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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Von d. Grunds. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
erblicken würden, wenn ihr Worteifer den philologi-
schen Nebel vor ihren Augen nur einen Augenblick
zu zerstreuen vermöchte. "Wie sind denn die Grie-
chen
zu ihrer hohen Cultur gelangt, die doch be-
kanntlich nicht lateinisch und griechisch gelernt
haben?" Der Triumph, mit dem sich diese Einwendung
ankündiget, ist viel zu voreilig. Es bliebe mir noch
immer übrig, zu sagen, daß ein originelles Volk, das
sich selbst Muster seyn mußte und, unter den auszeich-
nendsten Begünstigungen seiner Lage und seiner Schick-
sale, seyn konnte, sich nicht als Maßstab für andre
Nationen anwenden lasse. Sodann könnte ich mich
auf das Beispiel der Römer berufen, deren Cultur
bekanntlich in Absicht ihres glänzendsten Theils sich
auf griechisch Lernen zurückführen läßt. Daß die
ganze neuere Cultur durch wiedererwecktes Studium der
alten Cultur begründet ist, wird auch Niemand läugnen
wollen. Ich könnte endlich auch das wichtige Wort
für mich geltend machen, das unlängst von dem be-
rühmten Gelehrten-Institut in Frankreich durch seine
Repräsentanten vor den Thron des Kaisers gebracht,
auf den Verfall der alten Literatur, eine Folge der
revolutionären Barbarei, ernstlich warnend hindeutete.
Es fehlt mir also nicht an Gründen und Auctoritäten,
die ich jener Behauptung entgegensetzen könnte. Aber
ich würde Unrecht haben, durch bloße Berufung auf
die letztern mich der historischen Unwissenheit theilhaftig
zu machen, die in der Einwendung selbst liegt. Haben
denn nicht auch die Griechen die Cultur ihrer
Vorwelt
gekannt, studirt und benutzt? Und wenn

Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
erblicken wuͤrden, wenn ihr Worteifer den philologi-
ſchen Nebel vor ihren Augen nur einen Augenblick
zu zerſtreuen vermoͤchte. „Wie ſind denn die Grie-
chen
zu ihrer hohen Cultur gelangt, die doch be-
kanntlich nicht lateiniſch und griechiſch gelernt
haben?“ Der Triumph, mit dem ſich dieſe Einwendung
ankuͤndiget, iſt viel zu voreilig. Es bliebe mir noch
immer uͤbrig, zu ſagen, daß ein originelles Volk, das
ſich ſelbſt Muſter ſeyn mußte und, unter den auszeich-
nendſten Beguͤnſtigungen ſeiner Lage und ſeiner Schick-
ſale, ſeyn konnte, ſich nicht als Maßſtab fuͤr andre
Nationen anwenden laſſe. Sodann koͤnnte ich mich
auf das Beiſpiel der Roͤmer berufen, deren Cultur
bekanntlich in Abſicht ihres glaͤnzendſten Theils ſich
auf griechiſch Lernen zuruͤckfuͤhren laͤßt. Daß die
ganze neuere Cultur durch wiedererwecktes Studium der
alten Cultur begruͤndet iſt, wird auch Niemand laͤugnen
wollen. Ich koͤnnte endlich auch das wichtige Wort
fuͤr mich geltend machen, das unlaͤngſt von dem be-
ruͤhmten Gelehrten-Inſtitut in Frankreich durch ſeine
Repraͤſentanten vor den Thron des Kaiſers gebracht,
auf den Verfall der alten Literatur, eine Folge der
revolutionaͤren Barbarei, ernſtlich warnend hindeutete.
Es fehlt mir alſo nicht an Gruͤnden und Auctoritaͤten,
die ich jener Behauptung entgegenſetzen koͤnnte. Aber
ich wuͤrde Unrecht haben, durch bloße Berufung auf
die letztern mich der hiſtoriſchen Unwiſſenheit theilhaftig
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denn nicht auch die Griechen die Cultur ihrer
Vorwelt
gekannt, ſtudirt und benutzt? Und wenn

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[219/0231] Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem. erblicken wuͤrden, wenn ihr Worteifer den philologi- ſchen Nebel vor ihren Augen nur einen Augenblick zu zerſtreuen vermoͤchte. „Wie ſind denn die Grie- chen zu ihrer hohen Cultur gelangt, die doch be- kanntlich nicht lateiniſch und griechiſch gelernt haben?“ Der Triumph, mit dem ſich dieſe Einwendung ankuͤndiget, iſt viel zu voreilig. Es bliebe mir noch immer uͤbrig, zu ſagen, daß ein originelles Volk, das ſich ſelbſt Muſter ſeyn mußte und, unter den auszeich- nendſten Beguͤnſtigungen ſeiner Lage und ſeiner Schick- ſale, ſeyn konnte, ſich nicht als Maßſtab fuͤr andre Nationen anwenden laſſe. Sodann koͤnnte ich mich auf das Beiſpiel der Roͤmer berufen, deren Cultur bekanntlich in Abſicht ihres glaͤnzendſten Theils ſich auf griechiſch Lernen zuruͤckfuͤhren laͤßt. Daß die ganze neuere Cultur durch wiedererwecktes Studium der alten Cultur begruͤndet iſt, wird auch Niemand laͤugnen wollen. Ich koͤnnte endlich auch das wichtige Wort fuͤr mich geltend machen, das unlaͤngſt von dem be- ruͤhmten Gelehrten-Inſtitut in Frankreich durch ſeine Repraͤſentanten vor den Thron des Kaiſers gebracht, auf den Verfall der alten Literatur, eine Folge der revolutionaͤren Barbarei, ernſtlich warnend hindeutete. Es fehlt mir alſo nicht an Gruͤnden und Auctoritaͤten, die ich jener Behauptung entgegenſetzen koͤnnte. Aber ich wuͤrde Unrecht haben, durch bloße Berufung auf die letztern mich der hiſtoriſchen Unwiſſenheit theilhaftig zu machen, die in der Einwendung ſelbſt liegt. Haben denn nicht auch die Griechen die Cultur ihrer Vorwelt gekannt, ſtudirt und benutzt? Und wenn

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/231>, abgerufen am 27.11.2024.