Allgemeine Zeitung, Nr. 32, 8. August 1914.8. August 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Tages. Auch der Figaro brachte nichts Neues; nur desCherubin des Fräuleins Ivogün haben wir in diesem Zu- sammenhange noch nicht gedacht. Ihr Page ist ein sanfter, leise zirpender sentimentaler Knabe, dem das Weinen immer näher steht als das Lachen. Das soll er nun gar nicht sein, und alle Vorgängerinnen in dieser Rolle haben den Cherubin kräftiger und temperamentvoller, lustiger und vor allem knabenhafter aufgefaßt und wiedergegeben. An altbewährter Stelle standen Feinhals als Graf, Fräulein Fay als Gräfin, Frau Bosetti als vorzügliche Susanne, Fräulein Willer als Marzelline und die Herren Siglitz und Walter als Bartolo und Basilio. Ueber den Figaro des Herrn Rudow habe ich mich schon früher an dieser Stelle ausgesprochen und möchte Unangenehmes heute nicht wiederholen. Dem sonst so intelligenten Künstler möchten wir nur raten, der Versuchung seinem Manko an Stimmreiz durch übertreibendes Spiel nachzuhelfen, nicht allzusehr nachzugeben. Auch den Figaro dirigierte Herr Walter und zwar sichtlich mit besonderer Liebe. Bald darauf gab, wie schon zu erwarten war, die Gene- Auch die übrigen Theater Münchens sind durch den Inzwischen haben die Theater, vor allem [Spaltenumbruch] Feuilleton Der Kaiser ruft sein Heer zum Streit. I. Der Kaiser ruft sein Heer zum Streit, Das Volk erhebt sich wie ein Mann, Wir Deutschen sind zum Kampf bereit! -- Wenn es muß sein, mein Volk, wohlan! Zu schützen gilt's das Vaterland, Von Vätern überkommnes Gut! Drum, Brüder, auf mit Herz und Hand, Kämpft für die Freiheit bis auf's Blut! Wenn auch der Feind uns rings bedroht Und gegen uns die Waffen kehrt, Vertrau'n wir fest auf unsern Gott Und unser gutes deutsches Schwert! Voll Hoffnung und voll tapfern Mut Zieh'n wir begeistert in den Krieg, Wir opfern freudig Gut und Blut: Entweder Sterben oder Sieg! II. Hell lodern wie ein ries'ger Feuerbrand Ringsum die Flammen der Begeist'rung! All überall im deutschen Vaterland Brennt sie in jeder Brust, bei Alt und Jung! Der welschen Feinde frevelndes Beginnen Zwingt uns die blanken Waffen in die Hand! -- Sie soll'n der blut'gen Rache nicht entrinnen, Daß sie zerstört des holden Friedens Band! Verzagt nicht, Brüder, wenn mit kühnem Munde Die Feinde droh'n mit fürchterlichem Krieg! Gedenket mancher frühern Kampfesstunde, So wie den Vätern blüht auch uns der Sieg! Erhebe dich, mein Volk! -- Mit starkem Mut Ergreife fest der Väter ehern Schwert! Erfüll' dein Herz mit heil'ger Liebesglut Zum Vaterland, das deiner Liebe wert! Dann ziehst du frei und statz zum Völkerstreit, Dir selbst bewußt der eignen Kraft und Macht! Zum Sieg! -- Zum Tod für's Vaterland bereit! Frisch auf, mein Volk, zur blut'gen Männerschlacht! Bücheranzeigen. Mesnevi oder Doppelverse des Scheich Mewlana Dschelad Der Münchener Verlag Georg Müller hat schon wieder eine [irrelevantes Material] 8. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Tages. Auch der Figaro brachte nichts Neues; nur desCherubin des Fräuleins Ivogün haben wir in dieſem Zu- ſammenhange noch nicht gedacht. Ihr Page iſt ein ſanfter, leiſe zirpender ſentimentaler Knabe, dem das Weinen immer näher ſteht als das Lachen. Das ſoll er nun gar nicht ſein, und alle Vorgängerinnen in dieſer Rolle haben den Cherubin kräftiger und temperamentvoller, luſtiger und vor allem knabenhafter aufgefaßt und wiedergegeben. An altbewährter Stelle ſtanden Feinhals als Graf, Fräulein Fay als Gräfin, Frau Boſetti als vorzügliche Suſanne, Fräulein Willer als Marzelline und die Herren Siglitz und Walter als Bartolo und Baſilio. Ueber den Figaro des Herrn Rudow habe ich mich ſchon früher an dieſer Stelle ausgeſprochen und möchte Unangenehmes heute nicht wiederholen. Dem ſonſt ſo intelligenten Künſtler möchten wir nur raten, der Verſuchung ſeinem Manko an Stimmreiz durch übertreibendes Spiel nachzuhelfen, nicht allzuſehr nachzugeben. Auch den Figaro dirigierte Herr Walter und zwar ſichtlich mit beſonderer Liebe. Bald darauf gab, wie ſchon zu erwarten war, die Gene- Auch die übrigen Theater Münchens ſind durch den Inzwiſchen haben die Theater, vor allem [Spaltenumbruch] Feuilleton Der Kaiſer ruft ſein Heer zum Streit. I. Der Kaiſer ruft ſein Heer zum Streit, Das Volk erhebt ſich wie ein Mann, Wir Deutſchen ſind zum Kampf bereit! — Wenn es muß ſein, mein Volk, wohlan! Zu ſchützen gilt’s das Vaterland, Von Vätern überkommnes Gut! Drum, Brüder, auf mit Herz und Hand, Kämpft für die Freiheit bis auf’s Blut! Wenn auch der Feind uns rings bedroht Und gegen uns die Waffen kehrt, Vertrau’n wir feſt auf unſern Gott Und unſer gutes deutſches Schwert! Voll Hoffnung und voll tapfern Mut Zieh’n wir begeiſtert in den Krieg, Wir opfern freudig Gut und Blut: Entweder Sterben oder Sieg! II. Hell lodern wie ein rieſ’ger Feuerbrand Ringsum die Flammen der Begeiſt’rung! All überall im deutſchen Vaterland Brennt ſie in jeder Bruſt, bei Alt und Jung! Der welſchen Feinde frevelndes Beginnen Zwingt uns die blanken Waffen in die Hand! — Sie ſoll’n der blut’gen Rache nicht entrinnen, Daß ſie zerſtört des holden Friedens Band! Verzagt nicht, Brüder, wenn mit kühnem Munde Die Feinde droh’n mit fürchterlichem Krieg! Gedenket mancher frühern Kampfesſtunde, So wie den Vätern blüht auch uns der Sieg! Erhebe dich, mein Volk! — Mit ſtarkem Mut Ergreife feſt der Väter ehern Schwert! Erfüll’ dein Herz mit heil’ger Liebesglut Zum Vaterland, das deiner Liebe wert! Dann ziehſt du frei und ſtatz zum Völkerſtreit, Dir ſelbſt bewußt der eignen Kraft und Macht! Zum Sieg! — Zum Tod für’s Vaterland bereit! Friſch auf, mein Volk, zur blut’gen Männerſchlacht! Bücheranzeigen. 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8. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
Tages. Auch der Figaro brachte nichts Neues; nur des
Cherubin des Fräuleins Ivogün haben wir in dieſem Zu-
ſammenhange noch nicht gedacht. Ihr Page iſt ein ſanfter,
leiſe zirpender ſentimentaler Knabe, dem das Weinen immer
näher ſteht als das Lachen. Das ſoll er nun gar nicht ſein,
und alle Vorgängerinnen in dieſer Rolle haben den Cherubin
kräftiger und temperamentvoller, luſtiger und vor allem
knabenhafter aufgefaßt und wiedergegeben. An altbewährter
Stelle ſtanden Feinhals als Graf, Fräulein Fay als Gräfin,
Frau Boſetti als vorzügliche Suſanne, Fräulein Willer als
Marzelline und die Herren Siglitz und Walter als Bartolo
und Baſilio. Ueber den Figaro des Herrn Rudow habe ich
mich ſchon früher an dieſer Stelle ausgeſprochen und möchte
Unangenehmes heute nicht wiederholen. Dem ſonſt ſo
intelligenten Künſtler möchten wir nur raten, der Verſuchung
ſeinem Manko an Stimmreiz durch übertreibendes Spiel
nachzuhelfen, nicht allzuſehr nachzugeben. Auch den Figaro
dirigierte Herr Walter und zwar ſichtlich mit beſonderer
Liebe.
Bald darauf gab, wie ſchon zu erwarten war, die Gene-
ralintendanz bekannt, daß die Feſtſpiele vorzeitig abgebrochen
werden müßten. Im Prinzregenten-Theater fand nur mehr
eine Aufführung des Triſtan und der Meiſterſinger, im Reſi-
denz-Theater eine ſolche der Entführung aus dem Serail
und des Don Giovanni ſtatt. Im Triſtan trat der einzige
Gaſt der in Frage kommen konnte: Frau Cahier als Bran-
gaene auf. Die Vorſtellung war ausgezeichnet, der Beifall
groß und verdient, aber das Publikum natürlich ſchon ziem-
lich klein.
Auch die übrigen Theater Münchens ſind durch den
Krieg natürlich in eine fatale Lage geraten. Dem Spiel im
Künſtlertheater wurde überhaupt ein vorläufiges Ende be-
reitet, und da wohl im Perſonal jedes Theaters Einberufun-
gen vorgekommen ſind, hat jeder Spielplan mit beſonderen
Schwierigkeiten zu kämpfen. Wenn nun aber überhaupt
fortgeſpielt werden ſollte, ſo möchten wir den Direktoren
dringend empfehlen, Stücke zu wählen, die nicht durch ihre
unzeitige Frivolität in zu ſchroffem Widerſpruch mit dem
berechtigten Volksempfinden kommen. Ein ſolches Stück war
z. B. die gerade jetzt im Schauſpielhauſe wieder neu auf-
genommene Komödie „Der König in Paris“ (Le roi) von
de Caillavet, de Flers und Aréne. Man ſollte überhaupt
mit franzöſiſchen Stücken zurückhaltender ſein, und gerade
dieſe Parodie auf den alten König von Belgien, die der
erſte Darſteller der Titelrolle in Paris ſogar in deſſen Maske
zu ſpielen wagte, iſt bei Gott nicht zeitgemäß. Durch das
Ausſcheiden Guſtav Waldaus und der Frau Ottilie Ger-
häuſer iſt die Umbeſetzung einiger Rollen notwendig ge-
worden. Jetzt gibt Karl Günther den König und Annie
Roſar die Marthe, ſowie ein neuengagiertes Mitglied Frieda
Chriſtopherſen die einſt von Fritzi Schaffer gegebene Thereſe
Marnix. Dieſe letztere ſcheint ſich nach dieſer einen Rolle zu
ſchließen als eine gute Akquiſition zu erweiſen, wogegen
Fräulein Roſar ihre Vorgängerin Frau Gerhäuſer nicht ent-
fernt erreichen konnte. Sehr gut iſt aber Günther als Nach-
folger Waldaus. Wie tolerant (vielleicht zu tolerant) wir
ſind, beweiſt wohl ſchlagend, daß in dieſem Stücke franzöſiſche
Uniformen ungeſtört auftreten konnten. Wie würde wohl
die Sache umgekehrt in Paris abgelaufen ſein? Inzwiſchen
ſcheint die Direktion dies ſelbſt eingeſehen zu haben und hat
verſprochen, daß ſie derlei Stücke in dieſer kritiſchen Zeit
meiden und ein entſprechenderes Repertoire aufſtellen werde.
Dies ſollten alle Theater tun. Insbeſondere iſt jetzt wohl die
Zeit, ſich der patriotiſchen Stücke unſerer deutſchen Literatur
zu erinnern. An ſolchen fehlt es ja nicht.
Inzwiſchen haben die Theater, vor allem
die Hofbühnen, im Angeſicht des Ernſtes der
Lage ihre Vorſtellungen, wenigſtens vor-
läufig, überhaupt eingeſtellt. Gebe Gott,
daß ſie mit Siegesfanfaren wieder eröffnet
werden können!
Alfred Frhr. v. Menſi.
Feuilleton
Der Kaiſer ruft ſein Heer zum Streit.
I.
Der Kaiſer ruft ſein Heer zum Streit,
Das Volk erhebt ſich wie ein Mann,
Wir Deutſchen ſind zum Kampf bereit! —
Wenn es muß ſein, mein Volk, wohlan!
Zu ſchützen gilt’s das Vaterland,
Von Vätern überkommnes Gut!
Drum, Brüder, auf mit Herz und Hand,
Kämpft für die Freiheit bis auf’s Blut!
Wenn auch der Feind uns rings bedroht
Und gegen uns die Waffen kehrt,
Vertrau’n wir feſt auf unſern Gott
Und unſer gutes deutſches Schwert!
Voll Hoffnung und voll tapfern Mut
Zieh’n wir begeiſtert in den Krieg,
Wir opfern freudig Gut und Blut:
Entweder Sterben oder Sieg!
II.
Hell lodern wie ein rieſ’ger Feuerbrand
Ringsum die Flammen der Begeiſt’rung!
All überall im deutſchen Vaterland
Brennt ſie in jeder Bruſt, bei Alt und Jung!
Der welſchen Feinde frevelndes Beginnen
Zwingt uns die blanken Waffen in die Hand! —
Sie ſoll’n der blut’gen Rache nicht entrinnen,
Daß ſie zerſtört des holden Friedens Band!
Verzagt nicht, Brüder, wenn mit kühnem Munde
Die Feinde droh’n mit fürchterlichem Krieg!
Gedenket mancher frühern Kampfesſtunde,
So wie den Vätern blüht auch uns der Sieg!
Erhebe dich, mein Volk! — Mit ſtarkem Mut
Ergreife feſt der Väter ehern Schwert!
Erfüll’ dein Herz mit heil’ger Liebesglut
Zum Vaterland, das deiner Liebe wert!
Dann ziehſt du frei und ſtatz zum Völkerſtreit,
Dir ſelbſt bewußt der eignen Kraft und Macht!
Zum Sieg! — Zum Tod für’s Vaterland bereit!
Friſch auf, mein Volk, zur blut’gen Männerſchlacht!
Kurt Naue.
Bücheranzeigen.
Mesnevi oder Doppelverſe des Scheich Mewlana Dſchelad
ed din Rumi, aus dem Perſiſchen übertragen von Georg
Roſen mit einer Einleitung von Friedrich Roſen (1913 München
bei Georg Müller).
Der Münchener Verlag Georg Müller hat ſchon wieder eine
intereſſante Sammlung herauszugeben begonnen und zwar Meiſter-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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