Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 12. Januar 1929."AZ am Abend" Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar [Spaltenumbruch]
Verwandschaft Eine problematische Geschichte Neulich treffe ich Vorderlechner, meinen Kom- Im Sprechzimmer tritt er mir entgegen, im "Ich treibe Genealogie." "So so, hm, ja -- Genealogie." (???) "Ja, ich treibe Familienforschung." "Aber das können S' doch daheim auch, dazu "Weil der Stammbaum so verwachsen ist "Während des Krieges war meine Frau ge- Milde legte sich die Hand des begleitenden Konzert-Vorschau Morgen Sonntag. den 13. Januar, finden statt: Abends 8 Uhr der Tanz-Abend von Irmgard (Münchner Faschingsbilder). Musikalische Begleitung: Kammerorchester Erich Kloß. Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im Amtl. Dienstag, den 15. Januar, 71/2 Uhr im Herkules- Am Flügel: Dr. Friedrich Munter. Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im Amtl. Brakls Kunsthaus. Professor Carl Strath- Die Gesellschaft der Altersfreunde veranstaltet Der Reinertrag ist ausschließlich zur Förderung Stellvertreter der deutschen Reparations-Sachverständigen
[Abbildung]
sind Bankier Dr. Melchior (links) und Geheimrat Kaskl, der Geschäftsführer des Reichs- Nobile rechtfertigt sich [Spaltenumbruch]
Warum er sich zuerst retten ließ General Nobile hat das ihm nach seiner Man begreift dieses Zensurverbot um so "General, Sie müssen als erster mit- [Tabelle] [irrelevantes Material]
„AZ am Abend“ Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar [Spaltenumbruch]
Verwandſchaft Eine problematiſche Geſchichte Neulich treffe ich Vorderlechner, meinen Kom- Im Sprechzimmer tritt er mir entgegen, im „Ich treibe Genealogie.“ „So ſo, hm, ja — Genealogie.“ (???) „Ja, ich treibe Familienforſchung.“ „Aber das können S’ doch daheim auch, dazu „Weil der Stammbaum ſo verwachſen iſt „Während des Krieges war meine Frau ge- Milde legte ſich die Hand des begleitenden Konzert-Vorschau Morgen Sonntag. den 13. Januar, finden ſtatt: Abends 8 Uhr der Tanz-Abend von Irmgard (Münchner Faſchingsbilder). Muſikaliſche Begleitung: Kammerorcheſter Erich Kloß. Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im Amtl. Dienstag, den 15. Januar, 7½ Uhr im Herkules- Am Flügel: Dr. Friedrich Munter. Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im Amtl. Brakls Kunſthaus. Profeſſor Carl Strath- Die Geſellſchaft der Altersfreunde veranſtaltet Der Reinertrag iſt ausſchließlich zur Förderung Stellvertreter der deutſchen Reparations-Sachverſtändigen
[Abbildung]
ſind Bankier Dr. Melchior (links) und Geheimrat Kaſkl, der Geſchäftsführer des Reichs- Nobile rechtfertigt ſich [Spaltenumbruch]
Warum er ſich zuerſt retten ließ General Nobile hat das ihm nach ſeiner Man begreift dieſes Zenſurverbot um ſo „General, Sie müſſen als erſter mit- [Tabelle] [irrelevantes Material]
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0006" n="Seite 6[6]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">„AZ am Abend“ Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Verwandſchaft<lb/> Eine problematiſche Geſchichte</hi> </hi> </head><lb/> <byline> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">von Moritz Mumpitz</hi> </hi> </byline><lb/> <p>Neulich treffe ich Vorderlechner, meinen Kom-<lb/> pagnieſpezl aus der eiſernen Zeit. 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Ich tue unbefangen:<lb/> „Grüß Gott, Herr Mayrhofer, wie geht’s, was<lb/> treiben S’ denn alleweil?“</p><lb/> <p>„Ich treibe Genealogie.“</p><lb/> <p>„So ſo, hm, ja — Genealogie.“ (???)</p><lb/> <p>„Ja, ich treibe Familienforſchung.“</p><lb/> <p>„Aber das können S’ doch daheim auch, dazu<lb/> orauchen Sie doch nicht da herin ſitzen?“</p><lb/> <p>„Weil der Stammbaum ſo verwachſen iſt<lb/> (Aha, denke ich, alſo hat er eine fixe Idee!)<lb/> Mayrhofer erzählt:</p><lb/> <p>„Während des Krieges war meine Frau ge-<lb/> ſtorben Unſer Bub, der Franzl, war damals<lb/> fünfzehn. Voriges Jahr habe ich wieder gehei-<lb/> ratet, eine junge, deren Mutter, alſo meine<lb/> Schwiegermutter, eine Witfrau hoch in die Drei-<lb/> ßig, aber noch ſehr gut erhalten iſt. Bei der<lb/> Hochzeit verliebt ſich doch mein Franzl in meine<lb/> Schwiegermutter und ein Vierteljahr ſpäter<lb/> heiratet mein Sohn die Mutter meiner Frau.<lb/> Damit hat es angefangen. Mein Sohn wurde<lb/> mein Schwiegervater und der Stiefvater meiner<lb/> Frau, deren Stiefſohn er zugleich war. Mit an-<lb/> deren Worten, Franz wurde ſein eigener Groß-<lb/> vater. Weil meine Schwiegermutter meine<lb/> Schwiegertochter wurde, verjüngte ſich meine<lb/> Frau zu meiner Enkelin, obwohl ſie anderſeits<lb/> als Stiefmutter ihrer Mutter zu meiner Schwie-<lb/> gergroßmutter aufrückte. Noch ehe ich mir über<lb/> meine eigene Stellung in dieſem vertrackten Ver-<lb/> wandtſchaftsverhältnis klar werden konnte, wur-<lb/> den beide Frauen Mütter und damit wuchs die<lb/> Unklarheit ins Grenzenloſe. Denn mein Töchterl<lb/> Walburga war die Schwägerin ihrer Großmutter<lb/> und, als Stiefſchweſter meines Sohnes — den ſie<lb/> füglich als Opapa hätte anreden dürfen — die<lb/> Muhme ihrer Eltern; ſie war aber auch die Ur-<lb/> enkelin ihres Vaters, weil ihre Großmutter<lb/> meine Schwiegertochter war. — Franzls Sproß<lb/> Korbinian war ebenſowohl der Schwager ſeines<lb/> Großvaters und demzufolge der Oheim ſeines<lb/> Vaters, wie er als deſien Sohn ſein eigener<lb/> Großneffe war Aber damit nicht genug: Mein<lb/> Schwager und Enkel Korbinian war der Reffe<lb/> meiner Tochter und Urenkelin Walburga, denn<lb/> dieſe war die Halbſchweſter ſeines Vaters, aber<lb/> er war auch mein — ſeines Großvaters — Groß-<lb/> ohm, nämlich als der Halbbruder meiner Frau,<lb/> die, wie ſchon erwähnt, als Stiefmutter ihrer<lb/> Mutter zu meiner Schwiegergroßmutter gewor-<lb/> den war. Damit wurde aber ich ſelbſt meines<lb/> Sohnes Urgroßneffe. Nichtsdeſtoungeachtet war<lb/> dieſer Korbinian mein Ururenkel, weil ſeine<lb/> Großmutter — meine Frau — als Tochter<lb/> meiner Schwiegertochter meine Enkelin war. Ich<lb/> ſelbſt wiederum als Enkel meiner Frau kam in<lb/> die Zwangslage, unſer Töchterl als meine Tante<lb/> reſpektieren zu müſſen. Auf dieſe Weiſe wurde<lb/> meine Frau meine Großmuhme und unſer ge-<lb/> meinſamer Enkel Korbinian wurde mein Vetter.<lb/> Mein Sohn, als Großvater ſeiner ſelbſt und<lb/> ſeiner Schweſter, ward damit zwangsläufig zum<lb/> Urgroßonkel ſeines Sohnes, und meine Frau,<lb/> als Stiefmutter vom Franz, ward die Urahne<lb/> ihres Bruders. Obendrein ich als mein eigener<lb/> Enkelſohn ...“</p><lb/> <p>Milde legte ſich die Hand des begleitenden<lb/> Aſſiſtenzarztes auf meinen Arm: „Kommen Sie,<lb/> die Beſuchszeit iſt zu Ende.“ Halb ohnmächtig<lb/> ließ ich mich hinwegführen. An der Pforte<lb/> drückte mir der freundliche Dokto: die Rechte; ein<lb/> tiefes Mitgefühl klang aus ſeiner Stimme, als er<lb/> ſagte: „Ja, ja, der Fall Mayrhofer iſt völlig<lb/> hoffnungslos.“ —</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">Konzert-Vorschau</hi> </hi> </head><lb/> <p>Morgen Sonntag. den 13. Januar, finden ſtatt:<lb/> Abends 8 Uhr im Herkules-Saal der Sonaten-<lb/> Abend von Eliſabeth Biſchoff (Violine) und Udo<lb/> Dammert (Klavier)</p><lb/> <p>Abends 8 Uhr der Tanz-Abend von Irmgard<lb/> von Müller und Fee von Reichlin.</p><lb/> <p>(Münchner Faſchingsbilder).</p><lb/> <p>Muſikaliſche Begleitung: Kammerorcheſter Erich</p><lb/> <p>Kloß.</p><lb/> <p>Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im Amtl.<lb/> Bayer. Reiſebüro und an der Abendkaſſe.</p><lb/> <p>Dienstag, den 15. Januar, 7½ Uhr im Herkules-<lb/> ſaal Lieder- und Arien-Abend von Alice Brandt-<lb/> Rau (Koloratur-Sopran) mit Geſängen von<lb/> Händel, Bellini. Hugo Wolf, Rich. Würz. Hugo<lb/> Kaun, Loth. Windſperger, Cl. v. Franckenſtein<lb/> und Joſeph Haas.</p><lb/> <p>Am Flügel: Dr. Friedrich Munter.</p><lb/> <p>Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im Amtl.<lb/> Bayer. Reiſebüro und an der Abendkaſſe.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p><hi rendition="#b">Brakls Kunſthaus.</hi> Profeſſor Carl Strath-<lb/> mann und Oswald Poetzelberger haben neue Ge-<lb/> mälde in Brakls Kunſthaus am Beethovenplatz<lb/> ausgeſtellt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Die <hi rendition="#b">Geſellſchaft der Altersfreunde</hi> veranſtaltet<lb/> am Sonntag, den 20. Januar, abends 8 Uhr im<lb/> Odeonſaal ein Meiſterkonzert unter Mitwirkung<lb/> von Kammerſänger Paul Bender, Staatskapell-<lb/> meiſter Elmendorff. Kammerſängerin Eliſ. 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Nobile empfand<lb/> immer mehr das Gefühl, daß er mit ſeinen<lb/> gebrochenen Beinen und dem gebrochenen<lb/> Arm für die Begleiter eine Laſt wurde.<lb/> Für den Fall einer Auflöſung ihrer Eis-<lb/> ſcholle hatten die Schiffbrüchigen die Ret-<lb/> tung in einem Faltboot in Ausſicht genom-<lb/> men und ſogar mit dem Gedanken einer<lb/> Ueberwinterung in der Polarnacht vertraut<lb/> gemacht. In ihrer höchſten Not und Ver-<lb/> zweiflung<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">kam der erſte Retter, Lundborg.</hi></hi><lb/> Als ihm ſein Flug angekündigt wurde,<lb/> hatte Nobile Cecioni für den Transvort nach<lb/> dem Landungsplatz bereitmachen laſſen, da<lb/> der Maſchinenmeiſter als erſter gereitet<lb/> werden ſollte. Alsdann ſollten Profeſſor<lb/> Behouneck und Troiani abgeholt werden.<lb/> dann Nobile und zuletzt Leunant Vigliari<lb/> und der Radiotelegraphiſt Biagi, da dieſe<lb/> beiden für die Aufrechterhaltung der Ver-<lb/> bindung ſorgten. Lundborg kümmerte ſich<lb/> aber nicht um die Anordnungen des Gene-<lb/> rals, ſondern ſagte ſofort: „Ich bin gekom-<lb/> men, um alle abzuholen. Das Landungs-<lb/> feld iſt ausgezeichnet. Ich werde im Ver-<lb/> laufe der Nacht alle transportieren.</p><lb/> <p><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">„General, Sie müſſen als erſter mit-<lb/> kommen.“</hi></hi><lb/> Nobile will das für unmöglich erklärt und<lb/> auf den Beſchluß verwieſen haben, zuerſt<lb/><cb/> Cecioni mitnehmen zu laſſen. Aber Lund-<lb/> borg habe ihm entſchloſſen erwidert, er habe<lb/> ausdrücklich Befehl, den General als erſten<lb/> mitzubringen, weil er Anleitungen zur Auf-<lb/> findung der Verſchollenen geben müſſe. No-<lb/> bile glaubte, dieſer Befehl ſtamme vom<lb/> Kommando der „Citta di Milano“, das<lb/> einige Tage vorher Angaben und Weiſungen<lb/> zur Auffindung der Ballongruppe verlangt<lb/> hatte, die aber infolge radiotelegraphiſcher<lb/> Störungen nicht übermittelt werden konn-<lb/> ten. Trotz nochmaliger Weigerung und allen<lb/> Einwänden Nobiles beſtand Lundborg auch<lb/> aus techniſchen Gründen auf der Mitnahme<lb/> des Generals, weil ihm Cecioni zu ſchwer<lb/> war und er ihn nicht ohne Zurücklaſſung<lb/> ſeines Mechanikers beim roten Zelt mit-<lb/> nehmen konnte. Der ſchwediſche Flieger-<lb/> leutnant verſicherte, er kehre dann ſofort<lb/> allein zurück, um für Cecioni mehr Platz<lb/> zu haben. Nobile befragte noch ſeine Be-<lb/> gleiter, die dafür geweſen ſeien, daß er als<lb/> erſter ging, um das Rettungswerk ſelbſt in<lb/> die Hand zu nehmen. Sogar Cecioni ſagte<lb/> ihm: „Gehen Sie, denn was immer eintritt,<lb/> es wird jemand für unſere Familien ſor-<lb/> gen!“ Nobile glaubte<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">einer gebieteriſchen Pflicht gehorcht<lb/> zu haben,</hi></hi><lb/> als er ſich endlich entſchloß, ſich zum Flug-<lb/> zeug tragen und als erſter mitnehmen zu<lb/> laſſen, um trotz ſeinen Verletzungen wenig-<lb/> ſtens mit Ratſchlägen an den Nachforſchun-<lb/> gen nach der verſchollenen Ballongruppe des<lb/> Luftſchiffes mitwirken zu können. Nobile<lb/> erlebte ſeine Rettung und die liebevolle<lb/> Aufnahme bei der ſchwediſchen Hilfsexpedi-<lb/> tion wie einen Traum. aus dem er jäh er-<lb/> wachte, als ſeine Freude noch in der glei-<lb/> chen Nacht in tiefen Schmerz verwandelt<lb/> wurde, indem er erfuhr, daß Lundborgs<lb/> Flugzeug beim zweiten Landungsverſuch<lb/> verunglückt und ſein Retter ſelbſt auf dem<lb/> Packeis gefangen war. Groß war aber ſein<lb/> Erſtaunen, als er an Bord der „Citta di<lb/> Milano“ vom Kommandanten gebeten<lb/> wurde, über<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">ſeine Rettung als erſter Aufklärung</hi></hi><lb/> abzugeben, da ſie kritiſiert werden<lb/> könnte und beſonders im Auslande Miß-<lb/> fallen errege. Nobile telegraphierte an das<lb/> Marineminiſterium nach Rom, er ſei da, um<lb/> ſeinen Poſten wieder zu übernehmen. Sein<lb/> Körper ſei gelähmt, aber nicht ſein Geiſt.<lb/> Zu ſeiner Enttäuſchung blieb ihm aber das<lb/> erhoffte Kommando der Rettungserpedition<lb/> verſagt. Nobile betont, als er ſich von<lb/> Lundborg mitnehmen ließ, ſei es nicht in<lb/> der Abſicht geſchehen, ſich als erſter retten<lb/> zu laſſen, ſondern um auf den Poſten zu ge-<lb/> langen, auf dem er allein handeln und bis<lb/> zum äußerſten für die Rettung der Ver-<lb/> ſchollenen kämpfen konnte. Als er auf dem<lb/> Vackeis Lundborgs Drängen nachgab, will<lb/> Nobile nur an die anderen und<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">nicht an ſich ſelbſt gedacht</hi></hi><lb/> haben. Die gegen ſein Vorgehen erhobene<lb/> Kritik und alle damit verbundenen boshaf-<lb/> ten Unterſchiebungen empfand er als eine<lb/> grauſame Beleidigung, da er ganz ſelbſtlos<lb/> gehandelt haben will. Er war ſo verbittert,<lb/> daß er am liebſten der Menſchheit entflohen<lb/> und zu ſeinen Leidensgenoſſen auf das Pack-<lb/> eis zurückgekehrt wäre, die er nie verlaſſen,<lb/> ſondern nur wirkſamer zu ihrer Rettung<lb/> beitragen wollte.</p> </div><lb/> <cb/> <div type="jArticle" n="2"> <table> <row> <cell/> </row> </table> </div> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <gap reason="insignificant"/> </div> </body> </text> </TEI> [Seite 6[6]/0006]
„AZ am Abend“ Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar
Verwandſchaft
Eine problematiſche Geſchichte
von Moritz Mumpitz
Neulich treffe ich Vorderlechner, meinen Kom-
pagnieſpezl aus der eiſernen Zeit. Wir ſprechen
von unſeren alten Kameraden und kommen auf
Mayrhofer, unſeren Zahlmeiſter; Vorderlechner
erzählt, der ſei jetzt in D. in der Irrenanſtalt.
„So,“ ſage ich, „als was denn, hat er einen
guten Poſten dort?“ — „Wie man’s nimmt: er
iſt verrückt.“ Mir war das unbegreiflich, denn
unſer „Zahlmops“ war immer ganz normal ge-
weſen, war auch heil durch den Krieg gekommen.
Von Vorderlechner konnte ich Näheres nicht er-
fahren, und als ich vorige Woche in D. zu tun
hatte, habe ich Mayrhofer im Irrenhaus beſucht.
Im Sprechzimmer tritt er mir entgegen, im
grauen Kittel, gebeugt die hohe Geſtalt, düſter
und ſtarr das Geſicht, trüb der Blick. Wehmütig
lächelnd begrüßt er mich. Ich tue unbefangen:
„Grüß Gott, Herr Mayrhofer, wie geht’s, was
treiben S’ denn alleweil?“
„Ich treibe Genealogie.“
„So ſo, hm, ja — Genealogie.“ (???)
„Ja, ich treibe Familienforſchung.“
„Aber das können S’ doch daheim auch, dazu
orauchen Sie doch nicht da herin ſitzen?“
„Weil der Stammbaum ſo verwachſen iſt
(Aha, denke ich, alſo hat er eine fixe Idee!)
Mayrhofer erzählt:
„Während des Krieges war meine Frau ge-
ſtorben Unſer Bub, der Franzl, war damals
fünfzehn. Voriges Jahr habe ich wieder gehei-
ratet, eine junge, deren Mutter, alſo meine
Schwiegermutter, eine Witfrau hoch in die Drei-
ßig, aber noch ſehr gut erhalten iſt. Bei der
Hochzeit verliebt ſich doch mein Franzl in meine
Schwiegermutter und ein Vierteljahr ſpäter
heiratet mein Sohn die Mutter meiner Frau.
Damit hat es angefangen. Mein Sohn wurde
mein Schwiegervater und der Stiefvater meiner
Frau, deren Stiefſohn er zugleich war. Mit an-
deren Worten, Franz wurde ſein eigener Groß-
vater. Weil meine Schwiegermutter meine
Schwiegertochter wurde, verjüngte ſich meine
Frau zu meiner Enkelin, obwohl ſie anderſeits
als Stiefmutter ihrer Mutter zu meiner Schwie-
gergroßmutter aufrückte. Noch ehe ich mir über
meine eigene Stellung in dieſem vertrackten Ver-
wandtſchaftsverhältnis klar werden konnte, wur-
den beide Frauen Mütter und damit wuchs die
Unklarheit ins Grenzenloſe. Denn mein Töchterl
Walburga war die Schwägerin ihrer Großmutter
und, als Stiefſchweſter meines Sohnes — den ſie
füglich als Opapa hätte anreden dürfen — die
Muhme ihrer Eltern; ſie war aber auch die Ur-
enkelin ihres Vaters, weil ihre Großmutter
meine Schwiegertochter war. — Franzls Sproß
Korbinian war ebenſowohl der Schwager ſeines
Großvaters und demzufolge der Oheim ſeines
Vaters, wie er als deſien Sohn ſein eigener
Großneffe war Aber damit nicht genug: Mein
Schwager und Enkel Korbinian war der Reffe
meiner Tochter und Urenkelin Walburga, denn
dieſe war die Halbſchweſter ſeines Vaters, aber
er war auch mein — ſeines Großvaters — Groß-
ohm, nämlich als der Halbbruder meiner Frau,
die, wie ſchon erwähnt, als Stiefmutter ihrer
Mutter zu meiner Schwiegergroßmutter gewor-
den war. Damit wurde aber ich ſelbſt meines
Sohnes Urgroßneffe. Nichtsdeſtoungeachtet war
dieſer Korbinian mein Ururenkel, weil ſeine
Großmutter — meine Frau — als Tochter
meiner Schwiegertochter meine Enkelin war. Ich
ſelbſt wiederum als Enkel meiner Frau kam in
die Zwangslage, unſer Töchterl als meine Tante
reſpektieren zu müſſen. Auf dieſe Weiſe wurde
meine Frau meine Großmuhme und unſer ge-
meinſamer Enkel Korbinian wurde mein Vetter.
Mein Sohn, als Großvater ſeiner ſelbſt und
ſeiner Schweſter, ward damit zwangsläufig zum
Urgroßonkel ſeines Sohnes, und meine Frau,
als Stiefmutter vom Franz, ward die Urahne
ihres Bruders. Obendrein ich als mein eigener
Enkelſohn ...“
Milde legte ſich die Hand des begleitenden
Aſſiſtenzarztes auf meinen Arm: „Kommen Sie,
die Beſuchszeit iſt zu Ende.“ Halb ohnmächtig
ließ ich mich hinwegführen. An der Pforte
drückte mir der freundliche Dokto: die Rechte; ein
tiefes Mitgefühl klang aus ſeiner Stimme, als er
ſagte: „Ja, ja, der Fall Mayrhofer iſt völlig
hoffnungslos.“ —
Konzert-Vorschau
Morgen Sonntag. den 13. Januar, finden ſtatt:
Abends 8 Uhr im Herkules-Saal der Sonaten-
Abend von Eliſabeth Biſchoff (Violine) und Udo
Dammert (Klavier)
Abends 8 Uhr der Tanz-Abend von Irmgard
von Müller und Fee von Reichlin.
(Münchner Faſchingsbilder).
Muſikaliſche Begleitung: Kammerorcheſter Erich
Kloß.
Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im Amtl.
Bayer. Reiſebüro und an der Abendkaſſe.
Dienstag, den 15. Januar, 7½ Uhr im Herkules-
ſaal Lieder- und Arien-Abend von Alice Brandt-
Rau (Koloratur-Sopran) mit Geſängen von
Händel, Bellini. Hugo Wolf, Rich. Würz. Hugo
Kaun, Loth. Windſperger, Cl. v. Franckenſtein
und Joſeph Haas.
Am Flügel: Dr. Friedrich Munter.
Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid, im Amtl.
Bayer. Reiſebüro und an der Abendkaſſe.
Brakls Kunſthaus. Profeſſor Carl Strath-
mann und Oswald Poetzelberger haben neue Ge-
mälde in Brakls Kunſthaus am Beethovenplatz
ausgeſtellt.
Die Geſellſchaft der Altersfreunde veranſtaltet
am Sonntag, den 20. Januar, abends 8 Uhr im
Odeonſaal ein Meiſterkonzert unter Mitwirkung
von Kammerſänger Paul Bender, Staatskapell-
meiſter Elmendorff. Kammerſängerin Eliſ. Feuge,
Staatsopernſänger Julius Patzack, Kammerſänger
Wilhelm Rode Kammerſängerin Luiſe Willer und
dem Studeny-Quartett.
Der Reinertrag iſt ausſchließlich zur Förderung
der Altershilfe beſtimmt. — Karten bei Bauer,
Halbreiter, Retſebüro Schenker und Muſikalien-
handlung Hieber.
Stellvertreter der deutſchen Reparations-Sachverſtändigen
[Abbildung ſind Bankier Dr. Melchior (links) und Geheimrat Kaſkl, der Geſchäftsführer des Reichs-
verbandes der deutſchen Induſtrie.]
Nobile rechtfertigt ſich
Warum er ſich zuerſt retten ließ
General Nobile hat das ihm nach ſeiner
Rückkehr auferlegte Schweigen erſtmalig ge-
brochen und über ſeine Rettung für ameri-
kaniſche Blätter eine Verteidigung geſchrie-
ben,
deren Wiedergabe der italieniſchen
Preſſe vorläufig unterſagt iſt.
Man begreift dieſes Zenſurverbot um ſo
weniger, als ſeine Schilderung anläßlich des
jetzigen Aufenthalts ſeines Retters, des
ſchwediſchen Hauptmanns Lundborg, in
Rom als Zeuge für die italieniſche Unter-
ſuchungskommiſſion über die Expedition des
Luftſchiffes „Italia“ beſonders zeitgemäß
wäre. Nobile ſchildert eingehend die ver-
zweifelte Lage der Schiffbrüchigen des ro-
ten Zeltes unverblümt, und ſo erfährt man
aus ſeiner Feder, daß ſie
viel troſtloſer
war, als die damals aus Rückſicht auf die
Verwandten und die italieniſche Oeffentlich-
keit geſiebten Berichte von der „Citta di
Milano“ durchblicken ließen. Die radio-
telegraphiſche Verbindung mit der Kingsbai
verſagte oft tagelang, und die Schiffbrüchi-
gen erhielten immer mehr den Eindruck,
daß die Rettungsaktion von der „Citta di
Milano“ aus nicht energiſch und umſichtig
genug geleitet wurde und mit den anderen
Rettungsexpditionen nicht der richtige Zu-
ſammenhang beſtände. Wenn die Radio-
verbindung zu lange ſchwieg, wurden No-
biles Leute bis zur Verzweiflung entmutigt,
und es fehlte daher nicht an
Vrwünſchungen und Anſchuldigungen,
da ſie glaubten, in der Kingsbai werde
ihren Bedürfniſſen und dem Ernſt ihrer
Lage nicht genügend Rechnung getragen,
während höchſte Eile im Rettungswerk mit
Flugzeugen geboten war. Am 23. Juni er-
ſuchte daher Nobile die „Citta di Milano“
dringend, wenigſtens den ſchwerverletzten
Maſchinenmeiſter Cecioni mit Flugzeug ab-
holen zu laſſen, da ſein Bein nicht ohne
Arzt geheilt werden konnte. Nobile empfand
immer mehr das Gefühl, daß er mit ſeinen
gebrochenen Beinen und dem gebrochenen
Arm für die Begleiter eine Laſt wurde.
Für den Fall einer Auflöſung ihrer Eis-
ſcholle hatten die Schiffbrüchigen die Ret-
tung in einem Faltboot in Ausſicht genom-
men und ſogar mit dem Gedanken einer
Ueberwinterung in der Polarnacht vertraut
gemacht. In ihrer höchſten Not und Ver-
zweiflung
kam der erſte Retter, Lundborg.
Als ihm ſein Flug angekündigt wurde,
hatte Nobile Cecioni für den Transvort nach
dem Landungsplatz bereitmachen laſſen, da
der Maſchinenmeiſter als erſter gereitet
werden ſollte. Alsdann ſollten Profeſſor
Behouneck und Troiani abgeholt werden.
dann Nobile und zuletzt Leunant Vigliari
und der Radiotelegraphiſt Biagi, da dieſe
beiden für die Aufrechterhaltung der Ver-
bindung ſorgten. Lundborg kümmerte ſich
aber nicht um die Anordnungen des Gene-
rals, ſondern ſagte ſofort: „Ich bin gekom-
men, um alle abzuholen. Das Landungs-
feld iſt ausgezeichnet. Ich werde im Ver-
laufe der Nacht alle transportieren.
„General, Sie müſſen als erſter mit-
kommen.“
Nobile will das für unmöglich erklärt und
auf den Beſchluß verwieſen haben, zuerſt
Cecioni mitnehmen zu laſſen. Aber Lund-
borg habe ihm entſchloſſen erwidert, er habe
ausdrücklich Befehl, den General als erſten
mitzubringen, weil er Anleitungen zur Auf-
findung der Verſchollenen geben müſſe. No-
bile glaubte, dieſer Befehl ſtamme vom
Kommando der „Citta di Milano“, das
einige Tage vorher Angaben und Weiſungen
zur Auffindung der Ballongruppe verlangt
hatte, die aber infolge radiotelegraphiſcher
Störungen nicht übermittelt werden konn-
ten. Trotz nochmaliger Weigerung und allen
Einwänden Nobiles beſtand Lundborg auch
aus techniſchen Gründen auf der Mitnahme
des Generals, weil ihm Cecioni zu ſchwer
war und er ihn nicht ohne Zurücklaſſung
ſeines Mechanikers beim roten Zelt mit-
nehmen konnte. Der ſchwediſche Flieger-
leutnant verſicherte, er kehre dann ſofort
allein zurück, um für Cecioni mehr Platz
zu haben. Nobile befragte noch ſeine Be-
gleiter, die dafür geweſen ſeien, daß er als
erſter ging, um das Rettungswerk ſelbſt in
die Hand zu nehmen. Sogar Cecioni ſagte
ihm: „Gehen Sie, denn was immer eintritt,
es wird jemand für unſere Familien ſor-
gen!“ Nobile glaubte
einer gebieteriſchen Pflicht gehorcht
zu haben,
als er ſich endlich entſchloß, ſich zum Flug-
zeug tragen und als erſter mitnehmen zu
laſſen, um trotz ſeinen Verletzungen wenig-
ſtens mit Ratſchlägen an den Nachforſchun-
gen nach der verſchollenen Ballongruppe des
Luftſchiffes mitwirken zu können. Nobile
erlebte ſeine Rettung und die liebevolle
Aufnahme bei der ſchwediſchen Hilfsexpedi-
tion wie einen Traum. aus dem er jäh er-
wachte, als ſeine Freude noch in der glei-
chen Nacht in tiefen Schmerz verwandelt
wurde, indem er erfuhr, daß Lundborgs
Flugzeug beim zweiten Landungsverſuch
verunglückt und ſein Retter ſelbſt auf dem
Packeis gefangen war. Groß war aber ſein
Erſtaunen, als er an Bord der „Citta di
Milano“ vom Kommandanten gebeten
wurde, über
ſeine Rettung als erſter Aufklärung
abzugeben, da ſie kritiſiert werden
könnte und beſonders im Auslande Miß-
fallen errege. Nobile telegraphierte an das
Marineminiſterium nach Rom, er ſei da, um
ſeinen Poſten wieder zu übernehmen. Sein
Körper ſei gelähmt, aber nicht ſein Geiſt.
Zu ſeiner Enttäuſchung blieb ihm aber das
erhoffte Kommando der Rettungserpedition
verſagt. Nobile betont, als er ſich von
Lundborg mitnehmen ließ, ſei es nicht in
der Abſicht geſchehen, ſich als erſter retten
zu laſſen, ſondern um auf den Poſten zu ge-
langen, auf dem er allein handeln und bis
zum äußerſten für die Rettung der Ver-
ſchollenen kämpfen konnte. Als er auf dem
Vackeis Lundborgs Drängen nachgab, will
Nobile nur an die anderen und
nicht an ſich ſelbſt gedacht
haben. Die gegen ſein Vorgehen erhobene
Kritik und alle damit verbundenen boshaf-
ten Unterſchiebungen empfand er als eine
grauſame Beleidigung, da er ganz ſelbſtlos
gehandelt haben will. Er war ſo verbittert,
daß er am liebſten der Menſchheit entflohen
und zu ſeinen Leidensgenoſſen auf das Pack-
eis zurückgekehrt wäre, die er nie verlaſſen,
ſondern nur wirkſamer zu ihrer Rettung
beitragen wollte.
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(2023-01-02T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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