Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Anwendung der allgemeinen Grundsätze etc.
der Naturwelt, wie jener die inneren Gesetze der Gei-
steswelt zu fassen und zu entwickeln: und wie jener
die ideellen Gegenstände für die Speculation componirt,
so hat dieser die materiellen Gegenstände für die Con-
templation zu decomponiren, sie in Ideen aufzulösen;
(worinn allein die rechte Kunst der Naturforschung sich
bewährt.)

Wenn wir also die Geschäfte der Menschen
auf Erden
auch nur von dieser einen Seite der
betrachtenden Geistesthätigkeit in Anschlag
bringen, so zeigt sich doch schon, daß sie eine der
Art
nach verschiedne Uebung erfordern, und folglich
auch der Erziehungsunterricht, inwiefern er die Lehr-
linge zu ihrer Bestimmung auf Erden vorbereiten soll,
nicht auf eine bloße Gradverschiedenheit berech-
net werden dürfe.

Noch stärker aber tritt die Forderung einer Art-
verschiedenheit
in Absicht auf den Erziehungsun-
terricht hervor, wenn wir die Geschäfte der Men-
schen auf Erden
von der andern Seite der
hervorbringenden Geistesthätigkeit be-
trachten
.

Wer operativ die Naturkräfte auf bestimmte
technische oder andre willkürliche Zwecke richten, sie zu
größeren oder kleineren Absichten anwenden und ge-
branchen will, der bedarf nicht nur eine von der con-
templativen Ansicht ganz verschiedne Kenntniß der Au-

Anwendung der allgemeinen Grundſaͤtze ꝛc.
der Naturwelt, wie jener die inneren Geſetze der Gei-
ſteswelt zu faſſen und zu entwickeln: und wie jener
die ideellen Gegenſtaͤnde fuͤr die Speculation componirt,
ſo hat dieſer die materiellen Gegenſtaͤnde fuͤr die Con-
templation zu decomponiren, ſie in Ideen aufzuloͤſen;
(worinn allein die rechte Kunſt der Naturforſchung ſich
bewaͤhrt.)

Wenn wir alſo die Geſchaͤfte der Menſchen
auf Erden
auch nur von dieſer einen Seite der
betrachtenden Geiſtesthaͤtigkeit in Anſchlag
bringen, ſo zeigt ſich doch ſchon, daß ſie eine der
Art
nach verſchiedne Uebung erfordern, und folglich
auch der Erziehungsunterricht, inwiefern er die Lehr-
linge zu ihrer Beſtimmung auf Erden vorbereiten ſoll,
nicht auf eine bloße Gradverſchiedenheit berech-
net werden duͤrfe.

Noch ſtaͤrker aber tritt die Forderung einer Art-
verſchiedenheit
in Abſicht auf den Erziehungsun-
terricht hervor, wenn wir die Geſchaͤfte der Men-
ſchen auf Erden
von der andern Seite der
hervorbringenden Geiſtesthaͤtigkeit be-
trachten
.

Wer operativ die Naturkraͤfte auf beſtimmte
techniſche oder andre willkuͤrliche Zwecke richten, ſie zu
groͤßeren oder kleineren Abſichten anwenden und ge-
branchen will, der bedarf nicht nur eine von der con-
templativen Anſicht ganz verſchiedne Kenntniß der Au-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0329" n="317"/><fw place="top" type="header">Anwendung der allgemeinen Grund&#x017F;a&#x0364;tze &#xA75B;c.</fw><lb/>
der Naturwelt, wie jener die inneren Ge&#x017F;etze der Gei-<lb/>
&#x017F;teswelt zu fa&#x017F;&#x017F;en und zu entwickeln: und wie jener<lb/>
die ideellen Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde fu&#x0364;r die Speculation componirt,<lb/>
&#x017F;o hat die&#x017F;er die materiellen Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde fu&#x0364;r die Con-<lb/>
templation zu decomponiren, &#x017F;ie in Ideen aufzulo&#x0364;&#x017F;en;<lb/>
(worinn allein die rechte Kun&#x017F;t der Naturfor&#x017F;chung &#x017F;ich<lb/>
bewa&#x0364;hrt.)</p><lb/>
            <p>Wenn wir al&#x017F;o die <hi rendition="#g">Ge&#x017F;cha&#x0364;fte der Men&#x017F;chen<lb/>
auf Erden</hi> auch nur von die&#x017F;er einen Seite der<lb/><hi rendition="#g">betrachtenden Gei&#x017F;testha&#x0364;tigkeit</hi> in An&#x017F;chlag<lb/>
bringen, &#x017F;o zeigt &#x017F;ich doch &#x017F;chon, daß &#x017F;ie eine <hi rendition="#g">der<lb/>
Art</hi> nach ver&#x017F;chiedne Uebung erfordern, und folglich<lb/>
auch der Erziehungsunterricht, inwiefern er die Lehr-<lb/>
linge zu ihrer Be&#x017F;timmung auf Erden vorbereiten &#x017F;oll,<lb/>
nicht auf eine bloße <hi rendition="#g">Gradver&#x017F;chiedenheit</hi> berech-<lb/>
net werden du&#x0364;rfe.</p><lb/>
            <p>Noch &#x017F;ta&#x0364;rker aber tritt die Forderung einer <hi rendition="#g">Art-<lb/>
ver&#x017F;chiedenheit</hi> in Ab&#x017F;icht auf den Erziehungsun-<lb/>
terricht hervor, wenn wir die <hi rendition="#g">Ge&#x017F;cha&#x0364;fte der Men-<lb/>
&#x017F;chen auf Erden</hi> von der andern Seite der<lb/><hi rendition="#g">hervorbringenden Gei&#x017F;testha&#x0364;tigkeit be-<lb/>
trachten</hi>.</p><lb/>
            <p>Wer <hi rendition="#g">operativ</hi> die Naturkra&#x0364;fte auf be&#x017F;timmte<lb/>
techni&#x017F;che oder andre willku&#x0364;rliche Zwecke richten, &#x017F;ie zu<lb/>
gro&#x0364;ßeren oder kleineren Ab&#x017F;ichten anwenden und ge-<lb/>
branchen will, der bedarf nicht nur eine von der con-<lb/>
templativen An&#x017F;icht ganz ver&#x017F;chiedne Kenntniß der Au-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0329] Anwendung der allgemeinen Grundſaͤtze ꝛc. der Naturwelt, wie jener die inneren Geſetze der Gei- ſteswelt zu faſſen und zu entwickeln: und wie jener die ideellen Gegenſtaͤnde fuͤr die Speculation componirt, ſo hat dieſer die materiellen Gegenſtaͤnde fuͤr die Con- templation zu decomponiren, ſie in Ideen aufzuloͤſen; (worinn allein die rechte Kunſt der Naturforſchung ſich bewaͤhrt.) Wenn wir alſo die Geſchaͤfte der Menſchen auf Erden auch nur von dieſer einen Seite der betrachtenden Geiſtesthaͤtigkeit in Anſchlag bringen, ſo zeigt ſich doch ſchon, daß ſie eine der Art nach verſchiedne Uebung erfordern, und folglich auch der Erziehungsunterricht, inwiefern er die Lehr- linge zu ihrer Beſtimmung auf Erden vorbereiten ſoll, nicht auf eine bloße Gradverſchiedenheit berech- net werden duͤrfe. Noch ſtaͤrker aber tritt die Forderung einer Art- verſchiedenheit in Abſicht auf den Erziehungsun- terricht hervor, wenn wir die Geſchaͤfte der Men- ſchen auf Erden von der andern Seite der hervorbringenden Geiſtesthaͤtigkeit be- trachten. Wer operativ die Naturkraͤfte auf beſtimmte techniſche oder andre willkuͤrliche Zwecke richten, ſie zu groͤßeren oder kleineren Abſichten anwenden und ge- branchen will, der bedarf nicht nur eine von der con- templativen Anſicht ganz verſchiedne Kenntniß der Au-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/329
Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/329>, abgerufen am 19.05.2024.