Allgemeine Zeitung, Nr. 33, 15. August 1914.Allgemeine Zeitung 15. August 1914. [Spaltenumbruch]
gerade Belgien sich uns gegenüber zu dem wärmsten Danke ver-pflichtet fühlen sollte, da wir diesen blutigen Krieg leicht vermeiden konnten, wenn wir Belgien der Habgier Frankreichs hätten preis- geben wollen, und da dieser blutige Kampf zugleich der Erhaltung der Unabhängigkeit Belgiens gilt." Vom französischen Kriegsschauplatz liegt unterm 10. ds. nach- Das Wolffsche Telegraphen-Bureau meldet unterm 11.: Eine Nach dem letzten, kurz vor Schluß der Redaktion eingetroffenen L. Eine französische Aufteilung Deutschlands Mängel im französischen Heere. Das Wolffsche Telegraphenbureau veröffentlicht nachstehende Mehrere Berliner Zeitungen geben ein Gespräch eines England. Die englische Flotte. Im Krieg mit England kommt bekanntlich nur die eng- Auch unsere Marine darf die ersten Erfolge gegen England er- Berlin, 8. August. Sicheren Gerüchten zufolge ist der Der bei dieser beispiellos kühnen deutschen Aktion zu Dieses heldenmütige Vorgehen der "Königin Luife" hat nach Allgemeine Zeitung 15. Auguſt 1914. [Spaltenumbruch]
gerade Belgien ſich uns gegenüber zu dem wärmſten Danke ver-pflichtet fühlen ſollte, da wir dieſen blutigen Krieg leicht vermeiden konnten, wenn wir Belgien der Habgier Frankreichs hätten preis- geben wollen, und da dieſer blutige Kampf zugleich der Erhaltung der Unabhängigkeit Belgiens gilt.“ Vom franzöſiſchen Kriegsſchauplatz liegt unterm 10. ds. nach- Das Wolffſche Telegraphen-Bureau meldet unterm 11.: Eine Nach dem letzten, kurz vor Schluß der Redaktion eingetroffenen L. Eine franzöſiſche Aufteilung Deutſchlands Mängel im franzöſiſchen Heere. Das Wolffſche Telegraphenbureau veröffentlicht nachſtehende Mehrere Berliner Zeitungen geben ein Geſpräch eines England. Die engliſche Flotte. Im Krieg mit England kommt bekanntlich nur die eng- Auch unſere Marine darf die erſten Erfolge gegen England er- Berlin, 8. Auguſt. Sicheren Gerüchten zufolge iſt der Der bei dieſer beiſpiellos kühnen deutſchen Aktion zu Dieſes heldenmütige Vorgehen der „Königin Luife“ hat nach <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <floatingText> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0004" n="510"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi> 15. 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Wir wiſſen, welch’ unſchätzbaren<lb/> Wert ſie für die Ausbildung haben. Bei uns ſtrichen die<lb/> Finanzminiſter die Uebungsplätze ſtets. Die drahtloſe Tele-<lb/> graphie Verdun-Toul iſt unbenutzbar, ſobald die Groß-Station<lb/> Metz mit ihrem ſtarken Strom arbeitet. Von den Munitions-<lb/> und Verpflegungsvorräten will ich gar nicht ſprechen. Nur<lb/><cb/> in einem Punkte iſt der Generalſtab mitſchuldig, wenn man<lb/> will, nämlich hinſichtlich des Zuſtandes der Feſtungen, außer<lb/> den vier großen Oſtfeſtungen. Humbert beklagt jetzt, daß die<lb/> Maas-Sperrforts nicht moderniſiert ſeien. Der Generalſtab<lb/> wünſchte das gar nicht und hält das Geld für die vielen<lb/> kleinen Feſtungen und die Sperrforts für eine Verſchwen-<lb/> dung.“<lb/> Dieſe Aeußerungen ſind für uns inſofern beſonders wert-<lb/> voll, als ſie von einem feindlichen Offizier ſtammen, der die<lb/> Verhältniſſe nicht nur vom Hörenſagen, ſondern aus eigener<lb/> und von maßgebender Stelle gewonnenen Anſchauung kennt.</p> </div> </body> </floatingText><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">England.</hi> </head><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die engliſche Flotte</hi>.</hi> </head><lb/> <p>Im Krieg mit England kommt bekanntlich nur die eng-<lb/> liſche Flotte in Betracht. Eine Ueberſicht über die Stärke<lb/> derſelben begegnet daher im gegenwärtigen Zeitpunkt allge-<lb/> meinem Intereſſe. Im November vorigen Jahres zählte ſie<lb/> 57 Linienſchiffe mit 1,017,000 Tonnen Verdrang, 43 Panzer-<lb/> kreuzer mit 621,400 Tonnen, 61 geſchützte Kreuzer mit 318,940<lb/> Tonnen, einige ungeſchützte Kreuzer und Kanonenboote, dazu<lb/> etwa 240 Torpedobootszerſtörer, die zwiſchen 500 und 1000<lb/> Tonnen ſchwanken, 29 Hochſeetorpedoboote von etwa 200<lb/> Tonnen und etwa 75 Unterſeeboote. Im ganzen dürften 625<lb/> Fahrzeuge mit 2,370,326 Tonnen und 6,826,800 indizierten<lb/> Pferdekräften in Betracht kommen, die 2878 ſchwere Geſchütze<lb/> und 412 Torpedorohre unter Waſſer führen bei einer Be-<lb/> mannung von 135,040 Mann nach dem laufenden Etat. Es<lb/> iſt alſo eine gewaltige Macht, die England aufzubieten hat.<lb/> Zu beachten iſt aber dabei, daß einmal nicht die ganze Flotte<lb/> mobil iſt und auch nicht ſo raſch mobil gemacht werden kann,<lb/> weil die Beſatzung angeworben werden muß. 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Allgemeine Zeitung 15. Auguſt 1914.
gerade Belgien ſich uns gegenüber zu dem wärmſten Danke ver-
pflichtet fühlen ſollte, da wir dieſen blutigen Krieg leicht vermeiden
konnten, wenn wir Belgien der Habgier Frankreichs hätten preis-
geben wollen, und da dieſer blutige Kampf zugleich der Erhaltung
der Unabhängigkeit Belgiens gilt.“
Vom franzöſiſchen Kriegsſchauplatz liegt unterm 10. ds. nach-
ſtehendes Telegramm aus Berlin vor: Von Belfort ins Oberelſaß
vorgedrungene franzöſiſche Streitkräfte, anſcheinend das 7. fran-
zöſiſche Armeekorps und eine Infanteriediviſion der Beſatzung von
Belfort, ſind heute von unſeren Truppen aus einer verſtärkten
Stellung weſtlich Mülhauſens in ſüdlicher Richtung zurückgeworfen
worden. Die Verluſte unſerer Truppen ſind nicht erheblich, die der
Franzoſen groß.
Das Wolffſche Telegraphen-Bureau meldet unterm 11.: Eine
vorgeſchobene gemiſchte Brigade des franzöſiſchen XV. Armeekorps
wurde von unſeren Sicherungstruppen bei Lagarde in Lothringen
angegriffen. Der Gegner wurde unter ſchweren Verluſten in den
Wald von Parroy, nordweſtlich von Luneville, zurückgeworfen.
Der Feind ließ in unſerer Hand eine Fahne, 2 Batterien, 4 Maſchi-
nengewehre und 700 Gefangene. Ein franzöſiſcher General iſt ge-
fallen.
Nach dem letzten, kurz vor Schluß der Redaktion eingetroffenen
Telegramm wird von einem neuerlichen Sieg gemeldet: Bei
Mühlhauſen haben die deutſchen Truppen 10 franzöſiſche Offiziere
und 513 Mann gefangen genommen, außerdem wurden 4 Geſchütze,
10 Fahrzeuge und eine ſehr große Anzahl Gewehre erbeutet. Der
deutſche Boden iſt vom Feind geſäubert.
L. Eine franzöſiſche Aufteilung Deutſchlands
wird in einer in Millionen von Exemplaren in Frankreich ver-
breiteten Flugſchrift unter dem Titel: „Le partage d’Allemagne“
als nahe bevorſtehend erklärt. Frankreich verzichtet auf Holland und
Belgien. Dieſe beiden Staaten bleiben ſelbſtändig. Um ſo mehr
erweitert ſich Frankreich am Mittel- und Oberrhein und annektiert
von Köln aus alles ſüdliche Deutſchland, auch Württemberg und
Teile Bayerns mit Würzburg. England wird reich bedacht: Es er-
hält Oldenburg und das ganze rheiniſch-weſtfäliſche Induſtriegebiet,
um die deutſche Konkurrenz unterdrücken zu können. Rußland rückt
ſeine Grenzen nach Weſten bis zur Elbe vor. Stettin, Berlin,
Magdeburg werden ruſſiſch. Auch Dänemark erhält einen fetten
Biſſen. Außer Schleswig-Holſtein darf es ſogar die drei Hanſaſtädte
verſchlucken! Man ſieht daraus, zu welcher Siedehitze die franzö-
ſiſche Einbildungskraft durch den Krieg bereits geſteigert iſt!
Mängel im franzöſiſchen Heere.
Das Wolffſche Telegraphenbureau veröffentlicht nachſtehende
intereſſante Charakteriſtik:
Mehrere Berliner Zeitungen geben ein Geſpräch eines
militäriſchen Sachverſtändigen mit einem höheren franzö-
ſiſchen Generalſtabsoffizier wieder. Die Unterhaltung fand
unmittelbar nach den Enthüllungen des Senators Humbert
im franzöſiſchen Senate ſtatt. Der franzöſiſche Generalſtabs-
offizier meinte, Humbert habe nichts geſagt, was der fran-
zöſiſche Generalſtab nicht ſchon unzählige Male ausgeſprochen
habe, freilich vergebens:
„Jetzt“, fuhr er fort, „entdecken plötzlich dieſe Politiker,
was wir immer und immer wieder berichteten. Dann be-
haupten ſie noch, es wäre neu. — Seit Jahren macht der
Generalſtab auf die enorme Ueberlegenheit aufmerkſam, die
Deutſchland durch die ſchwere Artillerie ſeines Feldheeres
beſitzt. Man glaubte uns nicht. Jetzt haben wir nichts, als
dieſe unbrauchbaren Rimailho-Geſchütze. Alles andere iſt
noch Zukunftsmuſik oder neu angeſtrichenes altes Eiſen.
Unſer Feldgeſchütz wirkte bahnbrechend, aber jetzt iſt es das
älteſte ſeiner Art und natürlich den modernen, auch dem
Ihren, nicht mehr gleichwertig. Ebenſo iſt es mit dem Lebel-
gewehr.
Ihre Truppenübungsplätze verfolgten wir ſeit Jahren
mit dem größten Intereſſe. Wir wiſſen, welch’ unſchätzbaren
Wert ſie für die Ausbildung haben. Bei uns ſtrichen die
Finanzminiſter die Uebungsplätze ſtets. Die drahtloſe Tele-
graphie Verdun-Toul iſt unbenutzbar, ſobald die Groß-Station
Metz mit ihrem ſtarken Strom arbeitet. Von den Munitions-
und Verpflegungsvorräten will ich gar nicht ſprechen. Nur
in einem Punkte iſt der Generalſtab mitſchuldig, wenn man
will, nämlich hinſichtlich des Zuſtandes der Feſtungen, außer
den vier großen Oſtfeſtungen. Humbert beklagt jetzt, daß die
Maas-Sperrforts nicht moderniſiert ſeien. Der Generalſtab
wünſchte das gar nicht und hält das Geld für die vielen
kleinen Feſtungen und die Sperrforts für eine Verſchwen-
dung.“
Dieſe Aeußerungen ſind für uns inſofern beſonders wert-
voll, als ſie von einem feindlichen Offizier ſtammen, der die
Verhältniſſe nicht nur vom Hörenſagen, ſondern aus eigener
und von maßgebender Stelle gewonnenen Anſchauung kennt.
England.
Die engliſche Flotte.
Im Krieg mit England kommt bekanntlich nur die eng-
liſche Flotte in Betracht. Eine Ueberſicht über die Stärke
derſelben begegnet daher im gegenwärtigen Zeitpunkt allge-
meinem Intereſſe. Im November vorigen Jahres zählte ſie
57 Linienſchiffe mit 1,017,000 Tonnen Verdrang, 43 Panzer-
kreuzer mit 621,400 Tonnen, 61 geſchützte Kreuzer mit 318,940
Tonnen, einige ungeſchützte Kreuzer und Kanonenboote, dazu
etwa 240 Torpedobootszerſtörer, die zwiſchen 500 und 1000
Tonnen ſchwanken, 29 Hochſeetorpedoboote von etwa 200
Tonnen und etwa 75 Unterſeeboote. Im ganzen dürften 625
Fahrzeuge mit 2,370,326 Tonnen und 6,826,800 indizierten
Pferdekräften in Betracht kommen, die 2878 ſchwere Geſchütze
und 412 Torpedorohre unter Waſſer führen bei einer Be-
mannung von 135,040 Mann nach dem laufenden Etat. Es
iſt alſo eine gewaltige Macht, die England aufzubieten hat.
Zu beachten iſt aber dabei, daß einmal nicht die ganze Flotte
mobil iſt und auch nicht ſo raſch mobil gemacht werden kann,
weil die Beſatzung angeworben werden muß. Die ſoge-
nannte zweite Flotte hat etwa drei Fünftel Beſatzung, die
dritte noch geringere Kaders. Zum zweiten ſteht nicht die
ganze Flotte in der Heimat, ſondern iſt über den Erdball ver-
teilt. Für den europäiſchen Krieg kommt zunächſt die erſte
Heimatflotte in Betracht, die im November 1913 außer dem
Flaggſchiff Neptune 4 Schlachtſchiffgeſchwader zu ſieben Schif-
fen, ein Schlachtkreuzergeſchwader zu 3, zwei Kreuzerge-
ſchwader zu 4 Schiffen und 4 Torpedobootsflottillen mit 80
Schiffen umfaßt; im ganzen kommen hierfür 147 Fahrzeuge
in Betracht. Ueber die Verteilung im einzelnen iſt nichts
Sicheres bekannt. Schließlich entſcheidet aber nicht die Zahl
der Schiffe allein über den Ausgang, ſondern vor allem der
Geiſt der Mannſchaft. Darüber aber Vermutungen anzu-
ſtellen, iſt ein müßiges Beginnen; jeder Seemann tut im
Ernſtfall ſeine Pflicht und gleicht dadurch Mängel der Aus-
bildung und Organiſation aus. Eines aber wiſſen wir, daß
in unſerer Flotte auf jeden Fall der denkbar beſte Geiſt
herrſcht und daß jeder Mann bis zum äußerſten entſchloſſen
iſt. Und darin liegt auch eine Gewähr für Erfolg.
Auch unſere Marine darf die erſten Erfolge gegen England er-
freulich verzeichnen:
Berlin, 8. Auguſt. Sicheren Gerüchten zufolge iſt der
von der Kaiſerl. Marine übernommene Bäderdampfer „Köni-
gin Luiſe“ beim Legen von Minen vor dem Kriegshafen an
der Themſemündung von einer engliſchen Torpedobootsflot-
tille unter der Führung des kleinen Kreuzers „Amphion“ an-
gegriffen und zum Sinken gebracht worden. „Amphion“ ſelbſt
iſt auf eine von der „Königin Luiſe“ geworfene Mine aufge-
laufen und geſunken. Von der engliſchen Beſatzung ſind
130 Mann ertrunken und 150 Mann gerettet. Von den
6 Offizieren und 115 Mann der „Königin Luiſe“ iſt ebenfalls
ein Teil gerettet.
Der bei dieſer beiſpiellos kühnen deutſchen Aktion zu
Grunde gegangene engliſche geſchützte Kreuzer „Amphion“
war 1911 erbaut, hatte 3500 Tonnen Waſſerverdrängung, lief
25 Seemeilen, war mit 14 Geſchützen — 10.2 und 4.7 — ar-
miert und hatte 290 Mann Beſatzung.
Dieſes heldenmütige Vorgehen der „Königin Luife“ hat nach
engliſchen Zeitungsnachrichtenn tiefen Eindruck auf ganz England
gemacht und Beſorgnis erregt. Dieſe Unternehmung wie auch jene
der Beſchießung des Kriegshafens Libau und ſeine Sperrung durch
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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