Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Von den drei Bösen.
I.

Im Traum, im letzten Morgentraume stand ich
heut auf einem Vorgebirge, -- jenseits der Welt,
hielt eine Wage und wog die Welt.

Oh dass zu früh mir die Morgenröthe kam: die
glühte mich wach, die Eifersüchtige! Eifersüchtig ist
sie immer auf meine Morgentraum-Gluthen.

Messbar für Den, der Zeit hat, wägbar für einen
guten Wäger, erfliegbar für starke Fittige, errathbar
für göttliche Nüsseknacker: also fand mein Traum die
Welt: --

Mein Traum, ein kühner Segler, halb Schiff, halb
Windsbraut, gleich Schmetterlingen schweigsam, un¬
geduldig gleich Edelfalken: wie hatte er doch zum
Welt-Wägen heute Geduld und Weile!

Sprach ihm heimlich wohl meine Weisheit zu,
meine lachende wache Tags-Weisheit, welche über
alle "unendliche Welten" spottet? Denn sie spricht:
"wo Kraft ist, wird auch die Zahl Meisterin: die hat
mehr Kraft."

Wie sicher schaute mein Traum auf diese endliche
Welt, nicht neugierig, nicht altgierig, nicht fürchtend,
nicht bittend: --

Von den drei Bösen.
I.

Im Traum, im letzten Morgentraume stand ich
heut auf einem Vorgebirge, — jenseits der Welt,
hielt eine Wage und wog die Welt.

Oh dass zu früh mir die Morgenröthe kam: die
glühte mich wach, die Eifersüchtige! Eifersüchtig ist
sie immer auf meine Morgentraum-Gluthen.

Messbar für Den, der Zeit hat, wägbar für einen
guten Wäger, erfliegbar für starke Fittige, errathbar
für göttliche Nüsseknacker: also fand mein Traum die
Welt: —

Mein Traum, ein kühner Segler, halb Schiff, halb
Windsbraut, gleich Schmetterlingen schweigsam, un¬
geduldig gleich Edelfalken: wie hatte er doch zum
Welt-Wägen heute Geduld und Weile!

Sprach ihm heimlich wohl meine Weisheit zu,
meine lachende wache Tags-Weisheit, welche über
alle „unendliche Welten“ spottet? Denn sie spricht:
„wo Kraft ist, wird auch die Zahl Meisterin: die hat
mehr Kraft.“

Wie sicher schaute mein Traum auf diese endliche
Welt, nicht neugierig, nicht altgierig, nicht fürchtend,
nicht bittend: —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0062" n="52"/>
      <div n="1">
        <head>Von den drei Bösen.<lb/></head>
        <div n="2">
          <head>I.<lb/></head>
          <p>Im Traum, im letzten Morgentraume stand ich<lb/>
heut auf einem Vorgebirge, &#x2014; jenseits der Welt,<lb/>
hielt eine Wage und <hi rendition="#g">wog</hi> die Welt.</p><lb/>
          <p>Oh dass zu früh mir die Morgenröthe kam: die<lb/>
glühte mich wach, die Eifersüchtige! Eifersüchtig ist<lb/>
sie immer auf meine Morgentraum-Gluthen.</p><lb/>
          <p>Messbar für Den, der Zeit hat, wägbar für einen<lb/>
guten Wäger, erfliegbar für <choice><sic>sarke</sic><corr>starke</corr></choice> Fittige, errathbar<lb/>
für göttliche Nüsseknacker: also fand mein Traum die<lb/>
Welt: &#x2014;</p><lb/>
          <p>Mein Traum, ein kühner Segler, halb Schiff, halb<lb/>
Windsbraut, gleich Schmetterlingen schweigsam, un¬<lb/>
geduldig gleich Edelfalken: wie hatte er doch zum<lb/>
Welt-Wägen heute Geduld und Weile!</p><lb/>
          <p>Sprach ihm heimlich wohl meine Weisheit zu,<lb/>
meine lachende wache Tags-Weisheit, welche über<lb/>
alle &#x201E;unendliche Welten&#x201C; spottet? Denn sie spricht:<lb/>
&#x201E;wo Kraft ist, wird auch die <hi rendition="#g">Zahl</hi> Meisterin: die hat<lb/>
mehr Kraft.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wie sicher schaute mein Traum auf diese endliche<lb/>
Welt, nicht neugierig, nicht altgierig, nicht fürchtend,<lb/>
nicht bittend: &#x2014;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0062] Von den drei Bösen. I. Im Traum, im letzten Morgentraume stand ich heut auf einem Vorgebirge, — jenseits der Welt, hielt eine Wage und wog die Welt. Oh dass zu früh mir die Morgenröthe kam: die glühte mich wach, die Eifersüchtige! Eifersüchtig ist sie immer auf meine Morgentraum-Gluthen. Messbar für Den, der Zeit hat, wägbar für einen guten Wäger, erfliegbar für starke Fittige, errathbar für göttliche Nüsseknacker: also fand mein Traum die Welt: — Mein Traum, ein kühner Segler, halb Schiff, halb Windsbraut, gleich Schmetterlingen schweigsam, un¬ geduldig gleich Edelfalken: wie hatte er doch zum Welt-Wägen heute Geduld und Weile! Sprach ihm heimlich wohl meine Weisheit zu, meine lachende wache Tags-Weisheit, welche über alle „unendliche Welten“ spottet? Denn sie spricht: „wo Kraft ist, wird auch die Zahl Meisterin: die hat mehr Kraft.“ Wie sicher schaute mein Traum auf diese endliche Welt, nicht neugierig, nicht altgierig, nicht fürchtend, nicht bittend: —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/62
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/62>, abgerufen am 22.11.2024.