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Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 3. Februar 1850.

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[Spaltenumbruch] so müssen wir die Gleichstellung der drei darunter verstandenen Religio-
nen sogar ein entscheidendes Unrecht, eine Verkennung der Wahrheit
nennen, doch aber auch mit Lessing's eigenen Worten hinzufügen: "Nicht
die Wahrheit, in deren Besitz ein Mensch ist oder zu seyn
vermeint, sondern die aufrichtige Mühe die er ange-
wandt hat hinter die Wahrheit zu kommen, macht den
Werth des Menschen."
Und das ist's wodurch wir zumeist Les-
sing's Andenken ehren, daß wir uns durchglühen lassen von seinem auf-
richtigen und rastlosen Streben nach Wahrheit. In einer Zeit wie der
unserigen sey dieß nicht bloß im Hinblick auf unsern speciellen Glauben ge-
sagt, sondern auf unser Glaubensleben im allgemeinen, wie es sich nach
allen Seiten hin im Kampfe mit der Unwahrheit bethätigen soll. Was
schließlich die heutige Aufführung betrifft, so reiht sich dieselbe würdig
dem vortrefflichsten an was unsere Bühne uns gegenwärtig in der Gat-
tung des Trauer- und Schauspieles so reichlich bietet. Wie Professor
Rietschel uns vor Monden die äußere Gestalt des großen Denkers in
herrlichem Modell zur Anschauung gebracht, so enthüllte Hr. Eduard
Devrient
als Nathan die Innenseite desselben in vorzüglich gelunge-
nem, durch reichen Applaus und Hervorruf gekröntem Spiele. Frau
Baier-Bürk errang als Recha gewohnte Lorbeeren, während Hr.
Porth als Derwisch noch besonders rühmend zu erwähnen ist. Auf
den ungewöhnlichen Aufschwung welchen unser Schau- und Trauerspiel
seit Bekämpfung des Maiaufstandes genommen, näher einzugehen und
dessen Gründe nachzuweisen, bleibt vielleicht einem folgenden Berichte
aufbehalten. Segen über ein Kunstinstitut das so treffliche Früchte
reift und Blüthen zu immer neuen entwickelt! -- Was die Oper anlangt,
so spannt der am 30 d. M. in Scene gehende "Prophet" gegenwärtig
aller Erwartungen. Meyerbeer, der seit einiger Zeit unter uns weilt,
wohnt sämmtlichen Proben bei, die mit regstem Eifer von allen Mitwir-
kenden betrieben werden, so daß zur Zeit kaum irgendwo in Deutschland
eine so glänzende Darstellung des genannten Tonwerkes wie auf unserer
Hofbühne erwartet werden dürfte. Die scenische Ausstattung ist über-
aus reich, und ein Theil der Decorationen und Costüme in Paris
gefertigt.

Tageslöwe war gestern der "Prophet," und
während dieser ersten Vorstellung sein Maestro. Giacomo Meyerbeer
verweilt bereits seit einigen Wochen hier, und Studium, Scenirung
und Erfolg seiner Oper unter den Augen zu haben. Von hier wird er
nach Wien und von dort nach Berlin gehen, und so die Runde durch
Deutschland im Propheten "machen". Bei uns ist die äußere Ausstat-
tung der Oper mit Glanz und Geschmack erfolgt, da eigens deßhalb der
Generalintendant der Hofbühne nach Paris gereist war. Wintersonnen-
aufgang, Schlittschuhlauferballet, Dom und Prunksaal, die tiefgrei-
senden Effecte des vierten Actes verfehlten ihre Wirkung nicht, und
mit wahrhaft wiedertäuferischem Enthusiasmus ward dem Tondichter
rauschender Beifall gezollt; nur klang dabei das linke Ohr von H. Heine's
Antistrophen. Die ersten Acte in denen die drei anabaptistischen Demo-
soc's wiegeln und wühlen, wollten nicht ganz zeitgemäß erscheinen;
doch schützt uns ja noch der Belagerungszustand.

Preußen.

Nach dem Preuß. Staatsa.
ist Graf v. Galen zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten
Minister nicht bloß für Sachsen, sondern auch bei den thüringischen
Staaten ernannt.

Die erste Kammer ist in der gestrigen Abend-
sitzung, die von 7 bis 11/2 Uhr dauerte, nach einander allen Beschlüssen
der zweiten beigetreten. Erwähnenswerthe Erörterungen riefen nur die
Art. XIII (Prüfung der Verordnungen nach ihrer Rechtsgültigkeit),
Art. XIV (Vereidigung auf die Verfassung), Art. VIII (Pairie) und
Art. VII (Fideicommisse) hervor. Gegen Art. XIII erklärt sich nament-
lich Hansemann, weil das Recht des Volkes dadurch gekränkt, die consti-
tutionelle Freiheit bedroht werde. Die Gerichte würden sich an die Ver-
ordnungen der Regierungen halten müssen und die Kammern hätten kein
Mittel dagegen. Der Justizminister sieht in der Prüfung durch die Kam-
mern eben die beste Garantie, und macht darauf ausmerksam daß gegen Ver-
fassungsverletzungen der Weg in der Verfassung selbst vorgezeichnet sey.
Die Kammer genehmigt den Artikel mit 76 gegen 44 Stimmen. Bei Ge-
legenheit des Art. XIV erklärt Hr. v. Gerlach, er verstehe unter dem Eid
auf die Verfassung nur einen Eid auf das ganze im Staate bestehende
Recht. So werde auch er die Verfassung beschwören; und wer etwas da-
gegen habe, möge sich höhern Orts oder auf dieser Tribüne melden. (Lautes
Gelächter). Camphausen bemerkt hierauf unter großem Beifall: wenn Hr.
v. Gerlach seinem Eide nicht die wahre Bedeutung beilegen werde, so werde
er schon erfahren was ein Eid bedeute! Ebenso Graf Helldorf: ein Eid
auf die Verfassung müsse offen und ehrlich, ohne jesuitische reservatio
mentalis
geleistet werden. Stahl kommt seinem Parteigenossen zu Hülfe,
[Spaltenumbruch] indem er bemerkt, es sey in Art. 108 ausgesprochen daß ein Eid auf die
Verfassung einen Eid auf alles im Staate geltende Recht einschließe. Der
Abgeordnete (Domherr) Ritter erklärt, er müsse sich und seine Meinungs-
genossen gegen alles verwahren woraus gegen das Recht der katholischen
Kirche Consequenzen gezogen werden könnten! Der Cultusminister ent-
gegnet, er könne nicht zugeben daß der Redner im Namen der katholischen
Staatsangehörigen gleichsam Protest einlege. Ritter erklärt hierauf, er
habe nur seine politischen Meinungsgenossen im Sinne gehabt! Der
Art. XIV wird mit großer Majorität angenommen. Bei Art. VIII erklärt
sich Stahl im Namen seiner Parteigenossen gegen das aufschiebende Arnim-
sche Amendement. Eine Verfassung, die keinen Halt in sich habe, könne
auch durch keinen Eid gehalten werden. Ihn würde nur die dringendste
Nöthigung vermögen für den Beschluß der zweiten Kammer zu stimmen.
Freiherr v. Arnim weist einen Ausspruch Gerlachs zurück und erklärt sich
gegen die Pairie. Der Abgeordnete für Dramburg habe dem Märzministe-
rium den Vorwurf gemacht, Preußen erniedrigt zu haben. Hätte er den
Abgeordneten damals gesehen, so würde er ihm gezeigt haben daß seine
Amtsgenossen und er alles thaten was nur möglich war; er habe ihn
aber nicht gesehen. (Heiterkeit.) Dann fährt der Redner fort: "Wir haben
jetzt eine Verfassung; sie gleicht jedoch einem Rocke, den man nicht an-
ziehen darf ehe er nicht gewisse Verbrämungen erhält. Um einen Schatz
zu heben bedarf es edler Metalle, die in den stedenden Kessel geworfen
werden müssen. Wir haben schon viel Gold hineingeworfen, und jetzt sollen
wir auch noch unser letztes, lauterstes Gold hineinthun, um die Geister zu
bannen die um den Kessel lagern: unsre politische Ueberzeugung. Und
wird dann wirklich die Beschwörungsformel gefunden seyn, die den Teufels-
spuk endlich bannt? Das steht noch in Frage und ich wünschte darüber
eine Versicherung vom Ministertisch zu hören." Der Minister des Innern
antwortet: die Versicherung daß die Beschwörung der Verfassung erfolgen
werde, sey schon im Ausschuß gegeben; sie seyen gewohnt eine Sache nur
einmal zu versichern. Der Beschluß der zweiten Kammer wird mit 97 gegen
60 Stimmen angenommen. Sieben Abgeordnete enthalten sich der Ab-
stimmung. Bei Gelegenheit des Art. VII bemerkt der Minister des Innern:
es würde im Interesse der Wahrheit liegen den Artikel in die Verfassung
aufzunehmen, weil sonst der Verfassung mehr oder minder würde Gewalt
angethan werden müssen, um den großen Grundbesitz zusammenzuhalten!
Wenn man die Fideicommisse hinlänglich beschränke, so würde das Miß-
trauen dagegen schwinden. Die Kammer lehnt zuerst einen Antrag von
Jordan mit 97 gegen 64 und hierauf den Artikel selbst mit 94 gegen 65
Stimmen ab. Ebendieß geschah bei Art. V (Verantwortlichkeit der Mini-
ster), den Burmeister für einen Ausfluß des "selbständigen Königthums"
erklärte, und der Minister des Innern umsonst als unverfänglich zu ver-
theidigen suchte. -- Die Einigkeit der drei gesetzgebenden Gewalten ist also
jetzt hergestellt, und hoffentlich kann ich Ihnen bald die Beschwörung der
Verfassung melden. Dem Gerücht, wornach der König auch jetzt noch ent-
schlossen wäre den Schwur zu verschieben, will ich keinen Glauben bei-
messen.

Ihr Pariser t Artikel vom 16 Jan., welcher
der als Zeitungsente behandelten englisch-französisch-preußischen Tripel-
allianz eine factische Grundlage zu geben unternimmt, hat hier in compe-
tenten Kreisen ein unwilliges Befremden erregt. Nicht als ob man nicht
erkannte daß Animosität gegen Lord Palmerston die Hauptnahrungsquelle
für den nicht abreißenden Faden von Verdächtigungen ist, in deren Bereich
Preußen immer mit hineingezogen wird, sondern weil von Wien aus
am Petersburger Hofe
-- Sie werden vielleicht zweifeln und doch ist
es Thatsache -- ein wirklicher Erfolg mit dieser vorgeblichen
Tripelallianz erzielt worden
*), und die Sage davon, so unglaub-
lich es scheint, dort auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Ob Lord Nor-
manby im Nov. v. J. wirklich ein Project aufgestellt, nach welchem für
Alfred, zweiten Sohn des Prinzen Albert, ein vergrößertes Coburg-Gotha
gegründet, Preußens Territorium im Norden vergrößert und Frankreich
durch eine rectification de ses frontieres in Rheinbayern und Rheinhessen
unter Wabrung des preußischen Gebietes geködert werden solle, darüber
wage ich nichts zu entscheiden. Ich erlaube mir nur die bescheidene Bemer-
kung daß Lord Normanby bei dem Plane sicherlich vergessen hat einen Blick
auf die Karte zu werfen; denn ein einziger Blick hätte genügt, um ihm
eine rectisication des frontieres francaises in Rheinbayern und Rhein-
hessen, vor welchen das zu wahrende preußische Gebiet liegt, als wider-
sinnig erscheinen zu lassen. Aber wenn Lord Normanby ein solches Pro-
ject hatte, so ist hier doch nichts davon verlautbart, und Ihre dan-
kenswerthe Randbemerkung, daß es gewiß keinen deutschen Staatsmann
gebe welcher den Franzosen die Abtretung auch nur des kleinsten deutschen

*) Die ruffische Diplomatie, im allgemeinen nicht die welche am schlechtestne
unterrichtet ist, braucht sonst fremder Beihülfe nicht.

[Spaltenumbruch] ſo müſſen wir die Gleichſtellung der drei darunter verſtandenen Religio-
nen ſogar ein entſcheidendes Unrecht, eine Verkennung der Wahrheit
nennen, doch aber auch mit Leſſing’s eigenen Worten hinzufügen: „Nicht
die Wahrheit, in deren Beſitz ein Menſch iſt oder zu ſeyn
vermeint, ſondern die aufrichtige Mühe die er ange-
wandt hat hinter die Wahrheit zu kommen, macht den
Werth des Menſchen.“
Und das iſt’s wodurch wir zumeiſt Leſ-
ſing’s Andenken ehren, daß wir uns durchglühen laſſen von ſeinem auf-
richtigen und raſtloſen Streben nach Wahrheit. In einer Zeit wie der
unſerigen ſey dieß nicht bloß im Hinblick auf unſern ſpeciellen Glauben ge-
ſagt, ſondern auf unſer Glaubensleben im allgemeinen, wie es ſich nach
allen Seiten hin im Kampfe mit der Unwahrheit bethätigen ſoll. Was
ſchließlich die heutige Aufführung betrifft, ſo reiht ſich dieſelbe würdig
dem vortrefflichſten an was unſere Bühne uns gegenwärtig in der Gat-
tung des Trauer- und Schauſpieles ſo reichlich bietet. Wie Profeſſor
Rietſchel uns vor Monden die äußere Geſtalt des großen Denkers in
herrlichem Modell zur Anſchauung gebracht, ſo enthüllte Hr. Eduard
Devrient
als Nathan die Innenſeite desſelben in vorzüglich gelunge-
nem, durch reichen Applaus und Hervorruf gekröntem Spiele. Frau
Baier-Bürk errang als Recha gewohnte Lorbeeren, während Hr.
Porth als Derwiſch noch beſonders rühmend zu erwähnen iſt. Auf
den ungewöhnlichen Aufſchwung welchen unſer Schau- und Trauerſpiel
ſeit Bekämpfung des Maiaufſtandes genommen, näher einzugehen und
deſſen Gründe nachzuweiſen, bleibt vielleicht einem folgenden Berichte
aufbehalten. Segen über ein Kunſtinſtitut das ſo treffliche Früchte
reift und Blüthen zu immer neuen entwickelt! — Was die Oper anlangt,
ſo ſpannt der am 30 d. M. in Scene gehende „Prophet“ gegenwärtig
aller Erwartungen. Meyerbeer, der ſeit einiger Zeit unter uns weilt,
wohnt ſämmtlichen Proben bei, die mit regſtem Eifer von allen Mitwir-
kenden betrieben werden, ſo daß zur Zeit kaum irgendwo in Deutſchland
eine ſo glänzende Darſtellung des genannten Tonwerkes wie auf unſerer
Hofbühne erwartet werden dürfte. Die ſceniſche Ausſtattung iſt über-
aus reich, und ein Theil der Decorationen und Coſtüme in Paris
gefertigt.

Tageslöwe war geſtern der „Prophet,“ und
während dieſer erſten Vorſtellung ſein Maeſtro. Giacomo Meyerbeer
verweilt bereits ſeit einigen Wochen hier, und Studium, Scenirung
und Erfolg ſeiner Oper unter den Augen zu haben. Von hier wird er
nach Wien und von dort nach Berlin gehen, und ſo die Runde durch
Deutſchland im Propheten „machen“. Bei uns iſt die äußere Ausſtat-
tung der Oper mit Glanz und Geſchmack erfolgt, da eigens deßhalb der
Generalintendant der Hofbühne nach Paris gereist war. Winterſonnen-
aufgang, Schlittſchuhlauferballet, Dom und Prunkſaal, die tiefgrei-
ſenden Effecte des vierten Actes verfehlten ihre Wirkung nicht, und
mit wahrhaft wiedertäuferiſchem Enthuſiasmus ward dem Tondichter
rauſchender Beifall gezollt; nur klang dabei das linke Ohr von H. Heine’s
Antiſtrophen. Die erſten Acte in denen die drei anabaptiſtiſchen Demo-
ſoc’s wiegeln und wühlen, wollten nicht ganz zeitgemäß erſcheinen;
doch ſchützt uns ja noch der Belagerungszuſtand.

Preußen.

Nach dem Preuß. Staatsa.
iſt Graf v. Galen zum außerordentlichen Geſandten und bevollmächtigten
Miniſter nicht bloß für Sachſen, ſondern auch bei den thüringiſchen
Staaten ernannt.

Die erſte Kammer iſt in der geſtrigen Abend-
ſitzung, die von 7 bis 1½ Uhr dauerte, nach einander allen Beſchlüſſen
der zweiten beigetreten. Erwähnenswerthe Erörterungen riefen nur die
Art. XIII (Prüfung der Verordnungen nach ihrer Rechtsgültigkeit),
Art. XIV (Vereidigung auf die Verfaſſung), Art. VIII (Pairie) und
Art. VII (Fideicommiſſe) hervor. Gegen Art. XIII erklärt ſich nament-
lich Hanſemann, weil das Recht des Volkes dadurch gekränkt, die conſti-
tutionelle Freiheit bedroht werde. Die Gerichte würden ſich an die Ver-
ordnungen der Regierungen halten müſſen und die Kammern hätten kein
Mittel dagegen. Der Juſtizminiſter ſieht in der Prüfung durch die Kam-
mern eben die beſte Garantie, und macht darauf auſmerkſam daß gegen Ver-
faſſungsverletzungen der Weg in der Verfaſſung ſelbſt vorgezeichnet ſey.
Die Kammer genehmigt den Artikel mit 76 gegen 44 Stimmen. Bei Ge-
legenheit des Art. XIV erklärt Hr. v. Gerlach, er verſtehe unter dem Eid
auf die Verfaſſung nur einen Eid auf das ganze im Staate beſtehende
Recht. So werde auch er die Verfaſſung beſchwören; und wer etwas da-
gegen habe, möge ſich höhern Orts oder auf dieſer Tribüne melden. (Lautes
Gelächter). Camphauſen bemerkt hierauf unter großem Beifall: wenn Hr.
v. Gerlach ſeinem Eide nicht die wahre Bedeutung beilegen werde, ſo werde
er ſchon erfahren was ein Eid bedeute! Ebenſo Graf Helldorf: ein Eid
auf die Verfaſſung müſſe offen und ehrlich, ohne jeſuitiſche reservatio
mentalis
geleiſtet werden. Stahl kommt ſeinem Parteigenoſſen zu Hülfe,
[Spaltenumbruch] indem er bemerkt, es ſey in Art. 108 ausgeſprochen daß ein Eid auf die
Verfaſſung einen Eid auf alles im Staate geltende Recht einſchließe. Der
Abgeordnete (Domherr) Ritter erklärt, er müſſe ſich und ſeine Meinungs-
genoſſen gegen alles verwahren woraus gegen das Recht der katholiſchen
Kirche Conſequenzen gezogen werden könnten! Der Cultusminiſter ent-
gegnet, er könne nicht zugeben daß der Redner im Namen der katholiſchen
Staatsangehörigen gleichſam Proteſt einlege. Ritter erklärt hierauf, er
habe nur ſeine politiſchen Meinungsgenoſſen im Sinne gehabt! Der
Art. XIV wird mit großer Majorität angenommen. Bei Art. VIII erklärt
ſich Stahl im Namen ſeiner Parteigenoſſen gegen das aufſchiebende Arnim-
ſche Amendement. Eine Verfaſſung, die keinen Halt in ſich habe, könne
auch durch keinen Eid gehalten werden. Ihn würde nur die dringendſte
Nöthigung vermögen für den Beſchluß der zweiten Kammer zu ſtimmen.
Freiherr v. Arnim weist einen Ausſpruch Gerlachs zurück und erklärt ſich
gegen die Pairie. Der Abgeordnete für Dramburg habe dem Märzminiſte-
rium den Vorwurf gemacht, Preußen erniedrigt zu haben. Hätte er den
Abgeordneten damals geſehen, ſo würde er ihm gezeigt haben daß ſeine
Amtsgenoſſen und er alles thaten was nur möglich war; er habe ihn
aber nicht geſehen. (Heiterkeit.) Dann fährt der Redner fort: „Wir haben
jetzt eine Verfaſſung; ſie gleicht jedoch einem Rocke, den man nicht an-
ziehen darf ehe er nicht gewiſſe Verbrämungen erhält. Um einen Schatz
zu heben bedarf es edler Metalle, die in den ſtedenden Keſſel geworfen
werden müſſen. Wir haben ſchon viel Gold hineingeworfen, und jetzt ſollen
wir auch noch unſer letztes, lauterſtes Gold hineinthun, um die Geiſter zu
bannen die um den Keſſel lagern: unſre politiſche Ueberzeugung. Und
wird dann wirklich die Beſchwörungsformel gefunden ſeyn, die den Teufels-
ſpuk endlich bannt? Das ſteht noch in Frage und ich wünſchte darüber
eine Verſicherung vom Miniſtertiſch zu hören.“ Der Miniſter des Innern
antwortet: die Verſicherung daß die Beſchwörung der Verfaſſung erfolgen
werde, ſey ſchon im Ausſchuß gegeben; ſie ſeyen gewohnt eine Sache nur
einmal zu verſichern. Der Beſchluß der zweiten Kammer wird mit 97 gegen
60 Stimmen angenommen. Sieben Abgeordnete enthalten ſich der Ab-
ſtimmung. Bei Gelegenheit des Art. VII bemerkt der Miniſter des Innern:
es würde im Intereſſe der Wahrheit liegen den Artikel in die Verfaſſung
aufzunehmen, weil ſonſt der Verfaſſung mehr oder minder würde Gewalt
angethan werden müſſen, um den großen Grundbeſitz zuſammenzuhalten!
Wenn man die Fideicommiſſe hinlänglich beſchränke, ſo würde das Miß-
trauen dagegen ſchwinden. Die Kammer lehnt zuerſt einen Antrag von
Jordan mit 97 gegen 64 und hierauf den Artikel ſelbſt mit 94 gegen 65
Stimmen ab. Ebendieß geſchah bei Art. V (Verantwortlichkeit der Mini-
ſter), den Burmeiſter für einen Ausfluß des „ſelbſtändigen Königthums“
erklärte, und der Miniſter des Innern umſonſt als unverfänglich zu ver-
theidigen ſuchte. — Die Einigkeit der drei geſetzgebenden Gewalten iſt alſo
jetzt hergeſtellt, und hoffentlich kann ich Ihnen bald die Beſchwörung der
Verfaſſung melden. Dem Gerücht, wornach der König auch jetzt noch ent-
ſchloſſen wäre den Schwur zu verſchieben, will ich keinen Glauben bei-
meſſen.

Ihr Pariſer t Artikel vom 16 Jan., welcher
der als Zeitungsente behandelten engliſch-franzöſiſch-preußiſchen Tripel-
allianz eine factiſche Grundlage zu geben unternimmt, hat hier in compe-
tenten Kreiſen ein unwilliges Befremden erregt. Nicht als ob man nicht
erkannte daß Animoſität gegen Lord Palmerſton die Hauptnahrungsquelle
für den nicht abreißenden Faden von Verdächtigungen iſt, in deren Bereich
Preußen immer mit hineingezogen wird, ſondern weil von Wien aus
am Petersburger Hofe
— Sie werden vielleicht zweifeln und doch iſt
es Thatſache — ein wirklicher Erfolg mit dieſer vorgeblichen
Tripelallianz erzielt worden
*), und die Sage davon, ſo unglaub-
lich es ſcheint, dort auf fruchtbaren Boden gefallen iſt. Ob Lord Nor-
manby im Nov. v. J. wirklich ein Project aufgeſtellt, nach welchem für
Alfred, zweiten Sohn des Prinzen Albert, ein vergrößertes Coburg-Gotha
gegründet, Preußens Territorium im Norden vergrößert und Frankreich
durch eine rectification de ses frontières in Rheinbayern und Rheinheſſen
unter Wabrung des preußiſchen Gebietes geködert werden ſolle, darüber
wage ich nichts zu entſcheiden. Ich erlaube mir nur die beſcheidene Bemer-
kung daß Lord Normanby bei dem Plane ſicherlich vergeſſen hat einen Blick
auf die Karte zu werfen; denn ein einziger Blick hätte genügt, um ihm
eine rectiſication des frontières françaises in Rheinbayern und Rhein-
heſſen, vor welchen das zu wahrende preußiſche Gebiet liegt, als wider-
ſinnig erſcheinen zu laſſen. Aber wenn Lord Normanby ein ſolches Pro-
ject hatte, ſo iſt hier doch nichts davon verlautbart, und Ihre dan-
kenswerthe Randbemerkung, daß es gewiß keinen deutſchen Staatsmann
gebe welcher den Franzoſen die Abtretung auch nur des kleinſten deutſchen

*) Die ruffiſche Diplomatie, im allgemeinen nicht die welche am ſchlechteſtne
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[531/0003] ſo müſſen wir die Gleichſtellung der drei darunter verſtandenen Religio- nen ſogar ein entſcheidendes Unrecht, eine Verkennung der Wahrheit nennen, doch aber auch mit Leſſing’s eigenen Worten hinzufügen: „Nicht die Wahrheit, in deren Beſitz ein Menſch iſt oder zu ſeyn vermeint, ſondern die aufrichtige Mühe die er ange- wandt hat hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Werth des Menſchen.“ Und das iſt’s wodurch wir zumeiſt Leſ- ſing’s Andenken ehren, daß wir uns durchglühen laſſen von ſeinem auf- richtigen und raſtloſen Streben nach Wahrheit. In einer Zeit wie der unſerigen ſey dieß nicht bloß im Hinblick auf unſern ſpeciellen Glauben ge- ſagt, ſondern auf unſer Glaubensleben im allgemeinen, wie es ſich nach allen Seiten hin im Kampfe mit der Unwahrheit bethätigen ſoll. Was ſchließlich die heutige Aufführung betrifft, ſo reiht ſich dieſelbe würdig dem vortrefflichſten an was unſere Bühne uns gegenwärtig in der Gat- tung des Trauer- und Schauſpieles ſo reichlich bietet. Wie Profeſſor Rietſchel uns vor Monden die äußere Geſtalt des großen Denkers in herrlichem Modell zur Anſchauung gebracht, ſo enthüllte Hr. Eduard Devrient als Nathan die Innenſeite desſelben in vorzüglich gelunge- nem, durch reichen Applaus und Hervorruf gekröntem Spiele. Frau Baier-Bürk errang als Recha gewohnte Lorbeeren, während Hr. Porth als Derwiſch noch beſonders rühmend zu erwähnen iſt. Auf den ungewöhnlichen Aufſchwung welchen unſer Schau- und Trauerſpiel ſeit Bekämpfung des Maiaufſtandes genommen, näher einzugehen und deſſen Gründe nachzuweiſen, bleibt vielleicht einem folgenden Berichte aufbehalten. Segen über ein Kunſtinſtitut das ſo treffliche Früchte reift und Blüthen zu immer neuen entwickelt! — Was die Oper anlangt, ſo ſpannt der am 30 d. M. in Scene gehende „Prophet“ gegenwärtig aller Erwartungen. Meyerbeer, der ſeit einiger Zeit unter uns weilt, wohnt ſämmtlichen Proben bei, die mit regſtem Eifer von allen Mitwir- kenden betrieben werden, ſo daß zur Zeit kaum irgendwo in Deutſchland eine ſo glänzende Darſtellung des genannten Tonwerkes wie auf unſerer Hofbühne erwartet werden dürfte. Die ſceniſche Ausſtattung iſt über- aus reich, und ein Theil der Decorationen und Coſtüme in Paris gefertigt. * Dresden, 31 Jan. Tageslöwe war geſtern der „Prophet,“ und während dieſer erſten Vorſtellung ſein Maeſtro. Giacomo Meyerbeer verweilt bereits ſeit einigen Wochen hier, und Studium, Scenirung und Erfolg ſeiner Oper unter den Augen zu haben. Von hier wird er nach Wien und von dort nach Berlin gehen, und ſo die Runde durch Deutſchland im Propheten „machen“. Bei uns iſt die äußere Ausſtat- tung der Oper mit Glanz und Geſchmack erfolgt, da eigens deßhalb der Generalintendant der Hofbühne nach Paris gereist war. Winterſonnen- aufgang, Schlittſchuhlauferballet, Dom und Prunkſaal, die tiefgrei- ſenden Effecte des vierten Actes verfehlten ihre Wirkung nicht, und mit wahrhaft wiedertäuferiſchem Enthuſiasmus ward dem Tondichter rauſchender Beifall gezollt; nur klang dabei das linke Ohr von H. Heine’s Antiſtrophen. Die erſten Acte in denen die drei anabaptiſtiſchen Demo- ſoc’s wiegeln und wühlen, wollten nicht ganz zeitgemäß erſcheinen; doch ſchützt uns ja noch der Belagerungszuſtand. Preußen.Berlin, 30 Jan. Nach dem Preuß. Staatsa. iſt Graf v. Galen zum außerordentlichen Geſandten und bevollmächtigten Miniſter nicht bloß für Sachſen, ſondern auch bei den thüringiſchen Staaten ernannt. ☿ Berlin, 30 Jan. Die erſte Kammer iſt in der geſtrigen Abend- ſitzung, die von 7 bis 1½ Uhr dauerte, nach einander allen Beſchlüſſen der zweiten beigetreten. Erwähnenswerthe Erörterungen riefen nur die Art. XIII (Prüfung der Verordnungen nach ihrer Rechtsgültigkeit), Art. XIV (Vereidigung auf die Verfaſſung), Art. VIII (Pairie) und Art. VII (Fideicommiſſe) hervor. Gegen Art. XIII erklärt ſich nament- lich Hanſemann, weil das Recht des Volkes dadurch gekränkt, die conſti- tutionelle Freiheit bedroht werde. Die Gerichte würden ſich an die Ver- ordnungen der Regierungen halten müſſen und die Kammern hätten kein Mittel dagegen. Der Juſtizminiſter ſieht in der Prüfung durch die Kam- mern eben die beſte Garantie, und macht darauf auſmerkſam daß gegen Ver- faſſungsverletzungen der Weg in der Verfaſſung ſelbſt vorgezeichnet ſey. Die Kammer genehmigt den Artikel mit 76 gegen 44 Stimmen. Bei Ge- legenheit des Art. XIV erklärt Hr. v. Gerlach, er verſtehe unter dem Eid auf die Verfaſſung nur einen Eid auf das ganze im Staate beſtehende Recht. So werde auch er die Verfaſſung beſchwören; und wer etwas da- gegen habe, möge ſich höhern Orts oder auf dieſer Tribüne melden. (Lautes Gelächter). Camphauſen bemerkt hierauf unter großem Beifall: wenn Hr. v. Gerlach ſeinem Eide nicht die wahre Bedeutung beilegen werde, ſo werde er ſchon erfahren was ein Eid bedeute! Ebenſo Graf Helldorf: ein Eid auf die Verfaſſung müſſe offen und ehrlich, ohne jeſuitiſche reservatio mentalis geleiſtet werden. Stahl kommt ſeinem Parteigenoſſen zu Hülfe, indem er bemerkt, es ſey in Art. 108 ausgeſprochen daß ein Eid auf die Verfaſſung einen Eid auf alles im Staate geltende Recht einſchließe. Der Abgeordnete (Domherr) Ritter erklärt, er müſſe ſich und ſeine Meinungs- genoſſen gegen alles verwahren woraus gegen das Recht der katholiſchen Kirche Conſequenzen gezogen werden könnten! Der Cultusminiſter ent- gegnet, er könne nicht zugeben daß der Redner im Namen der katholiſchen Staatsangehörigen gleichſam Proteſt einlege. Ritter erklärt hierauf, er habe nur ſeine politiſchen Meinungsgenoſſen im Sinne gehabt! Der Art. XIV wird mit großer Majorität angenommen. Bei Art. 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Wir haben ſchon viel Gold hineingeworfen, und jetzt ſollen wir auch noch unſer letztes, lauterſtes Gold hineinthun, um die Geiſter zu bannen die um den Keſſel lagern: unſre politiſche Ueberzeugung. Und wird dann wirklich die Beſchwörungsformel gefunden ſeyn, die den Teufels- ſpuk endlich bannt? Das ſteht noch in Frage und ich wünſchte darüber eine Verſicherung vom Miniſtertiſch zu hören.“ Der Miniſter des Innern antwortet: die Verſicherung daß die Beſchwörung der Verfaſſung erfolgen werde, ſey ſchon im Ausſchuß gegeben; ſie ſeyen gewohnt eine Sache nur einmal zu verſichern. Der Beſchluß der zweiten Kammer wird mit 97 gegen 60 Stimmen angenommen. Sieben Abgeordnete enthalten ſich der Ab- ſtimmung. Bei Gelegenheit des Art. VII bemerkt der Miniſter des Innern: es würde im Intereſſe der Wahrheit liegen den Artikel in die Verfaſſung aufzunehmen, weil ſonſt der Verfaſſung mehr oder minder würde Gewalt angethan werden müſſen, um den großen Grundbeſitz zuſammenzuhalten! Wenn man die Fideicommiſſe hinlänglich beſchränke, ſo würde das Miß- trauen dagegen ſchwinden. Die Kammer lehnt zuerſt einen Antrag von Jordan mit 97 gegen 64 und hierauf den Artikel ſelbſt mit 94 gegen 65 Stimmen ab. Ebendieß geſchah bei Art. V (Verantwortlichkeit der Mini- ſter), den Burmeiſter für einen Ausfluß des „ſelbſtändigen Königthums“ erklärte, und der Miniſter des Innern umſonſt als unverfänglich zu ver- theidigen ſuchte. — Die Einigkeit der drei geſetzgebenden Gewalten iſt alſo jetzt hergeſtellt, und hoffentlich kann ich Ihnen bald die Beſchwörung der Verfaſſung melden. Dem Gerücht, wornach der König auch jetzt noch ent- ſchloſſen wäre den Schwur zu verſchieben, will ich keinen Glauben bei- meſſen. ⠇ Berlin, 30 Jan. Ihr Pariſer t Artikel vom 16 Jan., welcher der als Zeitungsente behandelten engliſch-franzöſiſch-preußiſchen Tripel- allianz eine factiſche Grundlage zu geben unternimmt, hat hier in compe- tenten Kreiſen ein unwilliges Befremden erregt. Nicht als ob man nicht erkannte daß Animoſität gegen Lord Palmerſton die Hauptnahrungsquelle für den nicht abreißenden Faden von Verdächtigungen iſt, in deren Bereich Preußen immer mit hineingezogen wird, ſondern weil von Wien aus am Petersburger Hofe — Sie werden vielleicht zweifeln und doch iſt es Thatſache — ein wirklicher Erfolg mit dieſer vorgeblichen Tripelallianz erzielt worden *), und die Sage davon, ſo unglaub- lich es ſcheint, dort auf fruchtbaren Boden gefallen iſt. Ob Lord Nor- manby im Nov. v. J. wirklich ein Project aufgeſtellt, nach welchem für Alfred, zweiten Sohn des Prinzen Albert, ein vergrößertes Coburg-Gotha gegründet, Preußens Territorium im Norden vergrößert und Frankreich durch eine rectification de ses frontières in Rheinbayern und Rheinheſſen unter Wabrung des preußiſchen Gebietes geködert werden ſolle, darüber wage ich nichts zu entſcheiden. Ich erlaube mir nur die beſcheidene Bemer- kung daß Lord Normanby bei dem Plane ſicherlich vergeſſen hat einen Blick auf die Karte zu werfen; denn ein einziger Blick hätte genügt, um ihm eine rectiſication des frontières françaises in Rheinbayern und Rhein- heſſen, vor welchen das zu wahrende preußiſche Gebiet liegt, als wider- ſinnig erſcheinen zu laſſen. Aber wenn Lord Normanby ein ſolches Pro- ject hatte, ſo iſt hier doch nichts davon verlautbart, und Ihre dan- kenswerthe Randbemerkung, daß es gewiß keinen deutſchen Staatsmann gebe welcher den Franzoſen die Abtretung auch nur des kleinſten deutſchen *) Die ruffiſche Diplomatie, im allgemeinen nicht die welche am ſchlechteſtne unterrichtet iſt, braucht ſonſt fremder Beihülfe nicht.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 3. Februar 1850, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine34_1850/3>, abgerufen am 26.06.2024.