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Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848.

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[Spaltenumbruch] fürchtungen, die aller Orten laut werden, zu gewinnen. Gerüchte der
freudigsten und der betrübendsten Art kreuzen sich, man weiß nicht was
und wie. Nur eins ist allen klar daß in jedem Gemüthe Aufregung
herrscht, daß man Besseres hoffen darf. Das Mißtrauen gegen das
Papiergeld ist ein fast allgemeines, man mußte zur Nationalbank, zur
Sparcasse doppelte Wachen zur Aufrechthaltung der Ordnung stellen;
die heutige Wiener Zeitung sucht dem Mißtrauen zu begegnen, indem
die Bankdirectoren in derselben den Cassenstand des letzten Monats
drucken lassen. Wie kommt es aber daß man uns plötzlich Mittheilungen
macht und in die sonst so geheimnißvoll officielle Karte blicken läßt? Das
ist ja ein Schritt vorwärts! Man weiß die Stimmung und Geneigt-
heit des Hofes zu Concessionen und ist um so erbitterter gegen die starre
Aufrechthaltung eines morschen Systems. -- Von Mailand her kommen
der Handelswelt beruhigendere Votschaften: die Nachricht von der Repu-
blik hat eine entgegengesetzte Wirkung als man glaubte, sie verbreitete
einen panischen Schrecken unter den liberalen lombardischen Herzögen,
Conti und Principi. Sie fürchteten plötzlich den Verlust ihrer Titel
und haben sich dem Vicekönig genähert. Da, wie eine Bombe, platzte
es auf dem Reichstag in Preßburg. Kossuth hielt eine Rede in der er
bewies daß Bajonette nicht mehr die Bürgschaften sind mit denen man
Staaten zusammenhält. Die gestrige Preßburger Zeitung enthält ein
gewappnetes Schreiben gegen die Regierung an den Kaiser, in welchem
einfach und klar eine zeitgemäße Constitution für alle österreichischen
Staaten gefordert wird, in welchem bei allen Ausdrücken der treuesten
Anhänglichkeit an die Dynastie gesagt wird: wie die Regierung die unga-
rische Nation stets gehindert habe ihre Constitution zeitgemäß zu ent-
wickeln, wie sie nun aber fordern müsse und fordern dürfe daß dem ein
Ende sey. Um Jhnen beiläusig die Stimmung anzuzeigen an der Sie
das frühere Wien nicht erkennen werden, erzähle ich Jhnen daß in einem
der besuchtesten Kaffeehäuser, die nebenbei gesagt überfüllt sind, als viele
die Zeitung schreiend verlangten, ein Mann auf das Billard stieg und
mit Stentorstimme rief: "Jm Namen der constitutionellen Regierung,
still! Jch werde vorlesen." -- Erzherzog Johann ist durch Estaffete nach
Wien zurückgerufen, Erzherzog Stephan langte gestern hier an um Ver-
haltungsmaßregeln zu holen. -- Die österreichischen Stände eröffnen in
diesem Monate den Landtag; es verlautet daß sie auf eine constitutionelle
Verfassung dringen werden. Eine andere Version lautet daß sie durch
den nach der Eröffnung nach Mailand gehenden Landmarschall Grafen
Montecuculi dem Monarchen sagen ließen: sie würden die Verlegenheit
der Regierung nicht benutzen. Wir sind jedenfalls auf die Ständever-
sammlung im höchsten Grade gespannt, denn jetzt gilt es mehr als den
vierten Stand mit einzuziehen! Die österreichischen Herren und Ritter
sind dießmal der Nation verantwortlich, und ihr dießmaliges Wollen und
Wirken wird historisch werden. -- Jn der Monatsversammlung des Ge-
werbvereins trat Hr. Arthaber vor den anwesenden Erzherzog Franz Karl,
und verkündete ihm im Namen der Bürgerschaft daß unter derselben der
allgemeine Wunsch nach gehörigen Umgestaltungen im Staatswesen lebe,
daß der gesunkene Credit des Staates auf Gewerbe und Handel den nach-
theiligsten Einfluß übe, und daß man allgemein unter den Bürgern der
Ansicht sey daß derselbe nur durch Umgestaltungen und Zugeständnisse
im Staatsleben gehoben werden könne. Hierauf überreichte Hr. Arthaber
unter dem allgemeinen begeisterten Beifalle der zahlreich versammelten
Bürger dem Erzherzog eine Adresse an den Kaiser (sie sindet sich in
der Außerordentlichen Beilage der Allgemeinen Zeitung vom 12 März);
der Erzherzog, sichtbar bewegt, übernahm dieselbe, versprach, sie dem Kai-
ser zu übergeben, versicherte daß man den Wünschen der Bürger nachkom-
men werde und schloß damit daß man in diesen stürmischen Zeiten von
Seiten des Kaiserhauses auf die alte Ergebenheit der Wiener Bürger
rechne die nicht anstehen würden, wie immer Gut und Blut dem Kaiser-
hause zu weihen. Seinen Worten folgte der allgemeine Beifall der
Versammlung. -- Was sagen Sie zu dieser öffentlichen Demonstration?
Die ganze Bureaukratie wird übergangen, man wagt es den gewöhn-
lichen labyrinthischen Schneckenweg zum Throne zu verachten! Sind das
nicht bedeutende Zeichen der Zeit? Und die Freude sollten Sie sehen
in der gesammten Bürgerschaft."


Heute sind bedenkliche Unruhen hier ausge-
brochen. Auf einem der öffentlichen Plätze wurde geschossen, und zehn
Personen sollen gefallen seyn. Die Vorstadt ist von der Stadt abgesperrt.
Die Kanonen der Burg geladen, zahlreiches Militär aufgeboten. Ein
Handbillet des Kaisers, worin auf die heute durch die Studenten ein-
gereichte Petition ausweichend geantwortet wurde, führte zu großer
[Spaltenumbruch] Aufregung unter der Jugend. Man steht mit Besorgniß dem Abend
entgegen. Der Erzherzog Albrecht kam selbst ins Gedränge. Jm Stän-
dehause kam es zu stürmischen Auftritten.*)

Spanien.

Das alte System, obschon sichtbarlich erschüt-
tert, sucht sich noch zu halten. Die Redacteure der progressistischen
Presse haben unterm gestrigen Datum an die Königin eine Bittschrift
unterzeichnet, worin sie Jhre Maj. beschwören dem an die Cories ge-
brachten Gesetzentwurf, betreffend die Ermächtigung zu Suspendirung
verfassungsmäßiger Gewährschaften und Aufnahme eines Anlehens von
200 Mill. Realen, ihre königl. Bestätigung zu versagen. Dieses Gesetz,
in der vorgestrigen Sitzung vom Congreß mit 148 gegen 45 Stimmen
genehmigt, liegt jetzt vor dem Senat. Bemerkenswerth ist die Erklä-
rung des Generals Narvaez mit der die Debatte schloß. Das Gesetz sey
eine bloße Vorsichtsmaßregel, eine Maschine, kein Wurfgeschoß. Die
spanische Regierung wünsche mit Frankreich in Frieden zu leben, welches
auch die Staatsform sey die sich dasselbe glaube geben zu müssen, denn
beide Länder seyen bestimmt befreundet zu seyn und einander zu achten.
Sie erwarte daher nur die Sanction der Nationversammlung um mit der
Republik in Verhältnisse zu treten wie sie mit der gefallenen Dynastie
bestanden. Uebrigens werde das Ministerium mit den Cortes das Bud-
get berathen und nach der Gesetzlichkeit regieren, solange es sich nicht in
die harte Nothwendigkeit versetzt sehen werde andere Maßregeln zu er-
greifen um die Ordnung und die Jnstitutionen aufrechtzuerhalten, die es
entschlossen sey bis auf den Tod zu vertheidigen. Die Journale welche
die Protestation enthielten, waren mit Beschlag belegt worden. (Sp. Bl.)

Großbritannien.

Das Haus der Gemeinen saß am 10 März wieder als Com-
mittee der Wege und Mittel (Subsidien-Committee). Die Debatte über
die Einkommensteuer wurde fortgesetzt, jedoch abermals nicht zum Schluß
gebracht; denn man verlor sich in eine theoretische Controverse über den
Werth oder Unwerth der Peel'schen Finanz- und Handelspolitik, aus
welcher die Einkommensteuer hervorgegangen. "Crambe repetita,"
sagt die Times; "der Band von Hansard welcher die Korngesetzdebatte
von 1846 enthält, ist ein wahres Bergwerk solchen Stoffs." Hr. Wilson
vertheidigte Peels Politik in langer Rede; er will die Einkommensteuer
nicht nur beibehalten haben, sondern hätte sogar deren Erhöhung um
2 Proc. gewünscht; aber der Art wie sie erhoben wird ist auch er entge-
gen. Hr. Disraeli griff die Manchesterer Schule, d. h. die Cobden-
Macgregor'sche Freihandelspolitik in einer Rede an welche selbst die Ti-
mes, ein Freihandelsblatt, als ein Meisterstück sarkastischer Polemik rühmt.
Hr. Gladstone trat ihm mit einem gleich tüchtigen Vortrag entgegen.
Auf Hrn. Cobdens Antrag wurde dann die Verhandlung ausgesetzt.
-- Das Oberhaus saß nur wenige Minuten.


Die vertriebene französische Königsfamilie führt in Claremont ein
stilles Privatleben; sie hat ihre Bedienung auf die möglichst kleine Zahl
beschränkt. Einer Angabe in der Times zufolge hat Ludwig Philipp
den Wunsch geäußert das Landhaus bei Twickenham wieder zu beziehen,
welches er während seines frühern Exils bewohnt. Es steht zufällig
jetzt leer, und Unterhandlungen über dessen Miethung sollen bereits
angeknüpft seyn. Twickenham ist ein freundlich gelegenes Städtchen
an der Themse oberhalb von London, mit ungefähr 4000 Einwohnern;
in der Nähe der herrliche Park von Strawberry-Hill und Pope's Villa.
Die alte Königin hat gegen Lady Jane Peel geäußert: sie hoffe in Eng-
land ihre Tage in Ruhe zu beschließen, denn in Frankreich habe sie, we-
nigstens seit 1830, die Ruhe nicht gekannt. -- Hr. Guizot, welcher bis
zum letzten Mittwoch in strengster Zurückgezogenheit in London gelebt,
empfängt und macht jetzt zahlreiche Besuche. Die meisten der fremden
Gesandten haben ihn besucht. -- Man bemerkt daß die Farbenordnung
der französischen Tricolorflagge seit der Revolution verändert ist: früher
war sie blau-weiß-roth, jetzt ist sie blau-roth-weiß.


Am 10 März erfolgte in der Bow-Kirche zu London die feierliche
Bestätigung (consirmation) der Wahl des bisherigen Bischofs von
Chester, Dr. John Bird Sumner, zum Erzbischof von Canterbury.


Der Handel welcher in den letzten Wochen
für die indischen und chinesischen Märkte, für Nordamerika und Merico,
sowie für Griechenland und die Türkei mannichfaltige Belebung erhalten
hatte, ist durch die Ereignisse in Frankreich auf einmal wieder zum Still-

*) Es kamen uns heute aus Wien bloß diese paar Zeilen eines Privat-
briefes zu. R. d. A. Z.

[Spaltenumbruch] fürchtungen, die aller Orten laut werden, zu gewinnen. Gerüchte der
freudigſten und der betrübendſten Art kreuzen ſich, man weiß nicht was
und wie. Nur eins iſt allen klar daß in jedem Gemüthe Aufregung
herrſcht, daß man Beſſeres hoffen darf. Das Mißtrauen gegen das
Papiergeld iſt ein faſt allgemeines, man mußte zur Nationalbank, zur
Sparcaſſe doppelte Wachen zur Aufrechthaltung der Ordnung ſtellen;
die heutige Wiener Zeitung ſucht dem Mißtrauen zu begegnen, indem
die Bankdirectoren in derſelben den Caſſenſtand des letzten Monats
drucken laſſen. Wie kommt es aber daß man uns plötzlich Mittheilungen
macht und in die ſonſt ſo geheimnißvoll officielle Karte blicken läßt? Das
iſt ja ein Schritt vorwärts! Man weiß die Stimmung und Geneigt-
heit des Hofes zu Conceſſionen und iſt um ſo erbitterter gegen die ſtarre
Aufrechthaltung eines morſchen Syſtems. — Von Mailand her kommen
der Handelswelt beruhigendere Votſchaften: die Nachricht von der Repu-
blik hat eine entgegengeſetzte Wirkung als man glaubte, ſie verbreitete
einen paniſchen Schrecken unter den liberalen lombardiſchen Herzögen,
Conti und Principi. Sie fürchteten plötzlich den Verluſt ihrer Titel
und haben ſich dem Vicekönig genähert. Da, wie eine Bombe, platzte
es auf dem Reichstag in Preßburg. Koſſuth hielt eine Rede in der er
bewies daß Bajonette nicht mehr die Bürgſchaften ſind mit denen man
Staaten zuſammenhält. Die geſtrige Preßburger Zeitung enthält ein
gewappnetes Schreiben gegen die Regierung an den Kaiſer, in welchem
einfach und klar eine zeitgemäße Conſtitution für alle öſterreichiſchen
Staaten gefordert wird, in welchem bei allen Ausdrücken der treueſten
Anhänglichkeit an die Dynaſtie geſagt wird: wie die Regierung die unga-
riſche Nation ſtets gehindert habe ihre Conſtitution zeitgemäß zu ent-
wickeln, wie ſie nun aber fordern müſſe und fordern dürfe daß dem ein
Ende ſey. Um Jhnen beiläuſig die Stimmung anzuzeigen an der Sie
das frühere Wien nicht erkennen werden, erzähle ich Jhnen daß in einem
der beſuchteſten Kaffeehäuſer, die nebenbei geſagt überfüllt ſind, als viele
die Zeitung ſchreiend verlangten, ein Mann auf das Billard ſtieg und
mit Stentorſtimme rief: „Jm Namen der conſtitutionellen Regierung,
ſtill! Jch werde vorleſen.“ — Erzherzog Johann iſt durch Eſtaffete nach
Wien zurückgerufen, Erzherzog Stephan langte geſtern hier an um Ver-
haltungsmaßregeln zu holen. — Die öſterreichiſchen Stände eröffnen in
dieſem Monate den Landtag; es verlautet daß ſie auf eine conſtitutionelle
Verfaſſung dringen werden. Eine andere Verſion lautet daß ſie durch
den nach der Eröffnung nach Mailand gehenden Landmarſchall Grafen
Montecuculi dem Monarchen ſagen ließen: ſie würden die Verlegenheit
der Regierung nicht benutzen. Wir ſind jedenfalls auf die Ständever-
ſammlung im höchſten Grade geſpannt, denn jetzt gilt es mehr als den
vierten Stand mit einzuziehen! Die öſterreichiſchen Herren und Ritter
ſind dießmal der Nation verantwortlich, und ihr dießmaliges Wollen und
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werbvereins trat Hr. Arthaber vor den anweſenden Erzherzog Franz Karl,
und verkündete ihm im Namen der Bürgerſchaft daß unter derſelben der
allgemeine Wunſch nach gehörigen Umgeſtaltungen im Staatsweſen lebe,
daß der geſunkene Credit des Staates auf Gewerbe und Handel den nach-
theiligſten Einfluß übe, und daß man allgemein unter den Bürgern der
Anſicht ſey daß derſelbe nur durch Umgeſtaltungen und Zugeſtändniſſe
im Staatsleben gehoben werden könne. Hierauf überreichte Hr. Arthaber
unter dem allgemeinen begeiſterten Beifalle der zahlreich verſammelten
Bürger dem Erzherzog eine Adreſſe an den Kaiſer (ſie ſindet ſich in
der Außerordentlichen Beilage der Allgemeinen Zeitung vom 12 März);
der Erzherzog, ſichtbar bewegt, übernahm dieſelbe, verſprach, ſie dem Kai-
ſer zu übergeben, verſicherte daß man den Wünſchen der Bürger nachkom-
men werde und ſchloß damit daß man in dieſen ſtürmiſchen Zeiten von
Seiten des Kaiſerhauſes auf die alte Ergebenheit der Wiener Bürger
rechne die nicht anſtehen würden, wie immer Gut und Blut dem Kaiſer-
hauſe zu weihen. Seinen Worten folgte der allgemeine Beifall der
Verſammlung. — Was ſagen Sie zu dieſer öffentlichen Demonſtration?
Die ganze Bureaukratie wird übergangen, man wagt es den gewöhn-
lichen labyrinthiſchen Schneckenweg zum Throne zu verachten! Sind das
nicht bedeutende Zeichen der Zeit? Und die Freude ſollten Sie ſehen
in der geſammten Bürgerſchaft.“


Heute ſind bedenkliche Unruhen hier ausge-
brochen. Auf einem der öffentlichen Plätze wurde geſchoſſen, und zehn
Perſonen ſollen gefallen ſeyn. Die Vorſtadt iſt von der Stadt abgeſperrt.
Die Kanonen der Burg geladen, zahlreiches Militär aufgeboten. Ein
Handbillet des Kaiſers, worin auf die heute durch die Studenten ein-
gereichte Petition ausweichend geantwortet wurde, führte zu großer
[Spaltenumbruch] Aufregung unter der Jugend. Man ſteht mit Beſorgniß dem Abend
entgegen. Der Erzherzog Albrecht kam ſelbſt ins Gedränge. Jm Stän-
dehauſe kam es zu ſtürmiſchen Auftritten.*)

Spanien.

Das alte Syſtem, obſchon ſichtbarlich erſchüt-
tert, ſucht ſich noch zu halten. Die Redacteure der progreſſiſtiſchen
Preſſe haben unterm geſtrigen Datum an die Königin eine Bittſchrift
unterzeichnet, worin ſie Jhre Maj. beſchwören dem an die Cories ge-
brachten Geſetzentwurf, betreffend die Ermächtigung zu Suspendirung
verfaſſungsmäßiger Gewährſchaften und Aufnahme eines Anlehens von
200 Mill. Realen, ihre königl. Beſtätigung zu verſagen. Dieſes Geſetz,
in der vorgeſtrigen Sitzung vom Congreß mit 148 gegen 45 Stimmen
genehmigt, liegt jetzt vor dem Senat. Bemerkenswerth iſt die Erklä-
rung des Generals Narvaez mit der die Debatte ſchloß. Das Geſetz ſey
eine bloße Vorſichtsmaßregel, eine Maſchine, kein Wurfgeſchoß. Die
ſpaniſche Regierung wünſche mit Frankreich in Frieden zu leben, welches
auch die Staatsform ſey die ſich dasſelbe glaube geben zu müſſen, denn
beide Länder ſeyen beſtimmt befreundet zu ſeyn und einander zu achten.
Sie erwarte daher nur die Sanction der Nationverſammlung um mit der
Republik in Verhältniſſe zu treten wie ſie mit der gefallenen Dynaſtie
beſtanden. Uebrigens werde das Miniſterium mit den Cortes das Bud-
get berathen und nach der Geſetzlichkeit regieren, ſolange es ſich nicht in
die harte Nothwendigkeit verſetzt ſehen werde andere Maßregeln zu er-
greifen um die Ordnung und die Jnſtitutionen aufrechtzuerhalten, die es
entſchloſſen ſey bis auf den Tod zu vertheidigen. Die Journale welche
die Proteſtation enthielten, waren mit Beſchlag belegt worden. (Sp. Bl.)

Großbritannien.

Das Haus der Gemeinen ſaß am 10 März wieder als Com-
mittee der Wege und Mittel (Subſidien-Committee). Die Debatte über
die Einkommenſteuer wurde fortgeſetzt, jedoch abermals nicht zum Schluß
gebracht; denn man verlor ſich in eine theoretiſche Controverſe über den
Werth oder Unwerth der Peel’ſchen Finanz- und Handelspolitik, aus
welcher die Einkommenſteuer hervorgegangen. „Crambe repetita,“
ſagt die Times; „der Band von Hanſard welcher die Korngeſetzdebatte
von 1846 enthält, iſt ein wahres Bergwerk ſolchen Stoffs.“ Hr. Wilſon
vertheidigte Peels Politik in langer Rede; er will die Einkommenſteuer
nicht nur beibehalten haben, ſondern hätte ſogar deren Erhöhung um
2 Proc. gewünſcht; aber der Art wie ſie erhoben wird iſt auch er entge-
gen. Hr. Diſraeli griff die Mancheſterer Schule, d. h. die Cobden-
Macgregor’ſche Freihandelspolitik in einer Rede an welche ſelbſt die Ti-
mes, ein Freihandelsblatt, als ein Meiſterſtück ſarkaſtiſcher Polemik rühmt.
Hr. Gladſtone trat ihm mit einem gleich tüchtigen Vortrag entgegen.
Auf Hrn. Cobdens Antrag wurde dann die Verhandlung ausgeſetzt.
— Das Oberhaus ſaß nur wenige Minuten.


Die vertriebene franzöſiſche Königsfamilie führt in Claremont ein
ſtilles Privatleben; ſie hat ihre Bedienung auf die möglichſt kleine Zahl
beſchränkt. Einer Angabe in der Times zufolge hat Ludwig Philipp
den Wunſch geäußert das Landhaus bei Twickenham wieder zu beziehen,
welches er während ſeines frühern Exils bewohnt. Es ſteht zufällig
jetzt leer, und Unterhandlungen über deſſen Miethung ſollen bereits
angeknüpft ſeyn. Twickenham iſt ein freundlich gelegenes Städtchen
an der Themſe oberhalb von London, mit ungefähr 4000 Einwohnern;
in der Nähe der herrliche Park von Strawberry-Hill und Pope’s Villa.
Die alte Königin hat gegen Lady Jane Peel geäußert: ſie hoffe in Eng-
land ihre Tage in Ruhe zu beſchließen, denn in Frankreich habe ſie, we-
nigſtens ſeit 1830, die Ruhe nicht gekannt. — Hr. Guizot, welcher bis
zum letzten Mittwoch in ſtrengſter Zurückgezogenheit in London gelebt,
empfängt und macht jetzt zahlreiche Beſuche. Die meiſten der fremden
Geſandten haben ihn beſucht. — Man bemerkt daß die Farbenordnung
der franzöſiſchen Tricolorflagge ſeit der Revolution verändert iſt: früher
war ſie blau-weiß-roth, jetzt iſt ſie blau-roth-weiß.


Am 10 März erfolgte in der Bow-Kirche zu London die feierliche
Beſtätigung (conſirmation) der Wahl des bisherigen Biſchofs von
Cheſter, Dr. John Bird Sumner, zum Erzbiſchof von Canterbury.


Der Handel welcher in den letzten Wochen
für die indiſchen und chineſiſchen Märkte, für Nordamerika und Merico,
ſowie für Griechenland und die Türkei mannichfaltige Belebung erhalten
hatte, iſt durch die Ereigniſſe in Frankreich auf einmal wieder zum Still-

*) Es kamen uns heute aus Wien bloß dieſe paar Zeilen eines Privat-
briefes zu. R. d. A. Z.
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[1206/0006] fürchtungen, die aller Orten laut werden, zu gewinnen. Gerüchte der freudigſten und der betrübendſten Art kreuzen ſich, man weiß nicht was und wie. Nur eins iſt allen klar daß in jedem Gemüthe Aufregung herrſcht, daß man Beſſeres hoffen darf. Das Mißtrauen gegen das Papiergeld iſt ein faſt allgemeines, man mußte zur Nationalbank, zur Sparcaſſe doppelte Wachen zur Aufrechthaltung der Ordnung ſtellen; die heutige Wiener Zeitung ſucht dem Mißtrauen zu begegnen, indem die Bankdirectoren in derſelben den Caſſenſtand des letzten Monats drucken laſſen. Wie kommt es aber daß man uns plötzlich Mittheilungen macht und in die ſonſt ſo geheimnißvoll officielle Karte blicken läßt? Das iſt ja ein Schritt vorwärts! Man weiß die Stimmung und Geneigt- heit des Hofes zu Conceſſionen und iſt um ſo erbitterter gegen die ſtarre Aufrechthaltung eines morſchen Syſtems. — Von Mailand her kommen der Handelswelt beruhigendere Votſchaften: die Nachricht von der Repu- blik hat eine entgegengeſetzte Wirkung als man glaubte, ſie verbreitete einen paniſchen Schrecken unter den liberalen lombardiſchen Herzögen, Conti und Principi. Sie fürchteten plötzlich den Verluſt ihrer Titel und haben ſich dem Vicekönig genähert. Da, wie eine Bombe, platzte es auf dem Reichstag in Preßburg. Koſſuth hielt eine Rede in der er bewies daß Bajonette nicht mehr die Bürgſchaften ſind mit denen man Staaten zuſammenhält. Die geſtrige Preßburger Zeitung enthält ein gewappnetes Schreiben gegen die Regierung an den Kaiſer, in welchem einfach und klar eine zeitgemäße Conſtitution für alle öſterreichiſchen Staaten gefordert wird, in welchem bei allen Ausdrücken der treueſten Anhänglichkeit an die Dynaſtie geſagt wird: wie die Regierung die unga- riſche Nation ſtets gehindert habe ihre Conſtitution zeitgemäß zu ent- wickeln, wie ſie nun aber fordern müſſe und fordern dürfe daß dem ein Ende ſey. Um Jhnen beiläuſig die Stimmung anzuzeigen an der Sie das frühere Wien nicht erkennen werden, erzähle ich Jhnen daß in einem der beſuchteſten Kaffeehäuſer, die nebenbei geſagt überfüllt ſind, als viele die Zeitung ſchreiend verlangten, ein Mann auf das Billard ſtieg und mit Stentorſtimme rief: „Jm Namen der conſtitutionellen Regierung, ſtill! Jch werde vorleſen.“ — Erzherzog Johann iſt durch Eſtaffete nach Wien zurückgerufen, Erzherzog Stephan langte geſtern hier an um Ver- haltungsmaßregeln zu holen. — Die öſterreichiſchen Stände eröffnen in dieſem Monate den Landtag; es verlautet daß ſie auf eine conſtitutionelle Verfaſſung dringen werden. Eine andere Verſion lautet daß ſie durch den nach der Eröffnung nach Mailand gehenden Landmarſchall Grafen Montecuculi dem Monarchen ſagen ließen: ſie würden die Verlegenheit der Regierung nicht benutzen. Wir ſind jedenfalls auf die Ständever- ſammlung im höchſten Grade geſpannt, denn jetzt gilt es mehr als den vierten Stand mit einzuziehen! Die öſterreichiſchen Herren und Ritter ſind dießmal der Nation verantwortlich, und ihr dießmaliges Wollen und Wirken wird hiſtoriſch werden. — Jn der Monatsverſammlung des Ge- werbvereins trat Hr. Arthaber vor den anweſenden Erzherzog Franz Karl, und verkündete ihm im Namen der Bürgerſchaft daß unter derſelben der allgemeine Wunſch nach gehörigen Umgeſtaltungen im Staatsweſen lebe, daß der geſunkene Credit des Staates auf Gewerbe und Handel den nach- theiligſten Einfluß übe, und daß man allgemein unter den Bürgern der Anſicht ſey daß derſelbe nur durch Umgeſtaltungen und Zugeſtändniſſe im Staatsleben gehoben werden könne. Hierauf überreichte Hr. Arthaber unter dem allgemeinen begeiſterten Beifalle der zahlreich verſammelten Bürger dem Erzherzog eine Adreſſe an den Kaiſer (ſie ſindet ſich in der Außerordentlichen Beilage der Allgemeinen Zeitung vom 12 März); der Erzherzog, ſichtbar bewegt, übernahm dieſelbe, verſprach, ſie dem Kai- ſer zu übergeben, verſicherte daß man den Wünſchen der Bürger nachkom- men werde und ſchloß damit daß man in dieſen ſtürmiſchen Zeiten von Seiten des Kaiſerhauſes auf die alte Ergebenheit der Wiener Bürger rechne die nicht anſtehen würden, wie immer Gut und Blut dem Kaiſer- hauſe zu weihen. Seinen Worten folgte der allgemeine Beifall der Verſammlung. — Was ſagen Sie zu dieſer öffentlichen Demonſtration? Die ganze Bureaukratie wird übergangen, man wagt es den gewöhn- lichen labyrinthiſchen Schneckenweg zum Throne zu verachten! Sind das nicht bedeutende Zeichen der Zeit? Und die Freude ſollten Sie ſehen in der geſammten Bürgerſchaft.“ ☉ Wien, 13 März. Heute ſind bedenkliche Unruhen hier ausge- brochen. Auf einem der öffentlichen Plätze wurde geſchoſſen, und zehn Perſonen ſollen gefallen ſeyn. Die Vorſtadt iſt von der Stadt abgeſperrt. Die Kanonen der Burg geladen, zahlreiches Militär aufgeboten. Ein Handbillet des Kaiſers, worin auf die heute durch die Studenten ein- gereichte Petition ausweichend geantwortet wurde, führte zu großer Aufregung unter der Jugend. Man ſteht mit Beſorgniß dem Abend entgegen. Der Erzherzog Albrecht kam ſelbſt ins Gedränge. Jm Stän- dehauſe kam es zu ſtürmiſchen Auftritten. *) Spanien. Madrid, 6 März. Das alte Syſtem, obſchon ſichtbarlich erſchüt- tert, ſucht ſich noch zu halten. Die Redacteure der progreſſiſtiſchen Preſſe haben unterm geſtrigen Datum an die Königin eine Bittſchrift unterzeichnet, worin ſie Jhre Maj. beſchwören dem an die Cories ge- brachten Geſetzentwurf, betreffend die Ermächtigung zu Suspendirung verfaſſungsmäßiger Gewährſchaften und Aufnahme eines Anlehens von 200 Mill. Realen, ihre königl. Beſtätigung zu verſagen. Dieſes Geſetz, in der vorgeſtrigen Sitzung vom Congreß mit 148 gegen 45 Stimmen genehmigt, liegt jetzt vor dem Senat. Bemerkenswerth iſt die Erklä- rung des Generals Narvaez mit der die Debatte ſchloß. Das Geſetz ſey eine bloße Vorſichtsmaßregel, eine Maſchine, kein Wurfgeſchoß. Die ſpaniſche Regierung wünſche mit Frankreich in Frieden zu leben, welches auch die Staatsform ſey die ſich dasſelbe glaube geben zu müſſen, denn beide Länder ſeyen beſtimmt befreundet zu ſeyn und einander zu achten. Sie erwarte daher nur die Sanction der Nationverſammlung um mit der Republik in Verhältniſſe zu treten wie ſie mit der gefallenen Dynaſtie beſtanden. Uebrigens werde das Miniſterium mit den Cortes das Bud- get berathen und nach der Geſetzlichkeit regieren, ſolange es ſich nicht in die harte Nothwendigkeit verſetzt ſehen werde andere Maßregeln zu er- greifen um die Ordnung und die Jnſtitutionen aufrechtzuerhalten, die es entſchloſſen ſey bis auf den Tod zu vertheidigen. Die Journale welche die Proteſtation enthielten, waren mit Beſchlag belegt worden. (Sp. Bl.) Großbritannien. London, 11 März. Das Haus der Gemeinen ſaß am 10 März wieder als Com- mittee der Wege und Mittel (Subſidien-Committee). Die Debatte über die Einkommenſteuer wurde fortgeſetzt, jedoch abermals nicht zum Schluß gebracht; denn man verlor ſich in eine theoretiſche Controverſe über den Werth oder Unwerth der Peel’ſchen Finanz- und Handelspolitik, aus welcher die Einkommenſteuer hervorgegangen. „Crambe repetita,“ ſagt die Times; „der Band von Hanſard welcher die Korngeſetzdebatte von 1846 enthält, iſt ein wahres Bergwerk ſolchen Stoffs.“ Hr. Wilſon vertheidigte Peels Politik in langer Rede; er will die Einkommenſteuer nicht nur beibehalten haben, ſondern hätte ſogar deren Erhöhung um 2 Proc. gewünſcht; aber der Art wie ſie erhoben wird iſt auch er entge- gen. Hr. Diſraeli griff die Mancheſterer Schule, d. h. die Cobden- Macgregor’ſche Freihandelspolitik in einer Rede an welche ſelbſt die Ti- mes, ein Freihandelsblatt, als ein Meiſterſtück ſarkaſtiſcher Polemik rühmt. Hr. Gladſtone trat ihm mit einem gleich tüchtigen Vortrag entgegen. Auf Hrn. Cobdens Antrag wurde dann die Verhandlung ausgeſetzt. — Das Oberhaus ſaß nur wenige Minuten. Die vertriebene franzöſiſche Königsfamilie führt in Claremont ein ſtilles Privatleben; ſie hat ihre Bedienung auf die möglichſt kleine Zahl beſchränkt. Einer Angabe in der Times zufolge hat Ludwig Philipp den Wunſch geäußert das Landhaus bei Twickenham wieder zu beziehen, welches er während ſeines frühern Exils bewohnt. Es ſteht zufällig jetzt leer, und Unterhandlungen über deſſen Miethung ſollen bereits angeknüpft ſeyn. Twickenham iſt ein freundlich gelegenes Städtchen an der Themſe oberhalb von London, mit ungefähr 4000 Einwohnern; in der Nähe der herrliche Park von Strawberry-Hill und Pope’s Villa. Die alte Königin hat gegen Lady Jane Peel geäußert: ſie hoffe in Eng- land ihre Tage in Ruhe zu beſchließen, denn in Frankreich habe ſie, we- nigſtens ſeit 1830, die Ruhe nicht gekannt. — Hr. Guizot, welcher bis zum letzten Mittwoch in ſtrengſter Zurückgezogenheit in London gelebt, empfängt und macht jetzt zahlreiche Beſuche. Die meiſten der fremden Geſandten haben ihn beſucht. — Man bemerkt daß die Farbenordnung der franzöſiſchen Tricolorflagge ſeit der Revolution verändert iſt: früher war ſie blau-weiß-roth, jetzt iſt ſie blau-roth-weiß. Am 10 März erfolgte in der Bow-Kirche zu London die feierliche Beſtätigung (conſirmation) der Wahl des bisherigen Biſchofs von Cheſter, Dr. John Bird Sumner, zum Erzbiſchof von Canterbury. * London, 9 März. Der Handel welcher in den letzten Wochen für die indiſchen und chineſiſchen Märkte, für Nordamerika und Merico, ſowie für Griechenland und die Türkei mannichfaltige Belebung erhalten hatte, iſt durch die Ereigniſſe in Frankreich auf einmal wieder zum Still- *) Es kamen uns heute aus Wien bloß dieſe paar Zeilen eines Privat- briefes zu. R. d. A. Z.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848, S. 1206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine76_1848/6>, abgerufen am 22.11.2024.