Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 1. August 1914.1. August 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
und Oesterreich-Ungarn sich mit halben Zusagen nicht zu-friedengegeben hat. So paradox es auch klingen mag, aber es wäre geradezu ein Unglück für uns gewesen, wenn die Antwort Serbiens anders gelautet hätte, denn es wären doch nur wieder Lügen gewesen, mit denen uns diese Meister der Verstellung hintangehalten hätten, bis es ihnen gepaßt hätte, die Maske fallen zu lassen. Für uns aber hätte der quälende Alpdruck fortgedauert, und die Aussichten, den schweren Waffengang mit Erfolg zu bestehen, wären mit jedem Jahre geringer geworden, denn Rußland wäre mit jedem Jahre stärker geworden. Noch ist es bis zur Stunde freilich nicht bestimmt, ob Ruß- Die Entscheidung liegt beim Zaren: besinnt er sich, daß Inzwischen wird die k. u. k. Armee mit den Meuchlern [Spaltenumbruch] Das Manifest kaiser Franz Josefs an seine Völker. Der Kaiser hat nachfolgendes Handschreiben und Mani- Lieber Graf Stürgkh! Ich habe Mich bestimmt gefunden, den Minister Meines An meine Völker! Es war Mein sehnlichster Wunsch, die Jahre, die Mir Eine Reihe von Mordanschlägen, eine planmäßig vor- 1. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
und Oeſterreich-Ungarn ſich mit halben Zuſagen nicht zu-friedengegeben hat. So paradox es auch klingen mag, aber es wäre geradezu ein Unglück für uns geweſen, wenn die Antwort Serbiens anders gelautet hätte, denn es wären doch nur wieder Lügen geweſen, mit denen uns dieſe Meiſter der Verſtellung hintangehalten hätten, bis es ihnen gepaßt hätte, die Maske fallen zu laſſen. Für uns aber hätte der quälende Alpdruck fortgedauert, und die Ausſichten, den ſchweren Waffengang mit Erfolg zu beſtehen, wären mit jedem Jahre geringer geworden, denn Rußland wäre mit jedem Jahre ſtärker geworden. Noch iſt es bis zur Stunde freilich nicht beſtimmt, ob Ruß- Die Entſcheidung liegt beim Zaren: beſinnt er ſich, daß Inzwiſchen wird die k. u. k. Armee mit den Meuchlern [Spaltenumbruch] Das Manifeſt kaiſer Franz Joſefs an ſeine Völker. Der Kaiſer hat nachfolgendes Handſchreiben und Mani- Lieber Graf Stürgkh! Ich habe Mich beſtimmt gefunden, den Miniſter Meines An meine Völker! Es war Mein ſehnlichſter Wunſch, die Jahre, die Mir Eine Reihe von Mordanſchlägen, eine planmäßig vor- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0005" n="491"/><fw place="top" type="header">1. Auguſt 1914. <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi></fw><lb/><cb/> und Oeſterreich-Ungarn ſich mit halben Zuſagen nicht zu-<lb/> friedengegeben hat. So paradox es auch klingen mag, aber<lb/> es wäre geradezu ein Unglück für uns geweſen, wenn die<lb/> Antwort Serbiens anders gelautet hätte, denn es wären<lb/> doch nur wieder Lügen geweſen, mit denen uns dieſe Meiſter<lb/> der Verſtellung hintangehalten hätten, bis es ihnen gepaßt<lb/> hätte, die Maske fallen zu laſſen. Für uns aber hätte der<lb/> quälende Alpdruck fortgedauert, und die Ausſichten, den<lb/> ſchweren Waffengang mit Erfolg zu beſtehen, wären mit<lb/> jedem Jahre geringer geworden, denn Rußland wäre mit<lb/> jedem Jahre ſtärker geworden.</p><lb/> <p>Noch iſt es bis zur Stunde freilich nicht beſtimmt, ob Ruß-<lb/> land, eben weil es noch nicht ſo gerüſtet iſt, wie es ſein<lb/> möchte, auch wirklich als Anwalt Serbiens auf den Plan<lb/> treten und den gewaltigen Kampf mit Deutſchland und<lb/> Oeſterreich-Ungarn aufzunehmen wagen wird; aber es iſt<lb/> ziemlich wahrſcheinlich. Jedenfalls rechnet man hier damit,<lb/> in der Armee wie in der Bevölkerung. Nur auf dem Ball-<lb/> platze ſoll man darüber optimiſtiſcher denken.</p><lb/> <p>Die Entſcheidung liegt beim Zaren: beſinnt er ſich, daß<lb/> er der Welt eine noch nie dageweſene Tragikomödie bietet,<lb/> wenn er als Beſchützer von Fürſtenmördern auftritt, dann<lb/> wird er das Schwert in der Scheide laſſen; vermag er dieſe<lb/> blutige Ironie aber nicht zu erkennen und leiht er ſein Ohr<lb/> den panſlawiſtiſchen Hetzern, die ja in ſeiner nächſten Um-<lb/> gebung leben, dann wird es zum Kriege kommen, und zwar<lb/> unter Umſtänden, die nicht ganz mit der Rechnung ſtimmen<lb/> werden, die man an der Newa und an der Seine noch vor<lb/> kurzem aufgeſtellt hat. Es fehlt darin nämlich ein wichtiger<lb/> Faktor: die britiſche Flotte; und auch die 150,000 Mann der<lb/> britiſchen „Expeditionary forces“ waren immerhin ein er-<lb/> freuliches Pöſtchen in dieſer Rechnung. Nach der bisher be-<lb/> kundeten Stellung Englands wird aus der Tripleentente,<lb/> wenn es zum Kriege kommt, eine Double-Entente werden.<lb/> Das iſt für den Dreibund ungemein erfreulich. Und nicht<lb/> minder erfreulich wäre es, wenn Italien ſeiner Bruderpflicht<lb/> gegen Deutſchland voll nachkäme und ſich nicht etwa bloß<lb/> mit wohlwollender Neutralität begnügte. Hoffen wir’s!<lb/> Trifft dies zu, dann wird der nordiſche Koloß, der Europa mit<lb/> ſeinem Säbelraſſeln ſo lang beſtändig in Atem gehalten hat,<lb/> nicht ſo leichtes Spiel haben und könnte zur See und zu<lb/> Lande ein zweites Tſuſhima erleben. Vielleicht erinnern ſich<lb/> auch die Japaner daran, daß ihre Rechnung durch den<lb/> Frieden von Portsmouth nicht endgültig beglichen worden<lb/> iſt. Und auch Finnländer, Polen und Ukrainer könnten die<lb/> Stunde, da ihr Bedrücker zu Felde ziehen wird, für die<lb/> Stunde ihrer Befreiung halten ...</p><lb/> <p>Inzwiſchen wird die k. u. k. Armee mit den Meuchlern<lb/> und Räubern da unten hoffentlich fertig werden und gründ-<lb/> lich abgerechnet haben. Nicht minder mit Montenegro, wenn<lb/> dieſes, wie zu erwarten, gleichfalls gegen ſie Front macht.<lb/> Wir ſagen mit beſonderem Abdruck: die Abrechnung muß<lb/> eine gründliche ſein, denn es ſind ſchon Stimmen laut ge-<lb/> worden, die von einer bloß teilweiſen Beſetzung Serbiens<lb/> phantaſierten und im übrigen den Weg der Verhandlungen<lb/> empfahlen. Nichts wäre törichter als dies. Nur wenn man<lb/> der großſerbiſchen Hyder den Kopf zu Brei zerquetſcht, wird<lb/> man ſicher ſein, daß er nicht nachwachſen wird. Auf dieſe<lb/> Weiſe wäre das Gleichgewicht auf dem Balkan nicht geſtört,<lb/> und Europa könnte ſich nicht über die „Ländergier“ der Mon-<lb/> archie entrüſten. Dieſe iſt wahrlich nicht auf Eroberungen<lb/> ausgegangen und hat keine Sehnſucht gehabt, noch mehr<lb/> Serben zu ihren Untertanen zu zählen, und ſie hat zur Ge-<lb/> nüge bewieſen, daß ſie alles eher denn eroberungsluſtig iſt,<lb/> indem ſie in den Jahren 1908, 1909, 1912 und 1913 die<lb/> Gelegenheit, Serbien zur Verantwortung zu ziehen, unbenützt<lb/> vorübergehen ließ. Nicht ihre Schuld iſt es daher, wenn<lb/> Serbien nun um ſeine Exiſtenz kämpft. Serbien hat es ſo<lb/> gewollt.</p><lb/> <byline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Theodor v. 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Mit raſch vergeſſenem<lb/> Undank hat das Königreich Serbien, das von ſeinen erſten<lb/> Anfängen ſeiner ſtaatlichen Selbſtändigkeit bis in die neueſte<lb/> Zeit von meinen Vorfahren und mir geſtützt und gefördert<lb/> worden war, ſchon vor Jahren den Weg offener Feindſelig-<lb/> keit gegen Oeſterrreich-Ungarn betreten. Als ich nach drei<lb/> Jahrzehnten ſegenvoller Friedensarbeit in Bosnien und der<lb/> Herzegowina meine Herrſcherrechte auf dieſe Länder erſtreckte,<lb/> hat dieſe meine Verfügung im Königreich Serbien, deſſen<lb/> Rechte in keiner Weiſe verletzt wurden, Ausbrüche zügelloſer<lb/> Leidenſchaft und bitterſten Haß hervorgerufen. Meine Regie-<lb/> rung hat damals von dem ſchönen Vorrechte des Stärkeren<lb/> Gebrauch gemacht und in äußerſter Nachſicht und Milde von<lb/> Serbien nur die Herabſetzung ſeines Heeres auf den Friedens-<lb/> ſtand und das Verſprechen verlangt, in Hinkunft die Bahn<lb/> des Friedens und der Freundſchaft zu gehen. Von demſelben<lb/> Geiſt der Mäßigung geleitet, hat ſich meine Regierung, als<lb/> Serbien vor zwei Jahren im Kampf mit dem Türkiſchen<lb/> Reiche begriffen war, auf die Wahrung der wichtigſten<lb/> Lebensbedingungen der Monarchie beſchränkt. Dieſer Hal-<lb/> tung hatte Serbien in erſter Linie die Erreichung des Kriegs-<lb/> zweckes zu verdanken. Die Hoffnung, daß das ſerbiſche König-<lb/> reich die Langmut und Friedensliebe meiner Regierung wür-<lb/> digen und ſein Wort einlöſen werden, hat ſich nicht erfüllt.<lb/> Immer höher lodert der Haß gegen Mich und Mein Haus<lb/> empor, immer unverhüllter tritt das Streben zutage, un-<lb/> trennbare Gebiete Oeſterreich-Ungarns gewaltſam loszureißen.<lb/> Ein verbrecheriſches Treiben greift über die Grenze, um im<lb/> Südoſten der Monarchie die Grundlagen ſtaatlicher Ordnung<lb/> zu untergraben. Das Volk, dem Ich in landesväterlicher Liebe<lb/> Meine volle Fürſorge zuwende, in ſeiner Treue zum Herrſcher-<lb/> hauſe und zum Vaterlande wankend zu machen, die heran-<lb/> wachſende Jugend irrezuleiten und zu frevelhaften Taten<lb/> des Wahnwitzes und des Hochverrates aufzureizen.</p><lb/> <p>Eine Reihe von Mordanſchlägen, eine planmäßig vor-<lb/> bereitete Verſchwörung, deren furchtbares Gelingen Mich und<lb/> Meine treuen Völker ins Herz getroffen hat, bildet die weithin<lb/> ſichtbare blutige Spur jener geheimen Machenſchaften, die<lb/> von Serbien aus ins Werk geſetzt und geleitet wurden. Dieſem<lb/> unerträglichen Treiben muß Einhalt geboten, den unauf-<lb/> hörlichen Herausforderungen ein Ende bereitet werden, ſoll<lb/> die Ehre und Würde Meiner Monarchie unverletzt erhalten<lb/> und ihre ſtaatliche, wirtſchaftliche und militäriſche Entwicklung<lb/> vor beſtändigen Erſchütterungen bewahrt bleiben. Vergebens<lb/> hat Meine Regierung einen letzten Verſuch unternommen,<lb/> dieſes Ziel mit friedlichen Mitteln zu erreichen, Serbien<lb/> durch eine ernſte Mahnung zur Umkehr zu bewegen. Serbien<lb/> hat die maßvollen und gerechten Forderungen Meiner Regie-<lb/> rung zurückgewieſen und es abgelehnt, jenen Pflichten nach-<lb/> zukommen, deren Erfüllung im Leben der Völker und Staaten<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [491/0005]
1. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
und Oeſterreich-Ungarn ſich mit halben Zuſagen nicht zu-
friedengegeben hat. So paradox es auch klingen mag, aber
es wäre geradezu ein Unglück für uns geweſen, wenn die
Antwort Serbiens anders gelautet hätte, denn es wären
doch nur wieder Lügen geweſen, mit denen uns dieſe Meiſter
der Verſtellung hintangehalten hätten, bis es ihnen gepaßt
hätte, die Maske fallen zu laſſen. Für uns aber hätte der
quälende Alpdruck fortgedauert, und die Ausſichten, den
ſchweren Waffengang mit Erfolg zu beſtehen, wären mit
jedem Jahre geringer geworden, denn Rußland wäre mit
jedem Jahre ſtärker geworden.
Noch iſt es bis zur Stunde freilich nicht beſtimmt, ob Ruß-
land, eben weil es noch nicht ſo gerüſtet iſt, wie es ſein
möchte, auch wirklich als Anwalt Serbiens auf den Plan
treten und den gewaltigen Kampf mit Deutſchland und
Oeſterreich-Ungarn aufzunehmen wagen wird; aber es iſt
ziemlich wahrſcheinlich. Jedenfalls rechnet man hier damit,
in der Armee wie in der Bevölkerung. Nur auf dem Ball-
platze ſoll man darüber optimiſtiſcher denken.
Die Entſcheidung liegt beim Zaren: beſinnt er ſich, daß
er der Welt eine noch nie dageweſene Tragikomödie bietet,
wenn er als Beſchützer von Fürſtenmördern auftritt, dann
wird er das Schwert in der Scheide laſſen; vermag er dieſe
blutige Ironie aber nicht zu erkennen und leiht er ſein Ohr
den panſlawiſtiſchen Hetzern, die ja in ſeiner nächſten Um-
gebung leben, dann wird es zum Kriege kommen, und zwar
unter Umſtänden, die nicht ganz mit der Rechnung ſtimmen
werden, die man an der Newa und an der Seine noch vor
kurzem aufgeſtellt hat. Es fehlt darin nämlich ein wichtiger
Faktor: die britiſche Flotte; und auch die 150,000 Mann der
britiſchen „Expeditionary forces“ waren immerhin ein er-
freuliches Pöſtchen in dieſer Rechnung. Nach der bisher be-
kundeten Stellung Englands wird aus der Tripleentente,
wenn es zum Kriege kommt, eine Double-Entente werden.
Das iſt für den Dreibund ungemein erfreulich. Und nicht
minder erfreulich wäre es, wenn Italien ſeiner Bruderpflicht
gegen Deutſchland voll nachkäme und ſich nicht etwa bloß
mit wohlwollender Neutralität begnügte. Hoffen wir’s!
Trifft dies zu, dann wird der nordiſche Koloß, der Europa mit
ſeinem Säbelraſſeln ſo lang beſtändig in Atem gehalten hat,
nicht ſo leichtes Spiel haben und könnte zur See und zu
Lande ein zweites Tſuſhima erleben. Vielleicht erinnern ſich
auch die Japaner daran, daß ihre Rechnung durch den
Frieden von Portsmouth nicht endgültig beglichen worden
iſt. Und auch Finnländer, Polen und Ukrainer könnten die
Stunde, da ihr Bedrücker zu Felde ziehen wird, für die
Stunde ihrer Befreiung halten ...
Inzwiſchen wird die k. u. k. Armee mit den Meuchlern
und Räubern da unten hoffentlich fertig werden und gründ-
lich abgerechnet haben. Nicht minder mit Montenegro, wenn
dieſes, wie zu erwarten, gleichfalls gegen ſie Front macht.
Wir ſagen mit beſonderem Abdruck: die Abrechnung muß
eine gründliche ſein, denn es ſind ſchon Stimmen laut ge-
worden, die von einer bloß teilweiſen Beſetzung Serbiens
phantaſierten und im übrigen den Weg der Verhandlungen
empfahlen. Nichts wäre törichter als dies. Nur wenn man
der großſerbiſchen Hyder den Kopf zu Brei zerquetſcht, wird
man ſicher ſein, daß er nicht nachwachſen wird. Auf dieſe
Weiſe wäre das Gleichgewicht auf dem Balkan nicht geſtört,
und Europa könnte ſich nicht über die „Ländergier“ der Mon-
archie entrüſten. Dieſe iſt wahrlich nicht auf Eroberungen
ausgegangen und hat keine Sehnſucht gehabt, noch mehr
Serben zu ihren Untertanen zu zählen, und ſie hat zur Ge-
nüge bewieſen, daß ſie alles eher denn eroberungsluſtig iſt,
indem ſie in den Jahren 1908, 1909, 1912 und 1913 die
Gelegenheit, Serbien zur Verantwortung zu ziehen, unbenützt
vorübergehen ließ. Nicht ihre Schuld iſt es daher, wenn
Serbien nun um ſeine Exiſtenz kämpft. Serbien hat es ſo
gewollt.
Theodor v. Sosnosky.
Das Manifeſt kaiſer Franz Joſefs
an ſeine Völker.
Der Kaiſer hat nachfolgendes Handſchreiben und Mani-
feſt erlaſſen:
Lieber Graf Stürgkh!
Ich habe Mich beſtimmt gefunden, den Miniſter Meines
Hauſes und des Aeußeren zu beauftragen, der Königlich Ser-
biſchen Regierung den Eintritt des Kriegszuſtandes zwiſchen
der Monarchie und Serbien zu notifizieren. In dieſer ſchickſal-
ſchweren Stunde iſt es Mir Bedürfnis, Mich an Meine ge-
liebten Völker zu wenden. Ich beauftrage Sie daher, das
anverwahrte Manifeſt zur allgemeinen Verlautbarung zu
bringen.
Bad Iſchl, 28. Juli 1914.
Franz Joſef m. p. Stürgkh m. p.
An meine Völker!
Es war Mein ſehnlichſter Wunſch, die Jahre, die Mir
durch Gottes Gnade noch beſchieden ſind, Werken des Frie-
dens zu weihen und Meine Völker vor den ſchweren Opfern
und Laſten des Krieges zu bewahren. Im Rate der Vorſehung
ward es anders beſchloſſen. Die Umtriebe eines haßerfüllten
Gegners zwingen Mich zur Wahrung der Ehre Meiner Mon-
archie, zum Schutze ihres Anſehens und ihrer Machtſtellung,
zur Sicherung ihres Beſitzſtandes nach langen Jahren des
Friedens zum Schwert zu greifen. Mit raſch vergeſſenem
Undank hat das Königreich Serbien, das von ſeinen erſten
Anfängen ſeiner ſtaatlichen Selbſtändigkeit bis in die neueſte
Zeit von meinen Vorfahren und mir geſtützt und gefördert
worden war, ſchon vor Jahren den Weg offener Feindſelig-
keit gegen Oeſterrreich-Ungarn betreten. Als ich nach drei
Jahrzehnten ſegenvoller Friedensarbeit in Bosnien und der
Herzegowina meine Herrſcherrechte auf dieſe Länder erſtreckte,
hat dieſe meine Verfügung im Königreich Serbien, deſſen
Rechte in keiner Weiſe verletzt wurden, Ausbrüche zügelloſer
Leidenſchaft und bitterſten Haß hervorgerufen. Meine Regie-
rung hat damals von dem ſchönen Vorrechte des Stärkeren
Gebrauch gemacht und in äußerſter Nachſicht und Milde von
Serbien nur die Herabſetzung ſeines Heeres auf den Friedens-
ſtand und das Verſprechen verlangt, in Hinkunft die Bahn
des Friedens und der Freundſchaft zu gehen. Von demſelben
Geiſt der Mäßigung geleitet, hat ſich meine Regierung, als
Serbien vor zwei Jahren im Kampf mit dem Türkiſchen
Reiche begriffen war, auf die Wahrung der wichtigſten
Lebensbedingungen der Monarchie beſchränkt. Dieſer Hal-
tung hatte Serbien in erſter Linie die Erreichung des Kriegs-
zweckes zu verdanken. Die Hoffnung, daß das ſerbiſche König-
reich die Langmut und Friedensliebe meiner Regierung wür-
digen und ſein Wort einlöſen werden, hat ſich nicht erfüllt.
Immer höher lodert der Haß gegen Mich und Mein Haus
empor, immer unverhüllter tritt das Streben zutage, un-
trennbare Gebiete Oeſterreich-Ungarns gewaltſam loszureißen.
Ein verbrecheriſches Treiben greift über die Grenze, um im
Südoſten der Monarchie die Grundlagen ſtaatlicher Ordnung
zu untergraben. Das Volk, dem Ich in landesväterlicher Liebe
Meine volle Fürſorge zuwende, in ſeiner Treue zum Herrſcher-
hauſe und zum Vaterlande wankend zu machen, die heran-
wachſende Jugend irrezuleiten und zu frevelhaften Taten
des Wahnwitzes und des Hochverrates aufzureizen.
Eine Reihe von Mordanſchlägen, eine planmäßig vor-
bereitete Verſchwörung, deren furchtbares Gelingen Mich und
Meine treuen Völker ins Herz getroffen hat, bildet die weithin
ſichtbare blutige Spur jener geheimen Machenſchaften, die
von Serbien aus ins Werk geſetzt und geleitet wurden. Dieſem
unerträglichen Treiben muß Einhalt geboten, den unauf-
hörlichen Herausforderungen ein Ende bereitet werden, ſoll
die Ehre und Würde Meiner Monarchie unverletzt erhalten
und ihre ſtaatliche, wirtſchaftliche und militäriſche Entwicklung
vor beſtändigen Erſchütterungen bewahrt bleiben. Vergebens
hat Meine Regierung einen letzten Verſuch unternommen,
dieſes Ziel mit friedlichen Mitteln zu erreichen, Serbien
durch eine ernſte Mahnung zur Umkehr zu bewegen. Serbien
hat die maßvollen und gerechten Forderungen Meiner Regie-
rung zurückgewieſen und es abgelehnt, jenen Pflichten nach-
zukommen, deren Erfüllung im Leben der Völker und Staaten
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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