Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.-- als ob ein voller Apfel sich meiner Hand böte, -- als ob ein Baum mir winke, ein breitästiger, -- als ob zierliche Hände mir einen Schrein -- nicht Räthsel genug, um Menschen-Liebe davon Wie danke ich es meinem Morgentraum, dass ich Und dass ich's ihm gleich thue am Tage und sein Wer da segnen lehrte, der lehrte auch fluchen: Wollust, Herrschsucht, Selbstsucht: diese — als ob ein voller Apfel sich meiner Hand böte, — als ob ein Baum mir winke, ein breitästiger, — als ob zierliche Hände mir einen Schrein — nicht Räthsel genug, um Menschen-Liebe davon Wie danke ich es meinem Morgentraum, dass ich Und dass ich's ihm gleich thue am Tage und sein Wer da segnen lehrte, der lehrte auch fluchen: Wollust, Herrschsucht, Selbstsucht: diese <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0063" n="53"/> <p>— als ob ein voller Apfel sich meiner Hand böte,<lb/> ein reifer Goldapfel, mit kühl-sanfter sammtener Haut:<lb/> — so bot sich mir die Welt: —</p><lb/> <p>— als ob ein Baum mir winke, ein breitästiger,<lb/> starkwilliger, gekrümmt zur Lehne und noch zum<lb/> Fussbrett für den Wegmüden: so stand die Welt auf<lb/> meinem Vorgebirge: —</p><lb/> <p>— als ob zierliche Hände mir einen Schrein<lb/> entgegentrügen. — einen Schrein offen für das Ent¬<lb/> zücken schamhafter verehrender Augen: also bot sich<lb/> mir heute die Welt entgegen: —</p><lb/> <p>— nicht Räthsel genug, um Menschen-Liebe davon<lb/> zu scheuchen, nicht Lösung genug, um Menschen-<lb/> Weisheit einzuschläfern: — ein menschlich gutes<lb/> Ding war mir heut die Welt, der man so Böses<lb/> nachredet!</p><lb/> <p>Wie danke ich es meinem Morgentraum, dass ich<lb/> also in der Frühe heut die Welt wog! Als ein<lb/> menschlich gutes Ding kam er zu mir, dieser Traum<lb/> und Herzenströster!</p><lb/> <p>Und dass ich's ihm gleich thue am Tage und sein<lb/> Bestes ihm nach- und ablerne: will ich jetzt die drei<lb/> bösesten Dinge auf die Wage thun und menschlich<lb/> gut abwägen. —</p><lb/> <p>Wer da segnen lehrte, der lehrte auch fluchen:<lb/> welches sind in der Welt die drei bestverfluchten<lb/> Dinge? Diese will ich auf die Wage thun.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Wollust</hi>, <hi rendition="#g">Herrschsucht</hi>, <hi rendition="#g">Selbstsucht</hi>: diese<lb/> Drei wurden bisher am besten verflucht und am<lb/> schlimmsten beleu- und belügenmundet, — diese Drei<lb/> will ich menschlich gut abwägen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0063]
— als ob ein voller Apfel sich meiner Hand böte,
ein reifer Goldapfel, mit kühl-sanfter sammtener Haut:
— so bot sich mir die Welt: —
— als ob ein Baum mir winke, ein breitästiger,
starkwilliger, gekrümmt zur Lehne und noch zum
Fussbrett für den Wegmüden: so stand die Welt auf
meinem Vorgebirge: —
— als ob zierliche Hände mir einen Schrein
entgegentrügen. — einen Schrein offen für das Ent¬
zücken schamhafter verehrender Augen: also bot sich
mir heute die Welt entgegen: —
— nicht Räthsel genug, um Menschen-Liebe davon
zu scheuchen, nicht Lösung genug, um Menschen-
Weisheit einzuschläfern: — ein menschlich gutes
Ding war mir heut die Welt, der man so Böses
nachredet!
Wie danke ich es meinem Morgentraum, dass ich
also in der Frühe heut die Welt wog! Als ein
menschlich gutes Ding kam er zu mir, dieser Traum
und Herzenströster!
Und dass ich's ihm gleich thue am Tage und sein
Bestes ihm nach- und ablerne: will ich jetzt die drei
bösesten Dinge auf die Wage thun und menschlich
gut abwägen. —
Wer da segnen lehrte, der lehrte auch fluchen:
welches sind in der Welt die drei bestverfluchten
Dinge? Diese will ich auf die Wage thun.
Wollust, Herrschsucht, Selbstsucht: diese
Drei wurden bisher am besten verflucht und am
schlimmsten beleu- und belügenmundet, — diese Drei
will ich menschlich gut abwägen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |