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Allgemeine Zeitung, Nr. 168, 16. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch]
Schweiz.

Der Geist in welchem das Genfer Schützenfest
gefeiert wird, ist wohl durch die Rede welche Hr. Carteret bei dem gestrigen
Bankett hielt am besten bezeichnet. Er sagte darin unter anderm: "Man
redet in der Schweiz drei verschiedene Sprachen, allein die Unabhängigkeit
wird überall in demselben Sinn aufgefaßt, und Freiheit, liberta und liberte
sind ein und dasselbe Wort für alle Schweizer. Diejenigen welche heute
unsere Freiheit bedrohen, wagen sich unsere Freunde zu nennen, allein wir
kennen sie, und werden ihren Verlockungen kein Gehör schenken.... Wir
werden wachsam seyn, wir werden alle geradezu Verräther nennen welche
mit ihren Bürgerpflichten zu capituliren geneigt seyn sollten; die Nation wird
jedem ins Gesicht spucken welcher versuchen sollte in Unterhandlungen mit
denen zu treten die wir für unsere Feinde halten müssen. Genf wird sich
trotz seiner Schwäche zu vertheidigen wissen, und sollte man irgendwo von
einer Anuexion träumen, so würde man hier nur Leichen und Trümmerhaufen
annexiren. Die Schweiz kann auf uns zählen, wie wir auf sie zählen!"
Indem der Redner dann ein Hoch auf die Eidgenoff enschaft ausbrachte, schloß
er mit den von seiner gewaltigen Stimme weithin getragenen Worten: "Ver-
wandelt, ihr eidgenösfischen Brüder, wenn es seyn muß, unser blühendes
Genf, das wir so sehr verschönt haben, in Ruinen; möge es lieber ein
Trümmerhaufe seyn als französisch!
" Das war jedenfalls starker
Tabak für die chauvinistischen Spürnasen die sich in den weiten Räumen des
Festlocals zahlreich umhertrieben. Aber Carterets Rede hatte die rechten
Worte gefunden, welche die schweizerischen Herzen begeistern. In der "An-
nexion" war auch das Stichwort für die Heiterkeit und den Witz des Tages
gegeben. Während die Schützen mit Eifer dem fröhlichen Waffenwerk ob-
lagen, drängte sich eine unabsehbare Menschenmasse um den Gabenpavillon
und in den Buden des Festplatzes, wie auf den Straßen und in den zahllosen
Schenken des Städtchens Carouge bis tief in die Nacht hinein. Von den
beim heutigen Bankett gehaltenen Reden notiren wir die J. Fazy's, die freilich
weit diplomatischer und allgemeiner gehalten war als Carterets ehrliche, aber
ungestüme Donnerworte. Hr. Fazy erinnerte an den kleinen Anfang der
schweizerischen Eidgenoffenschaft, dann an die Schlacht von Murten, wo
30,000 Schweizer gegen 50,000 Burgunder standen, und siegten. Auch heute
ist das Verhältniß ähnlich zwischen den schweizerischen und den Truppen
"welche gezogene Kanonen haben." "Vielleicht," schloß der Redner, "werden
wir bald den Boden zu vertheidigen haben den uns unsere Vorfahren hinter-
ließen. Wir haben die Ueberzeugung daß dann alle Theile des schweizerischen
Vaterlandes, auch die entferntesten und am meisten ausgesetzten, für die
Schweiz geheiligt sind, und energisch vertheidigt werden!" Staatsrath Buy
brachte ein Hoch auf die schweizerischen Besatzungstruppen von Genf aus.
Auch der heutige Tag verlief unter großer Betheiligung der Bevölkerung von
Stadt und Land an dem patriotischen Fest. Für Donnerstag ist eine Anzahl
Deputationen aus dem Waadtland angesagt.



Afrika.

Die "Cleopatra" hat eine Post von der Westküste Afrika's über-
bracht. Die französische Fregatte "Licorne" hatte die Stadt Bonny heim-
gesucht, und eine angeblich lang ausstehende Geldschuld (afrikanischer Kauf-
leute an eine französische Firma) durch eine Bombardementsdrohung einge-
trieben. Die spanischen Auswanderer giengen so rasch als möglich von
Fernando-Po fort wegen der furchtbaren Sterblichkeit unter ihnen. Hr. Mann
hatte den Pic von Fernando-Po bestiegen -- ein Wagstück das außer ihm
nur noch einem Mann, dem Governor Beacroft, bis jetzt gelungen ist. --
In Lagos grasstrten Fieber und Krieg unter den Eingebornen, Geschäft war
daher flau. -- Der "Euryalus" war am 27 in Teneriffa gewesen, und am
30 nach Bahia gesegelt. Während das Schiff dort lag, bestieg Prinz Alfred
den Pic, trotz der auf dem Berge liegenden Schneemassen. Der Winter war
sehr streng gewesen. Der Prinz reiste incognito, wurde jedoch erkannt und
erhielt eine warme Aufnahme. Der Euryalus berührte auch Malta, wo der
Prinz einem Ball beim Consul beiwohnte, und im englischen Club Cricket
spielte. (E. Bl.)



China.

Eine Correspondenz der Daily News d. d. Hongkong, 31 April,
schildert die Vorbereitungen zum Kriegszug nach Nord-China als riesen-
haft. Der Hafen lag voll von Fahrzeugen zur Vers chiffung von Infan-
terie, Reiterei, Artillerie, Vorräthen aller Art. Der Generalquartiermeister-
stab hatte Tag und Nacht alle Hände voll zu thun. Von Commissariats-
beamten in glänzender Uniform war eine ganze Legion vorhanden. In Ver-
leg enheit war man wegen der Mittel zum Landtransport. Man erwartete
nicht weniger als 5000 Lastthiere, darunter Bullen von Japan und Manilla.
Für die Lastpferde sollten Packsättel auf Hongkong angefertigt werden, aber
die Chinesen verstehen sie nicht zu machen, und so wird man sie aus Indien
kommen lassen. Und dazu fürchtet man daß die japanesischen Ponies so
[Spaltenumbruch] störrig seyn werden wie die indischen. Neben dem aus England angekom-
menen Militär-Train, der in drei Bataillone getheilt ist, hat man das chine-
sische Kuliscorps, scherzweise die "Bambusschützen" genannt, weil jeder ein
großes Bambusrohr über den Achseln trägt, an dem seine Gepäcklast hängt.
Solcher Bursche werden nicht weniger als 6000 nach dem Golf von Pe-tsche-li
mitgenommen; jeder erhält, außer freier Beköstigung, 9 Dollars monatlich.
Sie laufen aber gern davon wenn sie Geld vorauserhalten. Außerdem wird
eine Menge von Wagen und Karren mitgenommen; man weiß aber noch nicht
ob man sie auf dem Wege nach Peking wird brauchen können. Kurz, die "im-
pedimenta
" -- wie Julius Cäsar bezeichnend das Gepäck nennt, und welche
bei einem asiatischen Feldzug den Bedarf eines europäischen weit übersteigen
-- sind in Masse vorhanden. An Armstrong-Kanonen ist kein Man-
gel; es sind meist Zwölfpfünder, und sie erregen auch die Bewunderung der
Chinesen. Man hofft damit einem tatarischen General, oder chinesischen
Mandarin, auf 2 engl. Meilen Entfernung den Zopf von der Wurzel weg-
zus chießen.



Telegraphische Berichte.

Der preußische Gesandte machte offi-
cielle Erklärungen
über die Zusammenkunft in Baden-Baden,
welche auch die leisesten Bedenken heben. Die Angabe:
Oesterreich stelle Neapel Truppen zur Verfügung, wird dementirt.


Prinz Wilhelm von Baden er-
wartet den französischen Kaiser, der eben hier durchpassirte, in Kehl.



Neueste Posten.

Wir hören von sehr bewährter Seite
versichern daß die Versuche, sowohl in den schwebenden europäischen als vor
allen Dingen in den deutschen Fragen eine Verständigung zwischen Oesterreich
und Preußen zuwege zu bringen, in der allerneuesten Zeit ein über alle Er-
wartung befriedigendes Resultat gehabt haben, und daß in kürzester Frist die
Thatsache der erfolgten Einigung in einem Act zu Tage treten wird der jeden
weitern Zweifel ausschließt. (Karlsr. Ztg.)

Auf der Tagesordnung der heutigen
Bundestagssitzung stand unter anderm auch das Anlehensgesuch des Staats-
raths Fischer; die Abstimmung wurde jedoch aus äußern Ursachen auf die
nächste Sitzung verschoben, in welcher wohl auch die Vorlage der neuen kur-
hessischen Verfassung zum Zweck der Garantie-Einholung erfolgen wird. Heute
wurde die Rechtsverwahrung des Kasseler Stadtraths eingereicht und der Re-
clamationscommission zugewiesen. Sonst kamen nur unerhebliche Bundes-
festungsangelegenheiten zur Verhandlung. Hr. v. Usedom, welcher dem
Prinz-Regenten auf seiner Durchreise nach Baden bis Heidelberg das Geleite
gibt, war durch Frhrn. v. Kübeck vertreten, und die Gesandten von König-
reich Sachsen und Kurhessen, welche ebenfalls fehlten, durch die HH. v. d. Pford-
ten und Münch Bellinghausen.

Ihre Maj. die Königin Marie ist gestern
Abends, von Wildbad kommend, wo sie den schon erwähnten Besuch bei der
Kaiserin-Mutter von Rußland abstattete, wieder hier eingetroffen, und im
Bahnhof von JJ. kk. HH. dem Prinzen Luitpold und dem Prinzen und der
Prinzessin Adalbert empfangen worden. Prinz Luitpold, der Kriegs-
minister und mehrere andere Generale sind diesen Morgen nach Tegernsee
abgegangen, wo heute der ruhmgekrönte Feldmarschall und Generalinspector
des bayerischen Heers, Prinz Karl von Bayern, in stiller Zurückgezogenheit das
Jubiläum seiner mit doppelter Anrechnung der drei Feldzugsjahre 1813,
1814 und 1815 vollendeten fünfzig Dienstjahre begeht, um demselben die
Glückwünsche der Armee und ihre eigenen darzubringen. Prinz Luitpold
überbringt außerdem die Glückwünsche Sr. Maj. des Königs, als des obersten
Kriegsherrn, und das Ehrenkreuz des Ludwigsordens. Am 15 Jun. 1813
war der damals erst 18 Jahre zählende Prinz in das Heer eingetreten, und
hat sich alsbald in den Schlachten von Hanau, Brienne, Bar sur Aube, Arcis
und Grand-Torcy u. s. w. durch Muth, Umsicht und Tapferkeit mit hohem
Ruhm bedeckt. Die höchsten militärischen Auszeichnungen wie der öster-
reichische Maria-Theresten-Orden, der bayerische Militär-Max-Josephs-
Orden (für die Schlacht von Brienne 1 Febr. 1814) und zahlreiche andere
wurden dem Prinzen zu Theil, der seit dem Tode des Feldmarschalls Fürsten
Wrede als Feldmarschall und Generalinspector an der Spitze des ganzen
bayerischen Heers steht, und 1848 von der damaligen Reichscentralgewalt
auch mit dem Oberbefehl sämmtlicher gegen die Aufstandsversuche Heckers im
Schwarzwald aufgebotenen deutschen Reichstruppen betrant gewesen war.
Möge der Himmel den greisen Prinzen und Feldhern, der auch jetzt noch wie
im vorigen Jahr bereitwilligst einem abermaligen Ruf des Königs und des
Vaterlandes folgen und der Armee ein bewährter Führer seyn würde, noch
lange Jahre dem Dienst des Monarchen und des Landes erhalten!

[Spaltenumbruch]
Schweiz.

Der Geiſt in welchem das Genfer Schützenfeſt
gefeiert wird, iſt wohl durch die Rede welche Hr. Carteret bei dem geſtrigen
Bankett hielt am beſten bezeichnet. Er ſagte darin unter anderm: „Man
redet in der Schweiz drei verſchiedene Sprachen, allein die Unabhängigkeit
wird überall in demſelben Sinn aufgefaßt, und Freiheit, libertà und liberté
ſind ein und dasſelbe Wort für alle Schweizer. Diejenigen welche heute
unſere Freiheit bedrohen, wagen ſich unſere Freunde zu nennen, allein wir
kennen ſie, und werden ihren Verlockungen kein Gehör ſchenken.... Wir
werden wachſam ſeyn, wir werden alle geradezu Verräther nennen welche
mit ihren Bürgerpflichten zu capituliren geneigt ſeyn ſollten; die Nation wird
jedem ins Geſicht ſpucken welcher verſuchen ſollte in Unterhandlungen mit
denen zu treten die wir für unſere Feinde halten müſſen. Genf wird ſich
trotz ſeiner Schwäche zu vertheidigen wiſſen, und ſollte man irgendwo von
einer Anuexion träumen, ſo würde man hier nur Leichen und Trümmerhaufen
annexiren. Die Schweiz kann auf uns zählen, wie wir auf ſie zählen!“
Indem der Redner dann ein Hoch auf die Eidgenoff enſchaft ausbrachte, ſchloß
er mit den von ſeiner gewaltigen Stimme weithin getragenen Worten: „Ver-
wandelt, ihr eidgenöſfiſchen Brüder, wenn es ſeyn muß, unſer blühendes
Genf, das wir ſo ſehr verſchönt haben, in Ruinen; möge es lieber ein
Trümmerhaufe ſeyn als franzöſiſch!
“ Das war jedenfalls ſtarker
Tabak für die chauviniſtiſchen Spürnaſen die ſich in den weiten Räumen des
Feſtlocals zahlreich umhertrieben. Aber Carterets Rede hatte die rechten
Worte gefunden, welche die ſchweizeriſchen Herzen begeiſtern. In der „An-
nexion“ war auch das Stichwort für die Heiterkeit und den Witz des Tages
gegeben. Während die Schützen mit Eifer dem fröhlichen Waffenwerk ob-
lagen, drängte ſich eine unabſehbare Menſchenmaſſe um den Gabenpavillon
und in den Buden des Feſtplatzes, wie auf den Straßen und in den zahlloſen
Schenken des Städtchens Carouge bis tief in die Nacht hinein. Von den
beim heutigen Bankett gehaltenen Reden notiren wir die J. Fazy’s, die freilich
weit diplomatiſcher und allgemeiner gehalten war als Carterets ehrliche, aber
ungeſtüme Donnerworte. Hr. Fazy erinnerte an den kleinen Anfang der
ſchweizeriſchen Eidgenoffenſchaft, dann an die Schlacht von Murten, wo
30,000 Schweizer gegen 50,000 Burgunder ſtanden, und ſiegten. Auch heute
iſt das Verhältniß ähnlich zwiſchen den ſchweizeriſchen und den Truppen
„welche gezogene Kanonen haben.“ „Vielleicht,“ ſchloß der Redner, „werden
wir bald den Boden zu vertheidigen haben den uns unſere Vorfahren hinter-
ließen. Wir haben die Ueberzeugung daß dann alle Theile des ſchweizeriſchen
Vaterlandes, auch die entfernteſten und am meiſten ausgeſetzten, für die
Schweiz geheiligt ſind, und energiſch vertheidigt werden!“ Staatsrath Buy
brachte ein Hoch auf die ſchweizeriſchen Beſatzungstruppen von Genf aus.
Auch der heutige Tag verlief unter großer Betheiligung der Bevölkerung von
Stadt und Land an dem patriotiſchen Feſt. Für Donnerſtag iſt eine Anzahl
Deputationen aus dem Waadtland angeſagt.



Afrika.

Die „Cleopatra“ hat eine Poſt von der Weſtküſte Afrika’s über-
bracht. Die franzöſiſche Fregatte „Licorne“ hatte die Stadt Bonny heim-
geſucht, und eine angeblich lang ausſtehende Geldſchuld (afrikaniſcher Kauf-
leute an eine franzöſiſche Firma) durch eine Bombardementsdrohung einge-
trieben. Die ſpaniſchen Auswanderer giengen ſo raſch als möglich von
Fernando-Po fort wegen der furchtbaren Sterblichkeit unter ihnen. Hr. Mann
hatte den Pic von Fernando-Po beſtiegen — ein Wagſtück das außer ihm
nur noch einem Mann, dem Governor Beacroft, bis jetzt gelungen iſt. —
In Lagos graſſtrten Fieber und Krieg unter den Eingebornen, Geſchäft war
daher flau. — Der „Euryalus“ war am 27 in Teneriffa geweſen, und am
30 nach Bahia geſegelt. Während das Schiff dort lag, beſtieg Prinz Alfred
den Pic, trotz der auf dem Berge liegenden Schneemaſſen. Der Winter war
ſehr ſtreng geweſen. Der Prinz reiste incognito, wurde jedoch erkannt und
erhielt eine warme Aufnahme. Der Euryalus berührte auch Malta, wo der
Prinz einem Ball beim Conſul beiwohnte, und im engliſchen Club Cricket
ſpielte. (E. Bl.)



China.

Eine Correſpondenz der Daily News d. d. Hongkong, 31 April,
ſchildert die Vorbereitungen zum Kriegszug nach Nord-China als rieſen-
haft. Der Hafen lag voll von Fahrzeugen zur Verſ chiffung von Infan-
terie, Reiterei, Artillerie, Vorräthen aller Art. Der Generalquartiermeiſter-
ſtab hatte Tag und Nacht alle Hände voll zu thun. Von Commiſſariats-
beamten in glänzender Uniform war eine ganze Legion vorhanden. In Ver-
leg enheit war man wegen der Mittel zum Landtransport. Man erwartete
nicht weniger als 5000 Laſtthiere, darunter Bullen von Japan und Manilla.
Für die Laſtpferde ſollten Packſättel auf Hongkong angefertigt werden, aber
die Chineſen verſtehen ſie nicht zu machen, und ſo wird man ſie aus Indien
kommen laſſen. Und dazu fürchtet man daß die japaneſiſchen Ponies ſo
[Spaltenumbruch] ſtörrig ſeyn werden wie die indiſchen. Neben dem aus England angekom-
menen Militär-Train, der in drei Bataillone getheilt iſt, hat man das chine-
ſiſche Kuliscorps, ſcherzweiſe die „Bambusſchützen“ genannt, weil jeder ein
großes Bambusrohr über den Achſeln trägt, an dem ſeine Gepäcklaſt hängt.
Solcher Burſche werden nicht weniger als 6000 nach dem Golf von Pe-tſche-li
mitgenommen; jeder erhält, außer freier Beköſtigung, 9 Dollars monatlich.
Sie laufen aber gern davon wenn ſie Geld vorauserhalten. Außerdem wird
eine Menge von Wagen und Karren mitgenommen; man weiß aber noch nicht
ob man ſie auf dem Wege nach Peking wird brauchen können. Kurz, die „im-
pedimenta
“ — wie Julius Cäſar bezeichnend das Gepäck nennt, und welche
bei einem aſiatiſchen Feldzug den Bedarf eines europäiſchen weit überſteigen
— ſind in Maſſe vorhanden. An Armſtrong-Kanonen iſt kein Man-
gel; es ſind meiſt Zwölfpfünder, und ſie erregen auch die Bewunderung der
Chineſen. Man hofft damit einem tatariſchen General, oder chineſiſchen
Mandarin, auf 2 engl. Meilen Entfernung den Zopf von der Wurzel weg-
zuſ chießen.



Telegraphiſche Berichte.

Der preußiſche Geſandte machte offi-
cielle Erklärungen
über die Zuſammenkunft in Baden-Baden,
welche auch die leiſeſten Bedenken heben. Die Angabe:
Oeſterreich ſtelle Neapel Truppen zur Verfügung, wird dementirt.


Prinz Wilhelm von Baden er-
wartet den franzöſiſchen Kaiſer, der eben hier durchpaſſirte, in Kehl.



Neueſte Poſten.

Wir hören von ſehr bewährter Seite
verſichern daß die Verſuche, ſowohl in den ſchwebenden europäiſchen als vor
allen Dingen in den deutſchen Fragen eine Verſtändigung zwiſchen Oeſterreich
und Preußen zuwege zu bringen, in der allerneueſten Zeit ein über alle Er-
wartung befriedigendes Reſultat gehabt haben, und daß in kürzeſter Friſt die
Thatſache der erfolgten Einigung in einem Act zu Tage treten wird der jeden
weitern Zweifel ausſchließt. (Karlsr. Ztg.)

Auf der Tagesordnung der heutigen
Bundestagsſitzung ſtand unter anderm auch das Anlehensgeſuch des Staats-
raths Fiſcher; die Abſtimmung wurde jedoch aus äußern Urſachen auf die
nächſte Sitzung verſchoben, in welcher wohl auch die Vorlage der neuen kur-
heſſiſchen Verfaſſung zum Zweck der Garantie-Einholung erfolgen wird. Heute
wurde die Rechtsverwahrung des Kaſſeler Stadtraths eingereicht und der Re-
clamationscommiſſion zugewieſen. Sonſt kamen nur unerhebliche Bundes-
feſtungsangelegenheiten zur Verhandlung. Hr. v. Uſedom, welcher dem
Prinz-Regenten auf ſeiner Durchreiſe nach Baden bis Heidelberg das Geleite
gibt, war durch Frhrn. v. Kübeck vertreten, und die Geſandten von König-
reich Sachſen und Kurheſſen, welche ebenfalls fehlten, durch die HH. v. d. Pford-
ten und Münch Bellinghauſen.

Ihre Maj. die Königin Marie iſt geſtern
Abends, von Wildbad kommend, wo ſie den ſchon erwähnten Beſuch bei der
Kaiſerin-Mutter von Rußland abſtattete, wieder hier eingetroffen, und im
Bahnhof von JJ. kk. HH. dem Prinzen Luitpold und dem Prinzen und der
Prinzeſſin Adalbert empfangen worden. Prinz Luitpold, der Kriegs-
miniſter und mehrere andere Generale ſind dieſen Morgen nach Tegernſee
abgegangen, wo heute der ruhmgekrönte Feldmarſchall und Generalinſpector
des bayeriſchen Heers, Prinz Karl von Bayern, in ſtiller Zurückgezogenheit das
Jubiläum ſeiner mit doppelter Anrechnung der drei Feldzugsjahre 1813,
1814 und 1815 vollendeten fünfzig Dienſtjahre begeht, um demſelben die
Glückwünſche der Armee und ihre eigenen darzubringen. Prinz Luitpold
überbringt außerdem die Glückwünſche Sr. Maj. des Königs, als des oberſten
Kriegsherrn, und das Ehrenkreuz des Ludwigsordens. Am 15 Jun. 1813
war der damals erſt 18 Jahre zählende Prinz in das Heer eingetreten, und
hat ſich alsbald in den Schlachten von Hanau, Brienne, Bar ſur Aube, Arcis
und Grand-Torcy u. ſ. w. durch Muth, Umſicht und Tapferkeit mit hohem
Ruhm bedeckt. Die höchſten militäriſchen Auszeichnungen wie der öſter-
reichiſche Maria-Thereſten-Orden, der bayeriſche Militär-Max-Joſephs-
Orden (für die Schlacht von Brienne 1 Febr. 1814) und zahlreiche andere
wurden dem Prinzen zu Theil, der ſeit dem Tode des Feldmarſchalls Fürſten
Wrede als Feldmarſchall und Generalinſpector an der Spitze des ganzen
bayeriſchen Heers ſteht, und 1848 von der damaligen Reichscentralgewalt
auch mit dem Oberbefehl ſämmtlicher gegen die Aufſtandsverſuche Heckers im
Schwarzwald aufgebotenen deutſchen Reichstruppen betrant geweſen war.
Möge der Himmel den greiſen Prinzen und Feldhern, der auch jetzt noch wie
im vorigen Jahr bereitwilligſt einem abermaligen Ruf des Königs und des
Vaterlandes folgen und der Armee ein bewährter Führer ſeyn würde, noch
lange Jahre dem Dienſt des Monarchen und des Landes erhalten!

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[2808/0012] Schweiz. .. Geuf, 11 Jun. Der Geiſt in welchem das Genfer Schützenfeſt gefeiert wird, iſt wohl durch die Rede welche Hr. Carteret bei dem geſtrigen Bankett hielt am beſten bezeichnet. Er ſagte darin unter anderm: „Man redet in der Schweiz drei verſchiedene Sprachen, allein die Unabhängigkeit wird überall in demſelben Sinn aufgefaßt, und Freiheit, libertà und liberté ſind ein und dasſelbe Wort für alle Schweizer. Diejenigen welche heute unſere Freiheit bedrohen, wagen ſich unſere Freunde zu nennen, allein wir kennen ſie, und werden ihren Verlockungen kein Gehör ſchenken.... Wir werden wachſam ſeyn, wir werden alle geradezu Verräther nennen welche mit ihren Bürgerpflichten zu capituliren geneigt ſeyn ſollten; die Nation wird jedem ins Geſicht ſpucken welcher verſuchen ſollte in Unterhandlungen mit denen zu treten die wir für unſere Feinde halten müſſen. Genf wird ſich trotz ſeiner Schwäche zu vertheidigen wiſſen, und ſollte man irgendwo von einer Anuexion träumen, ſo würde man hier nur Leichen und Trümmerhaufen annexiren. Die Schweiz kann auf uns zählen, wie wir auf ſie zählen!“ Indem der Redner dann ein Hoch auf die Eidgenoff enſchaft ausbrachte, ſchloß er mit den von ſeiner gewaltigen Stimme weithin getragenen Worten: „Ver- wandelt, ihr eidgenöſfiſchen Brüder, wenn es ſeyn muß, unſer blühendes Genf, das wir ſo ſehr verſchönt haben, in Ruinen; möge es lieber ein Trümmerhaufe ſeyn als franzöſiſch!“ Das war jedenfalls ſtarker Tabak für die chauviniſtiſchen Spürnaſen die ſich in den weiten Räumen des Feſtlocals zahlreich umhertrieben. Aber Carterets Rede hatte die rechten Worte gefunden, welche die ſchweizeriſchen Herzen begeiſtern. In der „An- nexion“ war auch das Stichwort für die Heiterkeit und den Witz des Tages gegeben. Während die Schützen mit Eifer dem fröhlichen Waffenwerk ob- lagen, drängte ſich eine unabſehbare Menſchenmaſſe um den Gabenpavillon und in den Buden des Feſtplatzes, wie auf den Straßen und in den zahlloſen Schenken des Städtchens Carouge bis tief in die Nacht hinein. Von den beim heutigen Bankett gehaltenen Reden notiren wir die J. Fazy’s, die freilich weit diplomatiſcher und allgemeiner gehalten war als Carterets ehrliche, aber ungeſtüme Donnerworte. Hr. Fazy erinnerte an den kleinen Anfang der ſchweizeriſchen Eidgenoffenſchaft, dann an die Schlacht von Murten, wo 30,000 Schweizer gegen 50,000 Burgunder ſtanden, und ſiegten. Auch heute iſt das Verhältniß ähnlich zwiſchen den ſchweizeriſchen und den Truppen „welche gezogene Kanonen haben.“ „Vielleicht,“ ſchloß der Redner, „werden wir bald den Boden zu vertheidigen haben den uns unſere Vorfahren hinter- ließen. Wir haben die Ueberzeugung daß dann alle Theile des ſchweizeriſchen Vaterlandes, auch die entfernteſten und am meiſten ausgeſetzten, für die Schweiz geheiligt ſind, und energiſch vertheidigt werden!“ Staatsrath Buy brachte ein Hoch auf die ſchweizeriſchen Beſatzungstruppen von Genf aus. Auch der heutige Tag verlief unter großer Betheiligung der Bevölkerung von Stadt und Land an dem patriotiſchen Feſt. Für Donnerſtag iſt eine Anzahl Deputationen aus dem Waadtland angeſagt. Afrika. Die „Cleopatra“ hat eine Poſt von der Weſtküſte Afrika’s über- bracht. Die franzöſiſche Fregatte „Licorne“ hatte die Stadt Bonny heim- geſucht, und eine angeblich lang ausſtehende Geldſchuld (afrikaniſcher Kauf- leute an eine franzöſiſche Firma) durch eine Bombardementsdrohung einge- trieben. Die ſpaniſchen Auswanderer giengen ſo raſch als möglich von Fernando-Po fort wegen der furchtbaren Sterblichkeit unter ihnen. Hr. Mann hatte den Pic von Fernando-Po beſtiegen — ein Wagſtück das außer ihm nur noch einem Mann, dem Governor Beacroft, bis jetzt gelungen iſt. — In Lagos graſſtrten Fieber und Krieg unter den Eingebornen, Geſchäft war daher flau. — Der „Euryalus“ war am 27 in Teneriffa geweſen, und am 30 nach Bahia geſegelt. Während das Schiff dort lag, beſtieg Prinz Alfred den Pic, trotz der auf dem Berge liegenden Schneemaſſen. Der Winter war ſehr ſtreng geweſen. Der Prinz reiste incognito, wurde jedoch erkannt und erhielt eine warme Aufnahme. Der Euryalus berührte auch Malta, wo der Prinz einem Ball beim Conſul beiwohnte, und im engliſchen Club Cricket ſpielte. (E. Bl.) China. Eine Correſpondenz der Daily News d. d. Hongkong, 31 April, ſchildert die Vorbereitungen zum Kriegszug nach Nord-China als rieſen- haft. Der Hafen lag voll von Fahrzeugen zur Verſ chiffung von Infan- terie, Reiterei, Artillerie, Vorräthen aller Art. Der Generalquartiermeiſter- ſtab hatte Tag und Nacht alle Hände voll zu thun. Von Commiſſariats- beamten in glänzender Uniform war eine ganze Legion vorhanden. In Ver- leg enheit war man wegen der Mittel zum Landtransport. Man erwartete nicht weniger als 5000 Laſtthiere, darunter Bullen von Japan und Manilla. Für die Laſtpferde ſollten Packſättel auf Hongkong angefertigt werden, aber die Chineſen verſtehen ſie nicht zu machen, und ſo wird man ſie aus Indien kommen laſſen. Und dazu fürchtet man daß die japaneſiſchen Ponies ſo ſtörrig ſeyn werden wie die indiſchen. Neben dem aus England angekom- menen Militär-Train, der in drei Bataillone getheilt iſt, hat man das chine- ſiſche Kuliscorps, ſcherzweiſe die „Bambusſchützen“ genannt, weil jeder ein großes Bambusrohr über den Achſeln trägt, an dem ſeine Gepäcklaſt hängt. Solcher Burſche werden nicht weniger als 6000 nach dem Golf von Pe-tſche-li mitgenommen; jeder erhält, außer freier Beköſtigung, 9 Dollars monatlich. Sie laufen aber gern davon wenn ſie Geld vorauserhalten. 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M., 13 Jun. Wir hören von ſehr bewährter Seite verſichern daß die Verſuche, ſowohl in den ſchwebenden europäiſchen als vor allen Dingen in den deutſchen Fragen eine Verſtändigung zwiſchen Oeſterreich und Preußen zuwege zu bringen, in der allerneueſten Zeit ein über alle Er- wartung befriedigendes Reſultat gehabt haben, und daß in kürzeſter Friſt die Thatſache der erfolgten Einigung in einem Act zu Tage treten wird der jeden weitern Zweifel ausſchließt. (Karlsr. Ztg.) * Frankfurt a. M., 14 Jun. Auf der Tagesordnung der heutigen Bundestagsſitzung ſtand unter anderm auch das Anlehensgeſuch des Staats- raths Fiſcher; die Abſtimmung wurde jedoch aus äußern Urſachen auf die nächſte Sitzung verſchoben, in welcher wohl auch die Vorlage der neuen kur- heſſiſchen Verfaſſung zum Zweck der Garantie-Einholung erfolgen wird. Heute wurde die Rechtsverwahrung des Kaſſeler Stadtraths eingereicht und der Re- clamationscommiſſion zugewieſen. Sonſt kamen nur unerhebliche Bundes- feſtungsangelegenheiten zur Verhandlung. Hr. v. Uſedom, welcher dem Prinz-Regenten auf ſeiner Durchreiſe nach Baden bis Heidelberg das Geleite gibt, war durch Frhrn. v. Kübeck vertreten, und die Geſandten von König- reich Sachſen und Kurheſſen, welche ebenfalls fehlten, durch die HH. v. d. Pford- ten und Münch Bellinghauſen. ⊙ München, 15 Jun. Ihre Maj. die Königin Marie iſt geſtern Abends, von Wildbad kommend, wo ſie den ſchon erwähnten Beſuch bei der Kaiſerin-Mutter von Rußland abſtattete, wieder hier eingetroffen, und im Bahnhof von JJ. kk. HH. dem Prinzen Luitpold und dem Prinzen und der Prinzeſſin Adalbert empfangen worden. 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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 168, 16. Juni 1860, S. 2808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine168_1860/12>, abgerufen am 22.11.2024.