Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 12. Januar 1929."AZ am Abend" Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar [Spaltenumbruch]
Der Umbau der Alten Akademie [Spaltenumbruch]
Unser Artikel "Helft den Münchner Mu- Als ich den Aufruf von Herrn Ha. B. betref- Das sogenannte "Wilhelminum", das ist Das Finanzministerium kann wohl kaum gegen Das in Amerika beschlagnahmte [Spaltenumbruch]
deutsche Eigentum Letzter Termin für die Anmeldung von Ansprüchen Die anscheinend immer noch weit verbrei- In diesem Zusammenhang sei ferner noch Die deutschen Interessenten, die bei ihren Ueber 174 000 Rundsunkhörer in Bayern Vis 1. Januar 1929 hat die Zahl der Kammerspiele im Schauspielhaus: In der allei- Richard Revy wird an den Münchner Kammer- [irrelevantes Material] [Spaltenumbruch]
Der Zensor auf der Bühne [Spaltenumbruch]
Ein Spottstück auf die russische Theaterzensur Wie alle anderen Aeußerungen des öffentlichen Der Verfasser des Stückes ist Mikhail Bul- Der Todestag Ernst von Wildenbruchs
[Abbildung]
jährt sich am 15. Januar zum 20. Male. Seine satirischen Ader Gogols geerbt hat. Er ver- Um so seltsamer mutet es an, daß der Zensor Der Zensor tritt, ein wenig Die "Scharlachinsel" ist ein kleiner Fleck Erde, Die Komödie beginnt in dem Augenblick, in Aber der Zensor ist nicht zufrieden. Er er- Man kann es den Moskauern gönnen, daß sie Theater am Gärtnerplatz. In den Auffüh- Die neuen Dekarationen sind vom Theater- "Das Extemporale", das beliebte, vielgegebene Kunstverein München e. V., München. Die Aus- Anschließend kommen Sammelausstellung von „AZ am Abend“ Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar [Spaltenumbruch]
Der Umbau der Alten Akademie [Spaltenumbruch]
Unſer Artikel „Helft den Münchner Mu- Als ich den Aufruf von Herrn Ha. B. betref- Das ſogenannte „Wilhelminum“, das iſt Das Finanzminiſterium kann wohl kaum gegen Das in Amerika beſchlagnahmte [Spaltenumbruch]
deutſche Eigentum Letzter Termin für die Anmeldung von Anſprüchen Die anſcheinend immer noch weit verbrei- In dieſem Zuſammenhang ſei ferner noch Die deutſchen Intereſſenten, die bei ihren Ueber 174 000 Rundſunkhörer in Bayern Vis 1. Januar 1929 hat die Zahl der Kammerſpiele im Schauſpielhaus: In der allei- Richard Révy wird an den Münchner Kammer- [irrelevantes Material] [Spaltenumbruch]
Der Zenſor auf der Bühne [Spaltenumbruch]
Ein Spottſtück auf die ruſſiſche Theaterzenſur Wie alle anderen Aeußerungen des öffentlichen Der Verfaſſer des Stückes iſt Mikhail Bul- Der Todestag Ernſt von Wildenbruchs
[Abbildung]
jährt ſich am 15. Januar zum 20. Male. Seine ſatiriſchen Ader Gogols geerbt hat. Er ver- Um ſo ſeltſamer mutet es an, daß der Zenſor Der Zenſor tritt, ein wenig Die „Scharlachinſel“ iſt ein kleiner Fleck Erde, Die Komödie beginnt in dem Augenblick, in Aber der Zenſor iſt nicht zufrieden. Er er- Man kann es den Moskauern gönnen, daß ſie Theater am Gärtnerplatz. In den Auffüh- Die neuen Dekarationen ſind vom Theater- „Das Extemporale“, das beliebte, vielgegebene Kunſtverein München e. V., München. Die Aus- Anſchließend kommen Sammelausſtellung von <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0012" n="Seite 12[12]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">„AZ am Abend“ Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jCulturalNews" n="1"> <div type="letter" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Der Umbau der Alten Akademie</hi> </hi> </head><lb/> <cb/> <p> <hi rendition="#et">Unſer Artikel „Helft den Münchner Mu-<lb/> ſeen“ in der Ausgahe vom 9. d. M. hat in<lb/> folgender Zuſchrift ſeine erſte Reſonanz ge-<lb/> funden. Da die Frage des Umbaus des ſog.<lb/> „Wilhelminums“ zweifellos weite Kreiſe in-<lb/> tereſſiert, geben wir ihr gerne Raum:</hi> </p><lb/> <p>Als ich den Aufruf von Herrn Ha. B. betref-<lb/> fend die Münchner Muſeen in Ihrem Blatte vom<lb/> 9. d. M. las, freute ich mich ehrlich ob dieſes<lb/> würdigen Vorſchlages und daß die „AZ“ ſich für<lb/> dieſen Zweck in ſo weitgehendem Maße zur Ver-<lb/> fügung ſtellt. Ich erinnerte mich ſofort des ſo<lb/> verheißungsvollen Planes, der im Sommer ver-<lb/> gangenen Jahres betr. die wiſſenſchaftlichen<lb/> Staatsſammlungen nicht nur in der „AZ“, ſon-<lb/> dern auch in allen anderen führenden Münchner<lb/> Blättern zum Teil in ganz großer Aufmachung<lb/> veröffentlicht wurde. Ich wartete in der Zwi-<lb/> ſchenzeit immer auf einen weiteren Bericht in<lb/> dieſer, die breite Oeffentlichkeit außerordentlich<lb/> intereſſierenden Sache. Mit mir werden ſich ſicher<lb/> nicht wenig Intereſſierte ſchon öfter die Frage<lb/> vorgelegt haben, ja, was iſt denn nun eigentlich<lb/> mit dieſem außerordentlichen erfolgverſprechenden<lb/> Umbauprojekt der Alten Akademie geworden?</p><lb/> <p>Das ſogenannte „<hi rendition="#g">Wilhelminum</hi>“, das iſt<lb/> das Gebäude der Alten bayer. Akademie der<lb/> Wiſſenſchaften in der Neuhauſerſtraße, ſollte<lb/> beſſer geeignete und mehr Räume durch Ein-<lb/> und Aufbau im geſamten Gebäudekomplex er-<lb/> halten, wenn es die Parterre-Straßenfront in<lb/> der Neuhauſerftraße für Einbauten von Laden-<lb/> lokalen freigeben würde. Das vorliegende An-<lb/> gebot ſollte dem Staat nicht nur keinerlei Un-<lb/> koſten verurſachen, im Gegenteil, der Staat oder<lb/> die ſtaatlichen Sammlungen ſollten neben den<lb/> beſſeren und mehr Räumen — nach denen ſie<lb/> ſchreien (mit Recht!) — auch noch ganz erhebliche<lb/> fährliche Pachtſummen erhalten. Das war doch<lb/> ein konkreter Vorſchlag, wie man ſich m. E. kaum<lb/> einen beſſeren vorſtellen könnte. Was wurde nun<lb/> daraus, wie ſteht es nun damit? Offenbar ein<lb/> Gewährsmann wußte in einer führenden Münch-<lb/> ner Zeitung in dieſer Sache ſogar zu berichten,<lb/> daß für das Projekt die unmittelbar daran inter-<lb/><cb/> eſſierten Stellen wie die Leitung der Akademie<lb/> und des Generalkanſervatoriums der Sammlun-<lb/> gen gewonnen wären, d. h. ſie ſähen in dem vor-<lb/> liegenden Angebot zum erſtenmal ein praktiſch<lb/> durchführbares, wirklich ernſt zu nehmendes An-<lb/> gebot, das einen brauchbaren Weg zur Behebung<lb/> der unerträglich gewordenen Raumnot weiſt und<lb/> eine gute Grundlage für Verhandlungen böte.<lb/> Sind nun eigentlich Verhandlungen im Gange<lb/> oder hat ſich die Angelegenheit zerſchlagen? Im<lb/> letzteren Falle hätte die Oeffentlichkeit ein Recht,<lb/> auf eine einwandfreie Erklärung in dieſer Sache<lb/> von der maßgebenden ſtaatlichen Behörde zu be-<lb/> ſtehen.</p><lb/> <p>Das Finanzminiſterium kann wohl kaum gegen<lb/> Annahme eines ſolchen Angebots geſtimmt haben!<lb/> Sollte vielleicht die Monumental-Baukommiſſion<lb/> einen Haken wegen der nötigen Faſſadenände-<lb/> rung gefunden haben? Aber ſelbſt wenn dies der<lb/> Fall ſein ſollte, die Entſcheidung liegt doch in<lb/> ſolchen Fällen beim Innenminiſterium — als<lb/> oberſter Baubehörde. Es iſt doch unbeſtreitbar,<lb/> daß die Vorteile für den Staat, die ſtaatlichen<lb/> Sammlungen, die breite Oeffentlichkeit gegenüber<lb/> etwaigen Bedenken von ſeiten einiger Aeſtheten<lb/> oder Idiologen (wenn auch prominenter) ſo<lb/> dominierend ſind (jedenfalls nach den diesbezüg-<lb/> lichen Bekanntmachungen in der Preſſe), daß ſich<lb/> der Laie wie der Fachmann nur ſchwer vorſtellen<lb/> kann, daß ein ſolches Angebot unbeachtet blieb<lb/> oder wegen der Faſſadenänderungsfrage abge-<lb/> lehnt wurde. Oder ſtecken gar berückſichtigte per-<lb/> ſönliche Intereſſen dahinter? Ein führender Bau-<lb/> künſtler Münchens äußerte ſich ſeinerzeit als ich<lb/> mit ihm das Projekt beſprach, dahingehend, daß<lb/> eine Aenderung der Parterrefaſſade — bei einem<lb/> bißchen guten Willen — ohne Schädigung des<lb/> Ganzen durchaus möglich wäre. Und deshalb<lb/> nochmals meine Frage: Gönnt man unſeren<lb/> wiſſenſchaftlichen Sammlungen keine beſſeren und<lb/> mehr Räume, wenn dieſe umſonſt geboten wer-<lb/> den mit der Ausſicht, daß durch die angebotene<lb/> Pachtſumme in abſehbarer Zeit ein neuer Mu-<lb/> ſeumsbau erſtellt werden kann, ohne Beihilfe des<lb/> Staates?</p> <byline> <hi rendition="#et">G. Elk.</hi> </byline> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Das in Amerika beſchlagnahmte<lb/> deutſche Eigentum<lb/> Letzter Termin für die Anmeldung von Anſprüchen</hi> </hi> </head><lb/> <cb/> <p>Die anſcheinend immer noch weit verbrei-<lb/> tete Anſicht, die amerikaniſche Regierung<lb/> werde, nachdem das Freigabegeſetz einmal<lb/> erlaſſen worden iſt, <hi rendition="#g">von ſich aus</hi> die<lb/> Rückgabe der beſchlagnahmten deutſchen<lb/> Werte anordnen und ſie den deutſchen Eigen-<lb/> tümern zuſtellen, iſt <hi rendition="#g">keineswegs zu-<lb/> treffend.</hi> Im Hinblick auf den bevor-<lb/> ſtehenden Ablauf der Friſt ſoll daher noch<lb/> einmal darauf hingewieſen werden, daß die<lb/> deutſchen Eigentümer ſich <hi rendition="#g">ſelbſt</hi> um die<lb/> Wiedererlangung ihres Vermögens beküm-<lb/> mern und in einer an den Alien Property<lb/> Cuſtodian zu richtende Eingabe, für die<lb/> gewiſſe Formen vorgeſchrieben ſind, die<lb/> Rückgabe ihres beſchlagnahmten Eigentums<lb/> ausdrücklich beantragen müſſen. Dieſem An-<lb/> trag ſind die Unterlagen beizufügen, aus<lb/> denen die Berechtigung der Antragſteller<lb/> einwandfrei hervorgeht. Der Antrag muß<lb/> nach dem amerikaniſchen Freigabegeſetz<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">bis zum 10. März 1929</hi></hi><lb/> geſtellt werden. Liegt dieſer Antrag nicht<lb/> ſpäteſtens bis zu dieſem Termin dem Alien<lb/> Property Cuſtodian in Waſhington vor, ſo<lb/> iſt das Eigentum für den deutſchen Berech-<lb/> eigten endgültig verloren. Sofortiges Han-<lb/> deln iſt gegebenenfalls alſo unerläßlich.</p><lb/> <p>In dieſem Zuſammenhang ſei ferner noch<lb/> darauf aufmerkſam gemacht, daß deutſche<lb/> Firmen, die Vorkriegsforderungen gegen<lb/> amerikaniſche Kunden haben, nur dann<lb/> einen Freigabeantrag an den Alien Pro-<lb/> perty Cuſtodian ſtellen können, wenn die<lb/> amerikaniſchen Kunden die Schuldbeträge<lb/> ſeinerzeit an den Alien Property Cuſtodian<lb/> überwieſen haben, wie es das amerikaniſche<lb/> Geſetz über den Handel mit dem Feind vor-<lb/> ſchrieb, der Cuſtodian alſo tatſächlich Werte<lb/> des deutſchen Freigabeberechtigten in Hän-<lb/> den hat.</p><lb/> <p>Die deutſchen Intereſſenten, die bei ihren<lb/> Anträgen Formfehler vermeiden wollen<lb/> oder nicht in der Lage ſind, die Angelegen-<lb/> heit ſelbſt zu betreiben, können ſich an den<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Deutſch-Amerikaniſchen Wirtſchaftsverband,</hi></hi><lb/> Berlin NW 7, Neue Wilhelmſtraße 12/14,<lb/> oder an die Amerika-Abteilung des Bundes<lb/> der Auslandsdeutſchen, Berlin NW 6,<lb/> Luiſenſtraße 27/28 wenden, die bereit ſind,<lb/> auch Nichtmitgliedern Auskunft zu erteilen<lb/> und Hilfe angedeihen zu laſſen. Die Inan-<lb/> ſpruchnahme eines ſachverſtändigen Bera-<lb/> ters empfiehlt ſich auch deshalb, weil dieſer<lb/> Berater bei der endgültigen Abrechnung<lb/> über das freizugebende Vermögen prüfen<lb/> könnte, ob bei der Erhebung der Steuern<lb/> und der Berechnung der Verwaltungskoſten<lb/><cb/> alle diejenigen Punkte berückſichtigt worden<lb/> ſind, die im Intereſſe der Rückgabe-Berech-<lb/> tigten geltend gemacht werden können.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Ueber 174 000 Rundſunkhörer<lb/> in Bayern</hi> </hi> </head><lb/> <p>Vis 1. Januar 1929 hat die Zahl der<lb/> Rundfunkteilnehmer in Bayern weiter zu-<lb/> genommen und ſich auf einen Stand von<lb/> 174 102 poſtaliſch genehmigter Anlagen er-<lb/> höht. Die Zunahme beträgt ſeit Oktober<lb/> 1928 rund 22 860.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kammerſpiele im Schauſpielhaus:</hi> </head> <p>In der allei-<lb/> nigen Uraufführung des Luſtſpiels „Vettern“ von<lb/> Rudolf Schneider-Schelde am Samstag, den<lb/> 12. Januar, abends 7 Uhr, wirken mit die Da-<lb/> men Annelieſe Born, Maria Byk, die Herren: Jo-<lb/> ſef Eichheim, Kurt Horwitz, Richard R<hi rendition="#aq">é</hi>vy, Heinz<lb/> Rühmann, Franz Scharwenka. Die Inſzenierung<lb/> liegt in Händen von Kurt Reiß. — Das einmalige<lb/> Tanzgaſtſpiel <hi rendition="#g">Mary Wigmans</hi> am Sams-<lb/> tag, den 12. Januar, nachts 10 Uhr, bringt als<lb/> vollſtändig neues Programm die beiden Zyklen<lb/> „Viſionen“ — ſechs Geſtalten — und die „ſpo-<lb/> niſche Suite (drei Tänze). Mary Wigman hatte<lb/> mit dieſem Programm kürzlich in Berlin einen<lb/> außerordentlichen Erfolg. Am Flügel: Will<lb/> Goetze.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Richard R<hi rendition="#aq">é</hi>vy wird an den Münchner Kammer-<lb/> ſpielen Bernard <hi rendition="#g">Shaws Hiſtorie „Cäſar<lb/> und Kleopatra</hi> inſzenieren.</p> </div><lb/> <div type="jAn" n="2"> <gap reason="insignificant"/> </div> <cb/> <div xml:id="a03a" next="#a03b" type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Der Zenſor auf der Bühne<lb/> Ein Spottſtück auf die ruſſiſche Theaterzenſur</hi> </hi> </head><lb/> <cb/> <p>Wie alle anderen Aeußerungen des öffentlichen<lb/> Lebens iſt in Rußland auch das Theaterſtück<lb/> einer ſtrengen Zenſur unterwoſen. Die Bühne<lb/> darf nur ſolche Stücke aufführen, die den echten<lb/> bolſchewiſtiſchen Geiſt atmen und die vorher von<lb/> dem Zenſor auf ihre Tendenz genau geprüft<lb/> worden ſind. Werke der klaſſiſchen Literatur<lb/> werden ſo lange umgemodelt, bis ſie das Ge-<lb/> fallen des Zenſors finden. Die Strenge der<lb/> Zenſur kennt keine Ausnahmen. Sie ſcheint es<lb/> aber doch vertragen zu können,<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">daß man ſich über ſie luſtig macht.</hi></hi><lb/> Denn ſonſt wäre es nicht zu verſtehen, daß in<lb/> dem Kamerny Theater, einer Moskauer Bühne,<lb/> unter dem Titel „Die Scharlachinſel“ ein Stück<lb/> gegeben werden kann, das eine ebenſo luſtige<lb/> wie ſcharfe Satire auf die ruſſiſche Bühnenzenſur<lb/> darſtellt.</p><lb/> <p>Der Verfaſſer des Stückes iſt <hi rendition="#g">Mikhail Bul-<lb/> gakow,</hi> ein junger Autor, der etwas von der</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Der Todestag Ernſt von Wildenbruchs</hi> </hi> </head><lb/> <figure> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">jährt ſich am 15. Januar zum 20. Male. Seine<lb/> dramatiſchen Dichtungen, unter denen „Väter<lb/> und Söhne“, „Die Quitzows“, „Der neue Herr“,<lb/> „Heinrich und Heinrichs Geſchlecht“ und „Die<lb/> Rabenſteinerin“ am erfolgreichſten waren, haben<lb/> ihn überlebt.</hi> </hi> </p> </figure> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="a03b" prev="#a03a" type="jComment" n="2"> <p>ſatiriſchen Ader <hi rendition="#g">Gogols</hi> geerbt hat. Er ver-<lb/> tritt in der zeitgenöſſiſchen ruſſiſchen Literatur<lb/> eine etwas freiere und unabhängigere Note als<lb/> die anderen. Seine Werke gehen alle bis zur<lb/> äußerſten Grenze der dichteriſchen Freiheit, die<lb/> in Sowjetrußland erlaubt iſt. Es bedurfte erſt<lb/> eines harten Kampfes, ehe die Aufführung einer<lb/> dramatiſierten Erzählung Bulgakows auf der<lb/> Bühne des Moskauer Kunſttheaters zugelaſſen<lb/> wurde. Der Zenſor erhob zunächſt<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Einſpruch,</hi></hi><lb/> weil in dieſer Erzählung die weißen (zariſtiſchen)<lb/> Offiziere zwar als die Vertreter einer verlorenen<lb/> Sache, aber doch als tapfere und freundliche<lb/> Menſchen dargeſtellt werden. Auch mit einer<lb/> anderen Dichtung, einer Satire auf das zeit-<lb/> genöſſiſche Rußland, hat Bulgakow bei den<lb/> ſtrenggläubigen Kommuniſten Anſtoß erregt.</p><lb/> <p>Um ſo ſeltſamer mutet es an, daß der Zenſor<lb/> eine Verſpottung ſeiner eigenen Tätigkeit auf<lb/> der Bühne zugelaſſen hat. Die Moslauer ſind<lb/> ihm dafür ſicher von Herzen dankbar, denn ſie<lb/> beſuchen allabendlich ſcharenweiſe das Kamerny<lb/> Theater und erfreuen ſich aufs höchſte an einem<lb/> Stück, das die Kritik der offiziellen Sowjetpreſſe<lb/> vergebens als langweilig herabzuſetzen verſucht<lb/> hat. Es muß den Ruſſen beſonders wohltun, ſich<lb/> einmal über eine Perſönlichkeit luſtig zu machen,<lb/> die ihnen das Leben genug verſauert.</p><lb/> <p>Der Zenſor tritt, ein wenig<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">als komiſche Perſon charakteriſiert</hi></hi><lb/> und dargeſtellt, ſelbſt in dem Stücke auf. Die<lb/> erſte Szene der „Scharlachinſel“ ſpielt in dem<lb/> Büro eines Moskauer Theaters. Der Direktor<lb/> teilt dem Zenſor mit, daß er ein neues Drama<lb/><cb/> aufzuführen beabſichtige, ein Stück, das politiſch<lb/> vollſtändig einwandfrei ſei. Der Zenſor erklärt<lb/> ſich bereit, der Generalprobe beizuwohnen, um<lb/> zu prüfen, ob das Stück zur Aufführung zuge-<lb/> laſſen werden könne. In den übrigen Szenen<lb/> entrollt ſich dann die Generalprobe, das Ganze<lb/> eine beißende Satire auf die Bindung der dich-<lb/> teriſchen Geſtaltungsfreiheit durch den Zwang<lb/> des politiſchen Glaubensbekenntniſſes. Und mit-<lb/> ten in der Reihenfolge dieſer luſtigen Szenen<lb/> ſteht der Zenſor als Zielſcheibe des Spottes und<lb/> der Satire.</p><lb/> <p>Die „Scharlachinſel“ iſt ein kleiner Fleck Erde,<lb/> der nur in der Phantaſie des Dichters beſteht.<lb/> Aber auch dieſes Stück Erde ſteht im Zeichen<lb/> des Gegenſatzes von „weiß“ und „rot“. Die<lb/> „Weißen“ ſind natürlich die Unterdrücker. Sie<lb/> ſind eine kleine Minderheit, haben aber die<lb/> Inſelbewohner vollſtändig unterjocht und herr-<lb/> ſchen unter ihrem König als Tyrannen. Die<lb/> Eingeborenen ſind, wenn auch nicht der Haut-<lb/> farbe, ſo doch der Geſinnung nach „rot“. Zu den<lb/> handelnden Perſonen geſellt ſich als Vertreter<lb/> des Kapitalismus und als Feind der „Roten“<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">der unvermeidliche Engländer.</hi></hi><lb/> Die Bühne verwandelt ſich in das Deck eines<lb/> engliſchen Handelsdampfers. Der Beſitzer des<lb/> Schiffes, Lord Glenarvon, tritt mit dem König<lb/> der „Weißen“ in Verbindung. Er kauft die gan-<lb/> zen Perlenſchätze der Inſel für ein Fäßchen Rum<lb/> und bare tauſend Pfund. So bleibt alles in<lb/> dem Rahmen der kommuniſtiſchen Anſchauungen.<lb/> Der König iſt ein Verräter, der heimlich die<lb/> Schätze ſeines Landes verkauft, der Engländer<lb/> der gewiſſenloſe Händler, der alles mit ſeinem<lb/> Gelde verſeucht. Aber man merkt an jedem Satz,<lb/> daß der Dichter ſelbſt dieſe Darſtellung nicht ernſt<lb/> nimmt, ſondern die vorgeſchriebene Lehrmeinung<lb/> in das Lächerliche zieht.</p><lb/> <p>Die Komödie beginnt in dem Augenblick, in<lb/> dem der Zenſor, ein mit der Brille bewaffneter<lb/> Mann in mittleren Jahren, die Bühne betritt.<lb/> Er trägt die ſtattliche Mappe, ohne die man ſich<lb/> einen Sowjetbeamten in Rußland überhaupt<lb/> nicht mehr vorſtellen kann. Der Direktor weiſt<lb/> ihm auf dem Deck des Schiffes einen Ehrenplatz<lb/> an, der ihm einen guten Ueberblick geſtattet. Und<lb/> nun macht der Zenſor die Fahrt des Schiffes<lb/> mit. Von Szene zu Szene wird es intereſſanter.<lb/> Als der Verkaufsvertrag auf der „Scharlach-<lb/> inſel“ ruchbar wird,<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">empören ſich die „Roten“.</hi></hi><lb/> Die Engländer müſſen den „Weißen“ und ihrem<lb/> König zu Hilfe kommen. Sie bereiten ſich dar-<lb/> auf vor, die ganze Inſel zu erobern und dem<lb/> engliſchen Reiche einzuverleiben. Ihre Ausſich-<lb/> ten ſind günſtig. Denn der Anführer der „Roten“<lb/> entpuppt ſich als ein Schurke, der mit den<lb/> „Weißen“ und ihren fremden Helfershelfern ge-<lb/> meinſame Sache macht. Aber die rote Revolu-<lb/> tion behält doch trotz aller Hinderniſſe zuletzt die<lb/> Oberhand. Die „Weißen“ werden zum größten<lb/> Teil erſchlagen und die Engländer müſſen ab-<lb/> ziehen, ohne auch nur eine Perle erbeutet zu<lb/> haben. Die Sonne erhebt ſich blutig rot und<lb/> grüßt die ſiegreiche Revolution. Der übliche und<lb/> unvermeidliche Schluß!</p><lb/> <p>Aber der Zenſor iſt nicht zufrieden. Er er-<lb/> klärt, <hi rendition="#g">ſo</hi> dürfe das Stück nicht aufgeführt wer-<lb/> den. Der Direktor fragt verblüfft nach den<lb/> Gründen. „Und die engliſchen Matroſen?, lau-<lb/> tet die Gegenfrage. Sind ſie nicht Proletarier?<lb/> Warum unterſtützen ſie nicht die Revolution?<lb/> Das Stück — ſo ſtellt der Zenſor wütend feſt —<lb/> iſt gegenrevolutionär. Der Verfaſſer hat von<lb/> den Grundſätzen der roten Internationale keine<lb/> Ahnung. Vielleicht wünſcht er auch nicht ein-<lb/> mal den Sieg der Weltrevolution.“ Mit dieſer<lb/> vernichtenden Kritik will der Zenſor die Bühne<lb/> verlaſſen. Aber der Direktor hält ihn zurück.<lb/> Richts iſt leichter, als das Stück zu ändern. Eine<lb/> Schlußſzene wird angehängt, in der<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">die engliſchen Matroſen meulern,</hi></hi><lb/> den Lord und den Kapitän in Ketten werfen und<lb/> nach der Inſel zurückfahren, um ſich mit den<lb/> „Roten“ dort zu verbrüdern. Nun gibt der<lb/> Zenſor ſeine Zuſtimmung und alles iſt in<lb/> Ordnung.</p><lb/> <p>Man kann es den Moskauern gönnen, daß ſie<lb/> Gelegenheit haben, einmal von Herzen über den<lb/> Zenſor zu lachen. Denn dieſer Mann verdirbt<lb/> ihnen oft genug die Laune.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Theater am Gärtnerplatz.</hi> </head> <p>In den Auffüh-<lb/> rungen der Novität: „Evelyne“ (Erſtaufführung<lb/> Samstag, 12. Januar wird die Modeſchau (im<lb/> 5. Bilde) vom Modellhaus J. <hi rendition="#g">Ney,</hi> Maffeiſtr. 6,<lb/> der Modeſchmuck von der Firma V. <hi rendition="#g">Tochter-<lb/> mann,</hi> Maffeiſtraße 4, geſtellt.</p><lb/> <p>Die neuen Dekarationen ſind vom Theater-<lb/> maler Theo Thaller, die Koſtüme von Alois<lb/> Baumann und Anna Jung in den eigenen Werk-<lb/> ſtätten des Theaters hergeſtellt. Tänze: Bo<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/> Dorſay. Im 1. Akt ſpielt das Tanzorcheſter George<lb/> Schells auf der Bühne.</p><lb/> <p>„Das Extemporale“, das beliebte, vielgegebene<lb/> Luſtſpiel in 3 Akten von Sturm und Färber,<lb/> kommt mit gütiger Erlaubnis der Direktion der<lb/> Münchner Kammerſpiele durch zeitweiſe engage-<lb/> mentsloſe Bühnenkünſtler Münchens, am Sonn-<lb/> tag, den 13. Januar 1929, abends 8 Uhr im <hi rendition="#g">Dom<lb/> Pedroſaal in Reuhauſen</hi> (Halteſtelle<lb/> Waiſenhaus der Linie 4) zur einmaligen Auf-<lb/> führung. Dieſe Theaterabende im ſonſt theater-<lb/> loſen Neuhauſen werden zu einem beliebten ge-<lb/> ſellſchaftlichen Treffpunkt für ein gutes Familien-<lb/> publikum. Als Darſteller ſind in der Vorſtellung<lb/> beteiligt: die Damen Marlit, Braune, Müller-Mar-<lb/> berg, die Herren Braune, Denzel, Heinrich, Voß-<lb/> Preiſe RM. 1,50, 0,99, 0,60.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Kunſtverein München e. V.,</hi> </head> <p>München. Die Aus-<lb/> ſtellung der Künſtlergruppe „Der Bund“ ſchließt<lb/> am Sonntag, den 13. Januar 1929.</p><lb/> <p>Anſchließend kommen Sammelausſtellung von<lb/> Ida <hi rendition="#g">Diem-Tilp,</hi> Maria <hi rendition="#g">Langer-Schöl-<lb/> ler</hi>-Dachau, (Aquarelle und Graphit), E. <hi rendition="#g">Mül-<lb/> ler-Zierhold.</hi></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [Seite 12[12]/0012]
„AZ am Abend“ Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar
Der Umbau der Alten Akademie
Unſer Artikel „Helft den Münchner Mu-
ſeen“ in der Ausgahe vom 9. d. M. hat in
folgender Zuſchrift ſeine erſte Reſonanz ge-
funden. Da die Frage des Umbaus des ſog.
„Wilhelminums“ zweifellos weite Kreiſe in-
tereſſiert, geben wir ihr gerne Raum:
Als ich den Aufruf von Herrn Ha. B. betref-
fend die Münchner Muſeen in Ihrem Blatte vom
9. d. M. las, freute ich mich ehrlich ob dieſes
würdigen Vorſchlages und daß die „AZ“ ſich für
dieſen Zweck in ſo weitgehendem Maße zur Ver-
fügung ſtellt. Ich erinnerte mich ſofort des ſo
verheißungsvollen Planes, der im Sommer ver-
gangenen Jahres betr. die wiſſenſchaftlichen
Staatsſammlungen nicht nur in der „AZ“, ſon-
dern auch in allen anderen führenden Münchner
Blättern zum Teil in ganz großer Aufmachung
veröffentlicht wurde. Ich wartete in der Zwi-
ſchenzeit immer auf einen weiteren Bericht in
dieſer, die breite Oeffentlichkeit außerordentlich
intereſſierenden Sache. Mit mir werden ſich ſicher
nicht wenig Intereſſierte ſchon öfter die Frage
vorgelegt haben, ja, was iſt denn nun eigentlich
mit dieſem außerordentlichen erfolgverſprechenden
Umbauprojekt der Alten Akademie geworden?
Das ſogenannte „Wilhelminum“, das iſt
das Gebäude der Alten bayer. Akademie der
Wiſſenſchaften in der Neuhauſerſtraße, ſollte
beſſer geeignete und mehr Räume durch Ein-
und Aufbau im geſamten Gebäudekomplex er-
halten, wenn es die Parterre-Straßenfront in
der Neuhauſerftraße für Einbauten von Laden-
lokalen freigeben würde. Das vorliegende An-
gebot ſollte dem Staat nicht nur keinerlei Un-
koſten verurſachen, im Gegenteil, der Staat oder
die ſtaatlichen Sammlungen ſollten neben den
beſſeren und mehr Räumen — nach denen ſie
ſchreien (mit Recht!) — auch noch ganz erhebliche
fährliche Pachtſummen erhalten. Das war doch
ein konkreter Vorſchlag, wie man ſich m. E. kaum
einen beſſeren vorſtellen könnte. Was wurde nun
daraus, wie ſteht es nun damit? Offenbar ein
Gewährsmann wußte in einer führenden Münch-
ner Zeitung in dieſer Sache ſogar zu berichten,
daß für das Projekt die unmittelbar daran inter-
eſſierten Stellen wie die Leitung der Akademie
und des Generalkanſervatoriums der Sammlun-
gen gewonnen wären, d. h. ſie ſähen in dem vor-
liegenden Angebot zum erſtenmal ein praktiſch
durchführbares, wirklich ernſt zu nehmendes An-
gebot, das einen brauchbaren Weg zur Behebung
der unerträglich gewordenen Raumnot weiſt und
eine gute Grundlage für Verhandlungen böte.
Sind nun eigentlich Verhandlungen im Gange
oder hat ſich die Angelegenheit zerſchlagen? Im
letzteren Falle hätte die Oeffentlichkeit ein Recht,
auf eine einwandfreie Erklärung in dieſer Sache
von der maßgebenden ſtaatlichen Behörde zu be-
ſtehen.
Das Finanzminiſterium kann wohl kaum gegen
Annahme eines ſolchen Angebots geſtimmt haben!
Sollte vielleicht die Monumental-Baukommiſſion
einen Haken wegen der nötigen Faſſadenände-
rung gefunden haben? Aber ſelbſt wenn dies der
Fall ſein ſollte, die Entſcheidung liegt doch in
ſolchen Fällen beim Innenminiſterium — als
oberſter Baubehörde. Es iſt doch unbeſtreitbar,
daß die Vorteile für den Staat, die ſtaatlichen
Sammlungen, die breite Oeffentlichkeit gegenüber
etwaigen Bedenken von ſeiten einiger Aeſtheten
oder Idiologen (wenn auch prominenter) ſo
dominierend ſind (jedenfalls nach den diesbezüg-
lichen Bekanntmachungen in der Preſſe), daß ſich
der Laie wie der Fachmann nur ſchwer vorſtellen
kann, daß ein ſolches Angebot unbeachtet blieb
oder wegen der Faſſadenänderungsfrage abge-
lehnt wurde. Oder ſtecken gar berückſichtigte per-
ſönliche Intereſſen dahinter? Ein führender Bau-
künſtler Münchens äußerte ſich ſeinerzeit als ich
mit ihm das Projekt beſprach, dahingehend, daß
eine Aenderung der Parterrefaſſade — bei einem
bißchen guten Willen — ohne Schädigung des
Ganzen durchaus möglich wäre. Und deshalb
nochmals meine Frage: Gönnt man unſeren
wiſſenſchaftlichen Sammlungen keine beſſeren und
mehr Räume, wenn dieſe umſonſt geboten wer-
den mit der Ausſicht, daß durch die angebotene
Pachtſumme in abſehbarer Zeit ein neuer Mu-
ſeumsbau erſtellt werden kann, ohne Beihilfe des
Staates?
G. Elk.
Das in Amerika beſchlagnahmte
deutſche Eigentum
Letzter Termin für die Anmeldung von Anſprüchen
Die anſcheinend immer noch weit verbrei-
tete Anſicht, die amerikaniſche Regierung
werde, nachdem das Freigabegeſetz einmal
erlaſſen worden iſt, von ſich aus die
Rückgabe der beſchlagnahmten deutſchen
Werte anordnen und ſie den deutſchen Eigen-
tümern zuſtellen, iſt keineswegs zu-
treffend. Im Hinblick auf den bevor-
ſtehenden Ablauf der Friſt ſoll daher noch
einmal darauf hingewieſen werden, daß die
deutſchen Eigentümer ſich ſelbſt um die
Wiedererlangung ihres Vermögens beküm-
mern und in einer an den Alien Property
Cuſtodian zu richtende Eingabe, für die
gewiſſe Formen vorgeſchrieben ſind, die
Rückgabe ihres beſchlagnahmten Eigentums
ausdrücklich beantragen müſſen. Dieſem An-
trag ſind die Unterlagen beizufügen, aus
denen die Berechtigung der Antragſteller
einwandfrei hervorgeht. Der Antrag muß
nach dem amerikaniſchen Freigabegeſetz
bis zum 10. März 1929
geſtellt werden. Liegt dieſer Antrag nicht
ſpäteſtens bis zu dieſem Termin dem Alien
Property Cuſtodian in Waſhington vor, ſo
iſt das Eigentum für den deutſchen Berech-
eigten endgültig verloren. Sofortiges Han-
deln iſt gegebenenfalls alſo unerläßlich.
In dieſem Zuſammenhang ſei ferner noch
darauf aufmerkſam gemacht, daß deutſche
Firmen, die Vorkriegsforderungen gegen
amerikaniſche Kunden haben, nur dann
einen Freigabeantrag an den Alien Pro-
perty Cuſtodian ſtellen können, wenn die
amerikaniſchen Kunden die Schuldbeträge
ſeinerzeit an den Alien Property Cuſtodian
überwieſen haben, wie es das amerikaniſche
Geſetz über den Handel mit dem Feind vor-
ſchrieb, der Cuſtodian alſo tatſächlich Werte
des deutſchen Freigabeberechtigten in Hän-
den hat.
Die deutſchen Intereſſenten, die bei ihren
Anträgen Formfehler vermeiden wollen
oder nicht in der Lage ſind, die Angelegen-
heit ſelbſt zu betreiben, können ſich an den
Deutſch-Amerikaniſchen Wirtſchaftsverband,
Berlin NW 7, Neue Wilhelmſtraße 12/14,
oder an die Amerika-Abteilung des Bundes
der Auslandsdeutſchen, Berlin NW 6,
Luiſenſtraße 27/28 wenden, die bereit ſind,
auch Nichtmitgliedern Auskunft zu erteilen
und Hilfe angedeihen zu laſſen. Die Inan-
ſpruchnahme eines ſachverſtändigen Bera-
ters empfiehlt ſich auch deshalb, weil dieſer
Berater bei der endgültigen Abrechnung
über das freizugebende Vermögen prüfen
könnte, ob bei der Erhebung der Steuern
und der Berechnung der Verwaltungskoſten
alle diejenigen Punkte berückſichtigt worden
ſind, die im Intereſſe der Rückgabe-Berech-
tigten geltend gemacht werden können.
Ueber 174 000 Rundſunkhörer
in Bayern
Vis 1. Januar 1929 hat die Zahl der
Rundfunkteilnehmer in Bayern weiter zu-
genommen und ſich auf einen Stand von
174 102 poſtaliſch genehmigter Anlagen er-
höht. Die Zunahme beträgt ſeit Oktober
1928 rund 22 860.
Kammerſpiele im Schauſpielhaus:In der allei-
nigen Uraufführung des Luſtſpiels „Vettern“ von
Rudolf Schneider-Schelde am Samstag, den
12. Januar, abends 7 Uhr, wirken mit die Da-
men Annelieſe Born, Maria Byk, die Herren: Jo-
ſef Eichheim, Kurt Horwitz, Richard Révy, Heinz
Rühmann, Franz Scharwenka. Die Inſzenierung
liegt in Händen von Kurt Reiß. — Das einmalige
Tanzgaſtſpiel Mary Wigmans am Sams-
tag, den 12. Januar, nachts 10 Uhr, bringt als
vollſtändig neues Programm die beiden Zyklen
„Viſionen“ — ſechs Geſtalten — und die „ſpo-
niſche Suite (drei Tänze). Mary Wigman hatte
mit dieſem Programm kürzlich in Berlin einen
außerordentlichen Erfolg. Am Flügel: Will
Goetze.
Richard Révy wird an den Münchner Kammer-
ſpielen Bernard Shaws Hiſtorie „Cäſar
und Kleopatra inſzenieren.
_
Der Zenſor auf der Bühne
Ein Spottſtück auf die ruſſiſche Theaterzenſur
Wie alle anderen Aeußerungen des öffentlichen
Lebens iſt in Rußland auch das Theaterſtück
einer ſtrengen Zenſur unterwoſen. Die Bühne
darf nur ſolche Stücke aufführen, die den echten
bolſchewiſtiſchen Geiſt atmen und die vorher von
dem Zenſor auf ihre Tendenz genau geprüft
worden ſind. Werke der klaſſiſchen Literatur
werden ſo lange umgemodelt, bis ſie das Ge-
fallen des Zenſors finden. Die Strenge der
Zenſur kennt keine Ausnahmen. Sie ſcheint es
aber doch vertragen zu können,
daß man ſich über ſie luſtig macht.
Denn ſonſt wäre es nicht zu verſtehen, daß in
dem Kamerny Theater, einer Moskauer Bühne,
unter dem Titel „Die Scharlachinſel“ ein Stück
gegeben werden kann, das eine ebenſo luſtige
wie ſcharfe Satire auf die ruſſiſche Bühnenzenſur
darſtellt.
Der Verfaſſer des Stückes iſt Mikhail Bul-
gakow, ein junger Autor, der etwas von der
Der Todestag Ernſt von Wildenbruchs
[Abbildung jährt ſich am 15. Januar zum 20. Male. Seine
dramatiſchen Dichtungen, unter denen „Väter
und Söhne“, „Die Quitzows“, „Der neue Herr“,
„Heinrich und Heinrichs Geſchlecht“ und „Die
Rabenſteinerin“ am erfolgreichſten waren, haben
ihn überlebt.]
ſatiriſchen Ader Gogols geerbt hat. Er ver-
tritt in der zeitgenöſſiſchen ruſſiſchen Literatur
eine etwas freiere und unabhängigere Note als
die anderen. Seine Werke gehen alle bis zur
äußerſten Grenze der dichteriſchen Freiheit, die
in Sowjetrußland erlaubt iſt. Es bedurfte erſt
eines harten Kampfes, ehe die Aufführung einer
dramatiſierten Erzählung Bulgakows auf der
Bühne des Moskauer Kunſttheaters zugelaſſen
wurde. Der Zenſor erhob zunächſt
Einſpruch,
weil in dieſer Erzählung die weißen (zariſtiſchen)
Offiziere zwar als die Vertreter einer verlorenen
Sache, aber doch als tapfere und freundliche
Menſchen dargeſtellt werden. Auch mit einer
anderen Dichtung, einer Satire auf das zeit-
genöſſiſche Rußland, hat Bulgakow bei den
ſtrenggläubigen Kommuniſten Anſtoß erregt.
Um ſo ſeltſamer mutet es an, daß der Zenſor
eine Verſpottung ſeiner eigenen Tätigkeit auf
der Bühne zugelaſſen hat. Die Moslauer ſind
ihm dafür ſicher von Herzen dankbar, denn ſie
beſuchen allabendlich ſcharenweiſe das Kamerny
Theater und erfreuen ſich aufs höchſte an einem
Stück, das die Kritik der offiziellen Sowjetpreſſe
vergebens als langweilig herabzuſetzen verſucht
hat. Es muß den Ruſſen beſonders wohltun, ſich
einmal über eine Perſönlichkeit luſtig zu machen,
die ihnen das Leben genug verſauert.
Der Zenſor tritt, ein wenig
als komiſche Perſon charakteriſiert
und dargeſtellt, ſelbſt in dem Stücke auf. Die
erſte Szene der „Scharlachinſel“ ſpielt in dem
Büro eines Moskauer Theaters. Der Direktor
teilt dem Zenſor mit, daß er ein neues Drama
aufzuführen beabſichtige, ein Stück, das politiſch
vollſtändig einwandfrei ſei. Der Zenſor erklärt
ſich bereit, der Generalprobe beizuwohnen, um
zu prüfen, ob das Stück zur Aufführung zuge-
laſſen werden könne. In den übrigen Szenen
entrollt ſich dann die Generalprobe, das Ganze
eine beißende Satire auf die Bindung der dich-
teriſchen Geſtaltungsfreiheit durch den Zwang
des politiſchen Glaubensbekenntniſſes. Und mit-
ten in der Reihenfolge dieſer luſtigen Szenen
ſteht der Zenſor als Zielſcheibe des Spottes und
der Satire.
Die „Scharlachinſel“ iſt ein kleiner Fleck Erde,
der nur in der Phantaſie des Dichters beſteht.
Aber auch dieſes Stück Erde ſteht im Zeichen
des Gegenſatzes von „weiß“ und „rot“. Die
„Weißen“ ſind natürlich die Unterdrücker. Sie
ſind eine kleine Minderheit, haben aber die
Inſelbewohner vollſtändig unterjocht und herr-
ſchen unter ihrem König als Tyrannen. Die
Eingeborenen ſind, wenn auch nicht der Haut-
farbe, ſo doch der Geſinnung nach „rot“. Zu den
handelnden Perſonen geſellt ſich als Vertreter
des Kapitalismus und als Feind der „Roten“
der unvermeidliche Engländer.
Die Bühne verwandelt ſich in das Deck eines
engliſchen Handelsdampfers. Der Beſitzer des
Schiffes, Lord Glenarvon, tritt mit dem König
der „Weißen“ in Verbindung. Er kauft die gan-
zen Perlenſchätze der Inſel für ein Fäßchen Rum
und bare tauſend Pfund. So bleibt alles in
dem Rahmen der kommuniſtiſchen Anſchauungen.
Der König iſt ein Verräter, der heimlich die
Schätze ſeines Landes verkauft, der Engländer
der gewiſſenloſe Händler, der alles mit ſeinem
Gelde verſeucht. Aber man merkt an jedem Satz,
daß der Dichter ſelbſt dieſe Darſtellung nicht ernſt
nimmt, ſondern die vorgeſchriebene Lehrmeinung
in das Lächerliche zieht.
Die Komödie beginnt in dem Augenblick, in
dem der Zenſor, ein mit der Brille bewaffneter
Mann in mittleren Jahren, die Bühne betritt.
Er trägt die ſtattliche Mappe, ohne die man ſich
einen Sowjetbeamten in Rußland überhaupt
nicht mehr vorſtellen kann. Der Direktor weiſt
ihm auf dem Deck des Schiffes einen Ehrenplatz
an, der ihm einen guten Ueberblick geſtattet. Und
nun macht der Zenſor die Fahrt des Schiffes
mit. Von Szene zu Szene wird es intereſſanter.
Als der Verkaufsvertrag auf der „Scharlach-
inſel“ ruchbar wird,
empören ſich die „Roten“.
Die Engländer müſſen den „Weißen“ und ihrem
König zu Hilfe kommen. Sie bereiten ſich dar-
auf vor, die ganze Inſel zu erobern und dem
engliſchen Reiche einzuverleiben. Ihre Ausſich-
ten ſind günſtig. Denn der Anführer der „Roten“
entpuppt ſich als ein Schurke, der mit den
„Weißen“ und ihren fremden Helfershelfern ge-
meinſame Sache macht. Aber die rote Revolu-
tion behält doch trotz aller Hinderniſſe zuletzt die
Oberhand. Die „Weißen“ werden zum größten
Teil erſchlagen und die Engländer müſſen ab-
ziehen, ohne auch nur eine Perle erbeutet zu
haben. Die Sonne erhebt ſich blutig rot und
grüßt die ſiegreiche Revolution. Der übliche und
unvermeidliche Schluß!
Aber der Zenſor iſt nicht zufrieden. Er er-
klärt, ſo dürfe das Stück nicht aufgeführt wer-
den. Der Direktor fragt verblüfft nach den
Gründen. „Und die engliſchen Matroſen?, lau-
tet die Gegenfrage. Sind ſie nicht Proletarier?
Warum unterſtützen ſie nicht die Revolution?
Das Stück — ſo ſtellt der Zenſor wütend feſt —
iſt gegenrevolutionär. Der Verfaſſer hat von
den Grundſätzen der roten Internationale keine
Ahnung. Vielleicht wünſcht er auch nicht ein-
mal den Sieg der Weltrevolution.“ Mit dieſer
vernichtenden Kritik will der Zenſor die Bühne
verlaſſen. Aber der Direktor hält ihn zurück.
Richts iſt leichter, als das Stück zu ändern. Eine
Schlußſzene wird angehängt, in der
die engliſchen Matroſen meulern,
den Lord und den Kapitän in Ketten werfen und
nach der Inſel zurückfahren, um ſich mit den
„Roten“ dort zu verbrüdern. Nun gibt der
Zenſor ſeine Zuſtimmung und alles iſt in
Ordnung.
Man kann es den Moskauern gönnen, daß ſie
Gelegenheit haben, einmal von Herzen über den
Zenſor zu lachen. Denn dieſer Mann verdirbt
ihnen oft genug die Laune.
Theater am Gärtnerplatz.In den Auffüh-
rungen der Novität: „Evelyne“ (Erſtaufführung
Samstag, 12. Januar wird die Modeſchau (im
5. Bilde) vom Modellhaus J. Ney, Maffeiſtr. 6,
der Modeſchmuck von der Firma V. Tochter-
mann, Maffeiſtraße 4, geſtellt.
Die neuen Dekarationen ſind vom Theater-
maler Theo Thaller, die Koſtüme von Alois
Baumann und Anna Jung in den eigenen Werk-
ſtätten des Theaters hergeſtellt. Tänze: Bo_
Dorſay. Im 1. Akt ſpielt das Tanzorcheſter George
Schells auf der Bühne.
„Das Extemporale“, das beliebte, vielgegebene
Luſtſpiel in 3 Akten von Sturm und Färber,
kommt mit gütiger Erlaubnis der Direktion der
Münchner Kammerſpiele durch zeitweiſe engage-
mentsloſe Bühnenkünſtler Münchens, am Sonn-
tag, den 13. Januar 1929, abends 8 Uhr im Dom
Pedroſaal in Reuhauſen (Halteſtelle
Waiſenhaus der Linie 4) zur einmaligen Auf-
führung. Dieſe Theaterabende im ſonſt theater-
loſen Neuhauſen werden zu einem beliebten ge-
ſellſchaftlichen Treffpunkt für ein gutes Familien-
publikum. Als Darſteller ſind in der Vorſtellung
beteiligt: die Damen Marlit, Braune, Müller-Mar-
berg, die Herren Braune, Denzel, Heinrich, Voß-
Preiſe RM. 1,50, 0,99, 0,60.
Kunſtverein München e. V.,München. Die Aus-
ſtellung der Künſtlergruppe „Der Bund“ ſchließt
am Sonntag, den 13. Januar 1929.
Anſchließend kommen Sammelausſtellung von
Ida Diem-Tilp, Maria Langer-Schöl-
ler-Dachau, (Aquarelle und Graphit), E. Mül-
ler-Zierhold.
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(2023-01-02T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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