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Allgemeine Zeitung, Nr. 32, 1. Februar 1850.

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[Spaltenumbruch] überlassen sich mit Steiermark ins Einvernehmen zu setzen. Einem Brief,
den er damals nach Tirol geschrieben hat, entnehmen wir die Aeußerung
daß es ihn empöre daß sich die Provinzen immer nur das gefallen
lassen sollen was man in Wien will: "Die Millionen wohnen in den Pro-
vinzen, nicht in Wien." Da inzwischen beruhigendere Nachrichten aus
Wien einliefen und der Reichstag in Aussicht stand, hatte der Beschluß,
obgleich die Deputationen abgereist waren, keine weitern Folgen. Im
Junius wurde Fischer von dem Lande Salzburg zum Vertreter in den
Reichstag gewählt. Gleiche Ehre war ihm von der Stadt zugedacht.
In den ersten Wochen seines Wiener Aufenthalts wurde er von dem da-
maligen Minister Doblhoff in das Bureau des Innern berufen. Im Au-
gust beauftragte ihn Doblhoff mit der Leitung der öffentlichen Angelegen-
heiten Tirols, Fischer lehnte es ab und trat dafür bloß eine Reise nach
Tirol an um sich von dem Zustand des Landes zu überzeugen und dem
Minister zu berichten. Damals war gerade die Spaltung zwischen Nord-
und Südtirol am weitesten gediehen. Die Reise Fischers wurde ihrer
Zeit viel in den öffentlichen Blättern besprochen. Er wurde von beiden
Parteien mit Mißtrauen| empfangen, er erkärte ihnen den Zweck seiner
Sendung, und es gelang ihm größtentheils das Vertrauen zu gewinnen.
Er schlug als Landeschef Tirols den Grafen Bissingen vor als einen
Mann "der das Land kennt und liebt, viele Bildung besitzt und das Herz
auf dem rechten Fleck hat." Erst in Kremster sah Fischer Doblhoff wie-
der, da inzwischen die Octoberereignisse eingetreten waren und alle Ver-
hältnisse umgeändert hatten. Als nach der Ankunft Kaiser Ferdinands
in Olmütz ein Manifest (vom 15 Oct.) erschien an die Landleute gerichtet,
worin ihnen die Entlastung von Grund und Boden verfichert wurde, von
weiterem aber keine Rede war, begab sich Fischer, der gerade mit einer
Reichstagsdeputation in Olmütz anwesend war, mit andern Deputirten zu
Wessenberg und stellte vor daß das Manifest geeignet sey die größte Auf-
regung in den Provinzen hervorzurufen. Hierauf erschien das Manifest
vom 19 Oct. an alle Völker des Reichs mit Versicherung der Auf-
rechthaltung aller gewährten Rechte und Freiheiten. Beim Eintritt des
Ministeriums Schwarzenberg-Stadion gab Fischer sein Amt, als nur vom
abgetretenen Ministerium ins Vertrauen berufen, zurück, Stadion nahm
aber die Entlassung nicht an. Im December wurde Fischer als Landes-
chef nach Oberösterreich gesendet, und vor wenigen Wochen wurde diese
provisorische Würde in die desinitive eines Statthalters verwandelt. In
Salzburg steht Fischer in gutem Angedenken, er wird als thätiger und
redlicher Rechtsfreund geschildert, man verdankt ihm nebst dem Ministe-
rialrath v. Lasser die dem Lande gewordene Selbständigkeit, man ver-
dankt ihm die Forstregulirungscommission und die Herabsetzung des ho-
hen Zinsfußes der auf den Besitzungen der Gebirgsbewohner haftenden
Stiftungscapitalien. Er soll sich für Wiedererlangung der eigenen Berg-
und Salinendirection und für eine eigene Forstschule im Lande sehr thätig
verwendet haben.*) Als Privatmann ist Fischer ein Mann von freundlichen
wohlwollenden Sitten und von sehr gutem Herzen. Er mag ungefähr in
den ersten fünfziger Jahren stehen.



Die österreichischen Fabricanten und die Londoner
Jndustrieausstellung.

Als wir vor einem Vierteljahr in der Allg.
Zeitung die Frage aufwarfen: ob Deutschland sich in der beabsichtigten
"Weltindustrieausstellung" an der Themse betheiligen sollte, waren wir
im Grunde gegen die Theilnahme. Wir bezweckten damals hauptsächlich
nur, dem Wunsch einiger hervorragenden Industriellen von Süddeutsch-
land gemäß, die Sache auf der Leipziger Messe in Anregung zu bringen,
damit das "Annehmen oder Ablehnen" wenigstens ein gemeinsames, ein
solidarisches des ganzen deutschen Gewerkstandes werde. Denn leider ist
bis jetzt, trotz des thätigen Wirkens des "Vereins zum Schutz vaterländi-
scher Arbeit", noch lange nicht genug Corporationsgeist in unsere In-
dustriellen gekommen -- besitzt diese reiche Classe des Bürgerthums doch
noch kein größeres Organ das alle Fragen des Tages stets von dem Stand-
punkt ihrer mannichfachen Interessen behandelt -- als daß nicht die
Furcht wohl begründet gewesen wäre: der eine würde vielleicht seine Er-
zeugnisse über den Canal senden, während der andere sich um jene Vor-
gänge in England auch nicht im entferntesten kümmerte; und dieser vor-
aussichtlichen Zerfahrenheit zogen wir lieber das einige Nichtannehmen
vor, selbst auf die Gefahr daß das Ausland in unserm Nichterscheinen eine
wohlbegründete Furcht, ein selbst ausgestelltes Armuthszeugniß erblicken
könnte. Außerdem aber waren wir der Ansicht daß England bei diesem
Plan seine Hintergedanken hege, der Welt sich als den eigentlichen
Brennpunkt des industriellen Lebens hinstellen wolle, und dann den deut-
[Spaltenumbruch] schen Fabricanten gar kein ersichtlicher Gewinn aus der Theilnahme er-
wachsen könne, indem ja die eingeschickten Waaren nicht von den Zollauf-
lagen bei etwaigem Verkaufe befreit seyn würden, so daß selbst nicht an
eine Deckung der Transportkosten zu denken sey. Für die bloße Laune
of his royal highness aber so viel Geld ausgeben? ... Die "Austria"
ist dagegen anderer Meinung. In ihrer heutigen Nummer bevorwortet
sie den Entschluß des Handelsministeriums, die österreichische Industrie-
ausstellung, welche, wie wir neulich gemeldet haben, die Wiener Handels-
kammer gern in das Jahr 1852 verlegt sehen wollte, dem ursprünglichen
Plan gemäß doch im Jahr 1851, und zwar vor der Londoner, abzuhalten,
indem diese Wiener Ausstellung gewissermaßen nur eine Hausprobe für
das spätere Erscheinen der österreichischen Industrie auf jener großen
Bühne abgeben solle. Sie geht dabei wohl von der Grundansicht aus
daß die heimischen Industriellen zum Behuf der deutsch-österreichischen
Zolleinigung einer großartigeren Anregung, einer bedeutenden Erweite-
rung des mercantilen Blickes bedürften, und eben in der Selbstver-
gleichung mit der Leistung der Fremden den besten Sporn für die Ent-
wicklung aller ihrer Kräfte finden würden. Wir wollen gegen diesen
Standpunkt keineswegs polemistren; wenn Oesterreich mit einer tüchtigen
Macht auf dem Londoner Turnier zu erscheinen vermag, so sind wir die
letzten die ihm die Schranken zusperren; aber auch nur unter dieser Be-
dingung können wir seine Betheiligung an jenem industriellen Wettkampf
gut finden, weil sonst aus der etwa aus London geholten Entmuthigung
die ökonomische Einigung des Vaterlandes einen empfindlichen Schlag
erleiden dürfte!



Das neue österreichische Berggesetz.

Der Entwurf des neuen Berggesetzes
wurde in die Provinzen versendet um durch die Presse und die Bergämter
beurtheilt zu werden. Das Bedürfniß einer Reform war vielleicht in
keinem Zweige der Gesetzgebung so dringend gefühlt als im Bergwesen.
Nirgends aber boten sich auch größere Schwierigkeiten. Die Kluft von
drei Jahrhunderten in Sprache, Verhältnissen und Ansichten liegt zwischen
den letzten allgemeinen Bergordnungen und dem vorliegenden Entwurfe.
Sie konnten nichts als einiges Material dazu abliefern, und selbst dieses
konnte nur mit strengster Sichtung noch benutzt, der Bau selbst mußte
von Grund auf ein neuer werden. Schon seit Jahrzehnten wurde an die
nothwendige allgemeine Reform der Berggesetzgebung gedacht. Aber sie
scheiterie an innern und äußern Hindernissen. Um so mehr muß man sich
über den Umschwung der Zeit wundern und freuen daß nun in der Frist
von wenigen Monaten aus den Händen der niedergesetzten Commission ein
Entwurf hervorging der, wenn er auch noch manches zu wünschen läßt,
namentlich in der Schärfe des Ausdrucks und der logischen Unterstellung,
doch als ein unendlicher Fortschritt betrachtet und von jedem der die
Schwierigkeit der Aufgabe kennt und zu würdigen weiß, mit Anerkennung
begrüßt werden muß. Ein hauptsächliches äußeres Hinderniß gegen eine
allgemeine Reform bestand in den sogenannten böhmischen Bergwerks-
verträgen mit den Ständen von den Jahren 1534 und 1575, wodurch diesen
die Betheiligung am Bergregal, die berggerichtliche Patrimonialgerichts-
barkeit, das theilweise Bergwerksverleihungsrecht u. s. w. zugestanden war;
dieses äußere Hinderniß hatte das Jahr 1848 bereits beseitigt.



Tirol.

Wenn die Journale der kaiserlich-
königlichen Großstädte manchmal einen Blick herüberschicken auf das Land
Tirol, so sind die Kundgebungen ihrer Einsichten und Wahrnehmungen
meistentheils für niemanden überraschender und lehrreicher als für die
Leute welche eine heitere Ironie in diesem "Westende" oder auf dieser
"äußersten Linken" des Kaiserstaates sitzen läßt. Freilich -- daß man sie
noch mit Vorliebe im Styl der Kosmographen und Chronicisten vergilbter
Jahrhunderte als etwas ungeleckt und sehr abseits gelegen behandelt, ge-
schieht vielleicht aus Achtung für ihren Conservativismus, die Tradition
vom Josephinischen "Land der Unmöglichkeiten" wagt man in den Wiener
Kanzleien aus neueren Gründen auch noch nicht gänzlich aufzugeben, und
die neulichen Liebenswürdigkeiten der böhmischen "Union" waren gewisser-
maßen nur Stammbuchverse für die tirolischen Gesinnungsgenossen vom
Reichstage zu Wien und Kremster; um so löblicher wird hierdurch nur
die Gewissenhaftigkeit mit welcher man hier unter sich, selbst durch die
Presse, die Frage erörterte: "Sind die Tiroler dumm?", und sich für ein
gründlich belegtes "Nein" entschied. Auffallender bleibt es aber noch daß
unter jenen Mittheilungen und Eröffnungen ein großer Theil als Cor-
respondenz "aus Tirol" in den vornehmen Blättern erscheint, und man
somit die artigsten und wahrhaftesten darunter landsmännischem Talente

*) Letztere ist vom Ministerium bereits beschlossen worden. A. d. E.

[Spaltenumbruch] überlaſſen ſich mit Steiermark ins Einvernehmen zu ſetzen. Einem Brief,
den er damals nach Tirol geſchrieben hat, entnehmen wir die Aeußerung
daß es ihn empöre daß ſich die Provinzen immer nur das gefallen
laſſen ſollen was man in Wien will: „Die Millionen wohnen in den Pro-
vinzen, nicht in Wien.“ Da inzwiſchen beruhigendere Nachrichten aus
Wien einliefen und der Reichstag in Ausſicht ſtand, hatte der Beſchluß,
obgleich die Deputationen abgereist waren, keine weitern Folgen. Im
Junius wurde Fiſcher von dem Lande Salzburg zum Vertreter in den
Reichstag gewählt. Gleiche Ehre war ihm von der Stadt zugedacht.
In den erſten Wochen ſeines Wiener Aufenthalts wurde er von dem da-
maligen Miniſter Doblhoff in das Bureau des Innern berufen. Im Au-
guſt beauftragte ihn Doblhoff mit der Leitung der öffentlichen Angelegen-
heiten Tirols, Fiſcher lehnte es ab und trat dafür bloß eine Reiſe nach
Tirol an um ſich von dem Zuſtand des Landes zu überzeugen und dem
Miniſter zu berichten. Damals war gerade die Spaltung zwiſchen Nord-
und Südtirol am weiteſten gediehen. Die Reiſe Fiſchers wurde ihrer
Zeit viel in den öffentlichen Blättern beſprochen. Er wurde von beiden
Parteien mit Mißtrauen| empfangen, er erkärte ihnen den Zweck ſeiner
Sendung, und es gelang ihm größtentheils das Vertrauen zu gewinnen.
Er ſchlug als Landeschef Tirols den Grafen Biſſingen vor als einen
Mann „der das Land kennt und liebt, viele Bildung beſitzt und das Herz
auf dem rechten Fleck hat.“ Erſt in Kremſter ſah Fiſcher Doblhoff wie-
der, da inzwiſchen die Octoberereigniſſe eingetreten waren und alle Ver-
hältniſſe umgeändert hatten. Als nach der Ankunft Kaiſer Ferdinands
in Olmütz ein Manifeſt (vom 15 Oct.) erſchien an die Landleute gerichtet,
worin ihnen die Entlaſtung von Grund und Boden verfichert wurde, von
weiterem aber keine Rede war, begab ſich Fiſcher, der gerade mit einer
Reichstagsdeputation in Olmütz anweſend war, mit andern Deputirten zu
Weſſenberg und ſtellte vor daß das Manifeſt geeignet ſey die größte Auf-
regung in den Provinzen hervorzurufen. Hierauf erſchien das Manifeſt
vom 19 Oct. an alle Völker des Reichs mit Verſicherung der Auf-
rechthaltung aller gewährten Rechte und Freiheiten. Beim Eintritt des
Miniſteriums Schwarzenberg-Stadion gab Fiſcher ſein Amt, als nur vom
abgetretenen Miniſterium ins Vertrauen berufen, zurück, Stadion nahm
aber die Entlaſſung nicht an. Im December wurde Fiſcher als Landes-
chef nach Oberöſterreich geſendet, und vor wenigen Wochen wurde dieſe
proviſoriſche Würde in die deſinitive eines Statthalters verwandelt. In
Salzburg ſteht Fiſcher in gutem Angedenken, er wird als thätiger und
redlicher Rechtsfreund geſchildert, man verdankt ihm nebſt dem Miniſte-
rialrath v. Laſſer die dem Lande gewordene Selbſtändigkeit, man ver-
dankt ihm die Forſtregulirungscommiſſion und die Herabſetzung des ho-
hen Zinsfußes der auf den Beſitzungen der Gebirgsbewohner haftenden
Stiftungscapitalien. Er ſoll ſich für Wiedererlangung der eigenen Berg-
und Salinendirection und für eine eigene Forſtſchule im Lande ſehr thätig
verwendet haben.*) Als Privatmann iſt Fiſcher ein Mann von freundlichen
wohlwollenden Sitten und von ſehr gutem Herzen. Er mag ungefähr in
den erſten fünfziger Jahren ſtehen.



Die öſterreichiſchen Fabricanten und die Londoner
Jnduſtrieausſtellung.

Als wir vor einem Vierteljahr in der Allg.
Zeitung die Frage aufwarfen: ob Deutſchland ſich in der beabſichtigten
„Weltinduſtrieausſtellung“ an der Themſe betheiligen ſollte, waren wir
im Grunde gegen die Theilnahme. Wir bezweckten damals hauptſächlich
nur, dem Wunſch einiger hervorragenden Induſtriellen von Süddeutſch-
land gemäß, die Sache auf der Leipziger Meſſe in Anregung zu bringen,
damit das „Annehmen oder Ablehnen“ wenigſtens ein gemeinſames, ein
ſolidariſches des ganzen deutſchen Gewerkſtandes werde. Denn leider iſt
bis jetzt, trotz des thätigen Wirkens des „Vereins zum Schutz vaterländi-
ſcher Arbeit“, noch lange nicht genug Corporationsgeiſt in unſere In-
duſtriellen gekommen — beſitzt dieſe reiche Claſſe des Bürgerthums doch
noch kein größeres Organ das alle Fragen des Tages ſtets von dem Stand-
punkt ihrer mannichfachen Intereſſen behandelt — als daß nicht die
Furcht wohl begründet geweſen wäre: der eine würde vielleicht ſeine Er-
zeugniſſe über den Canal ſenden, während der andere ſich um jene Vor-
gänge in England auch nicht im entfernteſten kümmerte; und dieſer vor-
ausſichtlichen Zerfahrenheit zogen wir lieber das einige Nichtannehmen
vor, ſelbſt auf die Gefahr daß das Ausland in unſerm Nichterſcheinen eine
wohlbegründete Furcht, ein ſelbſt ausgeſtelltes Armuthszeugniß erblicken
könnte. Außerdem aber waren wir der Anſicht daß England bei dieſem
Plan ſeine Hintergedanken hege, der Welt ſich als den eigentlichen
Brennpunkt des induſtriellen Lebens hinſtellen wolle, und dann den deut-
[Spaltenumbruch] ſchen Fabricanten gar kein erſichtlicher Gewinn aus der Theilnahme er-
wachſen könne, indem ja die eingeſchickten Waaren nicht von den Zollauf-
lagen bei etwaigem Verkaufe befreit ſeyn würden, ſo daß ſelbſt nicht an
eine Deckung der Transportkoſten zu denken ſey. Für die bloße Laune
of his royal highness aber ſo viel Geld ausgeben? ... Die „Auſtria“
iſt dagegen anderer Meinung. In ihrer heutigen Nummer bevorwortet
ſie den Entſchluß des Handelsminiſteriums, die öſterreichiſche Induſtrie-
ausſtellung, welche, wie wir neulich gemeldet haben, die Wiener Handels-
kammer gern in das Jahr 1852 verlegt ſehen wollte, dem urſprünglichen
Plan gemäß doch im Jahr 1851, und zwar vor der Londoner, abzuhalten,
indem dieſe Wiener Ausſtellung gewiſſermaßen nur eine Hausprobe für
das ſpätere Erſcheinen der öſterreichiſchen Induſtrie auf jener großen
Bühne abgeben ſolle. Sie geht dabei wohl von der Grundanſicht aus
daß die heimiſchen Induſtriellen zum Behuf der deutſch-öſterreichiſchen
Zolleinigung einer großartigeren Anregung, einer bedeutenden Erweite-
rung des mercantilen Blickes bedürften, und eben in der Selbſtver-
gleichung mit der Leiſtung der Fremden den beſten Sporn für die Ent-
wicklung aller ihrer Kräfte finden würden. Wir wollen gegen dieſen
Standpunkt keineswegs polemiſtren; wenn Oeſterreich mit einer tüchtigen
Macht auf dem Londoner Turnier zu erſcheinen vermag, ſo ſind wir die
letzten die ihm die Schranken zuſperren; aber auch nur unter dieſer Be-
dingung können wir ſeine Betheiligung an jenem induſtriellen Wettkampf
gut finden, weil ſonſt aus der etwa aus London geholten Entmuthigung
die ökonomiſche Einigung des Vaterlandes einen empfindlichen Schlag
erleiden dürfte!



Das neue öſterreichiſche Berggeſetz.

Der Entwurf des neuen Berggeſetzes
wurde in die Provinzen verſendet um durch die Preſſe und die Bergämter
beurtheilt zu werden. Das Bedürfniß einer Reform war vielleicht in
keinem Zweige der Geſetzgebung ſo dringend gefühlt als im Bergweſen.
Nirgends aber boten ſich auch größere Schwierigkeiten. Die Kluft von
drei Jahrhunderten in Sprache, Verhältniſſen und Anſichten liegt zwiſchen
den letzten allgemeinen Bergordnungen und dem vorliegenden Entwurfe.
Sie konnten nichts als einiges Material dazu abliefern, und ſelbſt dieſes
konnte nur mit ſtrengſter Sichtung noch benutzt, der Bau ſelbſt mußte
von Grund auf ein neuer werden. Schon ſeit Jahrzehnten wurde an die
nothwendige allgemeine Reform der Berggeſetzgebung gedacht. Aber ſie
ſcheiterie an innern und äußern Hinderniſſen. Um ſo mehr muß man ſich
über den Umſchwung der Zeit wundern und freuen daß nun in der Friſt
von wenigen Monaten aus den Händen der niedergeſetzten Commiſſion ein
Entwurf hervorging der, wenn er auch noch manches zu wünſchen läßt,
namentlich in der Schärfe des Ausdrucks und der logiſchen Unterſtellung,
doch als ein unendlicher Fortſchritt betrachtet und von jedem der die
Schwierigkeit der Aufgabe kennt und zu würdigen weiß, mit Anerkennung
begrüßt werden muß. Ein hauptſächliches äußeres Hinderniß gegen eine
allgemeine Reform beſtand in den ſogenannten böhmiſchen Bergwerks-
verträgen mit den Ständen von den Jahren 1534 und 1575, wodurch dieſen
die Betheiligung am Bergregal, die berggerichtliche Patrimonialgerichts-
barkeit, das theilweiſe Bergwerksverleihungsrecht u. ſ. w. zugeſtanden war;
dieſes äußere Hinderniß hatte das Jahr 1848 bereits beſeitigt.



Tirol.

Wenn die Journale der kaiſerlich-
königlichen Großſtädte manchmal einen Blick herüberſchicken auf das Land
Tirol, ſo ſind die Kundgebungen ihrer Einſichten und Wahrnehmungen
meiſtentheils für niemanden überraſchender und lehrreicher als für die
Leute welche eine heitere Ironie in dieſem „Weſtende“ oder auf dieſer
„äußerſten Linken“ des Kaiſerſtaates ſitzen läßt. Freilich — daß man ſie
noch mit Vorliebe im Styl der Kosmographen und Chroniciſten vergilbter
Jahrhunderte als etwas ungeleckt und ſehr abſeits gelegen behandelt, ge-
ſchieht vielleicht aus Achtung für ihren Conſervativismus, die Tradition
vom Joſephiniſchen „Land der Unmöglichkeiten“ wagt man in den Wiener
Kanzleien aus neueren Gründen auch noch nicht gänzlich aufzugeben, und
die neulichen Liebenswürdigkeiten der böhmiſchen „Union“ waren gewiſſer-
maßen nur Stammbuchverſe für die tiroliſchen Geſinnungsgenoſſen vom
Reichstage zu Wien und Kremſter; um ſo löblicher wird hierdurch nur
die Gewiſſenhaftigkeit mit welcher man hier unter ſich, ſelbſt durch die
Preſſe, die Frage erörterte: „Sind die Tiroler dumm?“, und ſich für ein
gründlich belegtes „Nein“ entſchied. Auffallender bleibt es aber noch daß
unter jenen Mittheilungen und Eröffnungen ein großer Theil als Cor-
reſpondenz „aus Tirol“ in den vornehmen Blättern erſcheint, und man
ſomit die artigſten und wahrhafteſten darunter landsmänniſchem Talente

*) Letztere iſt vom Miniſterium bereits beſchloſſen worden. A. d. E.
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[509/0013] überlaſſen ſich mit Steiermark ins Einvernehmen zu ſetzen. Einem Brief, den er damals nach Tirol geſchrieben hat, entnehmen wir die Aeußerung daß es ihn empöre daß ſich die Provinzen immer nur das gefallen laſſen ſollen was man in Wien will: „Die Millionen wohnen in den Pro- vinzen, nicht in Wien.“ Da inzwiſchen beruhigendere Nachrichten aus Wien einliefen und der Reichstag in Ausſicht ſtand, hatte der Beſchluß, obgleich die Deputationen abgereist waren, keine weitern Folgen. Im Junius wurde Fiſcher von dem Lande Salzburg zum Vertreter in den Reichstag gewählt. Gleiche Ehre war ihm von der Stadt zugedacht. In den erſten Wochen ſeines Wiener Aufenthalts wurde er von dem da- maligen Miniſter Doblhoff in das Bureau des Innern berufen. Im Au- guſt beauftragte ihn Doblhoff mit der Leitung der öffentlichen Angelegen- heiten Tirols, Fiſcher lehnte es ab und trat dafür bloß eine Reiſe nach Tirol an um ſich von dem Zuſtand des Landes zu überzeugen und dem Miniſter zu berichten. Damals war gerade die Spaltung zwiſchen Nord- und Südtirol am weiteſten gediehen. Die Reiſe Fiſchers wurde ihrer Zeit viel in den öffentlichen Blättern beſprochen. Er wurde von beiden Parteien mit Mißtrauen| empfangen, er erkärte ihnen den Zweck ſeiner Sendung, und es gelang ihm größtentheils das Vertrauen zu gewinnen. Er ſchlug als Landeschef Tirols den Grafen Biſſingen vor als einen Mann „der das Land kennt und liebt, viele Bildung beſitzt und das Herz auf dem rechten Fleck hat.“ Erſt in Kremſter ſah Fiſcher Doblhoff wie- der, da inzwiſchen die Octoberereigniſſe eingetreten waren und alle Ver- hältniſſe umgeändert hatten. Als nach der Ankunft Kaiſer Ferdinands in Olmütz ein Manifeſt (vom 15 Oct.) erſchien an die Landleute gerichtet, worin ihnen die Entlaſtung von Grund und Boden verfichert wurde, von weiterem aber keine Rede war, begab ſich Fiſcher, der gerade mit einer Reichstagsdeputation in Olmütz anweſend war, mit andern Deputirten zu Weſſenberg und ſtellte vor daß das Manifeſt geeignet ſey die größte Auf- regung in den Provinzen hervorzurufen. Hierauf erſchien das Manifeſt vom 19 Oct. an alle Völker des Reichs mit Verſicherung der Auf- rechthaltung aller gewährten Rechte und Freiheiten. Beim Eintritt des Miniſteriums Schwarzenberg-Stadion gab Fiſcher ſein Amt, als nur vom abgetretenen Miniſterium ins Vertrauen berufen, zurück, Stadion nahm aber die Entlaſſung nicht an. Im December wurde Fiſcher als Landes- chef nach Oberöſterreich geſendet, und vor wenigen Wochen wurde dieſe proviſoriſche Würde in die deſinitive eines Statthalters verwandelt. In Salzburg ſteht Fiſcher in gutem Angedenken, er wird als thätiger und redlicher Rechtsfreund geſchildert, man verdankt ihm nebſt dem Miniſte- rialrath v. Laſſer die dem Lande gewordene Selbſtändigkeit, man ver- dankt ihm die Forſtregulirungscommiſſion und die Herabſetzung des ho- hen Zinsfußes der auf den Beſitzungen der Gebirgsbewohner haftenden Stiftungscapitalien. Er ſoll ſich für Wiedererlangung der eigenen Berg- und Salinendirection und für eine eigene Forſtſchule im Lande ſehr thätig verwendet haben. *) Als Privatmann iſt Fiſcher ein Mann von freundlichen wohlwollenden Sitten und von ſehr gutem Herzen. Er mag ungefähr in den erſten fünfziger Jahren ſtehen. Die öſterreichiſchen Fabricanten und die Londoner Jnduſtrieausſtellung. — Wien, 26 Jan. Als wir vor einem Vierteljahr in der Allg. Zeitung die Frage aufwarfen: ob Deutſchland ſich in der beabſichtigten „Weltinduſtrieausſtellung“ an der Themſe betheiligen ſollte, waren wir im Grunde gegen die Theilnahme. Wir bezweckten damals hauptſächlich nur, dem Wunſch einiger hervorragenden Induſtriellen von Süddeutſch- land gemäß, die Sache auf der Leipziger Meſſe in Anregung zu bringen, damit das „Annehmen oder Ablehnen“ wenigſtens ein gemeinſames, ein ſolidariſches des ganzen deutſchen Gewerkſtandes werde. Denn leider iſt bis jetzt, trotz des thätigen Wirkens des „Vereins zum Schutz vaterländi- ſcher Arbeit“, noch lange nicht genug Corporationsgeiſt in unſere In- duſtriellen gekommen — beſitzt dieſe reiche Claſſe des Bürgerthums doch noch kein größeres Organ das alle Fragen des Tages ſtets von dem Stand- punkt ihrer mannichfachen Intereſſen behandelt — als daß nicht die Furcht wohl begründet geweſen wäre: der eine würde vielleicht ſeine Er- zeugniſſe über den Canal ſenden, während der andere ſich um jene Vor- gänge in England auch nicht im entfernteſten kümmerte; und dieſer vor- ausſichtlichen Zerfahrenheit zogen wir lieber das einige Nichtannehmen vor, ſelbſt auf die Gefahr daß das Ausland in unſerm Nichterſcheinen eine wohlbegründete Furcht, ein ſelbſt ausgeſtelltes Armuthszeugniß erblicken könnte. Außerdem aber waren wir der Anſicht daß England bei dieſem Plan ſeine Hintergedanken hege, der Welt ſich als den eigentlichen Brennpunkt des induſtriellen Lebens hinſtellen wolle, und dann den deut- ſchen Fabricanten gar kein erſichtlicher Gewinn aus der Theilnahme er- wachſen könne, indem ja die eingeſchickten Waaren nicht von den Zollauf- lagen bei etwaigem Verkaufe befreit ſeyn würden, ſo daß ſelbſt nicht an eine Deckung der Transportkoſten zu denken ſey. Für die bloße Laune of his royal highness aber ſo viel Geld ausgeben? ... Die „Auſtria“ iſt dagegen anderer Meinung. In ihrer heutigen Nummer bevorwortet ſie den Entſchluß des Handelsminiſteriums, die öſterreichiſche Induſtrie- ausſtellung, welche, wie wir neulich gemeldet haben, die Wiener Handels- kammer gern in das Jahr 1852 verlegt ſehen wollte, dem urſprünglichen Plan gemäß doch im Jahr 1851, und zwar vor der Londoner, abzuhalten, indem dieſe Wiener Ausſtellung gewiſſermaßen nur eine Hausprobe für das ſpätere Erſcheinen der öſterreichiſchen Induſtrie auf jener großen Bühne abgeben ſolle. Sie geht dabei wohl von der Grundanſicht aus daß die heimiſchen Induſtriellen zum Behuf der deutſch-öſterreichiſchen Zolleinigung einer großartigeren Anregung, einer bedeutenden Erweite- rung des mercantilen Blickes bedürften, und eben in der Selbſtver- gleichung mit der Leiſtung der Fremden den beſten Sporn für die Ent- wicklung aller ihrer Kräfte finden würden. Wir wollen gegen dieſen Standpunkt keineswegs polemiſtren; wenn Oeſterreich mit einer tüchtigen Macht auf dem Londoner Turnier zu erſcheinen vermag, ſo ſind wir die letzten die ihm die Schranken zuſperren; aber auch nur unter dieſer Be- dingung können wir ſeine Betheiligung an jenem induſtriellen Wettkampf gut finden, weil ſonſt aus der etwa aus London geholten Entmuthigung die ökonomiſche Einigung des Vaterlandes einen empfindlichen Schlag erleiden dürfte! Das neue öſterreichiſche Berggeſetz. * Aus Oberöſterreich. Der Entwurf des neuen Berggeſetzes wurde in die Provinzen verſendet um durch die Preſſe und die Bergämter beurtheilt zu werden. Das Bedürfniß einer Reform war vielleicht in keinem Zweige der Geſetzgebung ſo dringend gefühlt als im Bergweſen. Nirgends aber boten ſich auch größere Schwierigkeiten. Die Kluft von drei Jahrhunderten in Sprache, Verhältniſſen und Anſichten liegt zwiſchen den letzten allgemeinen Bergordnungen und dem vorliegenden Entwurfe. Sie konnten nichts als einiges Material dazu abliefern, und ſelbſt dieſes konnte nur mit ſtrengſter Sichtung noch benutzt, der Bau ſelbſt mußte von Grund auf ein neuer werden. Schon ſeit Jahrzehnten wurde an die nothwendige allgemeine Reform der Berggeſetzgebung gedacht. Aber ſie ſcheiterie an innern und äußern Hinderniſſen. Um ſo mehr muß man ſich über den Umſchwung der Zeit wundern und freuen daß nun in der Friſt von wenigen Monaten aus den Händen der niedergeſetzten Commiſſion ein Entwurf hervorging der, wenn er auch noch manches zu wünſchen läßt, namentlich in der Schärfe des Ausdrucks und der logiſchen Unterſtellung, doch als ein unendlicher Fortſchritt betrachtet und von jedem der die Schwierigkeit der Aufgabe kennt und zu würdigen weiß, mit Anerkennung begrüßt werden muß. Ein hauptſächliches äußeres Hinderniß gegen eine allgemeine Reform beſtand in den ſogenannten böhmiſchen Bergwerks- verträgen mit den Ständen von den Jahren 1534 und 1575, wodurch dieſen die Betheiligung am Bergregal, die berggerichtliche Patrimonialgerichts- barkeit, das theilweiſe Bergwerksverleihungsrecht u. ſ. w. zugeſtanden war; dieſes äußere Hinderniß hatte das Jahr 1848 bereits beſeitigt. Tirol. * Von der Etſch, 12 Jan. Wenn die Journale der kaiſerlich- königlichen Großſtädte manchmal einen Blick herüberſchicken auf das Land Tirol, ſo ſind die Kundgebungen ihrer Einſichten und Wahrnehmungen meiſtentheils für niemanden überraſchender und lehrreicher als für die Leute welche eine heitere Ironie in dieſem „Weſtende“ oder auf dieſer „äußerſten Linken“ des Kaiſerſtaates ſitzen läßt. Freilich — daß man ſie noch mit Vorliebe im Styl der Kosmographen und Chroniciſten vergilbter Jahrhunderte als etwas ungeleckt und ſehr abſeits gelegen behandelt, ge- ſchieht vielleicht aus Achtung für ihren Conſervativismus, die Tradition vom Joſephiniſchen „Land der Unmöglichkeiten“ wagt man in den Wiener Kanzleien aus neueren Gründen auch noch nicht gänzlich aufzugeben, und die neulichen Liebenswürdigkeiten der böhmiſchen „Union“ waren gewiſſer- maßen nur Stammbuchverſe für die tiroliſchen Geſinnungsgenoſſen vom Reichstage zu Wien und Kremſter; um ſo löblicher wird hierdurch nur die Gewiſſenhaftigkeit mit welcher man hier unter ſich, ſelbſt durch die Preſſe, die Frage erörterte: „Sind die Tiroler dumm?“, und ſich für ein gründlich belegtes „Nein“ entſchied. Auffallender bleibt es aber noch daß unter jenen Mittheilungen und Eröffnungen ein großer Theil als Cor- reſpondenz „aus Tirol“ in den vornehmen Blättern erſcheint, und man ſomit die artigſten und wahrhafteſten darunter landsmänniſchem Talente *) Letztere iſt vom Miniſterium bereits beſchloſſen worden. A. d. E.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 32, 1. Februar 1850, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine32_1850/13>, abgerufen am 28.11.2024.