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Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 1. August 1914.

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1. August 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] und Oesterreich-Ungarn sich mit halben Zusagen nicht zu-
friedengegeben hat. So paradox es auch klingen mag, aber
es wäre geradezu ein Unglück für uns gewesen, wenn die
Antwort Serbiens anders gelautet hätte, denn es wären
doch nur wieder Lügen gewesen, mit denen uns diese Meister
der Verstellung hintangehalten hätten, bis es ihnen gepaßt
hätte, die Maske fallen zu lassen. Für uns aber hätte der
quälende Alpdruck fortgedauert, und die Aussichten, den
schweren Waffengang mit Erfolg zu bestehen, wären mit
jedem Jahre geringer geworden, denn Rußland wäre mit
jedem Jahre stärker geworden.

Noch ist es bis zur Stunde freilich nicht bestimmt, ob Ruß-
land, eben weil es noch nicht so gerüstet ist, wie es sein
möchte, auch wirklich als Anwalt Serbiens auf den Plan
treten und den gewaltigen Kampf mit Deutschland und
Oesterreich-Ungarn aufzunehmen wagen wird; aber es ist
ziemlich wahrscheinlich. Jedenfalls rechnet man hier damit,
in der Armee wie in der Bevölkerung. Nur auf dem Ball-
platze soll man darüber optimistischer denken.

Die Entscheidung liegt beim Zaren: besinnt er sich, daß
er der Welt eine noch nie dagewesene Tragikomödie bietet,
wenn er als Beschützer von Fürstenmördern auftritt, dann
wird er das Schwert in der Scheide lassen; vermag er diese
blutige Ironie aber nicht zu erkennen und leiht er sein Ohr
den panslawistischen Hetzern, die ja in seiner nächsten Um-
gebung leben, dann wird es zum Kriege kommen, und zwar
unter Umständen, die nicht ganz mit der Rechnung stimmen
werden, die man an der Newa und an der Seine noch vor
kurzem aufgestellt hat. Es fehlt darin nämlich ein wichtiger
Faktor: die britische Flotte; und auch die 150,000 Mann der
britischen "Expeditionary forces" waren immerhin ein er-
freuliches Pöstchen in dieser Rechnung. Nach der bisher be-
kundeten Stellung Englands wird aus der Tripleentente,
wenn es zum Kriege kommt, eine Double-Entente werden.
Das ist für den Dreibund ungemein erfreulich. Und nicht
minder erfreulich wäre es, wenn Italien seiner Bruderpflicht
gegen Deutschland voll nachkäme und sich nicht etwa bloß
mit wohlwollender Neutralität begnügte. Hoffen wir's!
Trifft dies zu, dann wird der nordische Koloß, der Europa mit
seinem Säbelrasseln so lang beständig in Atem gehalten hat,
nicht so leichtes Spiel haben und könnte zur See und zu
Lande ein zweites Tsushima erleben. Vielleicht erinnern sich
auch die Japaner daran, daß ihre Rechnung durch den
Frieden von Portsmouth nicht endgültig beglichen worden
ist. Und auch Finnländer, Polen und Ukrainer könnten die
Stunde, da ihr Bedrücker zu Felde ziehen wird, für die
Stunde ihrer Befreiung halten ...

Inzwischen wird die k. u. k. Armee mit den Meuchlern
und Räubern da unten hoffentlich fertig werden und gründ-
lich abgerechnet haben. Nicht minder mit Montenegro, wenn
dieses, wie zu erwarten, gleichfalls gegen sie Front macht.
Wir sagen mit besonderem Abdruck: die Abrechnung muß
eine gründliche sein, denn es sind schon Stimmen laut ge-
worden, die von einer bloß teilweisen Besetzung Serbiens
phantasierten und im übrigen den Weg der Verhandlungen
empfahlen. Nichts wäre törichter als dies. Nur wenn man
der großserbischen Hyder den Kopf zu Brei zerquetscht, wird
man sicher sein, daß er nicht nachwachsen wird. Auf diese
Weise wäre das Gleichgewicht auf dem Balkan nicht gestört,
und Europa könnte sich nicht über die "Ländergier" der Mon-
archie entrüsten. Diese ist wahrlich nicht auf Eroberungen
ausgegangen und hat keine Sehnsucht gehabt, noch mehr
Serben zu ihren Untertanen zu zählen, und sie hat zur Ge-
nüge bewiesen, daß sie alles eher denn eroberungslustig ist,
indem sie in den Jahren 1908, 1909, 1912 und 1913 die
Gelegenheit, Serbien zur Verantwortung zu ziehen, unbenützt
vorübergehen ließ. Nicht ihre Schuld ist es daher, wenn
Serbien nun um seine Existenz kämpft. Serbien hat es so
gewollt.



[Spaltenumbruch]
Das Manifest kaiser Franz Josefs
an seine Völker.

Der Kaiser hat nachfolgendes Handschreiben und Mani-
fest erlassen:

Lieber Graf Stürgkh!

Ich habe Mich bestimmt gefunden, den Minister Meines
Hauses und des Aeußeren zu beauftragen, der Königlich Ser-
bischen Regierung den Eintritt des Kriegszustandes zwischen
der Monarchie und Serbien zu notifizieren. In dieser schicksal-
schweren Stunde ist es Mir Bedürfnis, Mich an Meine ge-
liebten Völker zu wenden. Ich beauftrage Sie daher, das
anverwahrte Manifest zur allgemeinen Verlautbarung zu
bringen.


An meine Völker!

Es war Mein sehnlichster Wunsch, die Jahre, die Mir
durch Gottes Gnade noch beschieden sind, Werken des Frie-
dens zu weihen und Meine Völker vor den schweren Opfern
und Lasten des Krieges zu bewahren. Im Rate der Vorsehung
ward es anders beschlossen. Die Umtriebe eines haßerfüllten
Gegners zwingen Mich zur Wahrung der Ehre Meiner Mon-
archie, zum Schutze ihres Ansehens und ihrer Machtstellung,
zur Sicherung ihres Besitzstandes nach langen Jahren des
Friedens zum Schwert zu greifen. Mit rasch vergessenem
Undank hat das Königreich Serbien, das von seinen ersten
Anfängen seiner staatlichen Selbständigkeit bis in die neueste
Zeit von meinen Vorfahren und mir gestützt und gefördert
worden war, schon vor Jahren den Weg offener Feindselig-
keit gegen Oesterrreich-Ungarn betreten. Als ich nach drei
Jahrzehnten segenvoller Friedensarbeit in Bosnien und der
Herzegowina meine Herrscherrechte auf diese Länder erstreckte,
hat diese meine Verfügung im Königreich Serbien, dessen
Rechte in keiner Weise verletzt wurden, Ausbrüche zügelloser
Leidenschaft und bittersten Haß hervorgerufen. Meine Regie-
rung hat damals von dem schönen Vorrechte des Stärkeren
Gebrauch gemacht und in äußerster Nachsicht und Milde von
Serbien nur die Herabsetzung seines Heeres auf den Friedens-
stand und das Versprechen verlangt, in Hinkunft die Bahn
des Friedens und der Freundschaft zu gehen. Von demselben
Geist der Mäßigung geleitet, hat sich meine Regierung, als
Serbien vor zwei Jahren im Kampf mit dem Türkischen
Reiche begriffen war, auf die Wahrung der wichtigsten
Lebensbedingungen der Monarchie beschränkt. Dieser Hal-
tung hatte Serbien in erster Linie die Erreichung des Kriegs-
zweckes zu verdanken. Die Hoffnung, daß das serbische König-
reich die Langmut und Friedensliebe meiner Regierung wür-
digen und sein Wort einlösen werden, hat sich nicht erfüllt.
Immer höher lodert der Haß gegen Mich und Mein Haus
empor, immer unverhüllter tritt das Streben zutage, un-
trennbare Gebiete Oesterreich-Ungarns gewaltsam loszureißen.
Ein verbrecherisches Treiben greift über die Grenze, um im
Südosten der Monarchie die Grundlagen staatlicher Ordnung
zu untergraben. Das Volk, dem Ich in landesväterlicher Liebe
Meine volle Fürsorge zuwende, in seiner Treue zum Herrscher-
hause und zum Vaterlande wankend zu machen, die heran-
wachsende Jugend irrezuleiten und zu frevelhaften Taten
des Wahnwitzes und des Hochverrates aufzureizen.

Eine Reihe von Mordanschlägen, eine planmäßig vor-
bereitete Verschwörung, deren furchtbares Gelingen Mich und
Meine treuen Völker ins Herz getroffen hat, bildet die weithin
sichtbare blutige Spur jener geheimen Machenschaften, die
von Serbien aus ins Werk gesetzt und geleitet wurden. Diesem
unerträglichen Treiben muß Einhalt geboten, den unauf-
hörlichen Herausforderungen ein Ende bereitet werden, soll
die Ehre und Würde Meiner Monarchie unverletzt erhalten
und ihre staatliche, wirtschaftliche und militärische Entwicklung
vor beständigen Erschütterungen bewahrt bleiben. Vergebens
hat Meine Regierung einen letzten Versuch unternommen,
dieses Ziel mit friedlichen Mitteln zu erreichen, Serbien
durch eine ernste Mahnung zur Umkehr zu bewegen. Serbien
hat die maßvollen und gerechten Forderungen Meiner Regie-
rung zurückgewiesen und es abgelehnt, jenen Pflichten nach-
zukommen, deren Erfüllung im Leben der Völker und Staaten

1. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] und Oeſterreich-Ungarn ſich mit halben Zuſagen nicht zu-
friedengegeben hat. So paradox es auch klingen mag, aber
es wäre geradezu ein Unglück für uns geweſen, wenn die
Antwort Serbiens anders gelautet hätte, denn es wären
doch nur wieder Lügen geweſen, mit denen uns dieſe Meiſter
der Verſtellung hintangehalten hätten, bis es ihnen gepaßt
hätte, die Maske fallen zu laſſen. Für uns aber hätte der
quälende Alpdruck fortgedauert, und die Ausſichten, den
ſchweren Waffengang mit Erfolg zu beſtehen, wären mit
jedem Jahre geringer geworden, denn Rußland wäre mit
jedem Jahre ſtärker geworden.

Noch iſt es bis zur Stunde freilich nicht beſtimmt, ob Ruß-
land, eben weil es noch nicht ſo gerüſtet iſt, wie es ſein
möchte, auch wirklich als Anwalt Serbiens auf den Plan
treten und den gewaltigen Kampf mit Deutſchland und
Oeſterreich-Ungarn aufzunehmen wagen wird; aber es iſt
ziemlich wahrſcheinlich. Jedenfalls rechnet man hier damit,
in der Armee wie in der Bevölkerung. Nur auf dem Ball-
platze ſoll man darüber optimiſtiſcher denken.

Die Entſcheidung liegt beim Zaren: beſinnt er ſich, daß
er der Welt eine noch nie dageweſene Tragikomödie bietet,
wenn er als Beſchützer von Fürſtenmördern auftritt, dann
wird er das Schwert in der Scheide laſſen; vermag er dieſe
blutige Ironie aber nicht zu erkennen und leiht er ſein Ohr
den panſlawiſtiſchen Hetzern, die ja in ſeiner nächſten Um-
gebung leben, dann wird es zum Kriege kommen, und zwar
unter Umſtänden, die nicht ganz mit der Rechnung ſtimmen
werden, die man an der Newa und an der Seine noch vor
kurzem aufgeſtellt hat. Es fehlt darin nämlich ein wichtiger
Faktor: die britiſche Flotte; und auch die 150,000 Mann der
britiſchen „Expeditionary forces“ waren immerhin ein er-
freuliches Pöſtchen in dieſer Rechnung. Nach der bisher be-
kundeten Stellung Englands wird aus der Tripleentente,
wenn es zum Kriege kommt, eine Double-Entente werden.
Das iſt für den Dreibund ungemein erfreulich. Und nicht
minder erfreulich wäre es, wenn Italien ſeiner Bruderpflicht
gegen Deutſchland voll nachkäme und ſich nicht etwa bloß
mit wohlwollender Neutralität begnügte. Hoffen wir’s!
Trifft dies zu, dann wird der nordiſche Koloß, der Europa mit
ſeinem Säbelraſſeln ſo lang beſtändig in Atem gehalten hat,
nicht ſo leichtes Spiel haben und könnte zur See und zu
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auch die Japaner daran, daß ihre Rechnung durch den
Frieden von Portsmouth nicht endgültig beglichen worden
iſt. Und auch Finnländer, Polen und Ukrainer könnten die
Stunde, da ihr Bedrücker zu Felde ziehen wird, für die
Stunde ihrer Befreiung halten ...

Inzwiſchen wird die k. u. k. Armee mit den Meuchlern
und Räubern da unten hoffentlich fertig werden und gründ-
lich abgerechnet haben. Nicht minder mit Montenegro, wenn
dieſes, wie zu erwarten, gleichfalls gegen ſie Front macht.
Wir ſagen mit beſonderem Abdruck: die Abrechnung muß
eine gründliche ſein, denn es ſind ſchon Stimmen laut ge-
worden, die von einer bloß teilweiſen Beſetzung Serbiens
phantaſierten und im übrigen den Weg der Verhandlungen
empfahlen. Nichts wäre törichter als dies. Nur wenn man
der großſerbiſchen Hyder den Kopf zu Brei zerquetſcht, wird
man ſicher ſein, daß er nicht nachwachſen wird. Auf dieſe
Weiſe wäre das Gleichgewicht auf dem Balkan nicht geſtört,
und Europa könnte ſich nicht über die „Ländergier“ der Mon-
archie entrüſten. Dieſe iſt wahrlich nicht auf Eroberungen
ausgegangen und hat keine Sehnſucht gehabt, noch mehr
Serben zu ihren Untertanen zu zählen, und ſie hat zur Ge-
nüge bewieſen, daß ſie alles eher denn eroberungsluſtig iſt,
indem ſie in den Jahren 1908, 1909, 1912 und 1913 die
Gelegenheit, Serbien zur Verantwortung zu ziehen, unbenützt
vorübergehen ließ. Nicht ihre Schuld iſt es daher, wenn
Serbien nun um ſeine Exiſtenz kämpft. Serbien hat es ſo
gewollt.



[Spaltenumbruch]
Das Manifeſt kaiſer Franz Joſefs
an ſeine Völker.

Der Kaiſer hat nachfolgendes Handſchreiben und Mani-
feſt erlaſſen:

Lieber Graf Stürgkh!

Ich habe Mich beſtimmt gefunden, den Miniſter Meines
Hauſes und des Aeußeren zu beauftragen, der Königlich Ser-
biſchen Regierung den Eintritt des Kriegszuſtandes zwiſchen
der Monarchie und Serbien zu notifizieren. In dieſer ſchickſal-
ſchweren Stunde iſt es Mir Bedürfnis, Mich an Meine ge-
liebten Völker zu wenden. Ich beauftrage Sie daher, das
anverwahrte Manifeſt zur allgemeinen Verlautbarung zu
bringen.


An meine Völker!

Es war Mein ſehnlichſter Wunſch, die Jahre, die Mir
durch Gottes Gnade noch beſchieden ſind, Werken des Frie-
dens zu weihen und Meine Völker vor den ſchweren Opfern
und Laſten des Krieges zu bewahren. Im Rate der Vorſehung
ward es anders beſchloſſen. Die Umtriebe eines haßerfüllten
Gegners zwingen Mich zur Wahrung der Ehre Meiner Mon-
archie, zum Schutze ihres Anſehens und ihrer Machtſtellung,
zur Sicherung ihres Beſitzſtandes nach langen Jahren des
Friedens zum Schwert zu greifen. Mit raſch vergeſſenem
Undank hat das Königreich Serbien, das von ſeinen erſten
Anfängen ſeiner ſtaatlichen Selbſtändigkeit bis in die neueſte
Zeit von meinen Vorfahren und mir geſtützt und gefördert
worden war, ſchon vor Jahren den Weg offener Feindſelig-
keit gegen Oeſterrreich-Ungarn betreten. Als ich nach drei
Jahrzehnten ſegenvoller Friedensarbeit in Bosnien und der
Herzegowina meine Herrſcherrechte auf dieſe Länder erſtreckte,
hat dieſe meine Verfügung im Königreich Serbien, deſſen
Rechte in keiner Weiſe verletzt wurden, Ausbrüche zügelloſer
Leidenſchaft und bitterſten Haß hervorgerufen. Meine Regie-
rung hat damals von dem ſchönen Vorrechte des Stärkeren
Gebrauch gemacht und in äußerſter Nachſicht und Milde von
Serbien nur die Herabſetzung ſeines Heeres auf den Friedens-
ſtand und das Verſprechen verlangt, in Hinkunft die Bahn
des Friedens und der Freundſchaft zu gehen. Von demſelben
Geiſt der Mäßigung geleitet, hat ſich meine Regierung, als
Serbien vor zwei Jahren im Kampf mit dem Türkiſchen
Reiche begriffen war, auf die Wahrung der wichtigſten
Lebensbedingungen der Monarchie beſchränkt. Dieſer Hal-
tung hatte Serbien in erſter Linie die Erreichung des Kriegs-
zweckes zu verdanken. Die Hoffnung, daß das ſerbiſche König-
reich die Langmut und Friedensliebe meiner Regierung wür-
digen und ſein Wort einlöſen werden, hat ſich nicht erfüllt.
Immer höher lodert der Haß gegen Mich und Mein Haus
empor, immer unverhüllter tritt das Streben zutage, un-
trennbare Gebiete Oeſterreich-Ungarns gewaltſam loszureißen.
Ein verbrecheriſches Treiben greift über die Grenze, um im
Südoſten der Monarchie die Grundlagen ſtaatlicher Ordnung
zu untergraben. Das Volk, dem Ich in landesväterlicher Liebe
Meine volle Fürſorge zuwende, in ſeiner Treue zum Herrſcher-
hauſe und zum Vaterlande wankend zu machen, die heran-
wachſende Jugend irrezuleiten und zu frevelhaften Taten
des Wahnwitzes und des Hochverrates aufzureizen.

Eine Reihe von Mordanſchlägen, eine planmäßig vor-
bereitete Verſchwörung, deren furchtbares Gelingen Mich und
Meine treuen Völker ins Herz getroffen hat, bildet die weithin
ſichtbare blutige Spur jener geheimen Machenſchaften, die
von Serbien aus ins Werk geſetzt und geleitet wurden. Dieſem
unerträglichen Treiben muß Einhalt geboten, den unauf-
hörlichen Herausforderungen ein Ende bereitet werden, ſoll
die Ehre und Würde Meiner Monarchie unverletzt erhalten
und ihre ſtaatliche, wirtſchaftliche und militäriſche Entwicklung
vor beſtändigen Erſchütterungen bewahrt bleiben. Vergebens
hat Meine Regierung einen letzten Verſuch unternommen,
dieſes Ziel mit friedlichen Mitteln zu erreichen, Serbien
durch eine ernſte Mahnung zur Umkehr zu bewegen. Serbien
hat die maßvollen und gerechten Forderungen Meiner Regie-
rung zurückgewieſen und es abgelehnt, jenen Pflichten nach-
zukommen, deren Erfüllung im Leben der Völker und Staaten

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[491/0005] 1. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung und Oeſterreich-Ungarn ſich mit halben Zuſagen nicht zu- friedengegeben hat. So paradox es auch klingen mag, aber es wäre geradezu ein Unglück für uns geweſen, wenn die Antwort Serbiens anders gelautet hätte, denn es wären doch nur wieder Lügen geweſen, mit denen uns dieſe Meiſter der Verſtellung hintangehalten hätten, bis es ihnen gepaßt hätte, die Maske fallen zu laſſen. Für uns aber hätte der quälende Alpdruck fortgedauert, und die Ausſichten, den ſchweren Waffengang mit Erfolg zu beſtehen, wären mit jedem Jahre geringer geworden, denn Rußland wäre mit jedem Jahre ſtärker geworden. Noch iſt es bis zur Stunde freilich nicht beſtimmt, ob Ruß- land, eben weil es noch nicht ſo gerüſtet iſt, wie es ſein möchte, auch wirklich als Anwalt Serbiens auf den Plan treten und den gewaltigen Kampf mit Deutſchland und Oeſterreich-Ungarn aufzunehmen wagen wird; aber es iſt ziemlich wahrſcheinlich. Jedenfalls rechnet man hier damit, in der Armee wie in der Bevölkerung. Nur auf dem Ball- platze ſoll man darüber optimiſtiſcher denken. Die Entſcheidung liegt beim Zaren: beſinnt er ſich, daß er der Welt eine noch nie dageweſene Tragikomödie bietet, wenn er als Beſchützer von Fürſtenmördern auftritt, dann wird er das Schwert in der Scheide laſſen; vermag er dieſe blutige Ironie aber nicht zu erkennen und leiht er ſein Ohr den panſlawiſtiſchen Hetzern, die ja in ſeiner nächſten Um- gebung leben, dann wird es zum Kriege kommen, und zwar unter Umſtänden, die nicht ganz mit der Rechnung ſtimmen werden, die man an der Newa und an der Seine noch vor kurzem aufgeſtellt hat. Es fehlt darin nämlich ein wichtiger Faktor: die britiſche Flotte; und auch die 150,000 Mann der britiſchen „Expeditionary forces“ waren immerhin ein er- freuliches Pöſtchen in dieſer Rechnung. Nach der bisher be- kundeten Stellung Englands wird aus der Tripleentente, wenn es zum Kriege kommt, eine Double-Entente werden. Das iſt für den Dreibund ungemein erfreulich. Und nicht minder erfreulich wäre es, wenn Italien ſeiner Bruderpflicht gegen Deutſchland voll nachkäme und ſich nicht etwa bloß mit wohlwollender Neutralität begnügte. Hoffen wir’s! Trifft dies zu, dann wird der nordiſche Koloß, der Europa mit ſeinem Säbelraſſeln ſo lang beſtändig in Atem gehalten hat, nicht ſo leichtes Spiel haben und könnte zur See und zu Lande ein zweites Tſuſhima erleben. Vielleicht erinnern ſich auch die Japaner daran, daß ihre Rechnung durch den Frieden von Portsmouth nicht endgültig beglichen worden iſt. Und auch Finnländer, Polen und Ukrainer könnten die Stunde, da ihr Bedrücker zu Felde ziehen wird, für die Stunde ihrer Befreiung halten ... Inzwiſchen wird die k. u. k. Armee mit den Meuchlern und Räubern da unten hoffentlich fertig werden und gründ- lich abgerechnet haben. Nicht minder mit Montenegro, wenn dieſes, wie zu erwarten, gleichfalls gegen ſie Front macht. Wir ſagen mit beſonderem Abdruck: die Abrechnung muß eine gründliche ſein, denn es ſind ſchon Stimmen laut ge- worden, die von einer bloß teilweiſen Beſetzung Serbiens phantaſierten und im übrigen den Weg der Verhandlungen empfahlen. Nichts wäre törichter als dies. Nur wenn man der großſerbiſchen Hyder den Kopf zu Brei zerquetſcht, wird man ſicher ſein, daß er nicht nachwachſen wird. Auf dieſe Weiſe wäre das Gleichgewicht auf dem Balkan nicht geſtört, und Europa könnte ſich nicht über die „Ländergier“ der Mon- archie entrüſten. Dieſe iſt wahrlich nicht auf Eroberungen ausgegangen und hat keine Sehnſucht gehabt, noch mehr Serben zu ihren Untertanen zu zählen, und ſie hat zur Ge- nüge bewieſen, daß ſie alles eher denn eroberungsluſtig iſt, indem ſie in den Jahren 1908, 1909, 1912 und 1913 die Gelegenheit, Serbien zur Verantwortung zu ziehen, unbenützt vorübergehen ließ. Nicht ihre Schuld iſt es daher, wenn Serbien nun um ſeine Exiſtenz kämpft. Serbien hat es ſo gewollt. Theodor v. Sosnosky. Das Manifeſt kaiſer Franz Joſefs an ſeine Völker. Der Kaiſer hat nachfolgendes Handſchreiben und Mani- feſt erlaſſen: Lieber Graf Stürgkh! Ich habe Mich beſtimmt gefunden, den Miniſter Meines Hauſes und des Aeußeren zu beauftragen, der Königlich Ser- biſchen Regierung den Eintritt des Kriegszuſtandes zwiſchen der Monarchie und Serbien zu notifizieren. In dieſer ſchickſal- ſchweren Stunde iſt es Mir Bedürfnis, Mich an Meine ge- liebten Völker zu wenden. Ich beauftrage Sie daher, das anverwahrte Manifeſt zur allgemeinen Verlautbarung zu bringen. Bad Iſchl, 28. Juli 1914. Franz Joſef m. p. Stürgkh m. p. An meine Völker! Es war Mein ſehnlichſter Wunſch, die Jahre, die Mir durch Gottes Gnade noch beſchieden ſind, Werken des Frie- dens zu weihen und Meine Völker vor den ſchweren Opfern und Laſten des Krieges zu bewahren. Im Rate der Vorſehung ward es anders beſchloſſen. Die Umtriebe eines haßerfüllten Gegners zwingen Mich zur Wahrung der Ehre Meiner Mon- archie, zum Schutze ihres Anſehens und ihrer Machtſtellung, zur Sicherung ihres Beſitzſtandes nach langen Jahren des Friedens zum Schwert zu greifen. Mit raſch vergeſſenem Undank hat das Königreich Serbien, das von ſeinen erſten Anfängen ſeiner ſtaatlichen Selbſtändigkeit bis in die neueſte Zeit von meinen Vorfahren und mir geſtützt und gefördert worden war, ſchon vor Jahren den Weg offener Feindſelig- keit gegen Oeſterrreich-Ungarn betreten. Als ich nach drei Jahrzehnten ſegenvoller Friedensarbeit in Bosnien und der Herzegowina meine Herrſcherrechte auf dieſe Länder erſtreckte, hat dieſe meine Verfügung im Königreich Serbien, deſſen Rechte in keiner Weiſe verletzt wurden, Ausbrüche zügelloſer Leidenſchaft und bitterſten Haß hervorgerufen. Meine Regie- rung hat damals von dem ſchönen Vorrechte des Stärkeren Gebrauch gemacht und in äußerſter Nachſicht und Milde von Serbien nur die Herabſetzung ſeines Heeres auf den Friedens- ſtand und das Verſprechen verlangt, in Hinkunft die Bahn des Friedens und der Freundſchaft zu gehen. Von demſelben Geiſt der Mäßigung geleitet, hat ſich meine Regierung, als Serbien vor zwei Jahren im Kampf mit dem Türkiſchen Reiche begriffen war, auf die Wahrung der wichtigſten Lebensbedingungen der Monarchie beſchränkt. Dieſer Hal- tung hatte Serbien in erſter Linie die Erreichung des Kriegs- zweckes zu verdanken. Die Hoffnung, daß das ſerbiſche König- reich die Langmut und Friedensliebe meiner Regierung wür- digen und ſein Wort einlöſen werden, hat ſich nicht erfüllt. Immer höher lodert der Haß gegen Mich und Mein Haus empor, immer unverhüllter tritt das Streben zutage, un- trennbare Gebiete Oeſterreich-Ungarns gewaltſam loszureißen. Ein verbrecheriſches Treiben greift über die Grenze, um im Südoſten der Monarchie die Grundlagen ſtaatlicher Ordnung zu untergraben. Das Volk, dem Ich in landesväterlicher Liebe Meine volle Fürſorge zuwende, in ſeiner Treue zum Herrſcher- hauſe und zum Vaterlande wankend zu machen, die heran- wachſende Jugend irrezuleiten und zu frevelhaften Taten des Wahnwitzes und des Hochverrates aufzureizen. Eine Reihe von Mordanſchlägen, eine planmäßig vor- bereitete Verſchwörung, deren furchtbares Gelingen Mich und Meine treuen Völker ins Herz getroffen hat, bildet die weithin ſichtbare blutige Spur jener geheimen Machenſchaften, die von Serbien aus ins Werk geſetzt und geleitet wurden. Dieſem unerträglichen Treiben muß Einhalt geboten, den unauf- hörlichen Herausforderungen ein Ende bereitet werden, ſoll die Ehre und Würde Meiner Monarchie unverletzt erhalten und ihre ſtaatliche, wirtſchaftliche und militäriſche Entwicklung vor beſtändigen Erſchütterungen bewahrt bleiben. Vergebens hat Meine Regierung einen letzten Verſuch unternommen, dieſes Ziel mit friedlichen Mitteln zu erreichen, Serbien durch eine ernſte Mahnung zur Umkehr zu bewegen. Serbien hat die maßvollen und gerechten Forderungen Meiner Regie- rung zurückgewieſen und es abgelehnt, jenen Pflichten nach- zukommen, deren Erfüllung im Leben der Völker und Staaten

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Christopher Georgi, Susanne Haaf, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 1. August 1914, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine31_1914/5>, abgerufen am 21.11.2024.