Allgemeine Zeitung, Nr. 33, 15. August 1914.15. August 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
2. Deutschland verpflichtet sich unter obiger Voraussetzung,das Gebiet des Königreichs wieder zu räumen, sobald der Friede geschlossen ist. 3. Bei einer freundschaftlichen Haltung Belgiens ist Deutschland bereit, im Einvernehmen mit den belgischen Be- hörden alle Bedürfnisse seiner Truppen gegen Barzahlung anzukaufen und jeden Schaden zu ersetzen, der etwa durch die deutschen Truppen verursacht werden könnte. Sollte Belgien den deutschen Truppen feindlich entgegen- treten, insbesondere ihrem Vorgehen durch einen Widerstand der Maasbefestigungen oder durch Zerstören von Eisenbahnen, Straßen, Tunnels oder sonstigen Kunstbauten Schwierigkeiten bereiten, so wird Deutschland zu seinem Bedauern gezwungen sein, das Königreich als Feind zu betrachten. In diesem Fall würde Deutschland dem Königreich gegen- über keine Verpflichtungen übernehmen können, sondern müßte die spätere Regelung der Verhältnisse beider Staaten zueinander der Entscheidung der Waffen überlassen. Die kaiserliche Regierung gibt sich der bestimmten Hoff- nung hin, daß diese Eventualität nicht eintreten und die belgi- sche Regierung die geeigneten Maßnahmen zu treffen wissen wird, um zu verhindern, daß Vorkommnisse, wie die vor- stehend erwähnten, sich ereignen. In diesem Falle würden die freundschaftlichen Bande, die beide Nachbarstaaten ver- binden, eine weitere dauernde Festigung erfahren. Euer Hochwohlgeboren wollen heute abend um 8 Uhr der Wie sehr Deutschland bestrebt gewesen ist Belgien zu schonen, Der Oberbefehlshaber der deutschen Truppen, die in Bel- Inzwischen ist Lüttich unser geworden. Ein kühner Hand- Eine Depesche des Generalquartiermeisters besagt u. a.: Nach französischen Nachrichten sollen 20,000 Deutsche vor Lüt- 15. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
2. Deutſchland verpflichtet ſich unter obiger Vorausſetzung,das Gebiet des Königreichs wieder zu räumen, ſobald der Friede geſchloſſen iſt. 3. Bei einer freundſchaftlichen Haltung Belgiens iſt Deutſchland bereit, im Einvernehmen mit den belgiſchen Be- hörden alle Bedürfniſſe ſeiner Truppen gegen Barzahlung anzukaufen und jeden Schaden zu erſetzen, der etwa durch die deutſchen Truppen verurſacht werden könnte. Sollte Belgien den deutſchen Truppen feindlich entgegen- treten, insbeſondere ihrem Vorgehen durch einen Widerſtand der Maasbefeſtigungen oder durch Zerſtören von Eiſenbahnen, Straßen, Tunnels oder ſonſtigen Kunſtbauten Schwierigkeiten bereiten, ſo wird Deutſchland zu ſeinem Bedauern gezwungen ſein, das Königreich als Feind zu betrachten. In dieſem Fall würde Deutſchland dem Königreich gegen- über keine Verpflichtungen übernehmen können, ſondern müßte die ſpätere Regelung der Verhältniſſe beider Staaten zueinander der Entſcheidung der Waffen überlaſſen. Die kaiſerliche Regierung gibt ſich der beſtimmten Hoff- nung hin, daß dieſe Eventualität nicht eintreten und die belgi- ſche Regierung die geeigneten Maßnahmen zu treffen wiſſen wird, um zu verhindern, daß Vorkommniſſe, wie die vor- ſtehend erwähnten, ſich ereignen. In dieſem Falle würden die freundſchaftlichen Bande, die beide Nachbarſtaaten ver- binden, eine weitere dauernde Feſtigung erfahren. Euer Hochwohlgeboren wollen heute abend um 8 Uhr der Wie ſehr Deutſchland beſtrebt geweſen iſt Belgien zu ſchonen, Der Oberbefehlshaber der deutſchen Truppen, die in Bel- Inzwiſchen iſt Lüttich unſer geworden. Ein kühner Hand- Eine Depeſche des Generalquartiermeiſters beſagt u. a.: Nach franzöſiſchen Nachrichten ſollen 20,000 Deutſche vor Lüt- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <floatingText> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0003" n="509"/><fw place="top" type="header">15. 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Sie handeln unter dem Zwang einer unabweisbaren<lb/> Notwendigkeit, da die belgiſche Neutralität durch franzöſiſche<lb/> Offiziere verletzt worden iſt, die verkleidet das belgiſche Gebiet<lb/> in Automobilen betreten haben, um nach Deutſchland zu ge-<lb/> langen.<lb/> Belgier! Es iſt mein höchſter Wunſch, daß es noch mög-<lb/> lich ſei, einen Kampf zwiſchen zwei Völkern zu vermeiden, die<lb/> bis jetzt gute Freunde, früher ſogar Bundesgenoſſen waren.<lb/> Erinnert Euch des glorreichen Tages von Belle Alliance, wo<lb/> die deutſchen Waffen dazu beitrugen, die Unabhängigkeit und<lb/> das Aufblühen Eueres Vaterlandes zu begründen. Aber wir<lb/> müſſen jetzt freien Weg haben. Die Zerſtörung von Brücken,<lb/> Tunnels, Eiſenbahnſchienen muß als eine feindliche Hand-<lb/> lung angeſehen werden.<lb/> Belgier! Ihr habt zu wählen! Die deutſche Armee beab-<lb/> ſichtigt nicht, gegen Euch zu kämpfen. Freier Weg gegen den<lb/> Feind, der uns angreifen wollte! Das iſt alles, was wir ver-<lb/> langen.<lb/> Ich gebe dem belgiſchen Volke die amtliche Bürgſchaft<lb/> dafür, daß es nicht unter dem Schrecken des Krieges zu leiden<lb/> haben wird, daß wir in barem Gelde die Lebensmittel be-<lb/> zahlen werden, die wir dem Lande entnehmen müſſen, daß<lb/> unſere Soldaten ſich als beſte Freunde eines Volkes zeigen<lb/> werden, für das wir die größte Hochachtung, die lebhafteſte<lb/> Zuneigung empfinden. Es hängt von Eurer Klugheit, von<lb/> Eurem wohlverſtandenen Patriotismus ab, Eurem Lande die<lb/> Schrecken des Krieges zu erſparen.“</p> </div> </body> </floatingText><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <p>Inzwiſchen iſt <hi rendition="#g">Lüttich</hi> unſer geworden. Ein kühner Hand-<lb/> ſtreich, der zuerſt nicht glückte, der aber ſofortige Verſtärkung fand,<lb/> hat die Aktion eingeleitet. Damit iſt den Franzoſen der Weg nach<lb/> Belgien verlegt. 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Aus dem Hinterhalt, aus Ortſchaften und Wäldern,<lb/> feuerten ſie auch auf Aerzte und Verwundete. Ganze Ortſchaften<lb/> mußten zerſtört werden, bis die tapferen Truppen durch den Fort-<lb/> gürtel gedrungen und im Beſitz der Stadt waren. Ein Teil der<lb/> Forts hielt ſich noch, aber ſie feuerten nicht mehr. Seine Majeſtät<lb/> wollte keinen Tropfen Blutes durch die Erſtürmung unnütz ver-<lb/> ſchwenden. (!) Man konnte das Herankommen der ſchweren Artille-<lb/> rie abwarten und die Forts zuſammenſchießen, ohne einen Mann<lb/> zu opfern. (!) Ueber alles dieſes durfte eine gewiſſenhafte Heeres-<lb/> verwaltung nicht ein Wort veröffentlichen, bis ſo ſtarke Kräfte auf<lb/> Lüttich nachgezogen waren, daß es uns kein Teufel wieder entreißen<lb/> konnte. In dieſer Lage befinden wir uns jetzt. Die Belgier haben<lb/> zur Behauptung der Feſtung mehr Truppen gehabt, als von uns<lb/> zum Sturm antraten. Jeder Kundige kann die Größe der Leiſtung<lb/> ermeſſen, die einzig daſteht.<lb/> Bei Lüttich iſt auch ein deutſches Luftſchiff zum erſtenmal in<lb/> Aktion getreten: der „<hi rendition="#aq">Z VI</hi>“: Nach einer Meldung der Kölniſchen<lb/> Volkszeitung iſt „<hi rendition="#aq">Z VI</hi>“ am Donnerstag früh 3 Uhr 30 Minuten<lb/> von einer Kreuzfahrt aus Belgien zurückgekehrt. Das Luftſchiff<lb/> hat ſich an dem bei Lüttich entſponnenen Kampf in hervorragender<lb/> Weiſe beteiligt und ſehr wirkſam eingegriffen. Aus einer Höhe von<lb/> 600 Metern wurde die erſte Bombe geworfen. Es war ein Ver-<lb/> ſager. Darauf ging das Luftſchiff bis auf 300 Meter herunter und<lb/> ſchleuderte weitere 12 Bomben, die ſämtlich ſofort explodierten. In-<lb/> folgedeſſen geriet die Stadt Lüttich an mehreren Stellen in Flam-<lb/> men. 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15. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
2. Deutſchland verpflichtet ſich unter obiger Vorausſetzung,
das Gebiet des Königreichs wieder zu räumen, ſobald der
Friede geſchloſſen iſt.
3. Bei einer freundſchaftlichen Haltung Belgiens iſt
Deutſchland bereit, im Einvernehmen mit den belgiſchen Be-
hörden alle Bedürfniſſe ſeiner Truppen gegen Barzahlung
anzukaufen und jeden Schaden zu erſetzen, der etwa durch die
deutſchen Truppen verurſacht werden könnte.
Sollte Belgien den deutſchen Truppen feindlich entgegen-
treten, insbeſondere ihrem Vorgehen durch einen Widerſtand
der Maasbefeſtigungen oder durch Zerſtören von Eiſenbahnen,
Straßen, Tunnels oder ſonſtigen Kunſtbauten Schwierigkeiten
bereiten, ſo wird Deutſchland zu ſeinem Bedauern gezwungen
ſein, das Königreich als Feind zu betrachten.
In dieſem Fall würde Deutſchland dem Königreich gegen-
über keine Verpflichtungen übernehmen können, ſondern
müßte die ſpätere Regelung der Verhältniſſe beider Staaten
zueinander der Entſcheidung der Waffen überlaſſen.
Die kaiſerliche Regierung gibt ſich der beſtimmten Hoff-
nung hin, daß dieſe Eventualität nicht eintreten und die belgi-
ſche Regierung die geeigneten Maßnahmen zu treffen wiſſen
wird, um zu verhindern, daß Vorkommniſſe, wie die vor-
ſtehend erwähnten, ſich ereignen. In dieſem Falle würden
die freundſchaftlichen Bande, die beide Nachbarſtaaten ver-
binden, eine weitere dauernde Feſtigung erfahren.
Euer Hochwohlgeboren wollen heute abend um 8 Uhr der
belgiſchen Regierung hiervon ſtreng vertraulich Mitteilung
machen und ſie um die Erteilung einer unzweideutigen Ant-
wort binnen zwölf Stunden, alſo bis morgen früh 8 Uhr er-
ſuchen. Von der Aufnahme, welche Ihre Eröffnungen dort
finden werden, und der definitiven Antwort der belgiſchen
Regierung wollen Euer Hochwohlgeboren mir umgehend tele-
graphiſche Meldung zugehen laſſen.
gez. Jagow.
Wie ſehr Deutſchland beſtrebt geweſen iſt Belgien zu ſchonen,
beweiſt nachſtehendes Dokument:
Der Oberbefehlshaber der deutſchen Truppen, die in Bel-
gien eingerückt ſind, hat eine Bekanntmachung erlaſſen, die in
der Ueberſetzung aus dem Franzöſiſchen lautet:
„Zu meinem großen Bedauern haben ſich die deutſchen
Truppen genötigt geſehen, die belgiſche Grenze zu überſchrei-
ten. Sie handeln unter dem Zwang einer unabweisbaren
Notwendigkeit, da die belgiſche Neutralität durch franzöſiſche
Offiziere verletzt worden iſt, die verkleidet das belgiſche Gebiet
in Automobilen betreten haben, um nach Deutſchland zu ge-
langen.
Belgier! Es iſt mein höchſter Wunſch, daß es noch mög-
lich ſei, einen Kampf zwiſchen zwei Völkern zu vermeiden, die
bis jetzt gute Freunde, früher ſogar Bundesgenoſſen waren.
Erinnert Euch des glorreichen Tages von Belle Alliance, wo
die deutſchen Waffen dazu beitrugen, die Unabhängigkeit und
das Aufblühen Eueres Vaterlandes zu begründen. Aber wir
müſſen jetzt freien Weg haben. Die Zerſtörung von Brücken,
Tunnels, Eiſenbahnſchienen muß als eine feindliche Hand-
lung angeſehen werden.
Belgier! Ihr habt zu wählen! Die deutſche Armee beab-
ſichtigt nicht, gegen Euch zu kämpfen. Freier Weg gegen den
Feind, der uns angreifen wollte! Das iſt alles, was wir ver-
langen.
Ich gebe dem belgiſchen Volke die amtliche Bürgſchaft
dafür, daß es nicht unter dem Schrecken des Krieges zu leiden
haben wird, daß wir in barem Gelde die Lebensmittel be-
zahlen werden, die wir dem Lande entnehmen müſſen, daß
unſere Soldaten ſich als beſte Freunde eines Volkes zeigen
werden, für das wir die größte Hochachtung, die lebhafteſte
Zuneigung empfinden. Es hängt von Eurer Klugheit, von
Eurem wohlverſtandenen Patriotismus ab, Eurem Lande die
Schrecken des Krieges zu erſparen.“
Inzwiſchen iſt Lüttich unſer geworden. Ein kühner Hand-
ſtreich, der zuerſt nicht glückte, der aber ſofortige Verſtärkung fand,
hat die Aktion eingeleitet. Damit iſt den Franzoſen der Weg nach
Belgien verlegt. Das Wolffſche Telegraphenbureau, als die einzige
offizielle Vermittlerſtelle aller Kriegsnachrichten, meldet über dieſes
größte und erfreulichſte Kriegsereignis bis jetzt unterm 10. ds.:
Eine Depeſche des Generalquartiermeiſters beſagt u. a.:
Nach franzöſiſchen Nachrichten ſollen 20,000 Deutſche vor Lüt-
tich gefallen und der Platz überhaupt noch nicht in unſerem Beſitz
ſein. Durch die theatraliſche Verleihung des Kreuzes der Ehrea-
legion an Lüttich ſollte dies bekräftigt werden. Wir müſſen mit
Nachrichten zurückhalten, ſolange wir unſere Pläne verraten kön-
nen. Jetzt können wir ohne Nachteil berichten: Wir hatten bei
Lüttich überhaupt nur ſchwache Kräfte. Die Schwierigkeiten lagen
in dem überaus ungünſtigen Berg- und Waldgelände und der
heimtückiſchen Teilnahme der Bevölkerung, ſelbſt der Frauen, am
Kampfe. Aus dem Hinterhalt, aus Ortſchaften und Wäldern,
feuerten ſie auch auf Aerzte und Verwundete. Ganze Ortſchaften
mußten zerſtört werden, bis die tapferen Truppen durch den Fort-
gürtel gedrungen und im Beſitz der Stadt waren. Ein Teil der
Forts hielt ſich noch, aber ſie feuerten nicht mehr. Seine Majeſtät
wollte keinen Tropfen Blutes durch die Erſtürmung unnütz ver-
ſchwenden. (!) Man konnte das Herankommen der ſchweren Artille-
rie abwarten und die Forts zuſammenſchießen, ohne einen Mann
zu opfern. (!) Ueber alles dieſes durfte eine gewiſſenhafte Heeres-
verwaltung nicht ein Wort veröffentlichen, bis ſo ſtarke Kräfte auf
Lüttich nachgezogen waren, daß es uns kein Teufel wieder entreißen
konnte. In dieſer Lage befinden wir uns jetzt. Die Belgier haben
zur Behauptung der Feſtung mehr Truppen gehabt, als von uns
zum Sturm antraten. Jeder Kundige kann die Größe der Leiſtung
ermeſſen, die einzig daſteht.
Bei Lüttich iſt auch ein deutſches Luftſchiff zum erſtenmal in
Aktion getreten: der „Z VI“: Nach einer Meldung der Kölniſchen
Volkszeitung iſt „Z VI“ am Donnerstag früh 3 Uhr 30 Minuten
von einer Kreuzfahrt aus Belgien zurückgekehrt. Das Luftſchiff
hat ſich an dem bei Lüttich entſponnenen Kampf in hervorragender
Weiſe beteiligt und ſehr wirkſam eingegriffen. Aus einer Höhe von
600 Metern wurde die erſte Bombe geworfen. Es war ein Ver-
ſager. Darauf ging das Luftſchiff bis auf 300 Meter herunter und
ſchleuderte weitere 12 Bomben, die ſämtlich ſofort explodierten. In-
folgedeſſen geriet die Stadt Lüttich an mehreren Stellen in Flam-
men. Die ſämtlichen Bomben hat ein Unteroffizier der Beſatzung
aus der hinteren Gondel geworfen.
Leider treibt ein faſt unerklärlicher Deutſchenhaß traurige
Blüten ſelbſt in Belgien: Der Brüſſeler Vertreter von Wolffs Tele-
graph.-Bureau telegraphiert aus Goch folgendes: Ueber Belgien
wurde geſtern der Belagerungszuſtand verhängt. Alle Deutſchen
wurden in der letzten Nacht aufgefordert, das Land baldigſt zu ver-
laſſen. Was ſich in den letzten Tagen in Brüſſel ereignete, über-
trifft alles, was ſich nur die glühendſte Phantaſie ausmalen kann.
Seit der Kriegserklärung am Dienstag demolierte der Pöbel alle
Geſchäfte, die Deutſchen gehören oder deutſche Produkte anboten,
jedes Schild mit deutſcher Aufſchrift wurde zerſtört und jeder, der
ein deutſches Ausſehen hatte, tätlich auf der Straße angegriffen
oder der Spionage verdächtigt. Die unwahrſcheinlichſten Dinge
wurden kolportiert und von der Preſſe verbreitet, u. a., daß von
deutſchen Soldaten der Verſuch gemacht worden ſei, den Komman-
danten der Feſtung Lüttich, General Leman, der ſich wacker ge-
ſchlagen, zu ermorden. Auch verbreiteten einzelne Blätter die
Nachricht, unſere Soldaten ſeien mangelhaft verpflegt und ergingen
ſich in den heftigſten Angriffen auf Kaiſer Wilhelm. Kurz, der
Deutſchenhaß wird in fanatiſcher Weiſe gepredigt. Faſt jede Nacht
verlaſſen Tauſende von Deutſchen unter dem Schutze des ameri-
kaniſchen Generalkonſuls ſeit Donnerstag Belgien über Holland, in
ritterlicher Weiſe von Offizieren und der Bürgergarde beſchützt, die
ſeit Freitag abend beginnt, in Gemeinſchaft mit den Stadtbehörden
dem Spionagefieber entgegen zu arbeiten.
Belgiens Verhalten im gegenwärtigen Kriege hat eine gewiſſe
Aehnlichkeit mit jener im Jahre 1870. In der Nummer vom 12.
Oktober 1870 der Allgemeinen Zeitung finden wir eine
vom 9. Oktober aus Berlin datierte Korreſpondenz, die ſich auf
einen längeren Bericht des Berliner Staatsanzeigers über die Lage
der Dinge um und in Metz ſtützt und dann nachſtehende Betrachtung
enthält, die ſo ganz auch auf die gegenwärtige Lage paßt: „Ange-
ſichts ſo zerrütteter Verhältniſſe erſcheint der Unwille allerdings
doppelt gerechtfertigt, den man in unſeren Regierungskreiſen dar-
über empfindet, daß ein großer Teil der belgiſchen Preſſe fortfährt,
den Größenwahnſinn der Pariſer zu nähren, und ſie in ihrem
Widerſtand gegen unſere Armeen zu ermuntern, während doch
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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