir nichts befriedigendes vor-
legen. Lieber gar nichts. So ſehr die Zeit drängt, läßt es ſich nicht
vermeiden daß man ſich nicht ſpäter eine zu große Haſt vorwerfen muß;
was die Erleichterung der Gewerbe betreffe, ſo könne dabei überhaupt
höchſtens von Verſuchen die Rede ſeyn; betrachte man die einander ent-
gegengeſetzten Vorſchläge, die von verſchiedenen Gewerbsclaſſen her-
ſtammen, ſo laſſe ſich wenigſtens hier in der Kammer kein ſicheres Re-
ſultat erzielen. Jedenfalls genüge es nicht die Kammer zu befragen,
das Volk ſey zu befragen, und im Falle es uns nicht beſtätigt, treten
wir ab. Zur Berufung einer vollkommen freien Wahl aber ſeyen die
Beſchränkungen hinſichtlich des Verſammlungsrechts aufgehoben. Auch
Pfizer erklärte offen neue Petitionen und Jnterpellationen erſchwerten
die Stellung der neuen Miniſter, die von allen Seiten durch den Zudrang
von Geſchäften ſchon genug ſchwierig ſey. Er erklärte ferner die Ver-
tretung der unbedingten religiöſen Freiheit und Gleichſtellung aller Confeſ-
ſionen ſey ein Grundprincip der neuen Regierung. Nach Pfizer machte
Eiſenlohr einige Bemerkungen über die plötzliche Veränderung der Lage
im Gegenſatz zu der frühern Stellung der Oppoſition, wie dieſe im ver-
zweiflungsvollen Kampfe gegen das Befiehende ihre Kräfte nutzlos zu
erſchöpfen ſchien zu einer Zeit, wo man an der deutſchen Nation habe
verzweifeln müſſen. Nehmen wir daraus die Lehre daß man kühne
Jdeen nicht als revolutionär ſtempeln darf. Er verwies auf einen Mann,
der einft in dieſer Verſammlung durch gewaltthätige Juſtiz ausgeſtoßen
ward, den man perſönlich kränkte und deſſen Ehre man verfolgte, der
leider in Entmuthigung ſtarb, weil er den jetzigen Umſchwung
nicht ahnen konnte. Ehre dem Andenken von Friedrich Liſt. — Heute
Abend Sitzung zur Wahl der Commiſſion.

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[0003] trieben oder falſch, und der Brand einer Reihe von Schlöſſern der z. B. der Deutſchen Zeitung gemeldet wird, reducirt ſich was Württemberg betrifft, von dem Brand eines Schloßflügels zu Niederſtetten abgeſehen in welchem ſich das Archiv und die Wohnung eines verhaßten Beamten befand, auf Verbrennung von Acten der grundherrlichen Rentämter. Eine anſteckende Krankheit graſfirt allerdings, und am beſten würden die Regierungen ein tägliches Bulletin ausgeben; Pflicht der Corre- ſpondenten aber iſt heutzutage mehr als je die umlaufenden Gerüchte der vorſichtigſten Prüfung zu unterziehen. Der zur Berathung der dringendſten Angelegenheiten auf kurze Zeit wiederberufene Landtag ward heute eröffnet, und der neue Departementschef des Innern, Staats- rath Duvernoy, legte ein Landwehrgeſetz vor, worauf ſich über als- baldige Vorlage von Ablöſungsgeſetzen eine längere Discuſſion ent- ſpann. Die bereits angekündete Auflöſung des Landtags und die Vor- nahme neuer Wahlen in die zweite Kammer wird ohne Zweifel in kür- zefier Zeit erfolgen. *** Stuttgart, 14 März. So eben aus der erſten Sitzung der wiedereröffneten Kammer zurückgekehrt, iſt mir dort der beſtimmteſte Ein- druck über die Zweckmäßigkeit der von der Regierung angeordneten und auf dem Weſen der conftitutionellen Monarchie begründeten Auflöſung ge- worden. Man erkannte es an der ganzen Phyfiognomie der Kammer daß dieſelbe den jetzigen Umſtänden nicht gewachſen iſt; ſie war unter ge- wöhnlichen Verhältniſſen zuſammengeſetzt, und enthielt nur ſehr wenige Elemente von welchen die Leitung der jetzigen Umſtände ausgehen könnte, ſo ſehr auch die Mehrheit geneigt ſeyn mag ſich denſelben anzupaſſen. Der Widerwille ſich der unvermeidlichen Auflöſung zu ſügen war leicht erkennbar, obgleich derſelbe in einer Verhandlung mehrerer Stunden nicht ausdrücklich ausgeſprochen wurde. Offenbar wird der größere Theil der Mitglieder nicht wieder gewählt werden und ſcheint dieß auch zu empfinden, daher der Wunſch die Verhandlungen der Kammer auf einen größern Kreis auszudehnen, wie die Regierung dieß geſtattet hat, damit die Deputirten zu den Wählern mit Reſulta- ten zurückkehren die ſie bisher von ſich wieſen, zu deren theilweiſer Er- langung ſie wenigſtens Zeit genug gehabt haben, wenn ein ernſtlicher Wille bei der Mehrheit wirklich vorhanden geweſen iſt. Von keiner Seite her iſt aber ein Widerſtand gegen die Miniſter laut geworden; alle ſcheinen zu empfinden daß die Führung der Ordnung und die Be- ruhigung des Volkes nur von den Führern der bisherigen Minderheit ausgehen kann. Nachdem der Präſident, der Kanzler v. Wächter, die Sitzung mit einigen paſſenden Worten über die Bedeutung der jetzigen Zeitumſtände eröffnet hatte, nahm der Miniſter des Auswärtigen, Graf v. Beroldingen, als älteſtes Mitglied der Regierung, das Wort, um die nahe Auflöſung der Ständeverſammlung nach Erledigung des Geſetzes über Volksbewaffnung und die Freiheit öffentlicher Verſammlungen un- verhohlen auszuſprechen. Dieſelbe geſchehe nicht wegen der Beſorgniſſe daß die Kammer die Unterflützung aus Parteigründen verſage, ſondern nach der aufrichtigen Uebung des Repräſentativ-Syſtems; es ſey noth- wendig daß ein neues Cabinet, welches nicht aus der Mehrheit hervor- ging, die Beſtätigung des Volkes erhalte, damit kein Zwieſpalt mit der öffentlichen Meinung eintrete. Alsdann trat der Staatsrath Duver- noy mit der Vorlegung des Geſetzentwurfs über Volksbewaffnung auf. Derſelbe ſey in der Verfaſſungsurkunde bereits begründet, weil das Recht Waffen zu tragen darin ausgeſprochen wurde. Die bisherigen Beſchränkungen hinfichtlich des Beſitzes und des Gebrauchs der Waffen ſeyen aufzuheben. Dieſe Verbote beruhen auf Mißtrauen und enthal- ten zugleich eine Beſchränkung der perſönlichen Freiheit; ferner begrün- den ſie dauernde und höchſt widerwärtige Eingriffe in das Eigenthums- recht. Folgende ſind die vorgeſchlagenen Hauptbeſtimmungen des Ge- ſetzes: die Bürgerwehr gilt als ein auf der Gemeindeverbindung be- gründetes Jnſtitut. Nach der Gleichheit vor dem Geſetz find alle Mit- glieder derſelben vom 18ten bis zum 50ſten Jahr zu dem Eintritt ver- pflichtet, mit Ausnahme der activen Militärs, der Candidaten der Theo- logie, körperlich oder geiſtig unfähiger Perſonen ꝛc. Die Bewaffnung, übri- gens ſo viel wie möglich vereinfacht, wird von den Bürgern beſtritten. Die Wahl der Officiere und Unteroffieiere geſchieht durch die Bürgerwehr, die Regierung aber behält ſich die Beſtätigung vor. Die Beſorgung der Admi- niſtrativ-Angelegenheiten geſchieht von beſondern Behörden, die aus der Gemeinde und der Bürgerwehr zuſammengeſetzt den Schulzen an der Spitze haben. Jm Dienſt gilt militäriſche Subordination, die außer- halb desſelben wegfällt. Nach der Vorlage dieſes Geſetzes begann eine allgemein gehaltene Discuſſion über die gegenwärtigen Ver- hältniſſe, woraus das obenerwähnte Widerſtreben der Mehrheit ſich auflöſen zu laſſen hevorging. Wir heben daraus nur einige Punkte hervor. Der Abgeordnete Müller beklagte ſich über die Uebertreibung hinſichtlich der Hohenlohe’ſchen Unruhen, ſowohl durch Gerüchte wie Be- richte, welche übrigens in ſolchen Fällen der Aufregung niemals aue- zubleiben pflegt; nach ſeiner Verficherung hat dieſe Uebertreibung im Hohenlohe’ſchen ſelbſt ſehr viel Lachen verurſacht. Der Hr. v. Horn- ſtein ſprach alsdann ſeine unbedingte Hochachtung vor den jetzigen Mi- niſtern aus; 33 Jahre lang habe er die Bahn der ſtändiſchen Verfaſſung betreten, aber nie mehr ſchätzenswerihe Bekanntſchaften wie diejenigen der Männer gemacht, welche gegeuwärtig an der Spitze des Staates ſtän- den. Er habe oft andere Anſichten als jene gehegt, allein ihre beider- ſeitigen Grundſätze träfen häufiger zuſammen, denn in der Hauptſache ſtimmten diejenigen überein, die auf philoſophiſcher und religiöſer Grundlage beruhten. Man könne auf ſeine mit Aufrichtigkeit darge- botene Unterſtützung rechnen, ſolange ſeine Principien dieſes erlaubten. Er hoffe daß drei Hauptpunkte durch die Regierung eine befriedigende Löſung erlangen werden: ein deutſches Reichsparlament, das ſchon aus der Bundesacte hervorgehe, denn da man beabſichtigt habe den mediati- ſirten Fürſten (Standesherren) eine Virilſtimme zu übertragen, könne auch das Volk nicht wegbleiben; ferner die Ablöſung der Feudallaſten und die Hülfe der Gewerbe — Fragen, die von der jetzigen Kammer zu erle- digen ſeyen; endlich der Punkt, den er nicht zu nennen brauche, weil er ihn von jeher vertreten habe (die Selbſtändigkeit der katholiſchen Kirche). Jener zweite Punkt wurde hierauf von der bisherigen Mehrheit aufge- griffen und lange verhandelt, bis endlich Fetzer (von der bisherigen Minderheit) entſchieden ausſprach: meiner Anſicht nach find wir ſobald wie möglich aufzulöſen, die Kammer beſaß das Vertrauen des Volkes nicht; wir ſind im Begriff in die frühere Ruhe zurückzuſinken, aber das kleinſte Ereigniß kann das Volk plötzlich wieder aufregen. Die nächſte Kammer wird wiſſen, was das Volk will. Ein Geſetz über Ablöſung verlange große Vorarbeiten, und ſchon deßhalb ſey die Lö- ſung der Frage der nächſten Kammer anheimzugeben. Als die Ver- handlung über die jetzige Erledigung aber von andern Mitglie- dern der Mehrheit und von einigen andern dennoch wieder aufgenom- men wurde, erklärte Murſchel einem der bisherigen Mitglieder der Mehrheit (Holzinger) aüf noch ſchärfere Weiſe: „er ſcheine zu beſor- gen daß es ihm bei der neuen Wahl ergehen werde wie den liberalen Kammermitgliedern, die ſeit 25 Jahren auf jede nur mögliche Weiſe angefeindet ſeyen.“ Endlich erklärten ſich die Miniſter beſtimmt dagegen. Römer: „Man ſagt zwar, die Sache läßt ſich in kurzen Sätzen zuſam- menfaſſen, man bedenkt-aber nicht die verſchiedene Art der Feudalrechte und Grundlaſten. Ein ſolcher Geſetzesentwurf läßt ſich nicht in weni- gen Tagen verfaſſen. Alsdann können wir nichts befriedigendes vor- legen. Lieber gar nichts. So ſehr die Zeit drängt, läßt es ſich nicht vermeiden daß man ſich nicht ſpäter eine zu große Haſt vorwerfen muß; was die Erleichterung der Gewerbe betreffe, ſo könne dabei überhaupt höchſtens von Verſuchen die Rede ſeyn; betrachte man die einander ent- gegengeſetzten Vorſchläge, die von verſchiedenen Gewerbsclaſſen her- ſtammen, ſo laſſe ſich wenigſtens hier in der Kammer kein ſicheres Re- ſultat erzielen. Jedenfalls genüge es nicht die Kammer zu befragen, das Volk ſey zu befragen, und im Falle es uns nicht beſtätigt, treten wir ab. Zur Berufung einer vollkommen freien Wahl aber ſeyen die Beſchränkungen hinſichtlich des Verſammlungsrechts aufgehoben. Auch Pfizer erklärte offen neue Petitionen und Jnterpellationen erſchwerten die Stellung der neuen Miniſter, die von allen Seiten durch den Zudrang von Geſchäften ſchon genug ſchwierig ſey. Er erklärte ferner die Ver- tretung der unbedingten religiöſen Freiheit und Gleichſtellung aller Confeſ- ſionen ſey ein Grundprincip der neuen Regierung. Nach Pfizer machte Eiſenlohr einige Bemerkungen über die plötzliche Veränderung der Lage im Gegenſatz zu der frühern Stellung der Oppoſition, wie dieſe im ver- zweiflungsvollen Kampfe gegen das Befiehende ihre Kräfte nutzlos zu erſchöpfen ſchien zu einer Zeit, wo man an der deutſchen Nation habe verzweifeln müſſen. Nehmen wir daraus die Lehre daß man kühne Jdeen nicht als revolutionär ſtempeln darf. Er verwies auf einen Mann, der einft in dieſer Verſammlung durch gewaltthätige Juſtiz ausgeſtoßen ward, den man perſönlich kränkte und deſſen Ehre man verfolgte, der leider in Entmuthigung ſtarb, weil er den jetzigen Umſchwung nicht ahnen konnte. Ehre dem Andenken von Friedrich Liſt. — Heute Abend Sitzung zur Wahl der Commiſſion.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine77_1848/3>, abgerufen am 23.11.2024.