Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.Der Zeiger rückte, die Uhr meines Lebens holte Dann sprach es ohne Stimme zu mir: "Du weisst Und ich schrie vor Schrecken bei diesem Flüstern, Dann sprach es abermals ohne Stimme zu mir: Und ich antwortete endlich gleich einem Trotzigen: Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: "Du Und ich weinte und zitterte wie ein Kind und Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: "Was Und ich antwortete: "Ach, ist es mein Wort? Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: "Was Und ich antwortete: "Was trug nicht schon das Der Zeiger rückte, die Uhr meines Lebens holte Dann sprach es ohne Stimme zu mir: „Du weisst Und ich schrie vor Schrecken bei diesem Flüstern, Dann sprach es abermals ohne Stimme zu mir: Und ich antwortete endlich gleich einem Trotzigen: Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Du Und ich weinte und zitterte wie ein Kind und Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Was Und ich antwortete: „Ach, ist es mein Wort? Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Was Und ich antwortete: „Was trug nicht schon das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0108" n="98"/> <p>Der Zeiger rückte, die Uhr meines Lebens holte<lb/> Athem —, nie hörte ich solche Stille um mich: also<lb/> dass mein Herz erschrak.</p><lb/> <p>Dann sprach es ohne Stimme zu mir: „<hi rendition="#g">Du weisst<lb/> es</hi>, <hi rendition="#g">Zarathustra</hi>?“ —</p><lb/> <p>Und ich schrie vor Schrecken bei diesem Flüstern,<lb/> und das Blut wich aus meinem Gesichte: aber ich<lb/> schwieg.</p><lb/> <p>Dann sprach es abermals ohne Stimme zu mir:<lb/> „Du weisst es, Zarathustra, aber du redest es nicht!“ —</p><lb/> <p>Und ich antwortete endlich gleich einem Trotzigen:<lb/> „Ja, ich weiss es, aber ich will es nicht reden!“</p><lb/> <p>Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Du<lb/><hi rendition="#g">willst</hi> nicht, Zarathustra? Ist diess auch wahr? Ver¬<lb/> stecke dich nicht in deinen Trotz!“ —</p><lb/> <p>Und ich weinte und zitterte wie ein Kind und<lb/> sprach: „Ach, ich wollte schon, aber wie kann ich<lb/> es! Erlass mir diess nur! Es ist über meine Kraft!“</p><lb/> <p>Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Was<lb/> liegt an dir, Zarathustra! Sprich dein Wort und<lb/> zerbrich!“ —</p><lb/> <p>Und ich antwortete: „Ach, ist es <hi rendition="#g">mein</hi> Wort?<lb/> Wer bin ich? Ich warte des Würdigeren; ich bin<lb/> nicht werth, an ihm auch nur zu zerbrechen.“</p><lb/> <p>Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Was<lb/> liegt an dir? Du bist mir noch nicht demüthig genug.<lb/> Die Demuth hat das härteste Fell.“ —</p><lb/> <p>Und ich antwortete: „Was trug nicht schon das<lb/> Fell meiner Demuth! Am Fusse wohne ich meiner<lb/> Höhe: wie hoch meine Gipfel sind? Niemand sagte<lb/> es mir noch. Aber gut kenne ich meine Thäler.“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [98/0108]
Der Zeiger rückte, die Uhr meines Lebens holte
Athem —, nie hörte ich solche Stille um mich: also
dass mein Herz erschrak.
Dann sprach es ohne Stimme zu mir: „Du weisst
es, Zarathustra?“ —
Und ich schrie vor Schrecken bei diesem Flüstern,
und das Blut wich aus meinem Gesichte: aber ich
schwieg.
Dann sprach es abermals ohne Stimme zu mir:
„Du weisst es, Zarathustra, aber du redest es nicht!“ —
Und ich antwortete endlich gleich einem Trotzigen:
„Ja, ich weiss es, aber ich will es nicht reden!“
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Du
willst nicht, Zarathustra? Ist diess auch wahr? Ver¬
stecke dich nicht in deinen Trotz!“ —
Und ich weinte und zitterte wie ein Kind und
sprach: „Ach, ich wollte schon, aber wie kann ich
es! Erlass mir diess nur! Es ist über meine Kraft!“
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Was
liegt an dir, Zarathustra! Sprich dein Wort und
zerbrich!“ —
Und ich antwortete: „Ach, ist es mein Wort?
Wer bin ich? Ich warte des Würdigeren; ich bin
nicht werth, an ihm auch nur zu zerbrechen.“
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Was
liegt an dir? Du bist mir noch nicht demüthig genug.
Die Demuth hat das härteste Fell.“ —
Und ich antwortete: „Was trug nicht schon das
Fell meiner Demuth! Am Fusse wohne ich meiner
Höhe: wie hoch meine Gipfel sind? Niemand sagte
es mir noch. Aber gut kenne ich meine Thäler.“
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/108>, abgerufen am 05.07.2024. |