Allgemeine Zeitung, Nr. 165, 13. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
28 Mai Abends. Im Hauptquartier fand ich heute Nachmittag alles 29 Mai Morgens. Die Nacht vergieng ohne Störung. Sämmtliche 29 Mai, 6 Uhr Abends. Um 3 Uhr hatten wir wieder panischen Deutschland. Bayern. München. Die Besitzer der Kunstanstalt von Piloty und Aus Oberbayern, 9 Jun. In Reichenhall sind bis zum 5 Gr. Hessen. Darmstadt. Der gestern erwähnte Toast des Minister- "Als wir das Kurhessen. sqrt Hanan, 11 Jun. Die französische Gemeinde war Hansestädte. * Hamburg, 9 Jun. Die Nachricht von der Er- [Spaltenumbruch]
28 Mai Abends. Im Hauptquartier fand ich heute Nachmittag alles 29 Mai Morgens. Die Nacht vergieng ohne Störung. Sämmtliche 29 Mai, 6 Uhr Abends. Um 3 Uhr hatten wir wieder paniſchen Deutſchland. Bayern. München. Die Beſitzer der Kunſtanſtalt von Piloty und ᴕ Aus Oberbayern, 9 Jun. In Reichenhall ſind bis zum 5 Gr. Heſſen. Darmſtadt. Der geſtern erwähnte Toaſt des Miniſter- „Als wir das Kurheſſen. √ Hanan, 11 Jun. Die franzöſiſche Gemeinde war Hanſeſtädte. * Hamburg, 9 Jun. Die Nachricht von der Er- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0002" n="2746"/> <cb/> <p>28 Mai <hi rendition="#g">Abends.</hi> Im Hauptquartier fand ich heute Nachmittag alles<lb/> in einem Zuſtand großer Entrüſtung. Denn nicht genug daß das Caſtell ſein<lb/> Bombardement nicht eingeſtellt hatte, hatten die Neapolitaner, trotz des Waf-<lb/> fenſtillſtands, auf die ſicilianiſchen Vorpoſten geſchoſſen, und da dieſe, dem<lb/> Befehl ihres Generals gehorchend, das Feuer nicht erwiederten, ſich einiger<lb/> wichtigen Häuſergruppen und Barricaden bemächtigt. Mehrere Alpenjäger<lb/> waren dabei erſchoſſen worden, und ſchon wollte der General eine Beſchwerde-<lb/> ſchrift an Admiral Mundy abſenden, als deſſen Flaggenlieutenant (um 6 Uhr<lb/> Abends) ankam, und vom Admiral die Meldung brachte daß, da der Como-<lb/> dore nichts weiter von ſich hören ließ, der General ſeines Worts füglich ent-<lb/> hoben ſey. Darauf hin ertheilte dieſer Befehl die verlornen Poſitionen wieder<lb/> zu nehmen. In der That war dieß mit Hülfe von ein paar Orſiniſchen Vom-<lb/> ben ſofort bewerkſtelligt. Eine halbe Stunde ſpäter war Flaggenlieutenant<lb/> Willnert wieder da. Der Commodore hatte geantwortet, und zwar mit dem<lb/> Anſuchen an den Admiral daß er die beiden Generale auf ihrem Weg durch<lb/> die Stadt durch die brittiſche Flagge beſchützen laſſen möge. Da der Admiral<lb/> dieß kategoriſch verweigerte, erklärte der Commodore daß alle Unterhandlungen<lb/> zu Ende ſeyen. Allgemein glaubte man die ganzen Verhandlungen ſeyen vom<lb/> Neapolitaner bloß deßhalb eingeleitet worden um Zeit zur Ausführung irgend-<lb/> eines Angriffsplans zu gewinnen.</p><lb/> <p>29 Mai <hi rendition="#g">Morgens.</hi> Die Nacht vergieng ohne Störung. Sämmtliche<lb/> neapolitaniſche Kriegsſchiffe waren in die hohe See, in der Richtung von Ter-<lb/> mini, hinausgefahren, wo ſich die neapolitaniſchen Truppen im Jahr 1848<lb/> eingeſchifft hatten. Auch die Baſtei Montalto, hart am k. Palaſt, war, mit<lb/> Zurücklaſſung eines 32 Pfünders geräumt worden, während vom Finanz-<lb/> gebäude ein Officier als Parlamentär, mit dem Antrag abziehen zu wollen,<lb/> abgeſandt worden war. Garibaldi wollte dieß nur geſtatten wenn ſie ihre<lb/> Waffen im Stich ließen. Sie werden ſich wohl dazu bequemen müſſen, da<lb/> ihnen Waſſer und Lebensmittel abgeſchnitten ſind. Während ich beim General<lb/> war, kam ein Schreiben von Corleone mit der Meldung: der dort comman-<lb/> dirende neapolitaniſche Oberſt ſey geneigt überzugehen, wenn ihm ſein jetziger<lb/> Officiersrang gelaſſen würde. Natürlich wurde ſein, auf indirectem Weg ge-<lb/> machtes, Anerbieten angenommen. Es überraſcht uns dieſer Antrag nicht im<lb/> geringſten. Geſtern kamen mehrere Officiere in Civilkleidung herüber, und<lb/> ergaben ſich, und auf einem einzigen Punkt ſah ich 60 bis 70 Mann, theils<lb/> Gefangene, theils Ausreißer, die alle für die Unabhängigkeit Italiens zu fech-<lb/> ten wünſchten.</p><lb/> <p>29 Mai, 6 Uhr <hi rendition="#g">Abends.</hi> Um 3 Uhr hatten wir wieder paniſchen<lb/> Schrecken und Durcheinanderlaufen, weil die Kriegsſchiffe zurückgekommen<lb/> waren. Dann wieder Gefecht an den Barricaden. Dießmal war Garibaldi<lb/> ſelbſt dabei, und ſeinem wunderbaren Anſehen gelang es ſelbſt die Picciotti<lb/> zum Fechten zu bringen. Einer derſelben fiel an ſeiner Seite, und Oberſt Türr<lb/> wurde, in demſelben Augenblick als er den General bei Seite riß, von einer<lb/> Ricochetkugel am Bein getroffen. Schließlich blieben die Truppen Garibal-<lb/> di’s Herren der gewünſchten Poſitionen. Zwei Dampfer die von Neapel an-<lb/> gekommen waren, hatten mittlerweile beim Caſtell unter den Kanonen der<lb/> Flotte Truppen gelandet. Es ſind Deutſche, man ſagt Bayern;(!) ob ſie den<lb/> Neapolitanern ihren Muth wieder zurückgeben werden, muß ſich erſt zeigen.<lb/><hi rendition="#c">(Beſchluß folgt.)</hi></p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſchland.</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Bayern.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline> <hi rendition="#b">München.</hi> </dateline> <p>Die Beſitzer der Kunſtanſtalt von Piloty und<lb/> Löhle in München erhielten von der Kaiſerin von Rußland durch den dorti-<lb/> gen ruſſiſchen Geſandten zwei Brillantringe als Anerkennung der kunſtſinni-<lb/> gen Leitung und Herausgabe des photographiſchen Bildniſſes Ihrer Maj.<lb/> im kaiſerlichen Krönungsornat zugeſandt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>ᴕ <hi rendition="#b">Aus Oberbayern,</hi> 9 Jun.</dateline> <p>In Reichenhall ſind bis zum 5<lb/> d. M. 70 Partien mit 132 Badegäſten eingetroffen, und 103 Partien<lb/> durchpaſſirt. Unter den Badegäſten iſt der Hr. Erzbiſchof von München-<lb/> Freyſing. Die Hälfte der Gäſte ſind Norddeutſche oder Ausländer, unter<lb/> dieſen ein Gaſt aus Moskau und eine Dame aus New-York.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Gr. Heſſen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline> <hi rendition="#b">Darmſtadt.</hi> </dateline> <p>Der geſtern erwähnte Toaſt des Miniſter-<lb/> präſidenten Frhrn. v. Dalwigk lautet des nähern wie folgt:</p> <cit> <quote>„Als wir das<lb/> letztemal hier vereinigt waren, ſagte ich Ihnen daß die Lage eine ſehr ernſte<lb/> ſey. Und heute, meine Herren? Wenn Deutſchland am 9 Jun. 1859 daſtand,<lb/> wie der Soldat, Gewehr im Arm, den Ruf der Führer erwartend, iſt es heute<lb/> anders? Aber nicht von außen drohen uns die größten Gefahren. Deutſch-<lb/> land iſt ſtark genug den Kampf gegen jeden aufzunehmen, wenn es einig iſt.<lb/> Nein! Die größten Gefahren kommen uns von innen. Parteiſtreitigkeiten,<lb/> Mißtrauen, confeſſionelle Spaltungen ſind es die uns ſchwächen, erniedrigen,<lb/> die uns zur Beute des Auslands machen. Wir ſehen alte erbitterte politiſche<lb/> Feinde ſich verbinden zu gemeinſamer Wirkſamkeit in einem Verein, über deſſen<lb/> letzte Tendenzen man dem Vaterland noch die Antwort ſchuldig iſt. Wir ſehen<lb/> die Parteipreſſe unabläſſig bemüht zwiſchen den beiden deutſchen Großmächten<lb/> Haß zu ſäen, während deren aufrichtiges Zuſammengehen das tägliche Gebet<lb/> jedes wahren Vaterlandsfreundes ſeyn ſollte. Wir ſehen wie der Geiſt der<lb/><cb/> religiöſen Intoleranz, dem Deutſchland all’ ſeinen Jammer, ſeine Zerriſſen-<lb/> heit verdankt, aufs neue angefacht wird, und zwar mitunter gerade von denen<lb/> deren Aufgabe es vor allem ſeyn ſollte Duldung und Liebe zu predigen. Wir<lb/> ſehen wie man ſich bemüht die Regierungen der deutſchen Mittelſtaaten, der<lb/> Staaten in denen vorzugsweiſe deutſcher Stamm und deutſcher Sinn vertre-<lb/> ten iſt, dem Haß und der Verachtung der Nation zu ſignaliſiren. Wir ſehen<lb/> wie man von der unüberlegten, aber gewiß nicht ſo ſchlimm gemeinten, Aeuße-<lb/> rung eines Miniſters eines deutſchen Mittelſtaats Act nimmt zu Demonſtra-<lb/> tionen, zu Verwahrungen, die, bewußt oder unbewußt, ebenſo viele, Gott weiß<lb/> es, unverdiente Mißtrauensvota gegen die Regierungen der übrigen Mittel-<lb/> ſtaaten enthalten. Und das alles in dem Augenblick in dem man uns ſagt<lb/> daß Hannibal vor den Thoren ſtehe! Meine Herren! Solchen Erſcheinungen<lb/> gegenüber iſt es nicht bloß die Aufgabe zu klagen, ſondern auch zu handeln, in<lb/> dem vollen Bewußtſeyn daß jeder der Zwietracht ausſtreut, der die Nation<lb/> eines Theils ihrer ſittlichen, auf Vertrauen beruhenden, eines Theils ihrer<lb/> territorialen Kräfte berauben will, deren ſie ſo nöthig bedarf wenn es je zum<lb/> Kampf kommen ſollte, ebenſo gut ein Vaterlandsverräther iſt als der welcher<lb/> einen Deutſchland gefährlichen Bund mit dem Ausland ſchließen wollte. Und<lb/> Se. k. H. der Großherzog wird dereinſt Gott und dem deutſchen Volk freudig<lb/> Rechenſchaft ablegen können darüber wie er gehandelt hat. Seit 12 Jahren<lb/> unabläſſig beſtrebt die Intereſſen und die ehre unſeres großen Vaterlandes<lb/> zu fördern, ſoweit es unter den gegebenen Verhältniſſen möglich war, darf unſer<lb/> edler Fürſt ſich das Zeugniß geben daß ſein Name bei keinem Bemühen ge-<lb/> fehlt hat deutſche Einrichtungen und Geſetze zu verbeſſern und zu generali-<lb/> ſiren, Deutſchlands Einigkeit und Einheit nach innen, Deutſchlands Stärke<lb/> nach außen zu fördern. Stets zu Opfern bereit, ſtets nur das allgemeine<lb/> Wohl im Auge, wird Se. k. H. der Großherzog nur auf <hi rendition="#g">eines</hi> nicht verzich-<lb/> ten, auf das Recht in deutſchen Dingen mitzureden und mitzuhandeln im<lb/> Sinn ſeines Volks, deſſen Geiſt, Geſinnung und berechtigte Anſprüche Sie<lb/> zu den Ihrigen gemacht haben. Und ſoll ich Ihnen, meine Herren, noch von<lb/> den Grundſätzen unſers erhabenen Herrn den confeſſionellen Bewegungen<lb/> gegenüber ſprechen? Die beſte Antwort läge in einem Hinweis auf den Thron,<lb/> den, neben Sr. k. H. dem Großherzog, eine Fürſtin ziert die uns das er-<lb/> habenſte Beiſpiel wahrer Religioſität, chriſtlicher Liebe und Duldung gewährt,<lb/> deren Name in den Herzen aller Heſſen, welchem Bekenntniß ſie auch ange-<lb/> hören mögen, ewig fortleben wird. Achtung vor jedem wahren Glauben, Freiheit<lb/> der religiöſen Ueberzeugungen, Verzicht auf ſyſtematiſches bureaukratiſches<lb/> Mißtrauen, auf polizeiliches Controliren einzelner Religionsbekenntniſſe, das<lb/> iſt der Grundſatz der die Handlungen Sr. k. H. des Großherzogs und ſeiner<lb/> Regierung leitet. Und darum, meine Herren, beſitzt Se. k. H. der Großherzog<lb/> das Vertrauen und die Liebe ſeines Volks, und darum glaube ich nicht bloß<lb/> in Ihrem Namen, ſondern im Namen und Geiſt aller Heſſen zu ſprechen,<lb/> wenn ich Sie bitte mit mir zu trinken auf das Wohl Sr. k. H. des Groß-<lb/> herzogs. Er lebe hoch!“</quote> </cit> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Kurheſſen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>√ <hi rendition="#b">Hanan,</hi> 11 Jun.</dateline> <p>Die franzöſiſche Gemeinde war<lb/> bis zum Jahr 1831 in dem Beſitz ſehr ausgedehnter Privilegien und Vor-<lb/> rechte, welche man jedoch der Verfaſſung vom 5 Jan. 1831 freudig zum Opfer<lb/> brachte. Da nun dieſe Verfaſſung <hi rendition="#g">factiſch</hi> nicht mehr beſteht, und an ein<lb/> Wiederaufleben derſelben kaum mehr zu denken iſt, ſo glauben die Mitglieder<lb/> unſerer franzöſiſchen Gemeinde im Hinblick auf die von ihnen aufgegebenen<lb/> Rechte gegen das neue Staatsgrundgeſetz Verwahrung einlegen zu müſſen, und<lb/> die unter einer Bedingung (Ertheilung der Verfaſſung von 1831) aufgegebenen<lb/> Privilegien u. ſ. w. zurückfordern zu können. Dieß ſoll nach dem Beſchluß<lb/> einer Verſammlung von Gemeindegliedern und anderer angeſehenen Bürger<lb/> unſerer Stadt in einer Adreſſe an den Landesherrn geſchehen, und es wurde zu<lb/> deren Entwerfung aus der Verſammlung bereits ein Ausſchuß gebildet, welcher<lb/> ſich zur Klarſtellung des Rechtspunkts des Beiraths der angeſehenſten Juriſten<lb/> unſeres Landes bedienen wird.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Hanſeſtädte.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>* <hi rendition="#b">Hamburg,</hi> 9 Jun.</dateline> <p>Die Nachricht von der Er-<lb/> hebung des Hrn. v. Borries in den Grafenſtand, welche zuerſt telegra-<lb/> phiſch dem hieſigen Abendblatt „Börſenhalle“ gemeldet, und anfangs nicht<lb/> allgemein geglaubt wurde, findet in allen Schichten unſerer Bevölkerung<lb/> eine und dieſelbe Beurtheilung, wie überall..... Der kürzlich verſtorbene<lb/> Richard Pariſh, einer der reichſten Privatleute unter unſern ſehr zahlrei-<lb/> chen begüterten Bürgern, hat bedeutende Legate für Wohlthätigkeitsanſtal-<lb/> ten und Kirchen in ſeinem Teſtament ausgeſetzt. So erhält unter anderm<lb/> die im Bau begriffene St. Nikolaikirche 5000 Mark, die hieſigen Warte-<lb/> ſchulen 4000 und die zu erbauende Separat-Irrenanſtalt 10,000 Mark<lb/> Banco. — Der ſeitherige hieſige engliſche Generalconſul Oberſt Hodges iſt<lb/> penſionirt, und an deſſen Stelle der bis jetzt als Generalconſul in Leipzig<lb/> fungirende Hr. Ward zum Geſchäftsträger der engliſchen Regierung bei uns<lb/> ernannt worden. Irren wir nicht, ſo war es der genannte welcher vor<lb/> längerer Zeit ſich zu Gunſten der deutſchen Bevölkerung in Schleswig aus-<lb/> ſprach, als die brittiſche Regierung ein Urtheil über die dortigen ſo traurig ver-<lb/> worrenen Verhältniſſe zu hören verlangte. — Die Schifffahrt florirt in dieſem<lb/> Jahr; entſprächen die Frachten und deren Werth der Zahl der abſegelnden<lb/> und ankommenden Schiffe, was nicht immer der Fall iſt, ſo wären beſſere<lb/> Zeiten kaum zu wünſchen. Nach den Aufmachungen des handelsſtatiſtiſchen<lb/> Bureau’s ſtieg die Zahl der ſeit Anfang Januars bis Ende Mai’s hier ange-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2746/0002]
28 Mai Abends. Im Hauptquartier fand ich heute Nachmittag alles
in einem Zuſtand großer Entrüſtung. Denn nicht genug daß das Caſtell ſein
Bombardement nicht eingeſtellt hatte, hatten die Neapolitaner, trotz des Waf-
fenſtillſtands, auf die ſicilianiſchen Vorpoſten geſchoſſen, und da dieſe, dem
Befehl ihres Generals gehorchend, das Feuer nicht erwiederten, ſich einiger
wichtigen Häuſergruppen und Barricaden bemächtigt. Mehrere Alpenjäger
waren dabei erſchoſſen worden, und ſchon wollte der General eine Beſchwerde-
ſchrift an Admiral Mundy abſenden, als deſſen Flaggenlieutenant (um 6 Uhr
Abends) ankam, und vom Admiral die Meldung brachte daß, da der Como-
dore nichts weiter von ſich hören ließ, der General ſeines Worts füglich ent-
hoben ſey. Darauf hin ertheilte dieſer Befehl die verlornen Poſitionen wieder
zu nehmen. In der That war dieß mit Hülfe von ein paar Orſiniſchen Vom-
ben ſofort bewerkſtelligt. Eine halbe Stunde ſpäter war Flaggenlieutenant
Willnert wieder da. Der Commodore hatte geantwortet, und zwar mit dem
Anſuchen an den Admiral daß er die beiden Generale auf ihrem Weg durch
die Stadt durch die brittiſche Flagge beſchützen laſſen möge. Da der Admiral
dieß kategoriſch verweigerte, erklärte der Commodore daß alle Unterhandlungen
zu Ende ſeyen. Allgemein glaubte man die ganzen Verhandlungen ſeyen vom
Neapolitaner bloß deßhalb eingeleitet worden um Zeit zur Ausführung irgend-
eines Angriffsplans zu gewinnen.
29 Mai Morgens. Die Nacht vergieng ohne Störung. Sämmtliche
neapolitaniſche Kriegsſchiffe waren in die hohe See, in der Richtung von Ter-
mini, hinausgefahren, wo ſich die neapolitaniſchen Truppen im Jahr 1848
eingeſchifft hatten. Auch die Baſtei Montalto, hart am k. Palaſt, war, mit
Zurücklaſſung eines 32 Pfünders geräumt worden, während vom Finanz-
gebäude ein Officier als Parlamentär, mit dem Antrag abziehen zu wollen,
abgeſandt worden war. Garibaldi wollte dieß nur geſtatten wenn ſie ihre
Waffen im Stich ließen. Sie werden ſich wohl dazu bequemen müſſen, da
ihnen Waſſer und Lebensmittel abgeſchnitten ſind. Während ich beim General
war, kam ein Schreiben von Corleone mit der Meldung: der dort comman-
dirende neapolitaniſche Oberſt ſey geneigt überzugehen, wenn ihm ſein jetziger
Officiersrang gelaſſen würde. Natürlich wurde ſein, auf indirectem Weg ge-
machtes, Anerbieten angenommen. Es überraſcht uns dieſer Antrag nicht im
geringſten. Geſtern kamen mehrere Officiere in Civilkleidung herüber, und
ergaben ſich, und auf einem einzigen Punkt ſah ich 60 bis 70 Mann, theils
Gefangene, theils Ausreißer, die alle für die Unabhängigkeit Italiens zu fech-
ten wünſchten.
29 Mai, 6 Uhr Abends. Um 3 Uhr hatten wir wieder paniſchen
Schrecken und Durcheinanderlaufen, weil die Kriegsſchiffe zurückgekommen
waren. Dann wieder Gefecht an den Barricaden. Dießmal war Garibaldi
ſelbſt dabei, und ſeinem wunderbaren Anſehen gelang es ſelbſt die Picciotti
zum Fechten zu bringen. Einer derſelben fiel an ſeiner Seite, und Oberſt Türr
wurde, in demſelben Augenblick als er den General bei Seite riß, von einer
Ricochetkugel am Bein getroffen. Schließlich blieben die Truppen Garibal-
di’s Herren der gewünſchten Poſitionen. Zwei Dampfer die von Neapel an-
gekommen waren, hatten mittlerweile beim Caſtell unter den Kanonen der
Flotte Truppen gelandet. Es ſind Deutſche, man ſagt Bayern;(!) ob ſie den
Neapolitanern ihren Muth wieder zurückgeben werden, muß ſich erſt zeigen.
(Beſchluß folgt.)
Deutſchland.
Bayern.
München. Die Beſitzer der Kunſtanſtalt von Piloty und
Löhle in München erhielten von der Kaiſerin von Rußland durch den dorti-
gen ruſſiſchen Geſandten zwei Brillantringe als Anerkennung der kunſtſinni-
gen Leitung und Herausgabe des photographiſchen Bildniſſes Ihrer Maj.
im kaiſerlichen Krönungsornat zugeſandt.
ᴕ Aus Oberbayern, 9 Jun. In Reichenhall ſind bis zum 5
d. M. 70 Partien mit 132 Badegäſten eingetroffen, und 103 Partien
durchpaſſirt. Unter den Badegäſten iſt der Hr. Erzbiſchof von München-
Freyſing. Die Hälfte der Gäſte ſind Norddeutſche oder Ausländer, unter
dieſen ein Gaſt aus Moskau und eine Dame aus New-York.
Gr. Heſſen.
Darmſtadt. Der geſtern erwähnte Toaſt des Miniſter-
präſidenten Frhrn. v. Dalwigk lautet des nähern wie folgt:
„Als wir das
letztemal hier vereinigt waren, ſagte ich Ihnen daß die Lage eine ſehr ernſte
ſey. Und heute, meine Herren? Wenn Deutſchland am 9 Jun. 1859 daſtand,
wie der Soldat, Gewehr im Arm, den Ruf der Führer erwartend, iſt es heute
anders? Aber nicht von außen drohen uns die größten Gefahren. Deutſch-
land iſt ſtark genug den Kampf gegen jeden aufzunehmen, wenn es einig iſt.
Nein! Die größten Gefahren kommen uns von innen. Parteiſtreitigkeiten,
Mißtrauen, confeſſionelle Spaltungen ſind es die uns ſchwächen, erniedrigen,
die uns zur Beute des Auslands machen. Wir ſehen alte erbitterte politiſche
Feinde ſich verbinden zu gemeinſamer Wirkſamkeit in einem Verein, über deſſen
letzte Tendenzen man dem Vaterland noch die Antwort ſchuldig iſt. Wir ſehen
die Parteipreſſe unabläſſig bemüht zwiſchen den beiden deutſchen Großmächten
Haß zu ſäen, während deren aufrichtiges Zuſammengehen das tägliche Gebet
jedes wahren Vaterlandsfreundes ſeyn ſollte. Wir ſehen wie der Geiſt der
religiöſen Intoleranz, dem Deutſchland all’ ſeinen Jammer, ſeine Zerriſſen-
heit verdankt, aufs neue angefacht wird, und zwar mitunter gerade von denen
deren Aufgabe es vor allem ſeyn ſollte Duldung und Liebe zu predigen. Wir
ſehen wie man ſich bemüht die Regierungen der deutſchen Mittelſtaaten, der
Staaten in denen vorzugsweiſe deutſcher Stamm und deutſcher Sinn vertre-
ten iſt, dem Haß und der Verachtung der Nation zu ſignaliſiren. Wir ſehen
wie man von der unüberlegten, aber gewiß nicht ſo ſchlimm gemeinten, Aeuße-
rung eines Miniſters eines deutſchen Mittelſtaats Act nimmt zu Demonſtra-
tionen, zu Verwahrungen, die, bewußt oder unbewußt, ebenſo viele, Gott weiß
es, unverdiente Mißtrauensvota gegen die Regierungen der übrigen Mittel-
ſtaaten enthalten. Und das alles in dem Augenblick in dem man uns ſagt
daß Hannibal vor den Thoren ſtehe! Meine Herren! Solchen Erſcheinungen
gegenüber iſt es nicht bloß die Aufgabe zu klagen, ſondern auch zu handeln, in
dem vollen Bewußtſeyn daß jeder der Zwietracht ausſtreut, der die Nation
eines Theils ihrer ſittlichen, auf Vertrauen beruhenden, eines Theils ihrer
territorialen Kräfte berauben will, deren ſie ſo nöthig bedarf wenn es je zum
Kampf kommen ſollte, ebenſo gut ein Vaterlandsverräther iſt als der welcher
einen Deutſchland gefährlichen Bund mit dem Ausland ſchließen wollte. Und
Se. k. H. der Großherzog wird dereinſt Gott und dem deutſchen Volk freudig
Rechenſchaft ablegen können darüber wie er gehandelt hat. Seit 12 Jahren
unabläſſig beſtrebt die Intereſſen und die ehre unſeres großen Vaterlandes
zu fördern, ſoweit es unter den gegebenen Verhältniſſen möglich war, darf unſer
edler Fürſt ſich das Zeugniß geben daß ſein Name bei keinem Bemühen ge-
fehlt hat deutſche Einrichtungen und Geſetze zu verbeſſern und zu generali-
ſiren, Deutſchlands Einigkeit und Einheit nach innen, Deutſchlands Stärke
nach außen zu fördern. Stets zu Opfern bereit, ſtets nur das allgemeine
Wohl im Auge, wird Se. k. H. der Großherzog nur auf eines nicht verzich-
ten, auf das Recht in deutſchen Dingen mitzureden und mitzuhandeln im
Sinn ſeines Volks, deſſen Geiſt, Geſinnung und berechtigte Anſprüche Sie
zu den Ihrigen gemacht haben. Und ſoll ich Ihnen, meine Herren, noch von
den Grundſätzen unſers erhabenen Herrn den confeſſionellen Bewegungen
gegenüber ſprechen? Die beſte Antwort läge in einem Hinweis auf den Thron,
den, neben Sr. k. H. dem Großherzog, eine Fürſtin ziert die uns das er-
habenſte Beiſpiel wahrer Religioſität, chriſtlicher Liebe und Duldung gewährt,
deren Name in den Herzen aller Heſſen, welchem Bekenntniß ſie auch ange-
hören mögen, ewig fortleben wird. Achtung vor jedem wahren Glauben, Freiheit
der religiöſen Ueberzeugungen, Verzicht auf ſyſtematiſches bureaukratiſches
Mißtrauen, auf polizeiliches Controliren einzelner Religionsbekenntniſſe, das
iſt der Grundſatz der die Handlungen Sr. k. H. des Großherzogs und ſeiner
Regierung leitet. Und darum, meine Herren, beſitzt Se. k. H. der Großherzog
das Vertrauen und die Liebe ſeines Volks, und darum glaube ich nicht bloß
in Ihrem Namen, ſondern im Namen und Geiſt aller Heſſen zu ſprechen,
wenn ich Sie bitte mit mir zu trinken auf das Wohl Sr. k. H. des Groß-
herzogs. Er lebe hoch!“
Kurheſſen.
√ Hanan, 11 Jun. Die franzöſiſche Gemeinde war
bis zum Jahr 1831 in dem Beſitz ſehr ausgedehnter Privilegien und Vor-
rechte, welche man jedoch der Verfaſſung vom 5 Jan. 1831 freudig zum Opfer
brachte. Da nun dieſe Verfaſſung factiſch nicht mehr beſteht, und an ein
Wiederaufleben derſelben kaum mehr zu denken iſt, ſo glauben die Mitglieder
unſerer franzöſiſchen Gemeinde im Hinblick auf die von ihnen aufgegebenen
Rechte gegen das neue Staatsgrundgeſetz Verwahrung einlegen zu müſſen, und
die unter einer Bedingung (Ertheilung der Verfaſſung von 1831) aufgegebenen
Privilegien u. ſ. w. zurückfordern zu können. Dieß ſoll nach dem Beſchluß
einer Verſammlung von Gemeindegliedern und anderer angeſehenen Bürger
unſerer Stadt in einer Adreſſe an den Landesherrn geſchehen, und es wurde zu
deren Entwerfung aus der Verſammlung bereits ein Ausſchuß gebildet, welcher
ſich zur Klarſtellung des Rechtspunkts des Beiraths der angeſehenſten Juriſten
unſeres Landes bedienen wird.
Hanſeſtädte.
* Hamburg, 9 Jun. Die Nachricht von der Er-
hebung des Hrn. v. Borries in den Grafenſtand, welche zuerſt telegra-
phiſch dem hieſigen Abendblatt „Börſenhalle“ gemeldet, und anfangs nicht
allgemein geglaubt wurde, findet in allen Schichten unſerer Bevölkerung
eine und dieſelbe Beurtheilung, wie überall..... Der kürzlich verſtorbene
Richard Pariſh, einer der reichſten Privatleute unter unſern ſehr zahlrei-
chen begüterten Bürgern, hat bedeutende Legate für Wohlthätigkeitsanſtal-
ten und Kirchen in ſeinem Teſtament ausgeſetzt. So erhält unter anderm
die im Bau begriffene St. Nikolaikirche 5000 Mark, die hieſigen Warte-
ſchulen 4000 und die zu erbauende Separat-Irrenanſtalt 10,000 Mark
Banco. — Der ſeitherige hieſige engliſche Generalconſul Oberſt Hodges iſt
penſionirt, und an deſſen Stelle der bis jetzt als Generalconſul in Leipzig
fungirende Hr. Ward zum Geſchäftsträger der engliſchen Regierung bei uns
ernannt worden. Irren wir nicht, ſo war es der genannte welcher vor
längerer Zeit ſich zu Gunſten der deutſchen Bevölkerung in Schleswig aus-
ſprach, als die brittiſche Regierung ein Urtheil über die dortigen ſo traurig ver-
worrenen Verhältniſſe zu hören verlangte. — Die Schifffahrt florirt in dieſem
Jahr; entſprächen die Frachten und deren Werth der Zahl der abſegelnden
und ankommenden Schiffe, was nicht immer der Fall iſt, ſo wären beſſere
Zeiten kaum zu wünſchen. Nach den Aufmachungen des handelsſtatiſtiſchen
Bureau’s ſtieg die Zahl der ſeit Anfang Januars bis Ende Mai’s hier ange-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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