Allgemeine Zeitung, Nr. 38, 7. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
nimmt den Menschen nach seinem doppelten Geschlechtsleben an der Wiege, "Bei ruhiger Betrachtung der großen Frage die uns be- Der große See in Südafrika. Wir haben vor kurzem die Nachricht mitgetheilt daß ein Hr. L. den "Die Entdeckung dieser prächtigen Wasserfläche ist mit Recht als die *) Anspielung auf ein unbekanntes Männchen, das in dieser Zeit mehrere
Jahre hindurch Arme, Kranke, Hülflose in den bevölkertsten Quartieren von Paris aufsuchte und mit dem Nothwendigsten versorgte, sich nie zu erkennen gab, und unter dem Volke nicht anders als nach seiner Tracht unter dem Namen Le petit manteau bleu bekannt war. [Spaltenumbruch]
nimmt den Menſchen nach ſeinem doppelten Geſchlechtsleben an der Wiege, „Bei ruhiger Betrachtung der großen Frage die uns be- Der große See in Südafrika. Wir haben vor kurzem die Nachricht mitgetheilt daß ein Hr. L. den „Die Entdeckung dieſer prächtigen Waſſerfläche iſt mit Recht als die *) Anſpielung auf ein unbekanntes Männchen, das in dieſer Zeit mehrere
Jahre hindurch Arme, Kranke, Hülfloſe in den bevölkertſten Quartieren von Paris aufſuchte und mit dem Nothwendigſten verſorgte, ſich nie zu erkennen gab, und unter dem Volke nicht anders als nach ſeiner Tracht unter dem Namen Le petit manteau bleu bekannt war. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <floatingText> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <p><pb facs="#f0014" n="606"/><cb/> nimmt den Menſchen nach ſeinem doppelten Geſchlechtsleben an der Wiege,<lb/> und begleitet ihn auf den verſchiedenen Altersſtufen durch die Höhlen des<lb/> Jammers und des Unglücks bis ans Grab, und verläßt ihn dort mit dem<lb/> üblichen Segensſpruch und der Verheißung des ſeligen Lebens nach harter<lb/> Pilgerfahrt durch das Jammerthal des irdiſchen Daſeyns. Hrn. Thiers<lb/> Bericht iſt leider nicht, wie zu wünſchen geweſen wäre, eine gründliche<lb/> Prüfung des hochwichtigen Gegenſtandes die den Ausgangspunkt einer<lb/> ſegensreichen Umgeſtaltung der volkswirthſchaftlichen Grundſätze bilden<lb/> könnte, ſondern nur eine Anerkennung des von Gott eingeſetzten un-<lb/> wandelbaren Nothſtandes zur Anſpornung der Mildthätigkeit im menſch-<lb/> lichen Herzen, und darüber hinaus in Bezug auf Staatliche Einrichtungen<lb/> nicht mehr und nicht weniger als eine dilatoriſche Einrede, geſtützt auf die<lb/> Apotheoſe des Beſtehenden. Es würde zu weit führen in dieß durchweg<lb/> intereſſante Actenſtück einzugehen; mit großem Glück aber faßt ein hieſiges<lb/> kleines Blatt untergeordneter Gattung, der „Charivari“, dasſelbe nach<lb/> feinem Geiſt und Inhalt zuſammen, und hebt in witziger aber treffender<lb/> Art das winzige Reſultat der gewaltigen Anſtrengung in folgenden An-<lb/> gaben hervor.</p><lb/> <cit> <quote>„Bei ruhiger Betrachtung der großen Frage die uns be-<lb/> ſchäftigt, heißt es, entdecken wir daß der Schöpfer, der den Menſchen nach<lb/> ſeinem Bilde ſchuf, dem Geſchöpf zur Geſundheit die Krankheit beigeſellt<lb/> hat, der Jugend die Kindheit vorangehen läßt, der Reife die Jugend, wor-<lb/> auf das Alter folgt welches mit dem Tode ſchließt. Hat uns der Tod er-<lb/> reicht, ſo iſt es für lange Zeiten, wie ein berühmter tiefſinniger Denker<lb/> mit Recht bemerkt. Das menſchliche Geſchlecht zerfällt der Beobachtung<lb/> nach in zweierlei Geſchlechter, in das männliche und das weibliche, ein<lb/> unumſtößliches Naturgeſetz, welches trotz aller Zerſtörungsſucht der Neuerer<lb/> in gegenwärtiger Zeit doch nie wird geläugnet werden können. Zwar iſt<lb/> hin und wieder wohl von einem dritten Geſchlecht die Rede geweſen das<lb/> weder männlich noch weiblich wäre, doch ermangelt die Exiſtenz desſelben<lb/> noch allzuſehr des triftigen Beweiſes, als daß davon in einem officiellen<lb/> Bericht Erwähnung geſchehen könnte. Faſſen wir alſo den Menſchen bei-<lb/> derlei Geſchlechts in ſeinen verſchiedenen Lebensphaſen auf in Bezug auf<lb/> die vorliegende wichtige Frage, ſo finden wir zur Erledigung derſelben<lb/> folgende unbezweifelte Thatſachen vor. Für die Kindheit ſorgte ſo Staat<lb/> als Geſellſchaft durch das heilſame Inſtitut der Ammenanſtalt, durch Frauen-<lb/> vereine, ſogenannte Krippenanſtalten, Warteſchulen und Findelhäuſer.<lb/> Für die Jugend haben wir die Armenſchulen der chriſtlichen Brüder auf-<lb/> zuweiſen, ferner die ſogenannten rauhen Häuſer oder Colonien zu Mettray,<lb/> zu Petitbourg und die Strafanſtalt La Roquette. Für das reifere Alter<lb/> wird es mir erlaubt ſeyn von dem heilſamen Einfluß der ſogenannten hol-<lb/> ländiſchen Bouillonanſtalten zu reden, wo entkräftete Geſchöpfe von vierzig<lb/> bis fünfzig Jahren und darüber gegen Erlegung einer geringen Gebühr<lb/> jederzeit ſich eine Magenſtärkung angedeihen laſſen können. Und was das<lb/> Alter betrifft, thut es noth daß ich Ihnen, meine Herren, das Spital<lb/> Sainte-Perrine ins Gedächtniß zurückrufe, wie nicht minder manchen<lb/> andern Zufluchtsort abgelebter Perſonen und ähnliche zur Aufnahme und<lb/> Verſorgung von Nothleidenden beſtimmte treffliche Einrichtungen? Zwar<lb/> wird man mir einwenden daß dort nur durch Zuſchuß oder Capitaleinlage<lb/> anzukommen iſt, mithin nur den Beſitzern eines relativen Vermögens die<lb/> Möglichkeit zuſteht in ſolchen Häuſern Eintritt zu erlangen, was auch voll-<lb/> kommen wahr iſt. Iſt aber den Armen denn das einladende Bicêtre ver-<lb/> ſchloſſen? Und können ſie ſelbſt hier nicht aufgenommen werden, bleibt<lb/> ihnen nicht immer die Ausſicht auf das Arreſthaus für Bettler? Für arme<lb/> Zahler haben wir den Schuldthurm; für Verwahrloste Anſtalten aller<lb/> Art; für Gefangene ſogar Geſellſchaften die mit lobenswerther Menſchen-<lb/> freundlichkeit ſich bemühen ihr trauriges Loos zu verbeſſern und für junge<lb/> Sträflinge zu forgen; für das gebrechliche Alter Siechhäuſer, für Kranke<lb/> beider Geſchlechter Krankenhäuſer, für Geiſtesleidende Irrenhäuſer, für<lb/> jedes Alter Hoſpitäler und milde Stiftungen. Solche Auſſtellung heil-<lb/> ſamer Anſtalten, meine Herren, hat die bürgerliche Geſellſchaft aufzu-<lb/> weiſen, um den unbilligen Vorwürfen derjenigen zu begegnen die ſie der<lb/> Herzloſigkeit anzuklagen ſich vermeſſen. In dieſen letzten Jahren haben<lb/> wir geſehen wie wohlmeinende Träumer und Utopiſten, um nicht zu ſagen<lb/> Demagogen, das Verlangen ausſprachen es müſſe der Staat Penſions-<lb/> anſtalten für das gebrechliche Alter gründen und unterſtützen, wie nicht<lb/> minder durch gewiſſe Creditanſtalten und hypothekariſche Einrichtungen<lb/> den Arbeitern in den Städten und auf dem Lande die Erlangung von Geld-<lb/> bedarf erleichtern. Das hieße gefährlichen Neuerungen Thor und Thür<lb/> öffnen. Nein, meine Herren, bleiben wir bei der nützlichen Einrichtung<lb/> der Sparcaſſen ſtehen und gehen nicht drüber hinaus. Ohnehin iſt es ja<lb/> bekanntlich nicht die Aufgabe der Geſellſchaft ſich um dergleichen Dinge<lb/> zu bekümmern, die ſich an die ſogenannte öffentliche Unterſtützung knüpfen.<lb/> Mag jeder zuſehen wie er ſich durchſchlägt, das iſt eine gute Schule durch<lb/> das Leben und bildet. Jeder für ſich und Gott für uns alle; das iſt ein<lb/> alter Kernſpruch der Weisheit auf der Gaſſe. Der ſelige Laffitte, der<lb/><cb/> verſtorbene Deleſſert ſind in groben Bauernſchuhen nach Paris gekommen<lb/> und haben Millionen zuſammengebracht. Der unſelige Dupin iſt nicht<lb/> allein in ſolchem Fußzeug nach Paris gewandert, ſondern geht dort be-<lb/> kanntlich noch jetzt in groben Schuhen einher. Zwar machen ihm die<lb/> Demagogen der Linken daraus einen gewaltigen Vorwurf, aber ich führe<lb/> ihn nur an zum Beweis daß man mit Arbeit und grobem Auftreten durch<lb/> die Welt kommt. Soll damit geſagt ſeyn daß in der wichtigen Angelegen-<lb/> heit die unſerer Berathung vorliegt, gar nichts zu thun ſey? Mit nichten.<lb/> So abſprechend zu ſeyn iſt keineswegs meine Abſicht. Es bleibt noch viel<lb/> zu thun übrig, es kann noch vieles geſchehen. So, um nur eins anzu-<lb/> führen, bin ich überzeugt daß fich in der Einrichtung der Frauenvereine<lb/> noch manche nicht unbedeutende Verbeſſerung einführen ließe. Auch iſt<lb/> für die beſtehende bürgerliche Geſellſchaft keine Gefahr wenn auf einem<lb/> großen Felde Lotterien zu milden Zwecken angeordnet werden. So laſſen<lb/> ſich auch unbedenklich zu gleichem Zweck in jedem Bezirk der Hauptftadt<lb/> glänzende Bälle veranſtalten. Solange ſich dergleichen Unternehmungen<lb/> behutſam auf dieſes Gebiet beſchränken, ſind wir geſichert vor der drohen-<lb/> den Gefahr des eingreifenden Socialismus. Was das Einſammeln milder<lb/> Gaben in Privatwohnungen betrifft, ſo wird da der Boden ſchon ſchlüpf-<lb/> riger, und iſt in dieſer Hinſicht eine ſcharfe Ueberwachung vonnöthen, auf<lb/> daß man jeden ſehe wie ers treibe, und wer ſteht, daß er nicht falle. Wie<lb/> leicht ließen ſich nicht unter dem Vorwand des Sammelns gefährliche<lb/> Volksbücher und ſocialiſtiſche Flugſchriften einſchmuggeln. Und hier am<lb/> Schluß nun ſey es mir vergönnt es auszuſprechen wie die Aufhebung der<lb/> Klöſter ein größtes Unglück für die Menſchheit geweſen. Was haben die<lb/> Klöſter nicht für Wohlthätigkeit geübt, für Gutes geleiſtet und das<lb/> hungrige Frankreich ſtromweiſe mit Kraftbrühe überſchwemmt. Wie<lb/> zahlloſe Blaumäntelchen <note place="foot" n="*)">Anſpielung auf ein unbekanntes Männchen, das in dieſer Zeit mehrere<lb/> Jahre hindurch Arme, Kranke, Hülfloſe in den bevölkertſten Quartieren<lb/> von Paris aufſuchte und mit dem Nothwendigſten verſorgte, ſich nie zu<lb/> erkennen gab, und unter dem Volke nicht anders als nach ſeiner Tracht<lb/> unter dem Namen <hi rendition="#aq">Le petit manteau bleu</hi> bekannt war.</note> müßte es nicht geben um ein einziges Kloſter<lb/> zu erſetzen! 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L. iſt der Geiſtliche Robert Livingſton, der<lb/> wohlbekannte und unermüdliche Miſſionär unter den Betſchuanas, Schwie-<lb/> gerſohn des Geiſtlichen R. Moffut, deſſen Name allen die ſich in irgend-<lb/> einer Weiſe um die Heidenbekehrung kümmern bekannt ſeyn muß. Hr.<lb/> Livingſton war von meinem Freund und Reiſegenoſſen Hrn. Oswell, Civil-<lb/> beamten aus der Präſidentſchaft Madras, und Hrn. Murray, aus Lintroſe<lb/> in Schottland, begleitet. Dieſe drei ſind die Abenteurer welche endlich<lb/> den lange ſchwebenden Streit über das Vorhandenſeyn des großen Süß-<lb/> waſſerſees im Innern Südafrika’s entſchieden haben. Der See ſcheint<lb/> etwa unter 19° S. Br. zu liegen, oder 560 Meilen NNW. von Kolobeng,<lb/> dem Schauplatz der angeſtrengten Arbeiten Hrn. Livingſtons und dem<lb/> Hauptquartier des Baquaina-Stammes. Nähern Nachrichten kann man<lb/> täglich entgegenſehen, denn in kurzem werden die HH. Oswell und<lb/> Murray unter uns ſeyn; ihre Namen, zugleich mit dem Hrn. 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nimmt den Menſchen nach ſeinem doppelten Geſchlechtsleben an der Wiege,
und begleitet ihn auf den verſchiedenen Altersſtufen durch die Höhlen des
Jammers und des Unglücks bis ans Grab, und verläßt ihn dort mit dem
üblichen Segensſpruch und der Verheißung des ſeligen Lebens nach harter
Pilgerfahrt durch das Jammerthal des irdiſchen Daſeyns. Hrn. Thiers
Bericht iſt leider nicht, wie zu wünſchen geweſen wäre, eine gründliche
Prüfung des hochwichtigen Gegenſtandes die den Ausgangspunkt einer
ſegensreichen Umgeſtaltung der volkswirthſchaftlichen Grundſätze bilden
könnte, ſondern nur eine Anerkennung des von Gott eingeſetzten un-
wandelbaren Nothſtandes zur Anſpornung der Mildthätigkeit im menſch-
lichen Herzen, und darüber hinaus in Bezug auf Staatliche Einrichtungen
nicht mehr und nicht weniger als eine dilatoriſche Einrede, geſtützt auf die
Apotheoſe des Beſtehenden. Es würde zu weit führen in dieß durchweg
intereſſante Actenſtück einzugehen; mit großem Glück aber faßt ein hieſiges
kleines Blatt untergeordneter Gattung, der „Charivari“, dasſelbe nach
feinem Geiſt und Inhalt zuſammen, und hebt in witziger aber treffender
Art das winzige Reſultat der gewaltigen Anſtrengung in folgenden An-
gaben hervor.
„Bei ruhiger Betrachtung der großen Frage die uns be-
ſchäftigt, heißt es, entdecken wir daß der Schöpfer, der den Menſchen nach
ſeinem Bilde ſchuf, dem Geſchöpf zur Geſundheit die Krankheit beigeſellt
hat, der Jugend die Kindheit vorangehen läßt, der Reife die Jugend, wor-
auf das Alter folgt welches mit dem Tode ſchließt. Hat uns der Tod er-
reicht, ſo iſt es für lange Zeiten, wie ein berühmter tiefſinniger Denker
mit Recht bemerkt. Das menſchliche Geſchlecht zerfällt der Beobachtung
nach in zweierlei Geſchlechter, in das männliche und das weibliche, ein
unumſtößliches Naturgeſetz, welches trotz aller Zerſtörungsſucht der Neuerer
in gegenwärtiger Zeit doch nie wird geläugnet werden können. Zwar iſt
hin und wieder wohl von einem dritten Geſchlecht die Rede geweſen das
weder männlich noch weiblich wäre, doch ermangelt die Exiſtenz desſelben
noch allzuſehr des triftigen Beweiſes, als daß davon in einem officiellen
Bericht Erwähnung geſchehen könnte. Faſſen wir alſo den Menſchen bei-
derlei Geſchlechts in ſeinen verſchiedenen Lebensphaſen auf in Bezug auf
die vorliegende wichtige Frage, ſo finden wir zur Erledigung derſelben
folgende unbezweifelte Thatſachen vor. Für die Kindheit ſorgte ſo Staat
als Geſellſchaft durch das heilſame Inſtitut der Ammenanſtalt, durch Frauen-
vereine, ſogenannte Krippenanſtalten, Warteſchulen und Findelhäuſer.
Für die Jugend haben wir die Armenſchulen der chriſtlichen Brüder auf-
zuweiſen, ferner die ſogenannten rauhen Häuſer oder Colonien zu Mettray,
zu Petitbourg und die Strafanſtalt La Roquette. Für das reifere Alter
wird es mir erlaubt ſeyn von dem heilſamen Einfluß der ſogenannten hol-
ländiſchen Bouillonanſtalten zu reden, wo entkräftete Geſchöpfe von vierzig
bis fünfzig Jahren und darüber gegen Erlegung einer geringen Gebühr
jederzeit ſich eine Magenſtärkung angedeihen laſſen können. Und was das
Alter betrifft, thut es noth daß ich Ihnen, meine Herren, das Spital
Sainte-Perrine ins Gedächtniß zurückrufe, wie nicht minder manchen
andern Zufluchtsort abgelebter Perſonen und ähnliche zur Aufnahme und
Verſorgung von Nothleidenden beſtimmte treffliche Einrichtungen? Zwar
wird man mir einwenden daß dort nur durch Zuſchuß oder Capitaleinlage
anzukommen iſt, mithin nur den Beſitzern eines relativen Vermögens die
Möglichkeit zuſteht in ſolchen Häuſern Eintritt zu erlangen, was auch voll-
kommen wahr iſt. Iſt aber den Armen denn das einladende Bicêtre ver-
ſchloſſen? Und können ſie ſelbſt hier nicht aufgenommen werden, bleibt
ihnen nicht immer die Ausſicht auf das Arreſthaus für Bettler? Für arme
Zahler haben wir den Schuldthurm; für Verwahrloste Anſtalten aller
Art; für Gefangene ſogar Geſellſchaften die mit lobenswerther Menſchen-
freundlichkeit ſich bemühen ihr trauriges Loos zu verbeſſern und für junge
Sträflinge zu forgen; für das gebrechliche Alter Siechhäuſer, für Kranke
beider Geſchlechter Krankenhäuſer, für Geiſtesleidende Irrenhäuſer, für
jedes Alter Hoſpitäler und milde Stiftungen. Solche Auſſtellung heil-
ſamer Anſtalten, meine Herren, hat die bürgerliche Geſellſchaft aufzu-
weiſen, um den unbilligen Vorwürfen derjenigen zu begegnen die ſie der
Herzloſigkeit anzuklagen ſich vermeſſen. In dieſen letzten Jahren haben
wir geſehen wie wohlmeinende Träumer und Utopiſten, um nicht zu ſagen
Demagogen, das Verlangen ausſprachen es müſſe der Staat Penſions-
anſtalten für das gebrechliche Alter gründen und unterſtützen, wie nicht
minder durch gewiſſe Creditanſtalten und hypothekariſche Einrichtungen
den Arbeitern in den Städten und auf dem Lande die Erlangung von Geld-
bedarf erleichtern. Das hieße gefährlichen Neuerungen Thor und Thür
öffnen. Nein, meine Herren, bleiben wir bei der nützlichen Einrichtung
der Sparcaſſen ſtehen und gehen nicht drüber hinaus. Ohnehin iſt es ja
bekanntlich nicht die Aufgabe der Geſellſchaft ſich um dergleichen Dinge
zu bekümmern, die ſich an die ſogenannte öffentliche Unterſtützung knüpfen.
Mag jeder zuſehen wie er ſich durchſchlägt, das iſt eine gute Schule durch
das Leben und bildet. Jeder für ſich und Gott für uns alle; das iſt ein
alter Kernſpruch der Weisheit auf der Gaſſe. Der ſelige Laffitte, der
verſtorbene Deleſſert ſind in groben Bauernſchuhen nach Paris gekommen
und haben Millionen zuſammengebracht. Der unſelige Dupin iſt nicht
allein in ſolchem Fußzeug nach Paris gewandert, ſondern geht dort be-
kanntlich noch jetzt in groben Schuhen einher. Zwar machen ihm die
Demagogen der Linken daraus einen gewaltigen Vorwurf, aber ich führe
ihn nur an zum Beweis daß man mit Arbeit und grobem Auftreten durch
die Welt kommt. Soll damit geſagt ſeyn daß in der wichtigen Angelegen-
heit die unſerer Berathung vorliegt, gar nichts zu thun ſey? Mit nichten.
So abſprechend zu ſeyn iſt keineswegs meine Abſicht. Es bleibt noch viel
zu thun übrig, es kann noch vieles geſchehen. So, um nur eins anzu-
führen, bin ich überzeugt daß fich in der Einrichtung der Frauenvereine
noch manche nicht unbedeutende Verbeſſerung einführen ließe. Auch iſt
für die beſtehende bürgerliche Geſellſchaft keine Gefahr wenn auf einem
großen Felde Lotterien zu milden Zwecken angeordnet werden. So laſſen
ſich auch unbedenklich zu gleichem Zweck in jedem Bezirk der Hauptftadt
glänzende Bälle veranſtalten. Solange ſich dergleichen Unternehmungen
behutſam auf dieſes Gebiet beſchränken, ſind wir geſichert vor der drohen-
den Gefahr des eingreifenden Socialismus. Was das Einſammeln milder
Gaben in Privatwohnungen betrifft, ſo wird da der Boden ſchon ſchlüpf-
riger, und iſt in dieſer Hinſicht eine ſcharfe Ueberwachung vonnöthen, auf
daß man jeden ſehe wie ers treibe, und wer ſteht, daß er nicht falle. Wie
leicht ließen ſich nicht unter dem Vorwand des Sammelns gefährliche
Volksbücher und ſocialiſtiſche Flugſchriften einſchmuggeln. Und hier am
Schluß nun ſey es mir vergönnt es auszuſprechen wie die Aufhebung der
Klöſter ein größtes Unglück für die Menſchheit geweſen. Was haben die
Klöſter nicht für Wohlthätigkeit geübt, für Gutes geleiſtet und das
hungrige Frankreich ſtromweiſe mit Kraftbrühe überſchwemmt. Wie
zahlloſe Blaumäntelchen *) müßte es nicht geben um ein einziges Kloſter
zu erſetzen! Zwar nahmen die Mendicanten, Capuciner, Karthäuſer,
Carmeliter und andere Bettelmönche dem Volke wieder ab was die Klöſter
unter die Armen vertheilten; aber auch welch ſittliche Erhebung für das
Volk, der Anblick ſolcher heiligen Männer die ſich zum Betteln herabließen
um durch ein ſchlagendes Beiſpiel darzuthun daß Betteln nicht eine Herab-
würdigung des Menſchen ſey, wie das Volk heutzutage nach den Irrlehren
der Neuerer zu behaupten wagt. Die Revolution hat den Suppennapf
der Klöſter vernichtet; wir müßten ihn wieder herſtellen und den philan-
thropiſchen Anſtalten der alten Zeit die Einrichtung einiger Peſthäuſer
entlehnen für die Ausſätzigen der gegenwärtigen Zeit, die Socialiſten.
Durch rathſame Entlehnungen aus der Vergangenheit die Gegenwart ver-
beſſern, durch Wiedereinführung verſchollener Dinge das Beſtehende ver-
vollkommnen: das iſt in der Philanthropie ſowohl als in der Politik mein
letztes Wort. Nur Demagogen können anderer Geſinnung ſeyn.“
Der große See in Südafrika.
Wir haben vor kurzem die Nachricht mitgetheilt daß ein Hr. L. den
lange geſuchten Binnenſee in Südafrika, der für die Geſtaltung dieſes
Erdtheils ein ſo wichtiges Element bildet, wirklich entdeckt habe. Da die
Entdeckung damals von dem Athenäum als höchſt zweifelhaft dargeſtellt
wurde, ſo ſendet nun ein Hr. F. V. folgende Erklärung in das genannte
Journal (vom 19 Jan.) ein:
„Die Entdeckung dieſer prächtigen Waſſerfläche iſt mit Recht als die
„„größte geographiſche Entdeckung der neuen Zeit““ bezeichnet worden.
Das lang beſtrittene Problem iſt endlich gelöst und das Daſeyn des Sees
feſtgeſtellt. Der erwähnte Hr. L. iſt der Geiſtliche Robert Livingſton, der
wohlbekannte und unermüdliche Miſſionär unter den Betſchuanas, Schwie-
gerſohn des Geiſtlichen R. Moffut, deſſen Name allen die ſich in irgend-
einer Weiſe um die Heidenbekehrung kümmern bekannt ſeyn muß. Hr.
Livingſton war von meinem Freund und Reiſegenoſſen Hrn. Oswell, Civil-
beamten aus der Präſidentſchaft Madras, und Hrn. Murray, aus Lintroſe
in Schottland, begleitet. Dieſe drei ſind die Abenteurer welche endlich
den lange ſchwebenden Streit über das Vorhandenſeyn des großen Süß-
waſſerſees im Innern Südafrika’s entſchieden haben. Der See ſcheint
etwa unter 19° S. Br. zu liegen, oder 560 Meilen NNW. von Kolobeng,
dem Schauplatz der angeſtrengten Arbeiten Hrn. Livingſtons und dem
Hauptquartier des Baquaina-Stammes. Nähern Nachrichten kann man
täglich entgegenſehen, denn in kurzem werden die HH. Oswell und
Murray unter uns ſeyn; ihre Namen, zugleich mit dem Hrn. Livingſtons,
werden von nun an in der Liſte der neuen afrikaniſchen Reiſenden obenan
ſtehen.
*) Anſpielung auf ein unbekanntes Männchen, das in dieſer Zeit mehrere
Jahre hindurch Arme, Kranke, Hülfloſe in den bevölkertſten Quartieren
von Paris aufſuchte und mit dem Nothwendigſten verſorgte, ſich nie zu
erkennen gab, und unter dem Volke nicht anders als nach ſeiner Tracht
unter dem Namen Le petit manteau bleu bekannt war.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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