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Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] Staatsmann der Oesterreich aus dem tiefsten Darniederliegen wieder aufgerichtet hat
zu Kraft und Ansehen. Einem kurzen Interimisticum folgte ein geläutertes Verfassungs-
ministerium, und die das alte Jahr und eine Zeit der traurigsten Verirrung und Ver-
wirrung schließende Thronrede hat neue Hoffnungen geweckt, verrostete Riegel aufgesprengt
und die Aussicht auf eine glücklichere Zukunft eröffnet."

Die ultramontanen "Tiroler Stimmen," welche, wie es scheint, unmittelbar
nach der Thronrede vor Verblüffung gar kein Wort finden konnten, meinen jetzt:
das gegenwärtige Ministerium dürfe doch nicht unterschätzt werden, denn ihm sei
die Macht zugefallen seine Grundsätze durchzuführen; die Thronrede werde "in
sämmtliche ausgleichsfreundliche Kreise wie eine Bombe einschlagen," und man
(der Ultramontanismus in Oesterreich) müsse sich jetzt auf die Defensive zurück-
ziehen.



Der schon längst angekündigte Personenwechsel in
der Preßleitung ist endlich eingetreten. Er entspricht dem Minister- und System-
wechsel, denn während der abtretende cisleithanische Preßleiter unter dem letzten
Cabinet noch hohenwartischer war als Graf Hohenwart selbst, gilt der neuer-
nannte Preßleiter, der bereits unter dem Ministerium Hasner in gleicher Eigenschaft
fungirte, Hofrath Erb, ein Beamter der Schmerling'schen Schule, als entschiedener
Parteigänger der Verfassungspartei. Er findet übrigens ein günstigeres Terrain
als irgendeiner seiner Vorgänger, denn die gesammte anständige deutsche Publi-
cistik steht ohnehin auf der Seite der neuen Regierung, und braucht nicht, um letztere
zu stützen, erst beeinflußt zu werden. Der alte Satz, daß jeder guten Regierung
auch eine gute Presse zur Seite steht, erwahrt sich eben wieder, und die Noth-
wendigkeit eigentlicher officiöser Organe behufs Vertheidigung des Ministeriums
entfällt vorläufig. Auch eine Doppelströmung, wie sie zur Zeit des ersten Bürger-
ministeriums bestand und letzterm zur Veranlassung diente, neben der Reichspreß-
leitung noch eine cisleithanische ins Leben zu rufen, fällt jetzt weg. Die Preßleiter
können sich also kaum eine für sie günstigere Lage wünschen. Nur thäte die Re-
gierung Unrecht in den augenblicklich allerdings idyllisch ruhigen Stromspiegel der
Tagespresse allzu großes Vertrauen zu setzen, und aus dem Extrem der von der
frühern Preßleitung an den Tag gelegten aggressiven Geschäftigkeit in die Passi-
vität eines vollständigen laissez faire zu verfallen, und für ganz besonders bedenk-
lich müßten wir ein solches System in dem Fall erklären wenn demselben, wie es
den Anschein hat, der von maßgebenden Personen gehegte Gedanke zu Grunde
läge: "Je weniger von den Tagesblättern über die Regierung geschrieben wird,
desto besser!" Es würde dieß ein vollständiges Verkennen des Preßwesens be-
kunden. Der Presse muß eben Stoff zur Verarbeitung zugeführt werden, damit sie
in dem Sinne wie es die öffentlichen, nunmehr mit jenen der Regierung zu-
fammenfallenden, Interessen erheischen, wirken könne, und das scheint uns die
eigentliche Aufgabe der sogenannten "Preßleitung" zu sein, ein Vademecum
das wir auch der neuen cisleithanischen mit auf den Weg geben möchten. Wind
und Strömung sind ihr günstig. Auch die Stimmung des Abgeordnetenhauses darf
als eine vortreffliche bezeichnet werden, und was besonders bemerkenswerth ist:
auch die der nicht zur Verfassungspartei gehörenden Abgeordneten ist keine wider-
haarige. Die Haltung welche die Cabinetsmitglieder gleich in der ersten Sitzung
des Adreßausschusses beobachteten, hat auf alle den besten Eindruck gemacht, und
die günstige Stimmung wird sich wohl auch in der Adresse abspiegeln, mit deren
Abfassung Herbst betraut ist, und die voraussichtlich ein Vertrauensvotum für die
neue Regierung enthalten wird.


Die Lösung der beiden großen Fragen, der Wahl-
reform und des staatsrechtlichen Verhältnisses Galiziens, ist in der Thronrede an-
gekündigt, aber der Modus soll doch noch erst gefunden werden, und die Verfassungs-
partei, welche sich augenblicklich und unter der Nachwirkung der eben bestandenen
Gefahr zu einem geschlossenen Ganzen constituirt hat, könnte leicht gerade ange-
sichts jener beiden Fragen wieder auseinander gesprengt werden. Es ist unver-
gessen wie weit damals, als das Gutachten der einzelnen Landtage über die directen
Wahlen eingeholt wurde, die Meinungen innerhalb der Partei auseinander giengen,
und es ist ein öffentliches Geheimniß daß der weitaus größte Theil der Partei den
Polen wohl ausgedehnte administrative Zugeständnisse, nicht aber eine politische
Sonderstellung zu gewähren bereit ist, welche auf das ohnehin schon zu bunte öster-
reichische Staatsrecht noch einen weiteren Lappen heften, das Räderwerk der Staats-
maschine noch complicirter und unbehülflicher gestalten würde. Es ist möglich, --
und es steht zu hoffen -- daß der Regierung inmitten ihrer Action der leitende Faden
nicht verloren geht, und daß sie im Stande ist bei dieser Action die Führung in
Händen zu behalten; aber bis jetzt scheint sie, soweit es sich um mehr als papierene
Programme handelt, nur zu geneigt das minima non curare des Prätors sich
nicht zur Richtschnur zu nehmen, sondern ihre Energie in kleinlicher Rancune und
der Geltendmachung persönlicher Bedeutung zu verzetteln. Wenn Hr. Unger bei-
spielsweise bisher nichts dringenderes zu thun hatte als die Thatsache, daß die Re-
daction der Thronrede sein alleiniges Werk sei, mit Ingrimm zu constatiren, so hat
er sich damit als Preßminister in einer Weise eingeführt welche in die schönsten
Zeiten der alten Polizei zurückversetzt.


Bei der Agitation aus Anlaß der Wahl eines neuen
Präsidenten der hiesigen Handelskammer erscheint die Engherzigkeit der Italiener
in Triest wieder in einem sehr trüben Lichte. Es ist nämlich sehr schwer eine ge-
eignete Persönlichkeit für dieses durch den Tod des Ritters v. Vicco erledigte Amt
zu finden aber bloß deßhalb, weil alle Deutschen, unter denen sich die hervor-
ragendsten Capacitäten der Handelskammer befinden, principiell von der Wahl aus-
geschlossen werden -- und dieß in einer Stadt wo ungefähr die Hälfte der börsenmäßi-
gen Handlungsfirmen Deutsche sind! -- Der von dem gemeinsamen Ministerium des
Aeußern mit der Dampfschifffahrts-Unternehmung des Lloyd abgeschlossene Ver-
trag ist dem Abgeordnetenhause bereits vorgelegt, und es ist wohl kein Zweifel daß
er die Zustimmung desselben wie auch die des ungarischen Reichstags erhalten
wird. Die Interessen des österreichischen Handels und unserer Schifffahrt bedür-
fen jetzt mehr als je der Unterstützung des Staats, wo sich auch Rußland mit aller
Kraft rüstet dieselben zu bekämpfen. Die russische Dampfschifffahrts-, Handels-
und Odessabahn-Gesellschaft hat vor kurzem neun neue Dampfer in England be-
stellt, und ihre Flotte wird in Bälde über 80 Dampfschiffe zählen! Außerdem ist
sie im Besitze von 700 Meilen Schienenstraßen, die sich gegen die österreichische Gränze
[Spaltenumbruch] hin erstrecken. Dieß ist eine mächtige Concurrenz, der Oesterreich in der Levante
die Stange halten soll, und das Fortbestehen und die fernere Entwicklung des Lloyd
als österreichisches Institut sind eine wahre Lebensfrage für unsre Handels- und Ver-
kehrs-Interessen den italienischen und russischen Anstrengungen gegenüber. Die
russische Gesellschaft läßt auch einen Dampfer für den Verkehr mit China via Suez-
Canal bauen und bedroht unsere Bombay-Linie mit ihrer Concurrenz. Be-
herzigenswerth ist unter den gegenwärtigen Umständen auch daß Montenegro eben
jetzt wieder Versuche macht durch Vermittlung Rußlands die Abtretung der Bucht
von Spizza von der Pforte zu erlangen, und daß der Fürst mit dem Project um-
geht am Ufer des Skutari-Sees eine Schiffswerfte für den Bau kleiner Dampfer
anzulegen. Daß alle diese Projecte Plane von größerer Tragweite bergen unter-
liegt keinem Zweifel, und sie müssen unsern parlamentarischen Körpern zur Mah-
nung dienen die maritimen Interessen des Staates nicht preiszugeben, sondern viel-
mehr den Aufschwung derselben möglichst zu fördern.



Mit dem heutigen Tage tritt die neue Gerichtsorgani-
sation, wie dieselbe bereits seit fast drei Jahren vorbereitet worden, ins Leben,
Als Weihnachtsgeschenk hatte das "Amtsblatt" die massenhaften Richter-Ernennun-
gen gebracht, und wir wollen hoffen daß der Justizminister gut gewählt und die Ge-
richte nunmehr eine unparteiische rasche Justiz üben werden. Die Organisation
ist dieselbe die Bach in Ungarn eingeführt: Einzelrichter in den Bezirken, Colle-
gialgerichte in den Comitatshauptstädten, aber nur Appellation an die königliche
Tafel und den obersten Gerichtshof in Pest, während zu Zeiten Bachs mehrere
Oberlandesgerichte im Lande selbst bestanden hatten, der oberste Gerichtshof
natürlich in Wien seinen Sitz hatte, und nur einer für die gesammte Monarchie
bestand. Es war bis jetzt Sitte die schlechten Justizzustände Ungarns lediglich
dem Umstande zuzuschreiben daß die Richter von den Ständecomitaten gewählt
wurden; unläugbar war auch etwas wahres daran, da jedenfalls ein Richter der
sich jedes dritte Jahr einer Neuwahl zu unterziehen hat, schwer unparteiisch ur-
theilen wird. Nun war aber die ungarische Justiz in den höhern Instanzen, wo
keine gewählten, sondern ernannte Richter urtheilen, auch nicht lobenswerth, und
es konnte wohl daraus geschlossen werden daß auch andere Ursachen als die Wahl
der Richter beitragen mußten der ungarischen Justiz den schlimmen Ruf zu ver-
schaffen den sie genoß. Eine dieser Ursachen war die ungenügende Qualification
der Richter für ihren Beruf. Es gab weder eine Richteramtsprüfung noch eine
praktische Schule für die Richteramtscandidaten; wer im allgemeinen die Rechte
absolvirt hatte, konnte Richter werden, in letzter Zeit bei den Stuhlgerichten auch
solche die nie Rechtswissenschaft studiert hatten. Wenn diese sich dann im Laufe
der Zeit den formellen Geschäftsgang aneigneten, und auch nach einem selbstcom-
ponirten Naturrecht schlecht und recht Urtheil sprachen, stiegen sie nach und nach
von Stufe zu Stufe ohne alle höhern Kenntnisse und ohne tiefern Einblick in das Wesen
des Rechts. Was aber selbst dem gebildeten und strebsamen Richter vollends die
Rechtsprechung unendlich erschweren mußte, waren die mangelhaften Gesetzbücher.
Seitdem die Judexcurial-Conferenz im Herbst 1860 im blinden patriotischen Eifer
die österreichischen Gesetzbücher aufgehoben hatte, kamen die alten ungarischen Ge-
setze wieder zur Geltung, und da haben wir denn heut ein veraltetes Wechselrecht
und ebensolche Concursordnung aus dem Jahr 1840, ein ungenügendes bürgerliches
Gesetzbuch, gar kein Handelsgesetz, sondern bloß einige handelsgerichtliche Bestim-
mungen, ein Strafrecht welches dem Richter discretionäre Gewalt einräumt, und zu
alle dem wird die neue vom gewesenen Justizminister Horvath eingeführte Civil-
proceßordnung auch als eine Fehlgeburt angesehen, da sie allein dazu gemacht
scheint die Interessen der Advocaten zu fördern. Der eine Uebelstand -- die Wahl
des Richters -- ist nunmehr beseitigt, bezüglich der Qualisication jedoch konnte die
Regierung nicht mehr streng vorgehen, da sie sonst nicht die genügende Anzahl von
Richtern erhalten hätte. Auch war in dem bezüglichen Gesetze die Bestimmung
enthalten daß die bereits längere Zeit im Dienste gestandenen Richter berücksichtigt
werden konnten, selbst wenn sie die geforderte Qualification nicht besaßen. Das
zweite Uebel der ungarischen Justiz ist daher nur zum Theil ausgemerzt, und was
das dritte Uebel, die schlechten Gesetzbücher, betrifft, so dürfte da noch geraume Zeit
vergehen bis eine radicale Besserung eintritt, wenn auf die Arbeiten der Codifica-
tionscommission gewartet werden soll. Diese, vom Reichstag eingesetzt, arbeitet
bereits seit drei Jahren, ohne irgendein Ergebniß geliefert zu haben. Es mehren
sich daher auch die Stimmen die verlangen: der Reichstag möge bewährte aus-
ländische Gesetzbücher mit geringen Modificationen etwa einführen, also das öster-
reichische bürgerliche Gesetzbuch, das deutsche Handelsgesetz, das norddeutsche Straf-
recht u. s. w. Solange Ungaru keine genügenden Gesetzbücher besitzt, gleicht die
neue Gerichtsorganisation einer Armee die nicht gehörig verpflegt, daher nicht
leistungsfähig ist.

Schweiz.

Das Bundesrevisionswerk, wie es bis jetzt aus den
Berathungen des Nationalraths hervorgegangen ist, wird von drei Seiten angefein-
det: von den Westschweizern, den Ultramontanen und den Socialdemokraten.
Den einen bietet es zu viel, den andern zu wenig. In der Westschweiz will man
vor allem von der in dem neuen Art. 54 enthaltenen Rechtseinheit nichts wissen,
während die Ultramontanen, wie deren Hauptorgan, das in Luzern erscheinende
"Vaterland," sich ausdrückt, die seitherigen Beschlüsse des Nationalraths nur als
die Verkörperung des Strebens betrachten die liberalen Minderheiten in den un-
ter ihrer Herrschaft stehenden Kantonen an das Ruder zu bringen. Ihnen nach ist
das nationalräthliche Revisionswerk "ein Flick- und Zwitterwerk," welches die
alte schweizerische Freiheit auf die Seite schiebt, um die jungradicale Demokratie
auf den Thron zu heben. Die Republik im eigentlichen Sinne des Wortes werde
in Frage gestellt. Die Socialdemokraten endlich begnügen sich nicht mit einer
Kritik der nationalräthlichen Beschlüsse, sondern schreiten bereits zu Gegenmaß-
regeln. Ein Aufruf des socialdemokratischen Arbeitervereins in Basel an alle
Arbeiter in der Schweiz wirft der großen Mehrheit des Nationalraths vor: bei
dem Revisionswerk mehr ihre eigenen egoistischen Interessen als die Förderung
des Volkswohls ins Auge gefaßt zu haben. "Ist auch die Centralisation des
Militärwesens mit großem Mehr durchgegangen," heißt es in diesem Aufruf, "so
sind dafür andere für das Wohl des Volks ebenso wichtige und unentbehrliche

[Spaltenumbruch] Staatsmann der Oeſterreich aus dem tiefſten Darniederliegen wieder aufgerichtet hat
zu Kraft und Anſehen. Einem kurzen Interimiſticum folgte ein geläutertes Verfaſſungs-
miniſterium, und die das alte Jahr und eine Zeit der traurigſten Verirrung und Ver-
wirrung ſchließende Thronrede hat neue Hoffnungen geweckt, verroſtete Riegel aufgeſprengt
und die Ausſicht auf eine glücklichere Zukunft eröffnet.“

Die ultramontanen „Tiroler Stimmen,“ welche, wie es ſcheint, unmittelbar
nach der Thronrede vor Verblüffung gar kein Wort finden konnten, meinen jetzt:
das gegenwärtige Miniſterium dürfe doch nicht unterſchätzt werden, denn ihm ſei
die Macht zugefallen ſeine Grundſätze durchzuführen; die Thronrede werde „in
ſämmtliche ausgleichsfreundliche Kreiſe wie eine Bombe einſchlagen,“ und man
(der Ultramontanismus in Oeſterreich) müſſe ſich jetzt auf die Defenſive zurück-
ziehen.



Der ſchon längſt angekündigte Perſonenwechſel in
der Preßleitung iſt endlich eingetreten. Er entſpricht dem Miniſter- und Syſtem-
wechſel, denn während der abtretende cisleithaniſche Preßleiter unter dem letzten
Cabinet noch hohenwartiſcher war als Graf Hohenwart ſelbſt, gilt der neuer-
nannte Preßleiter, der bereits unter dem Miniſterium Haſner in gleicher Eigenſchaft
fungirte, Hofrath Erb, ein Beamter der Schmerling’ſchen Schule, als entſchiedener
Parteigänger der Verfaſſungspartei. Er findet übrigens ein günſtigeres Terrain
als irgendeiner ſeiner Vorgänger, denn die geſammte anſtändige deutſche Publi-
ciſtik ſteht ohnehin auf der Seite der neuen Regierung, und braucht nicht, um letztere
zu ſtützen, erſt beeinflußt zu werden. Der alte Satz, daß jeder guten Regierung
auch eine gute Preſſe zur Seite ſteht, erwahrt ſich eben wieder, und die Noth-
wendigkeit eigentlicher officiöſer Organe behufs Vertheidigung des Miniſteriums
entfällt vorläufig. Auch eine Doppelſtrömung, wie ſie zur Zeit des erſten Bürger-
miniſteriums beſtand und letzterm zur Veranlaſſung diente, neben der Reichspreß-
leitung noch eine cisleithaniſche ins Leben zu rufen, fällt jetzt weg. Die Preßleiter
können ſich alſo kaum eine für ſie günſtigere Lage wünſchen. Nur thäte die Re-
gierung Unrecht in den augenblicklich allerdings idylliſch ruhigen Stromſpiegel der
Tagespreſſe allzu großes Vertrauen zu ſetzen, und aus dem Extrem der von der
frühern Preßleitung an den Tag gelegten aggreſſiven Geſchäftigkeit in die Paſſi-
vität eines vollſtändigen laissez faire zu verfallen, und für ganz beſonders bedenk-
lich müßten wir ein ſolches Syſtem in dem Fall erklären wenn demſelben, wie es
den Anſchein hat, der von maßgebenden Perſonen gehegte Gedanke zu Grunde
läge: „Je weniger von den Tagesblättern über die Regierung geſchrieben wird,
deſto beſſer!“ Es würde dieß ein vollſtändiges Verkennen des Preßweſens be-
kunden. Der Preſſe muß eben Stoff zur Verarbeitung zugeführt werden, damit ſie
in dem Sinne wie es die öffentlichen, nunmehr mit jenen der Regierung zu-
fammenfallenden, Intereſſen erheiſchen, wirken könne, und das ſcheint uns die
eigentliche Aufgabe der ſogenannten „Preßleitung“ zu ſein, ein Vademecum
das wir auch der neuen cisleithaniſchen mit auf den Weg geben möchten. Wind
und Strömung ſind ihr günſtig. Auch die Stimmung des Abgeordnetenhauſes darf
als eine vortreffliche bezeichnet werden, und was beſonders bemerkenswerth iſt:
auch die der nicht zur Verfaſſungspartei gehörenden Abgeordneten iſt keine wider-
haarige. Die Haltung welche die Cabinetsmitglieder gleich in der erſten Sitzung
des Adreßausſchuſſes beobachteten, hat auf alle den beſten Eindruck gemacht, und
die günſtige Stimmung wird ſich wohl auch in der Adreſſe abſpiegeln, mit deren
Abfaſſung Herbſt betraut iſt, und die vorausſichtlich ein Vertrauensvotum für die
neue Regierung enthalten wird.


Die Löſung der beiden großen Fragen, der Wahl-
reform und des ſtaatsrechtlichen Verhältniſſes Galiziens, iſt in der Thronrede an-
gekündigt, aber der Modus ſoll doch noch erſt gefunden werden, und die Verfaſſungs-
partei, welche ſich augenblicklich und unter der Nachwirkung der eben beſtandenen
Gefahr zu einem geſchloſſenen Ganzen conſtituirt hat, könnte leicht gerade ange-
ſichts jener beiden Fragen wieder auseinander geſprengt werden. Es iſt unver-
geſſen wie weit damals, als das Gutachten der einzelnen Landtage über die directen
Wahlen eingeholt wurde, die Meinungen innerhalb der Partei auseinander giengen,
und es iſt ein öffentliches Geheimniß daß der weitaus größte Theil der Partei den
Polen wohl ausgedehnte adminiſtrative Zugeſtändniſſe, nicht aber eine politiſche
Sonderſtellung zu gewähren bereit iſt, welche auf das ohnehin ſchon zu bunte öſter-
reichiſche Staatsrecht noch einen weiteren Lappen heften, das Räderwerk der Staats-
maſchine noch complicirter und unbehülflicher geſtalten würde. Es iſt möglich, —
und es ſteht zu hoffen — daß der Regierung inmitten ihrer Action der leitende Faden
nicht verloren geht, und daß ſie im Stande iſt bei dieſer Action die Führung in
Händen zu behalten; aber bis jetzt ſcheint ſie, ſoweit es ſich um mehr als papierene
Programme handelt, nur zu geneigt das minima non curare des Prätors ſich
nicht zur Richtſchnur zu nehmen, ſondern ihre Energie in kleinlicher Rancune und
der Geltendmachung perſönlicher Bedeutung zu verzetteln. Wenn Hr. Unger bei-
ſpielsweiſe bisher nichts dringenderes zu thun hatte als die Thatſache, daß die Re-
daction der Thronrede ſein alleiniges Werk ſei, mit Ingrimm zu conſtatiren, ſo hat
er ſich damit als Preßminiſter in einer Weiſe eingeführt welche in die ſchönſten
Zeiten der alten Polizei zurückverſetzt.


Bei der Agitation aus Anlaß der Wahl eines neuen
Präſidenten der hieſigen Handelskammer erſcheint die Engherzigkeit der Italiener
in Trieſt wieder in einem ſehr trüben Lichte. Es iſt nämlich ſehr ſchwer eine ge-
eignete Perſönlichkeit für dieſes durch den Tod des Ritters v. Vicco erledigte Amt
zu finden aber bloß deßhalb, weil alle Deutſchen, unter denen ſich die hervor-
ragendſten Capacitäten der Handelskammer befinden, principiell von der Wahl aus-
geſchloſſen werden — und dieß in einer Stadt wo ungefähr die Hälfte der börſenmäßi-
gen Handlungsfirmen Deutſche ſind! — Der von dem gemeinſamen Miniſterium des
Aeußern mit der Dampfſchifffahrts-Unternehmung des Lloyd abgeſchloſſene Ver-
trag iſt dem Abgeordnetenhauſe bereits vorgelegt, und es iſt wohl kein Zweifel daß
er die Zuſtimmung desſelben wie auch die des ungariſchen Reichstags erhalten
wird. Die Intereſſen des öſterreichiſchen Handels und unſerer Schifffahrt bedür-
fen jetzt mehr als je der Unterſtützung des Staats, wo ſich auch Rußland mit aller
Kraft rüſtet dieſelben zu bekämpfen. Die ruſſiſche Dampfſchifffahrts-, Handels-
und Odeſſabahn-Geſellſchaft hat vor kurzem neun neue Dampfer in England be-
ſtellt, und ihre Flotte wird in Bälde über 80 Dampfſchiffe zählen! Außerdem iſt
ſie im Beſitze von 700 Meilen Schienenſtraßen, die ſich gegen die öſterreichiſche Gränze
[Spaltenumbruch] hin erſtrecken. Dieß iſt eine mächtige Concurrenz, der Oeſterreich in der Levante
die Stange halten ſoll, und das Fortbeſtehen und die fernere Entwicklung des Lloyd
als öſterreichiſches Inſtitut ſind eine wahre Lebensfrage für unſre Handels- und Ver-
kehrs-Intereſſen den italieniſchen und ruſſiſchen Anſtrengungen gegenüber. Die
ruſſiſche Geſellſchaft läßt auch einen Dampfer für den Verkehr mit China via Suez-
Canal bauen und bedroht unſere Bombay-Linie mit ihrer Concurrenz. Be-
herzigenswerth iſt unter den gegenwärtigen Umſtänden auch daß Montenegro eben
jetzt wieder Verſuche macht durch Vermittlung Rußlands die Abtretung der Bucht
von Spizza von der Pforte zu erlangen, und daß der Fürſt mit dem Project um-
geht am Ufer des Skutari-Sees eine Schiffswerfte für den Bau kleiner Dampfer
anzulegen. Daß alle dieſe Projecte Plane von größerer Tragweite bergen unter-
liegt keinem Zweifel, und ſie müſſen unſern parlamentariſchen Körpern zur Mah-
nung dienen die maritimen Intereſſen des Staates nicht preiszugeben, ſondern viel-
mehr den Aufſchwung derſelben möglichſt zu fördern.



Mit dem heutigen Tage tritt die neue Gerichtsorgani-
ſation, wie dieſelbe bereits ſeit faſt drei Jahren vorbereitet worden, ins Leben,
Als Weihnachtsgeſchenk hatte das „Amtsblatt“ die maſſenhaften Richter-Ernennun-
gen gebracht, und wir wollen hoffen daß der Juſtizminiſter gut gewählt und die Ge-
richte nunmehr eine unparteiiſche raſche Juſtiz üben werden. Die Organiſation
iſt dieſelbe die Bach in Ungarn eingeführt: Einzelrichter in den Bezirken, Colle-
gialgerichte in den Comitatshauptſtädten, aber nur Appellation an die königliche
Tafel und den oberſten Gerichtshof in Peſt, während zu Zeiten Bachs mehrere
Oberlandesgerichte im Lande ſelbſt beſtanden hatten, der oberſte Gerichtshof
natürlich in Wien ſeinen Sitz hatte, und nur einer für die geſammte Monarchie
beſtand. Es war bis jetzt Sitte die ſchlechten Juſtizzuſtände Ungarns lediglich
dem Umſtande zuzuſchreiben daß die Richter von den Ständecomitaten gewählt
wurden; unläugbar war auch etwas wahres daran, da jedenfalls ein Richter der
ſich jedes dritte Jahr einer Neuwahl zu unterziehen hat, ſchwer unparteiiſch ur-
theilen wird. Nun war aber die ungariſche Juſtiz in den höhern Inſtanzen, wo
keine gewählten, ſondern ernannte Richter urtheilen, auch nicht lobenswerth, und
es konnte wohl daraus geſchloſſen werden daß auch andere Urſachen als die Wahl
der Richter beitragen mußten der ungariſchen Juſtiz den ſchlimmen Ruf zu ver-
ſchaffen den ſie genoß. Eine dieſer Urſachen war die ungenügende Qualification
der Richter für ihren Beruf. Es gab weder eine Richteramtsprüfung noch eine
praktiſche Schule für die Richteramtscandidaten; wer im allgemeinen die Rechte
abſolvirt hatte, konnte Richter werden, in letzter Zeit bei den Stuhlgerichten auch
ſolche die nie Rechtswiſſenſchaft ſtudiert hatten. Wenn dieſe ſich dann im Laufe
der Zeit den formellen Geſchäftsgang aneigneten, und auch nach einem ſelbſtcom-
ponirten Naturrecht ſchlecht und recht Urtheil ſprachen, ſtiegen ſie nach und nach
von Stufe zu Stufe ohne alle höhern Kenntniſſe und ohne tiefern Einblick in das Weſen
des Rechts. Was aber ſelbſt dem gebildeten und ſtrebſamen Richter vollends die
Rechtſprechung unendlich erſchweren mußte, waren die mangelhaften Geſetzbücher.
Seitdem die Judexcurial-Conferenz im Herbſt 1860 im blinden patriotiſchen Eifer
die öſterreichiſchen Geſetzbücher aufgehoben hatte, kamen die alten ungariſchen Ge-
ſetze wieder zur Geltung, und da haben wir denn heut ein veraltetes Wechſelrecht
und ebenſolche Concursordnung aus dem Jahr 1840, ein ungenügendes bürgerliches
Geſetzbuch, gar kein Handelsgeſetz, ſondern bloß einige handelsgerichtliche Beſtim-
mungen, ein Strafrecht welches dem Richter discretionäre Gewalt einräumt, und zu
alle dem wird die neue vom geweſenen Juſtizminiſter Horváth eingeführte Civil-
proceßordnung auch als eine Fehlgeburt angeſehen, da ſie allein dazu gemacht
ſcheint die Intereſſen der Advocaten zu fördern. Der eine Uebelſtand — die Wahl
des Richters — iſt nunmehr beſeitigt, bezüglich der Qualiſication jedoch konnte die
Regierung nicht mehr ſtreng vorgehen, da ſie ſonſt nicht die genügende Anzahl von
Richtern erhalten hätte. Auch war in dem bezüglichen Geſetze die Beſtimmung
enthalten daß die bereits längere Zeit im Dienſte geſtandenen Richter berückſichtigt
werden konnten, ſelbſt wenn ſie die geforderte Qualification nicht beſaßen. Das
zweite Uebel der ungariſchen Juſtiz iſt daher nur zum Theil ausgemerzt, und was
das dritte Uebel, die ſchlechten Geſetzbücher, betrifft, ſo dürfte da noch geraume Zeit
vergehen bis eine radicale Beſſerung eintritt, wenn auf die Arbeiten der Codifica-
tionscommiſſion gewartet werden ſoll. Dieſe, vom Reichstag eingeſetzt, arbeitet
bereits ſeit drei Jahren, ohne irgendein Ergebniß geliefert zu haben. Es mehren
ſich daher auch die Stimmen die verlangen: der Reichstag möge bewährte aus-
ländiſche Geſetzbücher mit geringen Modificationen etwa einführen, alſo das öſter-
reichiſche bürgerliche Geſetzbuch, das deutſche Handelsgeſetz, das norddeutſche Straf-
recht u. ſ. w. Solange Ungaru keine genügenden Geſetzbücher beſitzt, gleicht die
neue Gerichtsorganiſation einer Armee die nicht gehörig verpflegt, daher nicht
leiſtungsfähig iſt.

Schweiz.

Das Bundesreviſionswerk, wie es bis jetzt aus den
Berathungen des Nationalraths hervorgegangen iſt, wird von drei Seiten angefein-
det: von den Weſtſchweizern, den Ultramontanen und den Socialdemokraten.
Den einen bietet es zu viel, den andern zu wenig. In der Weſtſchweiz will man
vor allem von der in dem neuen Art. 54 enthaltenen Rechtseinheit nichts wiſſen,
während die Ultramontanen, wie deren Hauptorgan, das in Luzern erſcheinende
„Vaterland,“ ſich ausdrückt, die ſeitherigen Beſchlüſſe des Nationalraths nur als
die Verkörperung des Strebens betrachten die liberalen Minderheiten in den un-
ter ihrer Herrſchaft ſtehenden Kantonen an das Ruder zu bringen. Ihnen nach iſt
das nationalräthliche Reviſionswerk „ein Flick- und Zwitterwerk,“ welches die
alte ſchweizeriſche Freiheit auf die Seite ſchiebt, um die jungradicale Demokratie
auf den Thron zu heben. Die Republik im eigentlichen Sinne des Wortes werde
in Frage geſtellt. Die Socialdemokraten endlich begnügen ſich nicht mit einer
Kritik der nationalräthlichen Beſchlüſſe, ſondern ſchreiten bereits zu Gegenmaß-
regeln. Ein Aufruf des ſocialdemokratiſchen Arbeitervereins in Baſel an alle
Arbeiter in der Schweiz wirft der großen Mehrheit des Nationalraths vor: bei
dem Reviſionswerk mehr ihre eigenen egoiſtiſchen Intereſſen als die Förderung
des Volkswohls ins Auge gefaßt zu haben. „Iſt auch die Centraliſation des
Militärweſens mit großem Mehr durchgegangen,“ heißt es in dieſem Aufruf, „ſo
ſind dafür andere für das Wohl des Volks ebenſo wichtige und unentbehrliche

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Wahlen eingeholt wurde, die Meinungen innerhalb der Partei auseinander giengen,<lb/>
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fen jetzt mehr als je der Unter&#x017F;tützung des Staats, wo &#x017F;ich auch Rußland mit aller<lb/>
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&#x017F;ie im Be&#x017F;itze von 700 Meilen Schienen&#x017F;traßen, die &#x017F;ich gegen die ö&#x017F;terreichi&#x017F;che Gränze<lb/><cb/>
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geht am Ufer des Skutari-Sees eine Schiffswerfte für den Bau kleiner Dampfer<lb/>
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i&#x017F;t die&#x017F;elbe die Bach in Ungarn eingeführt: Einzelrichter in den Bezirken, Colle-<lb/>
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Oberlandesgerichte im Lande &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;tanden hatten, der ober&#x017F;te Gerichtshof<lb/>
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be&#x017F;tand. Es war bis jetzt Sitte die &#x017F;chlechten Ju&#x017F;tizzu&#x017F;tände Ungarns lediglich<lb/>
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wurden; unläugbar war auch etwas wahres daran, da jedenfalls ein Richter der<lb/>
&#x017F;ich jedes dritte Jahr einer Neuwahl zu unterziehen hat, &#x017F;chwer unparteii&#x017F;ch ur-<lb/>
theilen wird. Nun war aber die ungari&#x017F;che Ju&#x017F;tiz in den höhern In&#x017F;tanzen, wo<lb/>
keine gewählten, &#x017F;ondern ernannte Richter urtheilen, auch nicht lobenswerth, und<lb/>
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der Richter beitragen mußten der ungari&#x017F;chen Ju&#x017F;tiz den &#x017F;chlimmen Ruf zu ver-<lb/>
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der Richter für ihren Beruf. Es gab weder eine Richteramtsprüfung noch eine<lb/>
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&#x017F;olche die nie Rechtswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;tudiert hatten. Wenn die&#x017F;e &#x017F;ich dann im Laufe<lb/>
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ponirten Naturrecht &#x017F;chlecht und recht Urtheil &#x017F;prachen, &#x017F;tiegen &#x017F;ie nach und nach<lb/>
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Recht&#x017F;prechung unendlich er&#x017F;chweren mußte, waren die mangelhaften Ge&#x017F;etzbücher.<lb/>
Seitdem die Judexcurial-Conferenz im Herb&#x017F;t 1860 im blinden patrioti&#x017F;chen Eifer<lb/>
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&#x017F;etze wieder zur Geltung, und da haben wir denn heut ein veraltetes Wech&#x017F;elrecht<lb/>
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Ge&#x017F;etzbuch, gar kein Handelsge&#x017F;etz, &#x017F;ondern bloß einige handelsgerichtliche Be&#x017F;tim-<lb/>
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proceßordnung auch als eine Fehlgeburt ange&#x017F;ehen, da &#x017F;ie allein dazu gemacht<lb/>
&#x017F;cheint die Intere&#x017F;&#x017F;en der Advocaten zu fördern. Der eine Uebel&#x017F;tand &#x2014; die Wahl<lb/>
des Richters &#x2014; i&#x017F;t nunmehr be&#x017F;eitigt, bezüglich der Quali&#x017F;ication jedoch konnte die<lb/>
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Richtern erhalten hätte. Auch war in dem bezüglichen Ge&#x017F;etze die Be&#x017F;timmung<lb/>
enthalten daß die bereits längere Zeit im Dien&#x017F;te ge&#x017F;tandenen Richter berück&#x017F;ichtigt<lb/>
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zweite Uebel der ungari&#x017F;chen Ju&#x017F;tiz i&#x017F;t daher nur zum Theil ausgemerzt, und was<lb/>
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vergehen bis eine radicale Be&#x017F;&#x017F;erung eintritt, wenn auf die Arbeiten der Codifica-<lb/>
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&#x017F;ich daher auch die Stimmen die verlangen: der Reichstag möge bewährte aus-<lb/>
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neue Gerichtsorgani&#x017F;ation einer Armee die nicht gehörig verpflegt, daher nicht<lb/>
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Arbeiter in der Schweiz wirft der großen Mehrheit des Nationalraths vor: bei<lb/>
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[29/0005] Staatsmann der Oeſterreich aus dem tiefſten Darniederliegen wieder aufgerichtet hat zu Kraft und Anſehen. Einem kurzen Interimiſticum folgte ein geläutertes Verfaſſungs- miniſterium, und die das alte Jahr und eine Zeit der traurigſten Verirrung und Ver- wirrung ſchließende Thronrede hat neue Hoffnungen geweckt, verroſtete Riegel aufgeſprengt und die Ausſicht auf eine glücklichere Zukunft eröffnet.“ Die ultramontanen „Tiroler Stimmen,“ welche, wie es ſcheint, unmittelbar nach der Thronrede vor Verblüffung gar kein Wort finden konnten, meinen jetzt: das gegenwärtige Miniſterium dürfe doch nicht unterſchätzt werden, denn ihm ſei die Macht zugefallen ſeine Grundſätze durchzuführen; die Thronrede werde „in ſämmtliche ausgleichsfreundliche Kreiſe wie eine Bombe einſchlagen,“ und man (der Ultramontanismus in Oeſterreich) müſſe ſich jetzt auf die Defenſive zurück- ziehen. ÷ Wien, 31 Dec. Der ſchon längſt angekündigte Perſonenwechſel in der Preßleitung iſt endlich eingetreten. Er entſpricht dem Miniſter- und Syſtem- wechſel, denn während der abtretende cisleithaniſche Preßleiter unter dem letzten Cabinet noch hohenwartiſcher war als Graf Hohenwart ſelbſt, gilt der neuer- nannte Preßleiter, der bereits unter dem Miniſterium Haſner in gleicher Eigenſchaft fungirte, Hofrath Erb, ein Beamter der Schmerling’ſchen Schule, als entſchiedener Parteigänger der Verfaſſungspartei. Er findet übrigens ein günſtigeres Terrain als irgendeiner ſeiner Vorgänger, denn die geſammte anſtändige deutſche Publi- ciſtik ſteht ohnehin auf der Seite der neuen Regierung, und braucht nicht, um letztere zu ſtützen, erſt beeinflußt zu werden. Der alte Satz, daß jeder guten Regierung auch eine gute Preſſe zur Seite ſteht, erwahrt ſich eben wieder, und die Noth- wendigkeit eigentlicher officiöſer Organe behufs Vertheidigung des Miniſteriums entfällt vorläufig. Auch eine Doppelſtrömung, wie ſie zur Zeit des erſten Bürger- miniſteriums beſtand und letzterm zur Veranlaſſung diente, neben der Reichspreß- leitung noch eine cisleithaniſche ins Leben zu rufen, fällt jetzt weg. Die Preßleiter können ſich alſo kaum eine für ſie günſtigere Lage wünſchen. Nur thäte die Re- gierung Unrecht in den augenblicklich allerdings idylliſch ruhigen Stromſpiegel der Tagespreſſe allzu großes Vertrauen zu ſetzen, und aus dem Extrem der von der frühern Preßleitung an den Tag gelegten aggreſſiven Geſchäftigkeit in die Paſſi- vität eines vollſtändigen laissez faire zu verfallen, und für ganz beſonders bedenk- lich müßten wir ein ſolches Syſtem in dem Fall erklären wenn demſelben, wie es den Anſchein hat, der von maßgebenden Perſonen gehegte Gedanke zu Grunde läge: „Je weniger von den Tagesblättern über die Regierung geſchrieben wird, deſto beſſer!“ Es würde dieß ein vollſtändiges Verkennen des Preßweſens be- kunden. Der Preſſe muß eben Stoff zur Verarbeitung zugeführt werden, damit ſie in dem Sinne wie es die öffentlichen, nunmehr mit jenen der Regierung zu- fammenfallenden, Intereſſen erheiſchen, wirken könne, und das ſcheint uns die eigentliche Aufgabe der ſogenannten „Preßleitung“ zu ſein, ein Vademecum das wir auch der neuen cisleithaniſchen mit auf den Weg geben möchten. Wind und Strömung ſind ihr günſtig. Auch die Stimmung des Abgeordnetenhauſes darf als eine vortreffliche bezeichnet werden, und was beſonders bemerkenswerth iſt: auch die der nicht zur Verfaſſungspartei gehörenden Abgeordneten iſt keine wider- haarige. Die Haltung welche die Cabinetsmitglieder gleich in der erſten Sitzung des Adreßausſchuſſes beobachteten, hat auf alle den beſten Eindruck gemacht, und die günſtige Stimmung wird ſich wohl auch in der Adreſſe abſpiegeln, mit deren Abfaſſung Herbſt betraut iſt, und die vorausſichtlich ein Vertrauensvotum für die neue Regierung enthalten wird. &#xfffc; Wien, 1 Jan. Die Löſung der beiden großen Fragen, der Wahl- reform und des ſtaatsrechtlichen Verhältniſſes Galiziens, iſt in der Thronrede an- gekündigt, aber der Modus ſoll doch noch erſt gefunden werden, und die Verfaſſungs- partei, welche ſich augenblicklich und unter der Nachwirkung der eben beſtandenen Gefahr zu einem geſchloſſenen Ganzen conſtituirt hat, könnte leicht gerade ange- ſichts jener beiden Fragen wieder auseinander geſprengt werden. Es iſt unver- geſſen wie weit damals, als das Gutachten der einzelnen Landtage über die directen Wahlen eingeholt wurde, die Meinungen innerhalb der Partei auseinander giengen, und es iſt ein öffentliches Geheimniß daß der weitaus größte Theil der Partei den Polen wohl ausgedehnte adminiſtrative Zugeſtändniſſe, nicht aber eine politiſche Sonderſtellung zu gewähren bereit iſt, welche auf das ohnehin ſchon zu bunte öſter- reichiſche Staatsrecht noch einen weiteren Lappen heften, das Räderwerk der Staats- maſchine noch complicirter und unbehülflicher geſtalten würde. Es iſt möglich, — und es ſteht zu hoffen — daß der Regierung inmitten ihrer Action der leitende Faden nicht verloren geht, und daß ſie im Stande iſt bei dieſer Action die Führung in Händen zu behalten; aber bis jetzt ſcheint ſie, ſoweit es ſich um mehr als papierene Programme handelt, nur zu geneigt das minima non curare des Prätors ſich nicht zur Richtſchnur zu nehmen, ſondern ihre Energie in kleinlicher Rancune und der Geltendmachung perſönlicher Bedeutung zu verzetteln. Wenn Hr. Unger bei- ſpielsweiſe bisher nichts dringenderes zu thun hatte als die Thatſache, daß die Re- daction der Thronrede ſein alleiniges Werk ſei, mit Ingrimm zu conſtatiren, ſo hat er ſich damit als Preßminiſter in einer Weiſe eingeführt welche in die ſchönſten Zeiten der alten Polizei zurückverſetzt. ⋀ Trieſt, 30 Dec. Bei der Agitation aus Anlaß der Wahl eines neuen Präſidenten der hieſigen Handelskammer erſcheint die Engherzigkeit der Italiener in Trieſt wieder in einem ſehr trüben Lichte. Es iſt nämlich ſehr ſchwer eine ge- eignete Perſönlichkeit für dieſes durch den Tod des Ritters v. Vicco erledigte Amt zu finden aber bloß deßhalb, weil alle Deutſchen, unter denen ſich die hervor- ragendſten Capacitäten der Handelskammer befinden, principiell von der Wahl aus- geſchloſſen werden — und dieß in einer Stadt wo ungefähr die Hälfte der börſenmäßi- gen Handlungsfirmen Deutſche ſind! — Der von dem gemeinſamen Miniſterium des Aeußern mit der Dampfſchifffahrts-Unternehmung des Lloyd abgeſchloſſene Ver- trag iſt dem Abgeordnetenhauſe bereits vorgelegt, und es iſt wohl kein Zweifel daß er die Zuſtimmung desſelben wie auch die des ungariſchen Reichstags erhalten wird. Die Intereſſen des öſterreichiſchen Handels und unſerer Schifffahrt bedür- fen jetzt mehr als je der Unterſtützung des Staats, wo ſich auch Rußland mit aller Kraft rüſtet dieſelben zu bekämpfen. Die ruſſiſche Dampfſchifffahrts-, Handels- und Odeſſabahn-Geſellſchaft hat vor kurzem neun neue Dampfer in England be- ſtellt, und ihre Flotte wird in Bälde über 80 Dampfſchiffe zählen! Außerdem iſt ſie im Beſitze von 700 Meilen Schienenſtraßen, die ſich gegen die öſterreichiſche Gränze hin erſtrecken. Dieß iſt eine mächtige Concurrenz, der Oeſterreich in der Levante die Stange halten ſoll, und das Fortbeſtehen und die fernere Entwicklung des Lloyd als öſterreichiſches Inſtitut ſind eine wahre Lebensfrage für unſre Handels- und Ver- kehrs-Intereſſen den italieniſchen und ruſſiſchen Anſtrengungen gegenüber. Die ruſſiſche Geſellſchaft läßt auch einen Dampfer für den Verkehr mit China via Suez- Canal bauen und bedroht unſere Bombay-Linie mit ihrer Concurrenz. Be- herzigenswerth iſt unter den gegenwärtigen Umſtänden auch daß Montenegro eben jetzt wieder Verſuche macht durch Vermittlung Rußlands die Abtretung der Bucht von Spizza von der Pforte zu erlangen, und daß der Fürſt mit dem Project um- geht am Ufer des Skutari-Sees eine Schiffswerfte für den Bau kleiner Dampfer anzulegen. Daß alle dieſe Projecte Plane von größerer Tragweite bergen unter- liegt keinem Zweifel, und ſie müſſen unſern parlamentariſchen Körpern zur Mah- nung dienen die maritimen Intereſſen des Staates nicht preiszugeben, ſondern viel- mehr den Aufſchwung derſelben möglichſt zu fördern. B. Peſt, 31 Dec. Mit dem heutigen Tage tritt die neue Gerichtsorgani- ſation, wie dieſelbe bereits ſeit faſt drei Jahren vorbereitet worden, ins Leben, Als Weihnachtsgeſchenk hatte das „Amtsblatt“ die maſſenhaften Richter-Ernennun- gen gebracht, und wir wollen hoffen daß der Juſtizminiſter gut gewählt und die Ge- richte nunmehr eine unparteiiſche raſche Juſtiz üben werden. Die Organiſation iſt dieſelbe die Bach in Ungarn eingeführt: Einzelrichter in den Bezirken, Colle- gialgerichte in den Comitatshauptſtädten, aber nur Appellation an die königliche Tafel und den oberſten Gerichtshof in Peſt, während zu Zeiten Bachs mehrere Oberlandesgerichte im Lande ſelbſt beſtanden hatten, der oberſte Gerichtshof natürlich in Wien ſeinen Sitz hatte, und nur einer für die geſammte Monarchie beſtand. Es war bis jetzt Sitte die ſchlechten Juſtizzuſtände Ungarns lediglich dem Umſtande zuzuſchreiben daß die Richter von den Ständecomitaten gewählt wurden; unläugbar war auch etwas wahres daran, da jedenfalls ein Richter der ſich jedes dritte Jahr einer Neuwahl zu unterziehen hat, ſchwer unparteiiſch ur- theilen wird. Nun war aber die ungariſche Juſtiz in den höhern Inſtanzen, wo keine gewählten, ſondern ernannte Richter urtheilen, auch nicht lobenswerth, und es konnte wohl daraus geſchloſſen werden daß auch andere Urſachen als die Wahl der Richter beitragen mußten der ungariſchen Juſtiz den ſchlimmen Ruf zu ver- ſchaffen den ſie genoß. Eine dieſer Urſachen war die ungenügende Qualification der Richter für ihren Beruf. Es gab weder eine Richteramtsprüfung noch eine praktiſche Schule für die Richteramtscandidaten; wer im allgemeinen die Rechte abſolvirt hatte, konnte Richter werden, in letzter Zeit bei den Stuhlgerichten auch ſolche die nie Rechtswiſſenſchaft ſtudiert hatten. Wenn dieſe ſich dann im Laufe der Zeit den formellen Geſchäftsgang aneigneten, und auch nach einem ſelbſtcom- ponirten Naturrecht ſchlecht und recht Urtheil ſprachen, ſtiegen ſie nach und nach von Stufe zu Stufe ohne alle höhern Kenntniſſe und ohne tiefern Einblick in das Weſen des Rechts. Was aber ſelbſt dem gebildeten und ſtrebſamen Richter vollends die Rechtſprechung unendlich erſchweren mußte, waren die mangelhaften Geſetzbücher. Seitdem die Judexcurial-Conferenz im Herbſt 1860 im blinden patriotiſchen Eifer die öſterreichiſchen Geſetzbücher aufgehoben hatte, kamen die alten ungariſchen Ge- ſetze wieder zur Geltung, und da haben wir denn heut ein veraltetes Wechſelrecht und ebenſolche Concursordnung aus dem Jahr 1840, ein ungenügendes bürgerliches Geſetzbuch, gar kein Handelsgeſetz, ſondern bloß einige handelsgerichtliche Beſtim- mungen, ein Strafrecht welches dem Richter discretionäre Gewalt einräumt, und zu alle dem wird die neue vom geweſenen Juſtizminiſter Horváth eingeführte Civil- proceßordnung auch als eine Fehlgeburt angeſehen, da ſie allein dazu gemacht ſcheint die Intereſſen der Advocaten zu fördern. Der eine Uebelſtand — die Wahl des Richters — iſt nunmehr beſeitigt, bezüglich der Qualiſication jedoch konnte die Regierung nicht mehr ſtreng vorgehen, da ſie ſonſt nicht die genügende Anzahl von Richtern erhalten hätte. Auch war in dem bezüglichen Geſetze die Beſtimmung enthalten daß die bereits längere Zeit im Dienſte geſtandenen Richter berückſichtigt werden konnten, ſelbſt wenn ſie die geforderte Qualification nicht beſaßen. Das zweite Uebel der ungariſchen Juſtiz iſt daher nur zum Theil ausgemerzt, und was das dritte Uebel, die ſchlechten Geſetzbücher, betrifft, ſo dürfte da noch geraume Zeit vergehen bis eine radicale Beſſerung eintritt, wenn auf die Arbeiten der Codifica- tionscommiſſion gewartet werden ſoll. Dieſe, vom Reichstag eingeſetzt, arbeitet bereits ſeit drei Jahren, ohne irgendein Ergebniß geliefert zu haben. Es mehren ſich daher auch die Stimmen die verlangen: der Reichstag möge bewährte aus- ländiſche Geſetzbücher mit geringen Modificationen etwa einführen, alſo das öſter- reichiſche bürgerliche Geſetzbuch, das deutſche Handelsgeſetz, das norddeutſche Straf- recht u. ſ. w. Solange Ungaru keine genügenden Geſetzbücher beſitzt, gleicht die neue Gerichtsorganiſation einer Armee die nicht gehörig verpflegt, daher nicht leiſtungsfähig iſt. Schweiz. ⨁ Bern, 31 Dec. Das Bundesreviſionswerk, wie es bis jetzt aus den Berathungen des Nationalraths hervorgegangen iſt, wird von drei Seiten angefein- det: von den Weſtſchweizern, den Ultramontanen und den Socialdemokraten. Den einen bietet es zu viel, den andern zu wenig. In der Weſtſchweiz will man vor allem von der in dem neuen Art. 54 enthaltenen Rechtseinheit nichts wiſſen, während die Ultramontanen, wie deren Hauptorgan, das in Luzern erſcheinende „Vaterland,“ ſich ausdrückt, die ſeitherigen Beſchlüſſe des Nationalraths nur als die Verkörperung des Strebens betrachten die liberalen Minderheiten in den un- ter ihrer Herrſchaft ſtehenden Kantonen an das Ruder zu bringen. Ihnen nach iſt das nationalräthliche Reviſionswerk „ein Flick- und Zwitterwerk,“ welches die alte ſchweizeriſche Freiheit auf die Seite ſchiebt, um die jungradicale Demokratie auf den Thron zu heben. Die Republik im eigentlichen Sinne des Wortes werde in Frage geſtellt. Die Socialdemokraten endlich begnügen ſich nicht mit einer Kritik der nationalräthlichen Beſchlüſſe, ſondern ſchreiten bereits zu Gegenmaß- regeln. Ein Aufruf des ſocialdemokratiſchen Arbeitervereins in Baſel an alle Arbeiter in der Schweiz wirft der großen Mehrheit des Nationalraths vor: bei dem Reviſionswerk mehr ihre eigenen egoiſtiſchen Intereſſen als die Förderung des Volkswohls ins Auge gefaßt zu haben. „Iſt auch die Centraliſation des Militärweſens mit großem Mehr durchgegangen,“ heißt es in dieſem Aufruf, „ſo ſind dafür andere für das Wohl des Volks ebenſo wichtige und unentbehrliche

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine03_1872/5>, abgerufen am 21.11.2024.