Philanthropinismus recht; aber das entgegengesetzte Extrem, zu dem er übergegangen ist, hat in der That mehr Nachtheil als jener Mißbrauch selbst, den man entweder durch ein am Ende der Unterrichtsperiode vorgenommenes Zusammenfassen der erlernten Gegen- stände leicht ergänzen, oder auch ohne eine eigene Anweisung darüber den Lehrlingen selbst zur Ergänzung überlassen kann.
Das Hauptargument also für den obigen Grund- satz, welches die Nothwendigkeit darthun sollte, den gesammten Lehrstoff gleichzeitig in allen seinen Theilen durch alle Stufen des Erziehungsunterrichts durchzu- führen, zeigt sich als unhaltbar; und somit kömmt die ganze Differenz auf die alte didaktische Streitfrage zu- rück, welche nicht von einer systematischen Gleichzeitigkeit aller Lehrgegenstände durch alle Lehrperioden hindurch, sondern nur davon handelt: ob man mehrere Unter- richtsgegenstände zu gleicher Zeit neben einander mit dem Lehrling anfangen und betreiben solle, oder ob es rathsamer sey, sich bei Einem Gegenstande so lange aufzuhalten, bis der Lehrling darinn eine hinlängliche Fertigkeit erworben habe?
Wenn aber auch der Streitpunkt nur so gestellt wird, so zeigt sich doch, daß nur gegen den wirklichen Mißbrauch der Vereinzelungsmethode das Argument gilt, das man für die entgegengesetzte Cumulationsme- thode geltend zu machen sucht. Einförmige Beschäfti- gung widerstrebt allerdings der beweglichen und flüch-
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
Philanthropiniſmus recht; aber das entgegengeſetzte Extrem, zu dem er uͤbergegangen iſt, hat in der That mehr Nachtheil als jener Mißbrauch ſelbſt, den man entweder durch ein am Ende der Unterrichtsperiode vorgenommenes Zuſammenfaſſen der erlernten Gegen- ſtaͤnde leicht ergaͤnzen, oder auch ohne eine eigene Anweiſung daruͤber den Lehrlingen ſelbſt zur Ergaͤnzung uͤberlaſſen kann.
Das Hauptargument alſo fuͤr den obigen Grund- ſatz, welches die Nothwendigkeit darthun ſollte, den geſammten Lehrſtoff gleichzeitig in allen ſeinen Theilen durch alle Stufen des Erziehungsunterrichts durchzu- fuͤhren, zeigt ſich als unhaltbar; und ſomit koͤmmt die ganze Differenz auf die alte didaktiſche Streitfrage zu- ruͤck, welche nicht von einer ſyſtematiſchen Gleichzeitigkeit aller Lehrgegenſtaͤnde durch alle Lehrperioden hindurch, ſondern nur davon handelt: ob man mehrere Unter- richtsgegenſtaͤnde zu gleicher Zeit neben einander mit dem Lehrling anfangen und betreiben ſolle, oder ob es rathſamer ſey, ſich bei Einem Gegenſtande ſo lange aufzuhalten, bis der Lehrling darinn eine hinlaͤngliche Fertigkeit erworben habe?
Wenn aber auch der Streitpunkt nur ſo geſtellt wird, ſo zeigt ſich doch, daß nur gegen den wirklichen Mißbrauch der Vereinzelungsmethode das Argument gilt, das man fuͤr die entgegengeſetzte Cumulationsme- thode geltend zu machen ſucht. Einfoͤrmige Beſchaͤfti- gung widerſtrebt allerdings der beweglichen und fluͤch-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0267"n="255"/><fwplace="top"type="header">Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.</fw><lb/>
Philanthropiniſmus recht; aber das entgegengeſetzte<lb/>
Extrem, zu dem er uͤbergegangen iſt, hat in der That<lb/>
mehr Nachtheil als jener Mißbrauch ſelbſt, den man<lb/>
entweder durch ein am Ende der Unterrichtsperiode<lb/>
vorgenommenes Zuſammenfaſſen der erlernten Gegen-<lb/>ſtaͤnde leicht ergaͤnzen, oder auch ohne eine eigene<lb/>
Anweiſung daruͤber den Lehrlingen ſelbſt zur Ergaͤnzung<lb/>
uͤberlaſſen kann.</p><lb/><p>Das Hauptargument alſo fuͤr den obigen Grund-<lb/>ſatz, welches die Nothwendigkeit darthun ſollte, den<lb/>
geſammten Lehrſtoff gleichzeitig in allen ſeinen Theilen<lb/>
durch alle Stufen des Erziehungsunterrichts durchzu-<lb/>
fuͤhren, zeigt ſich als unhaltbar; und ſomit koͤmmt die<lb/>
ganze Differenz auf die alte didaktiſche Streitfrage zu-<lb/>
ruͤck, welche nicht von einer ſyſtematiſchen Gleichzeitigkeit<lb/>
aller Lehrgegenſtaͤnde durch alle Lehrperioden hindurch,<lb/>ſondern nur davon handelt: ob man mehrere Unter-<lb/>
richtsgegenſtaͤnde zu gleicher Zeit neben einander mit<lb/>
dem Lehrling anfangen und betreiben ſolle, oder ob es<lb/>
rathſamer ſey, ſich bei Einem Gegenſtande ſo lange<lb/>
aufzuhalten, bis der Lehrling darinn eine hinlaͤngliche<lb/>
Fertigkeit erworben habe?</p><lb/><p>Wenn aber auch der Streitpunkt nur ſo geſtellt<lb/>
wird, ſo zeigt ſich doch, daß nur gegen den wirklichen<lb/><hirendition="#g">Mißbrauch</hi> der Vereinzelungsmethode das Argument<lb/>
gilt, das man fuͤr die entgegengeſetzte Cumulationsme-<lb/>
thode geltend zu machen ſucht. Einfoͤrmige Beſchaͤfti-<lb/>
gung widerſtrebt allerdings der beweglichen und fluͤch-<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[255/0267]
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
Philanthropiniſmus recht; aber das entgegengeſetzte
Extrem, zu dem er uͤbergegangen iſt, hat in der That
mehr Nachtheil als jener Mißbrauch ſelbſt, den man
entweder durch ein am Ende der Unterrichtsperiode
vorgenommenes Zuſammenfaſſen der erlernten Gegen-
ſtaͤnde leicht ergaͤnzen, oder auch ohne eine eigene
Anweiſung daruͤber den Lehrlingen ſelbſt zur Ergaͤnzung
uͤberlaſſen kann.
Das Hauptargument alſo fuͤr den obigen Grund-
ſatz, welches die Nothwendigkeit darthun ſollte, den
geſammten Lehrſtoff gleichzeitig in allen ſeinen Theilen
durch alle Stufen des Erziehungsunterrichts durchzu-
fuͤhren, zeigt ſich als unhaltbar; und ſomit koͤmmt die
ganze Differenz auf die alte didaktiſche Streitfrage zu-
ruͤck, welche nicht von einer ſyſtematiſchen Gleichzeitigkeit
aller Lehrgegenſtaͤnde durch alle Lehrperioden hindurch,
ſondern nur davon handelt: ob man mehrere Unter-
richtsgegenſtaͤnde zu gleicher Zeit neben einander mit
dem Lehrling anfangen und betreiben ſolle, oder ob es
rathſamer ſey, ſich bei Einem Gegenſtande ſo lange
aufzuhalten, bis der Lehrling darinn eine hinlaͤngliche
Fertigkeit erworben habe?
Wenn aber auch der Streitpunkt nur ſo geſtellt
wird, ſo zeigt ſich doch, daß nur gegen den wirklichen
Mißbrauch der Vereinzelungsmethode das Argument
gilt, das man fuͤr die entgegengeſetzte Cumulationsme-
thode geltend zu machen ſucht. Einfoͤrmige Beſchaͤfti-
gung widerſtrebt allerdings der beweglichen und fluͤch-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/267>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.