Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848.[Spaltenumbruch]
stand gekommen, selbst rückgängig geworden. Der Völkerverkehr, Frankreich. Paris, 12 März. Das Tagesereigniß ist die Bildung einer polnischen Legion. Der "Jn Betracht daß die polnischen nächstbevorstehenden Regierungsmaßregeln wird nun vom National die Verminderung der Zahl der Angestellten, die Herabsetzung der großen Gehalte angekündigt. # Paris, 11 März. Die gestrigen Finanzdecrete wirken immer *) Byron spricht im Don Juan von Deutschlands "somevvhat tardy
millions". [Spaltenumbruch]
ſtand gekommen, ſelbſt rückgängig geworden. Der Völkerverkehr, Frankreich. Paris, 12 März. Das Tagesereigniß iſt die Bildung einer polniſchen Legion. Der „Jn Betracht daß die polniſchen nächſtbevorſtehenden Regierungsmaßregeln wird nun vom National die Verminderung der Zahl der Angeſtellten, die Herabſetzung der großen Gehalte angekündigt. # Paris, 11 März. Die geſtrigen Finanzdecrete wirken immer *) Byron ſpricht im Don Juan von Deutſchlands „ſomevvhat tardy
millions“. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0007" n="1207"/><cb/> ſtand gekommen, ſelbſt rückgängig geworden. Der Völkerverkehr,<lb/> der zu allen Zeiten des Friedens bedarf um ſicher zu gedeihen, kann<lb/> vollends heutzutage keine politiſche Störung vertragen. Die Sicherheit<lb/> eines mehr als dreißigjährigen Friedens und die allgemeine Concurrenz<lb/> haben allmählich den Proſit ſo ſehr geſchmälert, daß es oft nur geringſter<lb/> Steigerung in den Transportkoſten bedarf um alle Geſchäfte zu verhin-<lb/> dern. So hat denn auch jetzt die Ankündigung der Aſſecuranzanſtalten,<lb/> daß ſie ohne eine erhöhte Prämie nicht gegen Kriegsgefahren verant-<lb/> wortlich ſeyn wollen, ſogleich vielſeitige Abbeſtellungen veranlaßt, und<lb/> zwar ſchon am Anfang der vorigen Woche. Seitdem iſt freilich vieles<lb/> geſchehen was geeignet iſt die Gemüther zu beruhigen: z. B. die Erklä-<lb/> rung ſowohl unſerer Regierung als der preußiſchen daß ſie ſich in die<lb/> innern Angelegenheiten Frankreichs nicht zu miſchen meinen, als auch<lb/> der proviſoriſchen Regierung dieſes Landes daß ſie friedlich zu bleiben<lb/> wünſcht, beſonders aber die ſchnelle Rückkehr zur Ordnung und die Ein-<lb/> ſtimmigkeit unter den Franzoſen. Doch hat ſich auch vieles ereignet was<lb/> heftige Beſorgniſſe für die Zukunft erregt, worunter namentlich die zu-<lb/> nehmende Gährung in der Lombardei. Aber auch ſelbſt unter uns neh-<lb/> men die Verhältniſſe eine trübere Geſtalt an. Die Unruhen welche wir<lb/> vorgeſtern und zum Theil auch geſtern hier gehabt, waren freilich unbe-<lb/> deutend, aber die zu Glaſgow waren viel ernſthafter, und Irland macht<lb/> Miene die Verhältniſſe zur Ertrotzung der Repeal benutzen zu wollen.<lb/> Das Schlimmſte aber iſt daß die Mittelclaſſen täglich ſchwieriger werden,<lb/> und es hoch empfinden daß die Regierung darauf beſteht die Einkommen-<lb/> ſteuer für drei Jahre länger unverändert in ihrer Umlegung beizubehal-<lb/> ten. Die Nachgiebigkeit welche dieſelbe gezeigt, indem ſie ſo ſchnell den<lb/> Vorſchlag zur Erhöhung der Steuer fallen ließ, ermuntert natürlich, be-<lb/> ſonders unter den gegenwärtigen Verhältniſſen, zu weiterer Widerſetz-<lb/> lichkeit, und dieſe wird allmählich auf manche Vertreter wirken, welche<lb/> bisher die Regierung unterſtützt haben. Das Unterhaus würde jedoch keinen<lb/> Anſtand genommen haben die miniſterielle Forderung von 5 Proc. für dieſes<lb/> Jahr zu bewilligen, wenn die Miniſter nur hätten eine billigere Umlegung<lb/> für die Zukunft verſprechen wollen. Denn denkende Männer aller Par-<lb/> teien ſind der Ueberzeugung daß es in dieſem Augenblick unverzeihlich<lb/> ſey ein Deficit ſtehen zu laſſen, oder ſolches in Friedenszeit durch eine An-<lb/> leihe decken zu wollen. Die wenigſten ſind auch für irgendein Erſparniß<lb/> das die Vertheidigungsmittel vermindern würde. Man kämpft alſo der-<lb/> malen darum ob man die Steuer für drei Jahre bewilligen ſolle, oder<lb/> nur für eines. Peel iſt für die drei Jahre, Bentinck aber für nur<lb/> eines. Da es jedoch ebenſo ungewiß iſt ob dieſen beiden bei dieſer Ange-<lb/> legenheit alle ihre ſonſtigen Anhänger in dieſer Anſicht folgen werden, ganz<lb/> gewiß aber ein großer Theil von den Freunden des Miniſteriums dieß-<lb/> mal gegen dasſelbe votiren wird, ſo läßt ſich durchaus nicht vorher be-<lb/> ſtimmen was das Reſultat der Abſtimmung ſeyn mag, welche wahr-<lb/> ſcheinlich nächſten Freitag ſtattfinden wird. Uebrigens ſtimmten jene<lb/> beiden Männer vollkommen mit den Miniſtern in ihrer erklärten Politik<lb/> gegen Frankreich ein; und während letzterer ſich im wärmſten Lob der<lb/> Franzoſen erſchöpfte, warnte jener: man ſolle ja keinen Verſuch in Eng-<lb/> land dulden die jetzige Ordnung der Dinge in Frankreich durch Jntriguen<lb/> umzuſtoßen. Was man hierin gegen Monarchien beobachtet habe, ſey<lb/> man auch einer Republik ſchuldig. Die Bewegungen in Deutſchland er-<lb/> regen hier ſehr große Aufmerkſamkeit, und man findet es lehrreich<lb/> wie die ſonſt ſo unruhigen Belgen ſich den Begebenheiten an ihrer Gränze<lb/> gegenüber ſo viel ruhiger und loyaler verhalten als unſere ſonſt ſo fried-<lb/> fertigen und „etwas langſamen“ Landsleute.<note place="foot" n="*)">Byron ſpricht im Don Juan von Deutſchlands <hi rendition="#aq">„ſomevvhat tardy<lb/> millions“.</hi></note> Natürlich ſchreibt man<lb/> den Unterſchied dem Umſtande dazu daß die Belgen im vollen Genuß von<lb/> Sta atseinrichtungen ſind nach denen man in Deutſchland erſt ſtrebt.<lb/> Die hieſigen Unruhen waren nicht einen Augenblick ernſthaft. Cochrane,<lb/> der die Verſammlung berufen, hatte nicht Zeit genug das Zuſamenſtrö-<lb/> men einiger tauſend Menſchen zu verhindern, als er ſich entſchloß die<lb/> Verſammlung nicht zu halten. Es traten alſo andere Redner auf, wel-<lb/> chen der müßige Pöbel zuhörte. So heftig dieſelben aber auch geſpro-<lb/> chen haben mochten, ſo ſchienen ſie doch keine Aufregung zu verurſachen.<lb/> Die welche mit der Polizei anbanden, ſchienen theils gemeine Diebe,<lb/> theils müßige Burſchen zu ſeyn, die ſich durch eine Rauferei einen Spaß<lb/> machen wollten. Die Anzahl wurde durch Neugierige vermehrt die den<lb/> Spaß mitanzuſehen gedachten, unter welchen aber die Diebe ihre Ernte<lb/> hielten, indem bei mehreren von den Verhafteten 6 bis 7 Taſchentücher<lb/><cb/> gefunden worden ſeyn wollen. Auch wurde ſo wenig an ernſtlichen Wi-<lb/> derſtand gedacht daß nicht ſelten ein einziger Polizeidiener, bloß mit ſei-<lb/> nem kurzen Stab bewaffnet, ſich unter die Menge ſtürzte, einen der<lb/> trotzigſten beim Kragen faßte und gefangen davonſchleppen durfte. Weis-<lb/> lich wurden jedoch die geſtrigen Anſtalten ſo ernſtlich getroffen, daß jeder<lb/> Verſuch zu einer Zuſammenrottung leicht vereitelt werden konnte. <hi rendition="#g">Nach-<lb/> ſchrift</hi>. Alles iſt hier ruhig, und auch in Glasgow ſoll die Ruhe wie-<lb/> derhergeſtellt ſeyn, wenn auch nicht ohne Blutvergießen. Doch iſt die<lb/> Gefahr noch nicht vorüber, wenn auch der Staat nichts davon zu fürch-<lb/> ten hat. Unſere Städte ſind voll brodloſer Menſchen und Diebsgeſindel,<lb/> welches wohl die Gährung benutzen könnte um zu plündern. Jm Noth-<lb/> fall jedoch werden ſich die Mittelclaſſen ſelbſt helfen. Wie ſich ſchon in<lb/> zwei der bedrohteſten Kirchſpiele in London ein Corps von 8 bis 900<lb/> Special-Conſtabler gebildet hat, ſo dürfte ſich leicht die Polizeimannſchaft<lb/> ganz Englands organiſtren, wenn eſ ſeyn müßte auch mit Flinten ſtatt<lb/> der kurzen Stäbe.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris</hi>, 12 März.</dateline><lb/> <p>Das Tagesereigniß iſt die Bildung einer polniſchen Legion. 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Das Decret lautet: <floatingText><body><div n="1"><p>„Jn Betracht daß die polniſchen<lb/> Flüchtlinge, vom Verlangen beſeelt ihre Erkenntlichkeit und Hingebung<lb/> für Frankreich, ihr zweites Vaterland, zu beweiſen, bitten in eine Le-<lb/> gion vereinigt zu werden um zuſammen mit den Franzoſen der Sache<lb/> der Ordnung und der Freiheit zu dienen; in Betracht daß ein ſolches<lb/> Anerbieten im Namen eines Volks das Frankreich ſchon ſo viele treue<lb/> Waffen- und Ruhmesgefährten geliefert hat, mit Bereitwilligkeit auf-<lb/> genommen werden muß von einer Regierung die auf die nationalen<lb/> Sympathien, die ſtets ſo lebhaft für Polen ſind, gegründet und ent-<lb/> ſchloſſen iſt ſich ſtets auf dieſelben zu ſtützen, verordnet die proviſoriſche<lb/> Regierung: Es wird unverzüglich eine polniſche Legion gebildet die<lb/> unter die Befehle des Kriegsminiſters geſtellt wird. 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Der angeordnete Verkauf<lb/> der Domanialgüter der Civilliſte und der Staatswaldungen wird heute<lb/> von einem Blatt geradezu als ein ſchreiender Eingriff in die Rechte der<lb/> Nationalverſammlung und als der erſte Schritt zum Ruin des Staats-<lb/> und Privatvermögens bezeichnet. Allerdings iſt zu fürchten daß, wenn<lb/> man ſo die Staatswaldungen zerſplittert verkauft — vorausgeſetzt<lb/> daß ſich jetzt überhaupt Käufer finden — dieſelben das nämliche Schick-<lb/> ſal haben wie anfangs die Kloſtergüter in Spanien, verſchleudert zu<lb/> werden ohne wirklichen Vortheil für den Schatz. Daß ſchon die An-<lb/> kündigung dieſes beabſichtigten Verkaufs hinreichte den Güterwerth zu<lb/> drücken, wird kein Einſichtiger beſtreiten wollen. Wie alſo dieſe Maß-<lb/> regeln auf den Credit im allgemeinen zurückwirken müſſen, bedarf keiner<lb/> langen Auseinanderſetzung. Schon kündet man neue Unfälle in der<lb/> Handelswelt an. Das Bankierhaus Ch. Laffitte, Blouet u. Comp. hat<lb/> ſeine Geſchäfte eingeſtellt; zweierlei Angaben laufen um, nach der einen<lb/> handelt es ſich bloß um eine freiwillige nicht durch Berlegenheiten abge-<lb/> drungene Liquidirung, nach der andern aber um eine förmliche Einſtel-<lb/> lung der Zahlungen, alſo um den Sturz des Hauſes. Deßgleichen ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1207/0007]
ſtand gekommen, ſelbſt rückgängig geworden. Der Völkerverkehr,
der zu allen Zeiten des Friedens bedarf um ſicher zu gedeihen, kann
vollends heutzutage keine politiſche Störung vertragen. Die Sicherheit
eines mehr als dreißigjährigen Friedens und die allgemeine Concurrenz
haben allmählich den Proſit ſo ſehr geſchmälert, daß es oft nur geringſter
Steigerung in den Transportkoſten bedarf um alle Geſchäfte zu verhin-
dern. So hat denn auch jetzt die Ankündigung der Aſſecuranzanſtalten,
daß ſie ohne eine erhöhte Prämie nicht gegen Kriegsgefahren verant-
wortlich ſeyn wollen, ſogleich vielſeitige Abbeſtellungen veranlaßt, und
zwar ſchon am Anfang der vorigen Woche. Seitdem iſt freilich vieles
geſchehen was geeignet iſt die Gemüther zu beruhigen: z. B. die Erklä-
rung ſowohl unſerer Regierung als der preußiſchen daß ſie ſich in die
innern Angelegenheiten Frankreichs nicht zu miſchen meinen, als auch
der proviſoriſchen Regierung dieſes Landes daß ſie friedlich zu bleiben
wünſcht, beſonders aber die ſchnelle Rückkehr zur Ordnung und die Ein-
ſtimmigkeit unter den Franzoſen. Doch hat ſich auch vieles ereignet was
heftige Beſorgniſſe für die Zukunft erregt, worunter namentlich die zu-
nehmende Gährung in der Lombardei. Aber auch ſelbſt unter uns neh-
men die Verhältniſſe eine trübere Geſtalt an. Die Unruhen welche wir
vorgeſtern und zum Theil auch geſtern hier gehabt, waren freilich unbe-
deutend, aber die zu Glaſgow waren viel ernſthafter, und Irland macht
Miene die Verhältniſſe zur Ertrotzung der Repeal benutzen zu wollen.
Das Schlimmſte aber iſt daß die Mittelclaſſen täglich ſchwieriger werden,
und es hoch empfinden daß die Regierung darauf beſteht die Einkommen-
ſteuer für drei Jahre länger unverändert in ihrer Umlegung beizubehal-
ten. Die Nachgiebigkeit welche dieſelbe gezeigt, indem ſie ſo ſchnell den
Vorſchlag zur Erhöhung der Steuer fallen ließ, ermuntert natürlich, be-
ſonders unter den gegenwärtigen Verhältniſſen, zu weiterer Widerſetz-
lichkeit, und dieſe wird allmählich auf manche Vertreter wirken, welche
bisher die Regierung unterſtützt haben. Das Unterhaus würde jedoch keinen
Anſtand genommen haben die miniſterielle Forderung von 5 Proc. für dieſes
Jahr zu bewilligen, wenn die Miniſter nur hätten eine billigere Umlegung
für die Zukunft verſprechen wollen. Denn denkende Männer aller Par-
teien ſind der Ueberzeugung daß es in dieſem Augenblick unverzeihlich
ſey ein Deficit ſtehen zu laſſen, oder ſolches in Friedenszeit durch eine An-
leihe decken zu wollen. Die wenigſten ſind auch für irgendein Erſparniß
das die Vertheidigungsmittel vermindern würde. Man kämpft alſo der-
malen darum ob man die Steuer für drei Jahre bewilligen ſolle, oder
nur für eines. Peel iſt für die drei Jahre, Bentinck aber für nur
eines. Da es jedoch ebenſo ungewiß iſt ob dieſen beiden bei dieſer Ange-
legenheit alle ihre ſonſtigen Anhänger in dieſer Anſicht folgen werden, ganz
gewiß aber ein großer Theil von den Freunden des Miniſteriums dieß-
mal gegen dasſelbe votiren wird, ſo läßt ſich durchaus nicht vorher be-
ſtimmen was das Reſultat der Abſtimmung ſeyn mag, welche wahr-
ſcheinlich nächſten Freitag ſtattfinden wird. Uebrigens ſtimmten jene
beiden Männer vollkommen mit den Miniſtern in ihrer erklärten Politik
gegen Frankreich ein; und während letzterer ſich im wärmſten Lob der
Franzoſen erſchöpfte, warnte jener: man ſolle ja keinen Verſuch in Eng-
land dulden die jetzige Ordnung der Dinge in Frankreich durch Jntriguen
umzuſtoßen. Was man hierin gegen Monarchien beobachtet habe, ſey
man auch einer Republik ſchuldig. Die Bewegungen in Deutſchland er-
regen hier ſehr große Aufmerkſamkeit, und man findet es lehrreich
wie die ſonſt ſo unruhigen Belgen ſich den Begebenheiten an ihrer Gränze
gegenüber ſo viel ruhiger und loyaler verhalten als unſere ſonſt ſo fried-
fertigen und „etwas langſamen“ Landsleute. *) Natürlich ſchreibt man
den Unterſchied dem Umſtande dazu daß die Belgen im vollen Genuß von
Sta atseinrichtungen ſind nach denen man in Deutſchland erſt ſtrebt.
Die hieſigen Unruhen waren nicht einen Augenblick ernſthaft. Cochrane,
der die Verſammlung berufen, hatte nicht Zeit genug das Zuſamenſtrö-
men einiger tauſend Menſchen zu verhindern, als er ſich entſchloß die
Verſammlung nicht zu halten. Es traten alſo andere Redner auf, wel-
chen der müßige Pöbel zuhörte. So heftig dieſelben aber auch geſpro-
chen haben mochten, ſo ſchienen ſie doch keine Aufregung zu verurſachen.
Die welche mit der Polizei anbanden, ſchienen theils gemeine Diebe,
theils müßige Burſchen zu ſeyn, die ſich durch eine Rauferei einen Spaß
machen wollten. Die Anzahl wurde durch Neugierige vermehrt die den
Spaß mitanzuſehen gedachten, unter welchen aber die Diebe ihre Ernte
hielten, indem bei mehreren von den Verhafteten 6 bis 7 Taſchentücher
gefunden worden ſeyn wollen. Auch wurde ſo wenig an ernſtlichen Wi-
derſtand gedacht daß nicht ſelten ein einziger Polizeidiener, bloß mit ſei-
nem kurzen Stab bewaffnet, ſich unter die Menge ſtürzte, einen der
trotzigſten beim Kragen faßte und gefangen davonſchleppen durfte. Weis-
lich wurden jedoch die geſtrigen Anſtalten ſo ernſtlich getroffen, daß jeder
Verſuch zu einer Zuſammenrottung leicht vereitelt werden konnte. Nach-
ſchrift. Alles iſt hier ruhig, und auch in Glasgow ſoll die Ruhe wie-
derhergeſtellt ſeyn, wenn auch nicht ohne Blutvergießen. Doch iſt die
Gefahr noch nicht vorüber, wenn auch der Staat nichts davon zu fürch-
ten hat. Unſere Städte ſind voll brodloſer Menſchen und Diebsgeſindel,
welches wohl die Gährung benutzen könnte um zu plündern. Jm Noth-
fall jedoch werden ſich die Mittelclaſſen ſelbſt helfen. Wie ſich ſchon in
zwei der bedrohteſten Kirchſpiele in London ein Corps von 8 bis 900
Special-Conſtabler gebildet hat, ſo dürfte ſich leicht die Polizeimannſchaft
ganz Englands organiſtren, wenn eſ ſeyn müßte auch mit Flinten ſtatt
der kurzen Stäbe.
Frankreich.
Paris, 12 März.
Das Tagesereigniß iſt die Bildung einer polniſchen Legion. Der
Moniteur bringt den unterm 10 d. M. gefaßten Regierungsbeſchluß
der jedenfalls als kein Friedensſymptom anzuſehen iſt, wiewohl eine
mitbewegende Urſache geweſen ſeyn mag daß man auf dieſe Art ein
Element der Gährung aus dem Schooß der Geſellſchaft entfernen und
ihm eine nützliche Verwendung geben wollte. Bis jetzt hat Frankreich
Unterſtützungsgelder an die polniſchen Flüchtlinge bezahlt, künftig wird
es dieſer Ausgabe überhoben ſeyn. Wenn die frühere Regierung nach
der Revolution ſich genöthigt ſah eine Fremdenlegion zu bilden, ſo iſt
der weſentliche Unterſchied daß dieſe, um alle propagandiſtiſchen
Beſorgniſſe zu beſeitigen, gleich zum auswärtigen Dienſt, d. i.
nach Algerien beſtimmt war. Die polniſche Legion iſt eine politiſche
Demonſtration. Das Decret lautet: „Jn Betracht daß die polniſchen
Flüchtlinge, vom Verlangen beſeelt ihre Erkenntlichkeit und Hingebung
für Frankreich, ihr zweites Vaterland, zu beweiſen, bitten in eine Le-
gion vereinigt zu werden um zuſammen mit den Franzoſen der Sache
der Ordnung und der Freiheit zu dienen; in Betracht daß ein ſolches
Anerbieten im Namen eines Volks das Frankreich ſchon ſo viele treue
Waffen- und Ruhmesgefährten geliefert hat, mit Bereitwilligkeit auf-
genommen werden muß von einer Regierung die auf die nationalen
Sympathien, die ſtets ſo lebhaft für Polen ſind, gegründet und ent-
ſchloſſen iſt ſich ſtets auf dieſelben zu ſtützen, verordnet die proviſoriſche
Regierung: Es wird unverzüglich eine polniſche Legion gebildet die
unter die Befehle des Kriegsminiſters geſtellt wird. Der Kriegsminiſter
iſt mit Vollziehung gegenwärtigen Decrets beauftragt.“
Als eine der
nächſtbevorſtehenden Regierungsmaßregeln wird nun vom National
die Verminderung der Zahl der Angeſtellten, die Herabſetzung der großen
Gehalte angekündigt.
# Paris, 11 März.
Die geſtrigen Finanzdecrete wirken immer
tiefer und nachtheiliger, beſonders das über die Sparcaſſen. Die Leute
die baares Geld einlegten, wollen auch baares Geld zurückerhalten, nicht
Papier, am allerwenigſten dieſes zu einem Preiſe den es in der That
jetzt nicht hat. Der Glaube iſt allgemein daß die Regierung dieſes De-
cret werde ſchleunigſt zurücknehmen müſſen. Der angeordnete Verkauf
der Domanialgüter der Civilliſte und der Staatswaldungen wird heute
von einem Blatt geradezu als ein ſchreiender Eingriff in die Rechte der
Nationalverſammlung und als der erſte Schritt zum Ruin des Staats-
und Privatvermögens bezeichnet. Allerdings iſt zu fürchten daß, wenn
man ſo die Staatswaldungen zerſplittert verkauft — vorausgeſetzt
daß ſich jetzt überhaupt Käufer finden — dieſelben das nämliche Schick-
ſal haben wie anfangs die Kloſtergüter in Spanien, verſchleudert zu
werden ohne wirklichen Vortheil für den Schatz. Daß ſchon die An-
kündigung dieſes beabſichtigten Verkaufs hinreichte den Güterwerth zu
drücken, wird kein Einſichtiger beſtreiten wollen. Wie alſo dieſe Maß-
regeln auf den Credit im allgemeinen zurückwirken müſſen, bedarf keiner
langen Auseinanderſetzung. Schon kündet man neue Unfälle in der
Handelswelt an. Das Bankierhaus Ch. Laffitte, Blouet u. Comp. hat
ſeine Geſchäfte eingeſtellt; zweierlei Angaben laufen um, nach der einen
handelt es ſich bloß um eine freiwillige nicht durch Berlegenheiten abge-
drungene Liquidirung, nach der andern aber um eine förmliche Einſtel-
lung der Zahlungen, alſo um den Sturz des Hauſes. Deßgleichen ver-
*) Byron ſpricht im Don Juan von Deutſchlands „ſomevvhat tardy
millions“.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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