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Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch]

Die Umwechselung der alten Obligationen in neue Staatstitel wird längstens bs zum
1 Juni 1872 bewerkstelligt sein. §. 10. Die Obligationsbesitzer werden wegen der vor
dem 1 Januar 1872 fälligen Coupons die ursprünglichen Concessionäre zu belangen
haben, welche allein für die Zahlung verantwortlich sind."

Von den zu dieser Vorlage von den Sectionen vorgeschlagenen Modisica-
tionen dürften dem Consortium Bleichröder besonders zwei sehr unangenehm
sein. Die eine liegt in dem Artikel 17, welcher der Actiengesellschaft verbietet den
Besitz der Eisenbahn an eine andere Gesellschaft zu überlassen oder sich mit einer
anderen Gesellschaft zu fusioniren. Diese Bestimmung erscheint in der That son-
derbar, da es den Rumänen doch gleichgültig sein könnte wer den Betrieb der
Bahn leitet, wenn derselbe nur gut geleitet wird; aber das Consortium Bleich-
röder hat die Ungeschicklichkeit begangen von vorneherein auszusprechen: "daß der
Betrieb der rumänischen Bahnen einer großen österreichisch-ungarischen Bahn (k. k.
Staatsbahn) überlassen werden solle, und dieß hat der Opposition Gelegenheit
gegeben so lange in allen ihren Journalen zu schreien: Rumänien solle durch die
Eisenbahnen "austromagyarisirt" werden, bis endlich der Artikel 17 zur allge-
meinen Beruhigung zu Stande kam. Weiter dürften dem Consortium Bleich-
röder die Bestimmungen des Artikels 5 unangenehm sein, welche für die Zinszah-
lungen der rumänischen Regierung am 1 Januar und 1 Juli 1872 von je 4,760,000
Frcs. eine doppelte Caution verlangen, und eine Conventionalstrafe feststellen
wenn die Bahnen von Roman nach Galatz, von Galatz nach Bukarest, die Ver-
bindungsbahn der beiden Bukarester Bahnhöfe und die kleinen Zweigbahnen
von Galatz und Braila nach ihren resp. Häfen, nicht vollständig bis 1 Oct. 1872
ausgebaut sind; doch lassen sich diese Bestimmungen wohl rechtfertigen, da die Ge-
sellschaft in ihrem eigenen Antrage für den Ausbau derselben genannten Eisenbahnen
nur 3 Monate Bauzeit verlangt hat, während ihr durch das Gesetz 9 Monate zu-
gestanden sind. Die Erlegung einer Caution von 13,640,000 Frcs. aber kann nicht
drückend genannt werden, da sie nur nominell in den alten rumänischen Eisenbahn-
Obligationen erlegt zu werden braucht, von denen so wie so bereits mehr als
100 Millionen deponirt sind. In der gestrigen Kammersitzung erklärte der Minister-
präsident: daß das Ministerium aus der Annahme des Regierungs-Projectes eine
Cabinetsfrage machen müsse, und sich s. Z. aussprechen werde ob das Ministerium
dimissioniren oder die Kammer auflösen werde. Die Mittheilung wurde von der Kam-
mer mit Beifall aufgenommen. Am 23 Dec. hatte in einer geheimen Sitzung der
Kammer die Regierung den Deputirten die Mittheilung gemacht: daß von der hohen
Pforte eine Note eingelangt sei in welcher dieselbe die Lösung der Eisenbahnfrage
fordert -- bei Vermeidung der ernstesten Complicationen. Gleichzeitig wurde eine
Depesche des rumänischen Agenten Strat aus Konstantinopel verlesen, in welcher
die Regierung beschworen wird die türkische Note dießmal sehr ernst zu nehmen.
Die angedrohten Complicationen beständen in einer europäischen Conferenz, resp.
einer Besetzung Numäniens durch türkische Truppen. Von Seite der österreichisch-
ungarischen Monarchie wurde der rumänischen Regierung der dringende Rath ge-
geben die Eisenbahnfrage zu ordnen, und dasselbe geschah von Seite Rußlands
und Englands, so daß gar kein Zweifel darüber obwaltet daß Deutschland, Oester-
reich und Rußland über die Maßregeln sich bereits geeinigt haben welche zu treffen
sind falls die Lösung der Eisenbahnfrage auch dießmal an der Halsstarrigkeit der
rumänischen Kammern scheitern sollte. Die Bukarester Regierung bietet deßhalb
alles mögliche auf um die Angelegenheit einer befriedigenden Lösung entgegenzu
führen, und der Finanzminister hält sogar die 4,700,000 Fres. zur Einlösung des
Januar-Coupons 1872 der Obligationen bereit. Wie ich Ihnen bereits in einem
früheren Briefe mitgetheilt, trägt sich die Opposition mit der (freilich chimärischen)
Idee: durch die Eisenbahnfrage den Fürsten Karl zur Abdankung zu veranlassen,
und da der "rumänische Patriotismus" von Seite dieser Partei nichts als leere
Floskel ist, so spielt für sie die Zukunft Rumäniens -- welche durch die Abdankung
des Fürsten sehr gefährdet sein würde -- keine Rolle.



Deutsches Reich.

In Folge der am 1 Jan. stattfindenden großen Gra-
tulationseour beim Kaiser sind bereits mehrere Generale von außerhalb hier ein-
getroffen. Unter denselben befindet sich auch der Generalfeldmarschall v. Steinmetz.
Die Neujahrsgratulation findet in folgender Weise statt: um 91/2 Uhr bringen die
Hofstaaten, Beamten etc. ihre Glückwünsche dar, und gleich nachyer die Mitglieder
der Königsfamilie. Um 10 Vormittags fahren die Majestäten und die Prinzen
und Prinzessinnen zum Gottesdienst in die Schloßcapelle nach Charlottenburg,
und um 1 Uhr Nachmittags (nach der Rückkehr von Charlottenburg) werden die activen
und die zur Disposition gestellten Generale, darauf die hier anwesenden fürstlichen
Personen, und um 13/4 Uhr die activen Staatsminister zur Gratulation empfangen.
-- Am 2 Jan., dem Sterbetage des Königs Friedrich Wilhelm IV, begeben sich
die Majestäten und die übrigen hohen Herrschaften nach Potsdam und wohnen in
der Friedenskirche daselbst der Gedächtnißfeier bei. -- Dem Verlagsbuchhändler
A. Hofmann hier ist, wie wir in der "B.-Z." lesen, von dem König von Schweden
als Anerkennung für die Förderung nordischer Literatur in Deutschland das Ritter-
kreuz des Wasa-Ordens verliehen worden.


Die von uns jüngst nach der "B. A. C." gegebenen Nachrichten über gewisse
in baldiger Aussicht stehende Gesetzesvorlagen werden schon wieder dementirt. Die
"Krz.-Ztg." schreibt nämlich: "Die Mittheilungen über die bevorstehenden Vor-
lagen aus dem Cultusministerium sind durchweg irrig; es sind weder über die fa-
cultative Civilehe noch in Betreff des Austritts aus der Kirche Vorlagen der Art
beschlossen." Die "Schles. Ztg." ferner theilt aus guter Quelle folgendes mit: "In
Bezug auf das Unterrichtsgesetz ist zu constatiren daß darüber noch kein definitiver
Beschluß gefaßt ist. Die Vorlage des Unterrichtsgesetzes dürfte auf keinen Fall
früher erfolgen als die Landesvertretung ihre Auffassung in Bezug auf das Gesetz
wegen der Schulaufsicht kundgegeben und bestimmt ausgesprochen hat. Was die
Civilehe betrifft, so ist es durchaus irrig wenn es in dieser Beziehung heißt daß das
Staatsministerium eine Vorlage beschlossen habe welche auf die faeultative Civil-
ehe hinauslaufe. Der dem Staatsministerium vorliegende Entwurf, welcher sich
auf die bürgerliche Eheschließung bezieht, hat es weder mit der obligatorischen noch
mit der facultativen Civilehe zu thun, sondern enthält lediglich Bestimmungen über
die Noth-Civilehe. Dieser Entwurf ist bekanntlich aus dem Zusammenwirken des
Cultus- und des Justizministeriums hervorgegangen. Ein anderer Entwurf liegt
dem Staatsministerium nicht vor. Was die Angaben über den dritten Entwurf be-
[Spaltenumbruch] trifft, der sich mit dem Austritt aus der Landeskirche beschäftigen soll, so beruht
alles darüber Mitgetheilte auf reinem Irrthum. Der Gegenstand der Berathungen
in der jüngsten Sitzung des Staatsministeriums waren lediglich Communal- und
Ordens-Angelegenheiten; Beschlüsse von politischer Bedeutung sind in derselben nicht
vorgekommen. Soviel man hört, ist auch von der Vertheilung des Civil-Verdienst-
kreuzes, welches Civilisten für Verdienste im letzten Krieg verliehen werden soll, die
Rede gewesen, doch soll letzteres am nächsten Ordensfeste noch nicht zur Vertheilung
kommen, weil noch zu viele darauf bezügliche Formalitäten zu erledigen find. Da-
für aber dürften am nächsten Geburtstage des Kaisers und Königs alle Vorbedin-
gungen der Vertheilung erfüllt seien."


Vorgestern hielt der Bundesrath unter dem Vorsitze des Staatsministers Del-
brück die letzte dießjährige Plenarsitzung. Nach den einleitenden Geschäften wurde
zunächst durch den zustehenden Ausschuß Bericht erstattet über das von uns wieder-
holt näher erwähnte Eisenbahn-Polizeireglement, und dasselbe angenommen. Es
folgte ein Ausschußbericht über den Entwurf einer Seemanns-Ordnung, für welche
Vorschläge und Gegenvorschläge mannichfacher Art vorliegen. Das dringende Be-
dürfniß zur endlichen Regulirung dieser lange schwebenden Angelegenheit wurde
allseitig anerkannt, und beschlossen eine besondere Reichscommission aus Sach-
verständigen zu berufen und sie mit Aufstellung eines endgültigen Entwurfs, über
den sich dann der Bun desrath schlüssig machen wollte, zu betrauen. Endlich folgte
ein Bericht des Rechnungsausschusses über die Bereitstellung der Mittel zur Be-
streitung der Reichsausgaben im Jahre 1872. Es ist dieß die stets am Schlusse
des Jahrs erscheinende rein technische Rechnungsarbeit bezüglich der Feststellung
der Steuereingänge, der Abtragung der Immatricularbeiträge etc. Wie in den
Vorjahren fand diese Angelegenheit anstandslose Erledigung. Den Schluß machten
Eingaben. Hinsichtlich des Gesetzes über den Schutz des geistigen Eigenthums hat
es sich als eine fühlbare Lücke herausgestellt daß die Erzeugnisse der Kunst-Industrie
jedes Schutzes entbehren. Die Ideen sind geschützt, sobald aber die Erzeugnisse
als Muster gelten, ist ihre Nachahmung nicht angreifbar. Von Seiten einer neulich
zur Verathung über Förderung der Kunst-Industrie vom Handelsminister berufenen
Commission ist diese von den Betheiligten schwer empfundene Unzuträglichkeit leb-
haft erörtert und daran der Wunsch geknüpft worden auf gesetzlichem Wege die-
selbe beseitigt zu sehen. Es ist denn auch die Erwägung der Angelegenheit zu
möglicher Abhülfe zugesagt worden.


Das Eisenbahn-Bataillon ist jetzt gebildet, und besteht aus vier gleichartigen
Compagnien. Demselben liegt der Bau und Betrieb von Eisenbahnen ob, zu
welchem Zwecke die Uebungen nach dieser Seite hin geleitet werden. Wahrscheinlich
ist deßhalb auch die Erwerbung einer eigenen Eisenbahnstrecke in Aussicht genom-
men. -- Bekanntlich wird die im nächsten Monat bevorstehende Marine-Recruti-
rung auf ganz Deutschland ausgedehnt werden. Die dabei in Betracht kommenden
Berufsclassen sind die Flußschiffer, Schiffszimmerleute, Schiffshandwerker und
vor allem das Maschinenpersonal. Dieses letztere wird dem 1868 neugebildeten
Maschinistencorps zugewiesen. Ein Theil dieses Maschinistenpersonals wird indeß
auch fortan von dem neuformirten Eisenbahn-Bataillon in Anspruch genommen
werden. Die Schiffs handwerker treten hingegen in die Werft-Divisionen über, wo-
gegen die Flußschiffer nach der neuen Bestimmung nur noch dem See-Bataillon
zugetheilt werden sollen. -- Der "Mittelrh. Ztg." wird geschrieben: "Trotzdem daß
der Staatshaushaltsetat für 1872 noch nicht festgestellt ist, wird dennoch mit der
Anstellung der von der Staatsregierung in Aussicht genommenen neuen Beamten
bereits vorgegangen, wahrscheinlich in dem guten Glauben daß das Abgeordneten-
haus schließlich doch alle Forderungen der Staatsregierung bewilligen wird. So
ist u. a. bei der Berliner Polizei schon eine Anzahl neuer Kräfte der ver-
schiedensten Kategorien in Thätigkeit getreten, eine weitere Vermehrung wird
für den Dienst vorbereitet. Ob die Sicherheit in den Straßen und Localen
der Hauptstadt, der Schutz der Einheimischen und Fremden darob ein größerer
werden wird, dürfte zwar zunächst erst abzuwarten sein, allein wir erlauben uns
schon heut unsern bescheidenen Zweifel auszusprechen, und begründen denselben mit
dem Hin weis darauf daß das System das alte geblieben."


Aus Posen wird berichtet daß der Erzbischof von Gnesen und Posen, Graf
Ledochowski, sich wieder des Titels "Primas" bedient. An der Thür der Francis-
canerkirche an Posen, in welcher nur deutsche katholische Geistliche angestellt sind,
befand sich während der Feiertage ein gedrucktes Placat, in welchem die Abhaltung
eines 40 stündigen Gebetes für die bedrängte katholische Kirche und den h. Vater an-
geordnet: und bekannt gemacht wurde am Mittwoch werde "Seine Excellenz der
hochwürdige Erzbischof-Primas" eine h. Messe celebriren. Diesen Titel: "Primas"
führte zu altpolnischen Zeiten der Erzbischof von Gnesen, als der Erste nach dem
Könige, als welcher er auch nach dem Tod eines Königs bis zur Neuwahl das Reich
zu verwalten hatte. -- Wie die "Pos. Ztg." vor kurzem meldete, ist seitens der Re-
gierung der Direction der oberschlesischen und der märkisch - posener Eisenbahn zur
Erwägung anheimgegeben worden künftighin die Namen der Eisenbahnstationen in
unserer Provinz entweder nach den Regeln der deutschen Orthographie zu schreiben
oder an höchster Stelle die Umänderung der polnischen in deutsche Namen herbeizu-
führen, falls die ersteren der deutschen Aussprache Schwierigkeiten bereiten. Es
würde also z. B., statt Neutomysl, Neutomischl zu schreiben, und an Stelle des Na-
mens Jasterzewski die Benenung Habichtsdorf einzuführen sein.

Oesterreichisch-ungarische Monarchie.

Die Blätter ziehen die Bilanz des abgelau-
fenen Jahrs, und machen den Voranschlag für das beginnende. Die Rückblicke
wären düster genug, wenn sie nicht vom Gefühle glücklich überstandener Lebens-
gefahr erhellt würden; die Ausblicke sind hoffnungsreich und zuversichtlich, ohne
allzu sehr in den sonst bei solchen Gelegenheiten üblichen österreichischen Sangui-
nismus zu verfallen. Die "N. Fr. Pr." schreibt in einem Rückblick an der Jahres-
wende:

"Oesterreich schwebte am Rande des Abgrundes. Vergebens hatte das deutsche
Bürgerthum eine alle Erwartungen der Feinde zu Schande machende, alle Hoffnungen
der Freunde überflügelnde Kraft und Einigkeit entwickelt. Näher und näher rollte der
aus seinen Geleisen geworfene Staatswagen der Stelle zu wo er zerschellen mußte; da
brachte ihn die maßlose Ueberhebung der Tschechen und Feudalen zum Stillstande. Sie
wollten nicht nur Oesterreich zwingen sich ihnen zu opfern; sie wollten zur Schmach den
Hohn fügen, den Triumph über dem Leibe des noch nicht erlegten Feindes zu feiern.
Vor dem Zusammentritt des Reichsrathes sollte ihnen die Erfüllung ihrer Forderungen
verbrieft und besiegelt, die constitutionellen Formen sollten geflissentlich verletzt werden.
Die dadurch erzwungene Pause gab allen redlichen Elementen der Monarchie Zeit der
staatsfeindlichen Verschwörung eine Liga der Staatstreuen entgegenzustellen. Wer es
mit Oesterreich ehrlich meinte, trat dem Bunde bei. Deakisten, die wenigen klerikalen
Patrioten, vereinzelte Absolutisten verstärkten das Schwergewicht der Verfassungspartei,
und unsere Wagschale kam zum Sinken. Oesterreich war gerettet -- freilich hatte der
das Reich zerreißende Spalt bei seinem Schließen einen Curtius verschlungen, den
[Spaltenumbruch]

Die Umwechſelung der alten Obligationen in neue Staatstitel wird längſtens bs zum
1 Juni 1872 bewerkſtelligt ſein. §. 10. Die Obligationsbeſitzer werden wegen der vor
dem 1 Januar 1872 fälligen Coupons die urſprünglichen Conceſſionäre zu belangen
haben, welche allein für die Zahlung verantwortlich ſind.“

Von den zu dieſer Vorlage von den Sectionen vorgeſchlagenen Modiſica-
tionen dürften dem Conſortium Bleichröder beſonders zwei ſehr unangenehm
ſein. Die eine liegt in dem Artikel 17, welcher der Actiengeſellſchaft verbietet den
Beſitz der Eiſenbahn an eine andere Geſellſchaft zu überlaſſen oder ſich mit einer
anderen Geſellſchaft zu fuſioniren. Dieſe Beſtimmung erſcheint in der That ſon-
derbar, da es den Rumänen doch gleichgültig ſein könnte wer den Betrieb der
Bahn leitet, wenn derſelbe nur gut geleitet wird; aber das Conſortium Bleich-
röder hat die Ungeſchicklichkeit begangen von vorneherein auszuſprechen: „daß der
Betrieb der rumäniſchen Bahnen einer großen öſterreichiſch-ungariſchen Bahn (k. k.
Staatsbahn) überlaſſen werden ſolle, und dieß hat der Oppoſition Gelegenheit
gegeben ſo lange in allen ihren Journalen zu ſchreien: Rumänien ſolle durch die
Eiſenbahnen „auſtromagyariſirt“ werden, bis endlich der Artikel 17 zur allge-
meinen Beruhigung zu Stande kam. Weiter dürften dem Conſortium Bleich-
röder die Beſtimmungen des Artikels 5 unangenehm ſein, welche für die Zinszah-
lungen der rumäniſchen Regierung am 1 Januar und 1 Juli 1872 von je 4,760,000
Frcs. eine doppelte Caution verlangen, und eine Conventionalſtrafe feſtſtellen
wenn die Bahnen von Roman nach Galatz, von Galatz nach Bukareſt, die Ver-
bindungsbahn der beiden Bukareſter Bahnhöfe und die kleinen Zweigbahnen
von Galatz und Braila nach ihren reſp. Häfen, nicht vollſtändig bis 1 Oct. 1872
ausgebaut ſind; doch laſſen ſich dieſe Beſtimmungen wohl rechtfertigen, da die Ge-
ſellſchaft in ihrem eigenen Antrage für den Ausbau derſelben genannten Eiſenbahnen
nur 3 Monate Bauzeit verlangt hat, während ihr durch das Geſetz 9 Monate zu-
geſtanden ſind. Die Erlegung einer Caution von 13,640,000 Frcs. aber kann nicht
drückend genannt werden, da ſie nur nominell in den alten rumäniſchen Eiſenbahn-
Obligationen erlegt zu werden braucht, von denen ſo wie ſo bereits mehr als
100 Millionen deponirt ſind. In der geſtrigen Kammerſitzung erklärte der Miniſter-
präſident: daß das Miniſterium aus der Annahme des Regierungs-Projectes eine
Cabinetsfrage machen müſſe, und ſich ſ. Z. ausſprechen werde ob das Miniſterium
dimiſſioniren oder die Kammer auflöſen werde. Die Mittheilung wurde von der Kam-
mer mit Beifall aufgenommen. Am 23 Dec. hatte in einer geheimen Sitzung der
Kammer die Regierung den Deputirten die Mittheilung gemacht: daß von der hohen
Pforte eine Note eingelangt ſei in welcher dieſelbe die Löſung der Eiſenbahnfrage
fordert — bei Vermeidung der ernſteſten Complicationen. Gleichzeitig wurde eine
Depeſche des rumäniſchen Agenten Strat aus Konſtantinopel verleſen, in welcher
die Regierung beſchworen wird die türkiſche Note dießmal ſehr ernſt zu nehmen.
Die angedrohten Complicationen beſtänden in einer europäiſchen Conferenz, reſp.
einer Beſetzung Numäniens durch türkiſche Truppen. Von Seite der öſterreichiſch-
ungariſchen Monarchie wurde der rumäniſchen Regierung der dringende Rath ge-
geben die Eiſenbahnfrage zu ordnen, und dasſelbe geſchah von Seite Rußlands
und Englands, ſo daß gar kein Zweifel darüber obwaltet daß Deutſchland, Oeſter-
reich und Rußland über die Maßregeln ſich bereits geeinigt haben welche zu treffen
ſind falls die Löſung der Eiſenbahnfrage auch dießmal an der Halsſtarrigkeit der
rumäniſchen Kammern ſcheitern ſollte. Die Bukareſter Regierung bietet deßhalb
alles mögliche auf um die Angelegenheit einer befriedigenden Löſung entgegenzu
führen, und der Finanzminiſter hält ſogar die 4,700,000 Fres. zur Einlöſung des
Januar-Coupons 1872 der Obligationen bereit. Wie ich Ihnen bereits in einem
früheren Briefe mitgetheilt, trägt ſich die Oppoſition mit der (freilich chimäriſchen)
Idee: durch die Eiſenbahnfrage den Fürſten Karl zur Abdankung zu veranlaſſen,
und da der „rumäniſche Patriotismus“ von Seite dieſer Partei nichts als leere
Floskel iſt, ſo ſpielt für ſie die Zukunft Rumäniens — welche durch die Abdankung
des Fürſten ſehr gefährdet ſein würde — keine Rolle.



Deutſches Reich.

In Folge der am 1 Jan. ſtattfindenden großen Gra-
tulationseour beim Kaiſer ſind bereits mehrere Generale von außerhalb hier ein-
getroffen. Unter denſelben befindet ſich auch der Generalfeldmarſchall v. Steinmetz.
Die Neujahrsgratulation findet in folgender Weiſe ſtatt: um 9½ Uhr bringen die
Hofſtaaten, Beamten ꝛc. ihre Glückwünſche dar, und gleich nachyer die Mitglieder
der Königsfamilie. Um 10 Vormittags fahren die Majeſtäten und die Prinzen
und Prinzeſſinnen zum Gottesdienſt in die Schloßcapelle nach Charlottenburg,
und um 1 Uhr Nachmittags (nach der Rückkehr von Charlottenburg) werden die activen
und die zur Dispoſition geſtellten Generale, darauf die hier anweſenden fürſtlichen
Perſonen, und um 1¾ Uhr die activen Staatsminiſter zur Gratulation empfangen.
— Am 2 Jan., dem Sterbetage des Königs Friedrich Wilhelm IV, begeben ſich
die Majeſtäten und die übrigen hohen Herrſchaften nach Potsdam und wohnen in
der Friedenskirche daſelbſt der Gedächtnißfeier bei. — Dem Verlagsbuchhändler
A. Hofmann hier iſt, wie wir in der „B.-Z.“ leſen, von dem König von Schweden
als Anerkennung für die Förderung nordiſcher Literatur in Deutſchland das Ritter-
kreuz des Waſa-Ordens verliehen worden.


Die von uns jüngſt nach der „B. A. C.“ gegebenen Nachrichten über gewiſſe
in baldiger Ausſicht ſtehende Geſetzesvorlagen werden ſchon wieder dementirt. Die
„Krz.-Ztg.“ ſchreibt nämlich: „Die Mittheilungen über die bevorſtehenden Vor-
lagen aus dem Cultusminiſterium ſind durchweg irrig; es ſind weder über die fa-
cultative Civilehe noch in Betreff des Austritts aus der Kirche Vorlagen der Art
beſchloſſen.“ Die „Schleſ. Ztg.“ ferner theilt aus guter Quelle folgendes mit: „In
Bezug auf das Unterrichtsgeſetz iſt zu conſtatiren daß darüber noch kein definitiver
Beſchluß gefaßt iſt. Die Vorlage des Unterrichtsgeſetzes dürfte auf keinen Fall
früher erfolgen als die Landesvertretung ihre Auffaſſung in Bezug auf das Geſetz
wegen der Schulaufſicht kundgegeben und beſtimmt ausgeſprochen hat. Was die
Civilehe betrifft, ſo iſt es durchaus irrig wenn es in dieſer Beziehung heißt daß das
Staatsminiſterium eine Vorlage beſchloſſen habe welche auf die faeultative Civil-
ehe hinauslaufe. Der dem Staatsminiſterium vorliegende Entwurf, welcher ſich
auf die bürgerliche Eheſchließung bezieht, hat es weder mit der obligatoriſchen noch
mit der facultativen Civilehe zu thun, ſondern enthält lediglich Beſtimmungen über
die Noth-Civilehe. Dieſer Entwurf iſt bekanntlich aus dem Zuſammenwirken des
Cultus- und des Juſtizminiſteriums hervorgegangen. Ein anderer Entwurf liegt
dem Staatsminiſterium nicht vor. Was die Angaben über den dritten Entwurf be-
[Spaltenumbruch] trifft, der ſich mit dem Austritt aus der Landeskirche beſchäftigen ſoll, ſo beruht
alles darüber Mitgetheilte auf reinem Irrthum. Der Gegenſtand der Berathungen
in der jüngſten Sitzung des Staatsminiſteriums waren lediglich Communal- und
Ordens-Angelegenheiten; Beſchlüſſe von politiſcher Bedeutung ſind in derſelben nicht
vorgekommen. Soviel man hört, iſt auch von der Vertheilung des Civil-Verdienſt-
kreuzes, welches Civiliſten für Verdienſte im letzten Krieg verliehen werden ſoll, die
Rede geweſen, doch ſoll letzteres am nächſten Ordensfeſte noch nicht zur Vertheilung
kommen, weil noch zu viele darauf bezügliche Formalitäten zu erledigen find. Da-
für aber dürften am nächſten Geburtstage des Kaiſers und Königs alle Vorbedin-
gungen der Vertheilung erfüllt ſeien.“


Vorgeſtern hielt der Bundesrath unter dem Vorſitze des Staatsminiſters Del-
brück die letzte dießjährige Plenarſitzung. Nach den einleitenden Geſchäften wurde
zunächſt durch den zuſtehenden Ausſchuß Bericht erſtattet über das von uns wieder-
holt näher erwähnte Eiſenbahn-Polizeireglement, und dasſelbe angenommen. Es
folgte ein Ausſchußbericht über den Entwurf einer Seemanns-Ordnung, für welche
Vorſchläge und Gegenvorſchläge mannichfacher Art vorliegen. Das dringende Be-
dürfniß zur endlichen Regulirung dieſer lange ſchwebenden Angelegenheit wurde
allſeitig anerkannt, und beſchloſſen eine beſondere Reichscommiſſion aus Sach-
verſtändigen zu berufen und ſie mit Aufſtellung eines endgültigen Entwurfs, über
den ſich dann der Bun desrath ſchlüſſig machen wollte, zu betrauen. Endlich folgte
ein Bericht des Rechnungsausſchuſſes über die Bereitſtellung der Mittel zur Be-
ſtreitung der Reichsausgaben im Jahre 1872. Es iſt dieß die ſtets am Schluſſe
des Jahrs erſcheinende rein techniſche Rechnungsarbeit bezüglich der Feſtſtellung
der Steuereingänge, der Abtragung der Immatricularbeiträge ꝛc. Wie in den
Vorjahren fand dieſe Angelegenheit anſtandsloſe Erledigung. Den Schluß machten
Eingaben. Hinſichtlich des Geſetzes über den Schutz des geiſtigen Eigenthums hat
es ſich als eine fühlbare Lücke herausgeſtellt daß die Erzeugniſſe der Kunſt-Induſtrie
jedes Schutzes entbehren. Die Ideen ſind geſchützt, ſobald aber die Erzeugniſſe
als Muſter gelten, iſt ihre Nachahmung nicht angreifbar. Von Seiten einer neulich
zur Verathung über Förderung der Kunſt-Induſtrie vom Handelsminiſter berufenen
Commiſſion iſt dieſe von den Betheiligten ſchwer empfundene Unzuträglichkeit leb-
haft erörtert und daran der Wunſch geknüpft worden auf geſetzlichem Wege die-
ſelbe beſeitigt zu ſehen. Es iſt denn auch die Erwägung der Angelegenheit zu
möglicher Abhülfe zugeſagt worden.


Das Eiſenbahn-Bataillon iſt jetzt gebildet, und beſteht aus vier gleichartigen
Compagnien. Demſelben liegt der Bau und Betrieb von Eiſenbahnen ob, zu
welchem Zwecke die Uebungen nach dieſer Seite hin geleitet werden. Wahrſcheinlich
iſt deßhalb auch die Erwerbung einer eigenen Eiſenbahnſtrecke in Ausſicht genom-
men. — Bekanntlich wird die im nächſten Monat bevorſtehende Marine-Recruti-
rung auf ganz Deutſchland ausgedehnt werden. Die dabei in Betracht kommenden
Berufsclaſſen ſind die Flußſchiffer, Schiffszimmerleute, Schiffshandwerker und
vor allem das Maſchinenperſonal. Dieſes letztere wird dem 1868 neugebildeten
Maſchiniſtencorps zugewieſen. Ein Theil dieſes Maſchiniſtenperſonals wird indeß
auch fortan von dem neuformirten Eiſenbahn-Bataillon in Anſpruch genommen
werden. Die Schiffs handwerker treten hingegen in die Werft-Diviſionen über, wo-
gegen die Flußſchiffer nach der neuen Beſtimmung nur noch dem See-Bataillon
zugetheilt werden ſollen. — Der „Mittelrh. Ztg.“ wird geſchrieben: „Trotzdem daß
der Staatshaushaltsetat für 1872 noch nicht feſtgeſtellt iſt, wird dennoch mit der
Anſtellung der von der Staatsregierung in Ausſicht genommenen neuen Beamten
bereits vorgegangen, wahrſcheinlich in dem guten Glauben daß das Abgeordneten-
haus ſchließlich doch alle Forderungen der Staatsregierung bewilligen wird. So
iſt u. a. bei der Berliner Polizei ſchon eine Anzahl neuer Kräfte der ver-
ſchiedenſten Kategorien in Thätigkeit getreten, eine weitere Vermehrung wird
für den Dienſt vorbereitet. Ob die Sicherheit in den Straßen und Localen
der Hauptſtadt, der Schutz der Einheimiſchen und Fremden darob ein größerer
werden wird, dürfte zwar zunächſt erſt abzuwarten ſein, allein wir erlauben uns
ſchon heut unſern beſcheidenen Zweifel auszuſprechen, und begründen denſelben mit
dem Hin weis darauf daß das Syſtem das alte geblieben.“


Aus Poſen wird berichtet daß der Erzbiſchof von Gneſen und Poſen, Graf
Ledochowski, ſich wieder des Titels „Primas“ bedient. An der Thür der Francis-
canerkirche an Poſen, in welcher nur deutſche katholiſche Geiſtliche angeſtellt ſind,
befand ſich während der Feiertage ein gedrucktes Placat, in welchem die Abhaltung
eines 40 ſtündigen Gebetes für die bedrängte katholiſche Kirche und den h. Vater an-
geordnet: und bekannt gemacht wurde am Mittwoch werde „Seine Excellenz der
hochwürdige Erzbiſchof-Primas“ eine h. Meſſe celebriren. Dieſen Titel: „Primas“
führte zu altpolniſchen Zeiten der Erzbiſchof von Gneſen, als der Erſte nach dem
Könige, als welcher er auch nach dem Tod eines Königs bis zur Neuwahl das Reich
zu verwalten hatte. — Wie die „Poſ. Ztg.“ vor kurzem meldete, iſt ſeitens der Re-
gierung der Direction der oberſchleſiſchen und der märkiſch - poſener Eiſenbahn zur
Erwägung anheimgegeben worden künftighin die Namen der Eiſenbahnſtationen in
unſerer Provinz entweder nach den Regeln der deutſchen Orthographie zu ſchreiben
oder an höchſter Stelle die Umänderung der polniſchen in deutſche Namen herbeizu-
führen, falls die erſteren der deutſchen Ausſprache Schwierigkeiten bereiten. Es
würde alſo z. B., ſtatt Neutomysl, Neutomiſchl zu ſchreiben, und an Stelle des Na-
mens Jaſterzewski die Benenung Habichtsdorf einzuführen ſein.

Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie.

Die Blätter ziehen die Bilanz des abgelau-
fenen Jahrs, und machen den Voranſchlag für das beginnende. Die Rückblicke
wären düſter genug, wenn ſie nicht vom Gefühle glücklich überſtandener Lebens-
gefahr erhellt würden; die Ausblicke ſind hoffnungsreich und zuverſichtlich, ohne
allzu ſehr in den ſonſt bei ſolchen Gelegenheiten üblichen öſterreichiſchen Sangui-
nismus zu verfallen. Die „N. Fr. Pr.“ ſchreibt in einem Rückblick an der Jahres-
wende:

„Oeſterreich ſchwebte am Rande des Abgrundes. Vergebens hatte das deutſche
Bürgerthum eine alle Erwartungen der Feinde zu Schande machende, alle Hoffnungen
der Freunde überflügelnde Kraft und Einigkeit entwickelt. Näher und näher rollte der
aus ſeinen Geleiſen geworfene Staatswagen der Stelle zu wo er zerſchellen mußte; da
brachte ihn die maßloſe Ueberhebung der Tſchechen und Feudalen zum Stillſtande. Sie
wollten nicht nur Oeſterreich zwingen ſich ihnen zu opfern; ſie wollten zur Schmach den
Hohn fügen, den Triumph über dem Leibe des noch nicht erlegten Feindes zu feiern.
Vor dem Zuſammentritt des Reichsrathes ſollte ihnen die Erfüllung ihrer Forderungen
verbrieft und beſiegelt, die conſtitutionellen Formen ſollten gefliſſentlich verletzt werden.
Die dadurch erzwungene Pauſe gab allen redlichen Elementen der Monarchie Zeit der
ſtaatsfeindlichen Verſchwörung eine Liga der Staatstreuen entgegenzuſtellen. Wer es
mit Oeſterreich ehrlich meinte, trat dem Bunde bei. Deakiſten, die wenigen klerikalen
Patrioten, vereinzelte Abſolutiſten verſtärkten das Schwergewicht der Verfaſſungspartei,
und unſere Wagſchale kam zum Sinken. Oeſterreich war gerettet — freilich hatte der
das Reich zerreißende Spalt bei ſeinem Schließen einen Curtius verſchlungen, den
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          <p>Von den zu die&#x017F;er Vorlage von den Sectionen vorge&#x017F;chlagenen Modi&#x017F;ica-<lb/>
tionen dürften dem Con&#x017F;ortium Bleichröder be&#x017F;onders zwei &#x017F;ehr unangenehm<lb/>
&#x017F;ein. Die eine liegt in dem Artikel 17, welcher der Actienge&#x017F;ell&#x017F;chaft verbietet den<lb/>
Be&#x017F;itz der Ei&#x017F;enbahn an eine andere Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu überla&#x017F;&#x017F;en oder &#x017F;ich mit einer<lb/>
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Bahn leitet, wenn der&#x017F;elbe nur gut geleitet wird; aber das Con&#x017F;ortium Bleich-<lb/>
röder hat die Unge&#x017F;chicklichkeit begangen von vorneherein auszu&#x017F;prechen: &#x201E;daß der<lb/>
Betrieb der rumäni&#x017F;chen Bahnen einer großen ö&#x017F;terreichi&#x017F;ch-ungari&#x017F;chen Bahn (k. k.<lb/>
Staatsbahn) überla&#x017F;&#x017F;en werden &#x017F;olle, und dieß hat der Oppo&#x017F;ition Gelegenheit<lb/>
gegeben &#x017F;o lange in allen ihren Journalen zu &#x017F;chreien: Rumänien &#x017F;olle durch die<lb/>
Ei&#x017F;enbahnen &#x201E;au&#x017F;tromagyari&#x017F;irt&#x201C; werden, bis endlich der Artikel 17 zur allge-<lb/>
meinen Beruhigung zu Stande kam. Weiter dürften dem Con&#x017F;ortium Bleich-<lb/>
röder die Be&#x017F;timmungen des Artikels 5 unangenehm &#x017F;ein, welche für die Zinszah-<lb/>
lungen der rumäni&#x017F;chen Regierung am 1 Januar und 1 Juli 1872 von je 4,760,000<lb/>
Frcs. eine doppelte Caution verlangen, und eine Conventional&#x017F;trafe fe&#x017F;t&#x017F;tellen<lb/>
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bindungsbahn der beiden Bukare&#x017F;ter Bahnhöfe und die kleinen Zweigbahnen<lb/>
von Galatz und Braila nach ihren re&#x017F;p. Häfen, nicht voll&#x017F;tändig bis 1 Oct. 1872<lb/>
ausgebaut &#x017F;ind; doch la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die&#x017F;e Be&#x017F;timmungen wohl rechtfertigen, da die Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft in ihrem eigenen Antrage für den Ausbau der&#x017F;elben genannten Ei&#x017F;enbahnen<lb/>
nur 3 Monate Bauzeit verlangt hat, während ihr durch das Ge&#x017F;etz 9 Monate zu-<lb/>
ge&#x017F;tanden &#x017F;ind. Die Erlegung einer Caution von 13,640,000 Frcs. aber kann nicht<lb/>
drückend genannt werden, da &#x017F;ie nur nominell in den alten rumäni&#x017F;chen Ei&#x017F;enbahn-<lb/>
Obligationen erlegt zu werden braucht, von denen &#x017F;o wie &#x017F;o bereits mehr als<lb/>
100 Millionen deponirt &#x017F;ind. In der ge&#x017F;trigen Kammer&#x017F;itzung erklärte der Mini&#x017F;ter-<lb/>
prä&#x017F;ident: daß das Mini&#x017F;terium aus der Annahme des Regierungs-Projectes eine<lb/>
Cabinetsfrage machen mü&#x017F;&#x017F;e, und &#x017F;ich &#x017F;. Z. aus&#x017F;prechen werde ob das Mini&#x017F;terium<lb/>
dimi&#x017F;&#x017F;ioniren oder die Kammer auflö&#x017F;en werde. Die Mittheilung wurde von der Kam-<lb/>
mer mit Beifall aufgenommen. Am 23 Dec. hatte in einer geheimen Sitzung der<lb/>
Kammer die Regierung den Deputirten die Mittheilung gemacht: daß von der hohen<lb/>
Pforte eine Note eingelangt &#x017F;ei in welcher die&#x017F;elbe die Lö&#x017F;ung der Ei&#x017F;enbahnfrage<lb/>
fordert &#x2014; bei Vermeidung der ern&#x017F;te&#x017F;ten Complicationen. Gleichzeitig wurde eine<lb/>
Depe&#x017F;che des rumäni&#x017F;chen Agenten Strat aus Kon&#x017F;tantinopel verle&#x017F;en, in welcher<lb/>
die Regierung be&#x017F;chworen wird die türki&#x017F;che Note dießmal &#x017F;ehr ern&#x017F;t zu nehmen.<lb/>
Die angedrohten Complicationen be&#x017F;tänden in einer europäi&#x017F;chen Conferenz, re&#x017F;p.<lb/>
einer Be&#x017F;etzung Numäniens durch türki&#x017F;che Truppen. Von Seite der ö&#x017F;terreichi&#x017F;ch-<lb/>
ungari&#x017F;chen Monarchie wurde der rumäni&#x017F;chen Regierung der dringende Rath ge-<lb/>
geben die Ei&#x017F;enbahnfrage zu ordnen, und das&#x017F;elbe ge&#x017F;chah von Seite Rußlands<lb/>
und Englands, &#x017F;o daß gar kein Zweifel darüber obwaltet daß Deut&#x017F;chland, Oe&#x017F;ter-<lb/>
reich und Rußland über die Maßregeln &#x017F;ich bereits geeinigt haben welche zu treffen<lb/>
&#x017F;ind falls die Lö&#x017F;ung der Ei&#x017F;enbahnfrage auch dießmal an der Hals&#x017F;tarrigkeit der<lb/>
rumäni&#x017F;chen Kammern &#x017F;cheitern &#x017F;ollte. Die Bukare&#x017F;ter Regierung bietet deßhalb<lb/>
alles mögliche auf um die Angelegenheit einer befriedigenden Lö&#x017F;ung entgegenzu<lb/>
führen, und der Finanzmini&#x017F;ter hält &#x017F;ogar die 4,700,000 Fres. zur Einlö&#x017F;ung des<lb/>
Januar-Coupons 1872 der Obligationen bereit. Wie ich Ihnen bereits in einem<lb/>
früheren Briefe mitgetheilt, trägt &#x017F;ich die Oppo&#x017F;ition mit der (freilich chimäri&#x017F;chen)<lb/>
Idee: durch die Ei&#x017F;enbahnfrage den Für&#x017F;ten Karl zur Abdankung zu veranla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und da der &#x201E;rumäni&#x017F;che Patriotismus&#x201C; von Seite die&#x017F;er Partei nichts als leere<lb/>
Floskel i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;pielt für &#x017F;ie die Zukunft Rumäniens &#x2014; welche durch die Abdankung<lb/>
des Für&#x017F;ten &#x017F;ehr gefährdet &#x017F;ein würde &#x2014; keine Rolle.</p>
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            <p>In Folge der am 1 Jan. &#x017F;tattfindenden großen Gra-<lb/>
tulationseour beim Kai&#x017F;er &#x017F;ind bereits mehrere Generale von außerhalb hier ein-<lb/>
getroffen. Unter den&#x017F;elben befindet &#x017F;ich auch der Generalfeldmar&#x017F;chall v. Steinmetz.<lb/>
Die Neujahrsgratulation findet in folgender Wei&#x017F;e &#x017F;tatt: um 9½ Uhr bringen die<lb/>
Hof&#x017F;taaten, Beamten &#xA75B;c. ihre Glückwün&#x017F;che dar, und gleich nachyer die Mitglieder<lb/>
der Königsfamilie. Um 10 Vormittags fahren die Maje&#x017F;täten und die Prinzen<lb/>
und Prinze&#x017F;&#x017F;innen zum Gottesdien&#x017F;t in die Schloßcapelle nach Charlottenburg,<lb/>
und um 1 Uhr Nachmittags (nach der Rückkehr von Charlottenburg) werden die activen<lb/>
und die zur Dispo&#x017F;ition ge&#x017F;tellten Generale, darauf die hier anwe&#x017F;enden für&#x017F;tlichen<lb/>
Per&#x017F;onen, und um 1¾ Uhr die activen Staatsmini&#x017F;ter zur Gratulation empfangen.<lb/>
&#x2014; Am 2 Jan., dem Sterbetage des Königs Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">IV,</hi> begeben &#x017F;ich<lb/>
die Maje&#x017F;täten und die übrigen hohen Herr&#x017F;chaften nach Potsdam und wohnen in<lb/>
der Friedenskirche da&#x017F;elb&#x017F;t der Gedächtnißfeier bei. &#x2014; Dem Verlagsbuchhändler<lb/>
A. Hofmann hier i&#x017F;t, wie wir in der &#x201E;B.-Z.&#x201C; le&#x017F;en, von dem König von Schweden<lb/>
als Anerkennung für die Förderung nordi&#x017F;cher Literatur in Deut&#x017F;chland das Ritter-<lb/>
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            <p>Die von uns jüng&#x017F;t nach der &#x201E;B. A. C.&#x201C; gegebenen Nachrichten über gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
in baldiger Aus&#x017F;icht &#x017F;tehende Ge&#x017F;etzesvorlagen werden &#x017F;chon wieder dementirt. Die<lb/>
&#x201E;Krz.-Ztg.&#x201C; &#x017F;chreibt nämlich: &#x201E;Die Mittheilungen über die bevor&#x017F;tehenden Vor-<lb/>
lagen aus dem Cultusmini&#x017F;terium &#x017F;ind durchweg irrig; es &#x017F;ind weder über die fa-<lb/>
cultative Civilehe noch in Betreff des Austritts aus der Kirche Vorlagen der Art<lb/>
be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; Die &#x201E;Schle&#x017F;. Ztg.&#x201C; ferner theilt aus guter Quelle folgendes mit: <cit><quote>&#x201E;In<lb/>
Bezug auf das Unterrichtsge&#x017F;etz i&#x017F;t zu con&#x017F;tatiren daß darüber noch kein definitiver<lb/>
Be&#x017F;chluß gefaßt i&#x017F;t. Die Vorlage des Unterrichtsge&#x017F;etzes dürfte auf keinen Fall<lb/>
früher erfolgen als die Landesvertretung ihre Auffa&#x017F;&#x017F;ung in Bezug auf das Ge&#x017F;etz<lb/>
wegen der Schulauf&#x017F;icht kundgegeben und be&#x017F;timmt ausge&#x017F;prochen hat. Was die<lb/>
Civilehe betrifft, &#x017F;o i&#x017F;t es durchaus irrig wenn es in die&#x017F;er Beziehung heißt daß das<lb/>
Staatsmini&#x017F;terium eine Vorlage be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en habe welche auf die faeultative Civil-<lb/>
ehe hinauslaufe. Der dem Staatsmini&#x017F;terium vorliegende Entwurf, welcher &#x017F;ich<lb/>
auf die bürgerliche Ehe&#x017F;chließung bezieht, hat es weder mit der obligatori&#x017F;chen noch<lb/>
mit der facultativen Civilehe zu thun, &#x017F;ondern enthält lediglich Be&#x017F;timmungen über<lb/>
die Noth-Civilehe. Die&#x017F;er Entwurf i&#x017F;t bekanntlich aus dem Zu&#x017F;ammenwirken des<lb/>
Cultus- und des Ju&#x017F;tizmini&#x017F;teriums hervorgegangen. Ein anderer Entwurf liegt<lb/>
dem Staatsmini&#x017F;terium nicht vor. Was die Angaben über den dritten Entwurf be-<lb/><cb/>
trifft, der &#x017F;ich mit dem Austritt aus der Landeskirche be&#x017F;chäftigen &#x017F;oll, &#x017F;o beruht<lb/>
alles darüber Mitgetheilte auf reinem Irrthum. Der Gegen&#x017F;tand der Berathungen<lb/>
in der jüng&#x017F;ten Sitzung des Staatsmini&#x017F;teriums waren lediglich Communal- und<lb/>
Ordens-Angelegenheiten; Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e von politi&#x017F;cher Bedeutung &#x017F;ind in der&#x017F;elben nicht<lb/>
vorgekommen. Soviel man hört, i&#x017F;t auch von der Vertheilung des Civil-Verdien&#x017F;t-<lb/>
kreuzes, welches Civili&#x017F;ten für Verdien&#x017F;te im letzten Krieg verliehen werden &#x017F;oll, die<lb/>
Rede gewe&#x017F;en, doch &#x017F;oll letzteres am näch&#x017F;ten Ordensfe&#x017F;te noch nicht zur Vertheilung<lb/>
kommen, weil noch zu viele darauf bezügliche Formalitäten zu erledigen find. Da-<lb/>
für aber dürften am näch&#x017F;ten Geburtstage des Kai&#x017F;ers und Königs alle Vorbedin-<lb/>
gungen der Vertheilung erfüllt &#x017F;eien.&#x201C;</quote></cit></p>
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brück die letzte dießjährige Plenar&#x017F;itzung. Nach den einleitenden Ge&#x017F;chäften wurde<lb/>
zunäch&#x017F;t durch den zu&#x017F;tehenden Aus&#x017F;chuß Bericht er&#x017F;tattet über das von uns wieder-<lb/>
holt näher erwähnte Ei&#x017F;enbahn-Polizeireglement, und das&#x017F;elbe angenommen. Es<lb/>
folgte ein Aus&#x017F;chußbericht über den Entwurf einer Seemanns-Ordnung, für welche<lb/>
Vor&#x017F;chläge und Gegenvor&#x017F;chläge mannichfacher Art vorliegen. Das dringende Be-<lb/>
dürfniß zur endlichen Regulirung die&#x017F;er lange &#x017F;chwebenden Angelegenheit wurde<lb/>
all&#x017F;eitig anerkannt, und be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en eine be&#x017F;ondere Reichscommi&#x017F;&#x017F;ion aus Sach-<lb/>
ver&#x017F;tändigen zu berufen und &#x017F;ie mit Auf&#x017F;tellung eines endgültigen Entwurfs, über<lb/>
den &#x017F;ich dann der Bun desrath &#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;ig machen wollte, zu betrauen. Endlich folgte<lb/>
ein Bericht des Rechnungsaus&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;es über die Bereit&#x017F;tellung der Mittel zur Be-<lb/>
&#x017F;treitung der Reichsausgaben im Jahre 1872. Es i&#x017F;t dieß die &#x017F;tets am Schlu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
des Jahrs er&#x017F;cheinende rein techni&#x017F;che Rechnungsarbeit bezüglich der Fe&#x017F;t&#x017F;tellung<lb/>
der Steuereingänge, der Abtragung der Immatricularbeiträge &#xA75B;c. Wie in den<lb/>
Vorjahren fand die&#x017F;e Angelegenheit an&#x017F;tandslo&#x017F;e Erledigung. Den Schluß machten<lb/>
Eingaben. Hin&#x017F;ichtlich des Ge&#x017F;etzes über den Schutz des gei&#x017F;tigen Eigenthums hat<lb/>
es &#x017F;ich als eine fühlbare Lücke herausge&#x017F;tellt daß die Erzeugni&#x017F;&#x017F;e der Kun&#x017F;t-Indu&#x017F;trie<lb/>
jedes Schutzes entbehren. Die Ideen &#x017F;ind ge&#x017F;chützt, &#x017F;obald aber die Erzeugni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
als Mu&#x017F;ter gelten, i&#x017F;t ihre Nachahmung nicht angreifbar. Von Seiten einer neulich<lb/>
zur Verathung über Förderung der Kun&#x017F;t-Indu&#x017F;trie vom Handelsmini&#x017F;ter berufenen<lb/>
Commi&#x017F;&#x017F;ion i&#x017F;t die&#x017F;e von den Betheiligten &#x017F;chwer empfundene Unzuträglichkeit leb-<lb/>
haft erörtert und daran der Wun&#x017F;ch geknüpft worden auf ge&#x017F;etzlichem Wege die-<lb/>
&#x017F;elbe be&#x017F;eitigt zu &#x017F;ehen. Es i&#x017F;t denn auch die Erwägung der Angelegenheit zu<lb/>
möglicher Abhülfe zuge&#x017F;agt worden.</p>
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Compagnien. Dem&#x017F;elben liegt der Bau und Betrieb von Ei&#x017F;enbahnen ob, zu<lb/>
welchem Zwecke die Uebungen nach die&#x017F;er Seite hin geleitet werden. Wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
i&#x017F;t deßhalb auch die Erwerbung einer eigenen Ei&#x017F;enbahn&#x017F;trecke in Aus&#x017F;icht genom-<lb/>
men. &#x2014; Bekanntlich wird die im näch&#x017F;ten Monat bevor&#x017F;tehende Marine-Recruti-<lb/>
rung auf ganz Deut&#x017F;chland ausgedehnt werden. Die dabei in Betracht kommenden<lb/>
Berufscla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind die Fluß&#x017F;chiffer, Schiffszimmerleute, Schiffshandwerker und<lb/>
vor allem das Ma&#x017F;chinenper&#x017F;onal. Die&#x017F;es letztere wird dem 1868 neugebildeten<lb/>
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auch fortan von dem neuformirten Ei&#x017F;enbahn-Bataillon in An&#x017F;pruch genommen<lb/>
werden. Die Schiffs handwerker treten hingegen in die Werft-Divi&#x017F;ionen über, wo-<lb/>
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zugetheilt werden &#x017F;ollen. &#x2014; Der &#x201E;Mittelrh. Ztg.&#x201C; wird ge&#x017F;chrieben: <cit><quote>&#x201E;Trotzdem daß<lb/>
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i&#x017F;t u. a. bei der Berliner Polizei &#x017F;chon eine Anzahl neuer Kräfte der ver-<lb/>
&#x017F;chieden&#x017F;ten Kategorien in Thätigkeit getreten, eine weitere Vermehrung wird<lb/>
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werden wird, dürfte zwar zunäch&#x017F;t er&#x017F;t abzuwarten &#x017F;ein, allein wir erlauben uns<lb/>
&#x017F;chon heut un&#x017F;ern be&#x017F;cheidenen Zweifel auszu&#x017F;prechen, und begründen den&#x017F;elben mit<lb/>
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Ledochowski, &#x017F;ich wieder des Titels &#x201E;Primas&#x201C; bedient. An der Thür der Francis-<lb/>
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befand &#x017F;ich während der Feiertage ein gedrucktes Placat, in welchem die Abhaltung<lb/>
eines 40 &#x017F;tündigen Gebetes für die bedrängte katholi&#x017F;che Kirche und den h. Vater an-<lb/>
geordnet: und bekannt gemacht wurde am Mittwoch werde &#x201E;Seine Excellenz der<lb/>
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führte zu altpolni&#x017F;chen Zeiten der Erzbi&#x017F;chof von Gne&#x017F;en, als der Er&#x017F;te nach dem<lb/>
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Erwägung anheimgegeben worden künftighin die Namen der Ei&#x017F;enbahn&#x017F;tationen in<lb/>
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[28/0004] Die Umwechſelung der alten Obligationen in neue Staatstitel wird längſtens bs zum 1 Juni 1872 bewerkſtelligt ſein. §. 10. Die Obligationsbeſitzer werden wegen der vor dem 1 Januar 1872 fälligen Coupons die urſprünglichen Conceſſionäre zu belangen haben, welche allein für die Zahlung verantwortlich ſind.“ Von den zu dieſer Vorlage von den Sectionen vorgeſchlagenen Modiſica- tionen dürften dem Conſortium Bleichröder beſonders zwei ſehr unangenehm ſein. Die eine liegt in dem Artikel 17, welcher der Actiengeſellſchaft verbietet den Beſitz der Eiſenbahn an eine andere Geſellſchaft zu überlaſſen oder ſich mit einer anderen Geſellſchaft zu fuſioniren. Dieſe Beſtimmung erſcheint in der That ſon- derbar, da es den Rumänen doch gleichgültig ſein könnte wer den Betrieb der Bahn leitet, wenn derſelbe nur gut geleitet wird; aber das Conſortium Bleich- röder hat die Ungeſchicklichkeit begangen von vorneherein auszuſprechen: „daß der Betrieb der rumäniſchen Bahnen einer großen öſterreichiſch-ungariſchen Bahn (k. k. Staatsbahn) überlaſſen werden ſolle, und dieß hat der Oppoſition Gelegenheit gegeben ſo lange in allen ihren Journalen zu ſchreien: Rumänien ſolle durch die Eiſenbahnen „auſtromagyariſirt“ werden, bis endlich der Artikel 17 zur allge- meinen Beruhigung zu Stande kam. Weiter dürften dem Conſortium Bleich- röder die Beſtimmungen des Artikels 5 unangenehm ſein, welche für die Zinszah- lungen der rumäniſchen Regierung am 1 Januar und 1 Juli 1872 von je 4,760,000 Frcs. eine doppelte Caution verlangen, und eine Conventionalſtrafe feſtſtellen wenn die Bahnen von Roman nach Galatz, von Galatz nach Bukareſt, die Ver- bindungsbahn der beiden Bukareſter Bahnhöfe und die kleinen Zweigbahnen von Galatz und Braila nach ihren reſp. Häfen, nicht vollſtändig bis 1 Oct. 1872 ausgebaut ſind; doch laſſen ſich dieſe Beſtimmungen wohl rechtfertigen, da die Ge- ſellſchaft in ihrem eigenen Antrage für den Ausbau derſelben genannten Eiſenbahnen nur 3 Monate Bauzeit verlangt hat, während ihr durch das Geſetz 9 Monate zu- geſtanden ſind. Die Erlegung einer Caution von 13,640,000 Frcs. aber kann nicht drückend genannt werden, da ſie nur nominell in den alten rumäniſchen Eiſenbahn- Obligationen erlegt zu werden braucht, von denen ſo wie ſo bereits mehr als 100 Millionen deponirt ſind. In der geſtrigen Kammerſitzung erklärte der Miniſter- präſident: daß das Miniſterium aus der Annahme des Regierungs-Projectes eine Cabinetsfrage machen müſſe, und ſich ſ. Z. ausſprechen werde ob das Miniſterium dimiſſioniren oder die Kammer auflöſen werde. Die Mittheilung wurde von der Kam- mer mit Beifall aufgenommen. Am 23 Dec. hatte in einer geheimen Sitzung der Kammer die Regierung den Deputirten die Mittheilung gemacht: daß von der hohen Pforte eine Note eingelangt ſei in welcher dieſelbe die Löſung der Eiſenbahnfrage fordert — bei Vermeidung der ernſteſten Complicationen. Gleichzeitig wurde eine Depeſche des rumäniſchen Agenten Strat aus Konſtantinopel verleſen, in welcher die Regierung beſchworen wird die türkiſche Note dießmal ſehr ernſt zu nehmen. Die angedrohten Complicationen beſtänden in einer europäiſchen Conferenz, reſp. einer Beſetzung Numäniens durch türkiſche Truppen. Von Seite der öſterreichiſch- ungariſchen Monarchie wurde der rumäniſchen Regierung der dringende Rath ge- geben die Eiſenbahnfrage zu ordnen, und dasſelbe geſchah von Seite Rußlands und Englands, ſo daß gar kein Zweifel darüber obwaltet daß Deutſchland, Oeſter- reich und Rußland über die Maßregeln ſich bereits geeinigt haben welche zu treffen ſind falls die Löſung der Eiſenbahnfrage auch dießmal an der Halsſtarrigkeit der rumäniſchen Kammern ſcheitern ſollte. Die Bukareſter Regierung bietet deßhalb alles mögliche auf um die Angelegenheit einer befriedigenden Löſung entgegenzu führen, und der Finanzminiſter hält ſogar die 4,700,000 Fres. zur Einlöſung des Januar-Coupons 1872 der Obligationen bereit. Wie ich Ihnen bereits in einem früheren Briefe mitgetheilt, trägt ſich die Oppoſition mit der (freilich chimäriſchen) Idee: durch die Eiſenbahnfrage den Fürſten Karl zur Abdankung zu veranlaſſen, und da der „rumäniſche Patriotismus“ von Seite dieſer Partei nichts als leere Floskel iſt, ſo ſpielt für ſie die Zukunft Rumäniens — welche durch die Abdankung des Fürſten ſehr gefährdet ſein würde — keine Rolle. Deutſches Reich. * Berlin, 31 Dec. In Folge der am 1 Jan. ſtattfindenden großen Gra- tulationseour beim Kaiſer ſind bereits mehrere Generale von außerhalb hier ein- getroffen. Unter denſelben befindet ſich auch der Generalfeldmarſchall v. Steinmetz. Die Neujahrsgratulation findet in folgender Weiſe ſtatt: um 9½ Uhr bringen die Hofſtaaten, Beamten ꝛc. ihre Glückwünſche dar, und gleich nachyer die Mitglieder der Königsfamilie. Um 10 Vormittags fahren die Majeſtäten und die Prinzen und Prinzeſſinnen zum Gottesdienſt in die Schloßcapelle nach Charlottenburg, und um 1 Uhr Nachmittags (nach der Rückkehr von Charlottenburg) werden die activen und die zur Dispoſition geſtellten Generale, darauf die hier anweſenden fürſtlichen Perſonen, und um 1¾ Uhr die activen Staatsminiſter zur Gratulation empfangen. — Am 2 Jan., dem Sterbetage des Königs Friedrich Wilhelm IV, begeben ſich die Majeſtäten und die übrigen hohen Herrſchaften nach Potsdam und wohnen in der Friedenskirche daſelbſt der Gedächtnißfeier bei. — Dem Verlagsbuchhändler A. Hofmann hier iſt, wie wir in der „B.-Z.“ leſen, von dem König von Schweden als Anerkennung für die Förderung nordiſcher Literatur in Deutſchland das Ritter- kreuz des Waſa-Ordens verliehen worden. Die von uns jüngſt nach der „B. A. C.“ gegebenen Nachrichten über gewiſſe in baldiger Ausſicht ſtehende Geſetzesvorlagen werden ſchon wieder dementirt. Die „Krz.-Ztg.“ ſchreibt nämlich: „Die Mittheilungen über die bevorſtehenden Vor- lagen aus dem Cultusminiſterium ſind durchweg irrig; es ſind weder über die fa- cultative Civilehe noch in Betreff des Austritts aus der Kirche Vorlagen der Art beſchloſſen.“ Die „Schleſ. Ztg.“ ferner theilt aus guter Quelle folgendes mit: „In Bezug auf das Unterrichtsgeſetz iſt zu conſtatiren daß darüber noch kein definitiver Beſchluß gefaßt iſt. Die Vorlage des Unterrichtsgeſetzes dürfte auf keinen Fall früher erfolgen als die Landesvertretung ihre Auffaſſung in Bezug auf das Geſetz wegen der Schulaufſicht kundgegeben und beſtimmt ausgeſprochen hat. Was die Civilehe betrifft, ſo iſt es durchaus irrig wenn es in dieſer Beziehung heißt daß das Staatsminiſterium eine Vorlage beſchloſſen habe welche auf die faeultative Civil- ehe hinauslaufe. Der dem Staatsminiſterium vorliegende Entwurf, welcher ſich auf die bürgerliche Eheſchließung bezieht, hat es weder mit der obligatoriſchen noch mit der facultativen Civilehe zu thun, ſondern enthält lediglich Beſtimmungen über die Noth-Civilehe. Dieſer Entwurf iſt bekanntlich aus dem Zuſammenwirken des Cultus- und des Juſtizminiſteriums hervorgegangen. Ein anderer Entwurf liegt dem Staatsminiſterium nicht vor. Was die Angaben über den dritten Entwurf be- trifft, der ſich mit dem Austritt aus der Landeskirche beſchäftigen ſoll, ſo beruht alles darüber Mitgetheilte auf reinem Irrthum. Der Gegenſtand der Berathungen in der jüngſten Sitzung des Staatsminiſteriums waren lediglich Communal- und Ordens-Angelegenheiten; Beſchlüſſe von politiſcher Bedeutung ſind in derſelben nicht vorgekommen. Soviel man hört, iſt auch von der Vertheilung des Civil-Verdienſt- kreuzes, welches Civiliſten für Verdienſte im letzten Krieg verliehen werden ſoll, die Rede geweſen, doch ſoll letzteres am nächſten Ordensfeſte noch nicht zur Vertheilung kommen, weil noch zu viele darauf bezügliche Formalitäten zu erledigen find. Da- für aber dürften am nächſten Geburtstage des Kaiſers und Königs alle Vorbedin- gungen der Vertheilung erfüllt ſeien.“ Vorgeſtern hielt der Bundesrath unter dem Vorſitze des Staatsminiſters Del- brück die letzte dießjährige Plenarſitzung. Nach den einleitenden Geſchäften wurde zunächſt durch den zuſtehenden Ausſchuß Bericht erſtattet über das von uns wieder- holt näher erwähnte Eiſenbahn-Polizeireglement, und dasſelbe angenommen. Es folgte ein Ausſchußbericht über den Entwurf einer Seemanns-Ordnung, für welche Vorſchläge und Gegenvorſchläge mannichfacher Art vorliegen. Das dringende Be- dürfniß zur endlichen Regulirung dieſer lange ſchwebenden Angelegenheit wurde allſeitig anerkannt, und beſchloſſen eine beſondere Reichscommiſſion aus Sach- verſtändigen zu berufen und ſie mit Aufſtellung eines endgültigen Entwurfs, über den ſich dann der Bun desrath ſchlüſſig machen wollte, zu betrauen. Endlich folgte ein Bericht des Rechnungsausſchuſſes über die Bereitſtellung der Mittel zur Be- ſtreitung der Reichsausgaben im Jahre 1872. Es iſt dieß die ſtets am Schluſſe des Jahrs erſcheinende rein techniſche Rechnungsarbeit bezüglich der Feſtſtellung der Steuereingänge, der Abtragung der Immatricularbeiträge ꝛc. Wie in den Vorjahren fand dieſe Angelegenheit anſtandsloſe Erledigung. Den Schluß machten Eingaben. Hinſichtlich des Geſetzes über den Schutz des geiſtigen Eigenthums hat es ſich als eine fühlbare Lücke herausgeſtellt daß die Erzeugniſſe der Kunſt-Induſtrie jedes Schutzes entbehren. Die Ideen ſind geſchützt, ſobald aber die Erzeugniſſe als Muſter gelten, iſt ihre Nachahmung nicht angreifbar. Von Seiten einer neulich zur Verathung über Förderung der Kunſt-Induſtrie vom Handelsminiſter berufenen Commiſſion iſt dieſe von den Betheiligten ſchwer empfundene Unzuträglichkeit leb- haft erörtert und daran der Wunſch geknüpft worden auf geſetzlichem Wege die- ſelbe beſeitigt zu ſehen. Es iſt denn auch die Erwägung der Angelegenheit zu möglicher Abhülfe zugeſagt worden. Das Eiſenbahn-Bataillon iſt jetzt gebildet, und beſteht aus vier gleichartigen Compagnien. Demſelben liegt der Bau und Betrieb von Eiſenbahnen ob, zu welchem Zwecke die Uebungen nach dieſer Seite hin geleitet werden. Wahrſcheinlich iſt deßhalb auch die Erwerbung einer eigenen Eiſenbahnſtrecke in Ausſicht genom- men. — Bekanntlich wird die im nächſten Monat bevorſtehende Marine-Recruti- rung auf ganz Deutſchland ausgedehnt werden. Die dabei in Betracht kommenden Berufsclaſſen ſind die Flußſchiffer, Schiffszimmerleute, Schiffshandwerker und vor allem das Maſchinenperſonal. Dieſes letztere wird dem 1868 neugebildeten Maſchiniſtencorps zugewieſen. Ein Theil dieſes Maſchiniſtenperſonals wird indeß auch fortan von dem neuformirten Eiſenbahn-Bataillon in Anſpruch genommen werden. Die Schiffs handwerker treten hingegen in die Werft-Diviſionen über, wo- gegen die Flußſchiffer nach der neuen Beſtimmung nur noch dem See-Bataillon zugetheilt werden ſollen. — Der „Mittelrh. Ztg.“ wird geſchrieben: „Trotzdem daß der Staatshaushaltsetat für 1872 noch nicht feſtgeſtellt iſt, wird dennoch mit der Anſtellung der von der Staatsregierung in Ausſicht genommenen neuen Beamten bereits vorgegangen, wahrſcheinlich in dem guten Glauben daß das Abgeordneten- haus ſchließlich doch alle Forderungen der Staatsregierung bewilligen wird. So iſt u. a. bei der Berliner Polizei ſchon eine Anzahl neuer Kräfte der ver- ſchiedenſten Kategorien in Thätigkeit getreten, eine weitere Vermehrung wird für den Dienſt vorbereitet. Ob die Sicherheit in den Straßen und Localen der Hauptſtadt, der Schutz der Einheimiſchen und Fremden darob ein größerer werden wird, dürfte zwar zunächſt erſt abzuwarten ſein, allein wir erlauben uns ſchon heut unſern beſcheidenen Zweifel auszuſprechen, und begründen denſelben mit dem Hin weis darauf daß das Syſtem das alte geblieben.“ Aus Poſen wird berichtet daß der Erzbiſchof von Gneſen und Poſen, Graf Ledochowski, ſich wieder des Titels „Primas“ bedient. An der Thür der Francis- canerkirche an Poſen, in welcher nur deutſche katholiſche Geiſtliche angeſtellt ſind, befand ſich während der Feiertage ein gedrucktes Placat, in welchem die Abhaltung eines 40 ſtündigen Gebetes für die bedrängte katholiſche Kirche und den h. Vater an- geordnet: und bekannt gemacht wurde am Mittwoch werde „Seine Excellenz der hochwürdige Erzbiſchof-Primas“ eine h. Meſſe celebriren. Dieſen Titel: „Primas“ führte zu altpolniſchen Zeiten der Erzbiſchof von Gneſen, als der Erſte nach dem Könige, als welcher er auch nach dem Tod eines Königs bis zur Neuwahl das Reich zu verwalten hatte. — Wie die „Poſ. Ztg.“ vor kurzem meldete, iſt ſeitens der Re- gierung der Direction der oberſchleſiſchen und der märkiſch - poſener Eiſenbahn zur Erwägung anheimgegeben worden künftighin die Namen der Eiſenbahnſtationen in unſerer Provinz entweder nach den Regeln der deutſchen Orthographie zu ſchreiben oder an höchſter Stelle die Umänderung der polniſchen in deutſche Namen herbeizu- führen, falls die erſteren der deutſchen Ausſprache Schwierigkeiten bereiten. Es würde alſo z. B., ſtatt Neutomysl, Neutomiſchl zu ſchreiben, und an Stelle des Na- mens Jaſterzewski die Benenung Habichtsdorf einzuführen ſein. Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie. * Aus Oeſterreich, 1 Jan. Die Blätter ziehen die Bilanz des abgelau- fenen Jahrs, und machen den Voranſchlag für das beginnende. Die Rückblicke wären düſter genug, wenn ſie nicht vom Gefühle glücklich überſtandener Lebens- gefahr erhellt würden; die Ausblicke ſind hoffnungsreich und zuverſichtlich, ohne allzu ſehr in den ſonſt bei ſolchen Gelegenheiten üblichen öſterreichiſchen Sangui- nismus zu verfallen. Die „N. Fr. Pr.“ ſchreibt in einem Rückblick an der Jahres- wende: „Oeſterreich ſchwebte am Rande des Abgrundes. Vergebens hatte das deutſche Bürgerthum eine alle Erwartungen der Feinde zu Schande machende, alle Hoffnungen der Freunde überflügelnde Kraft und Einigkeit entwickelt. Näher und näher rollte der aus ſeinen Geleiſen geworfene Staatswagen der Stelle zu wo er zerſchellen mußte; da brachte ihn die maßloſe Ueberhebung der Tſchechen und Feudalen zum Stillſtande. Sie wollten nicht nur Oeſterreich zwingen ſich ihnen zu opfern; ſie wollten zur Schmach den Hohn fügen, den Triumph über dem Leibe des noch nicht erlegten Feindes zu feiern. Vor dem Zuſammentritt des Reichsrathes ſollte ihnen die Erfüllung ihrer Forderungen verbrieft und beſiegelt, die conſtitutionellen Formen ſollten gefliſſentlich verletzt werden. Die dadurch erzwungene Pauſe gab allen redlichen Elementen der Monarchie Zeit der ſtaatsfeindlichen Verſchwörung eine Liga der Staatstreuen entgegenzuſtellen. Wer es mit Oeſterreich ehrlich meinte, trat dem Bunde bei. Deakiſten, die wenigen klerikalen Patrioten, vereinzelte Abſolutiſten verſtärkten das Schwergewicht der Verfaſſungspartei, und unſere Wagſchale kam zum Sinken. Oeſterreich war gerettet — freilich hatte der das Reich zerreißende Spalt bei ſeinem Schließen einen Curtius verſchlungen, den

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine03_1872/4>, abgerufen am 29.06.2024.