lich zusammenschrumpft und selbst die schwächsten Ueberreste von Lebenskraft verliert? Und ein solcher Geist sollte leben? Ach! er wähnt nur, daß er lebt, da er doch todt ist! --
Wenn solche Betrachtungen über die Zeit dem Schluß eines Jahres angemessen sind, so sind es wohl Betrachtungen über die Ewigkeit nicht min- der. Jch denke, wir überlassen uns ihnen noch einige Augenblicke. Wer weiß, wir finden sie einst in dieser nahen, uns alle erwartenden Ewigkeit wieder.
Dieser na[hen], uns alle erwartenden Ewig- keit -- sag ich; denn [ - 3 Zeichen fehlen] ist sie, wenn wir auch noch in den Morgen- oder Mitta[gsst]unden unsers Lebens wären, und wenn auch unsre Sonne ihren ganzen Lauf vollendete, die doch [ - 2 Zeichen fehlen][ - 5 Zeichen fehlen]t am Mit- tage schon untergehn kann. Sie kömmt gewiß; gewisser als irgend etwas, das wir in der Zukunft vermuthen können, und nimmt uns in ihr Reich auf, um uns auf einen viel andern Schauplatz des Denkens und Handelns zu versetzen.
Und doch wird eben da alles davon abhängen, wie wir uns hier zu denken und zu handeln gewöhn- ten; wir werden gerade so vollkommen oder so un- vollkommen, so reif oder so unreif, so fähig oder
unfähig
D 4
lich zuſammenſchrumpft und ſelbſt die ſchwächſten Ueberreſte von Lebenskraft verliert? Und ein ſolcher Geiſt ſollte leben? Ach! er wähnt nur, daß er lebt, da er doch todt iſt! —
Wenn ſolche Betrachtungen über die Zeit dem Schluß eines Jahres angemeſſen ſind, ſo ſind es wohl Betrachtungen über die Ewigkeit nicht min- der. Jch denke, wir überlaſſen uns ihnen noch einige Augenblicke. Wer weiß, wir finden ſie einſt in dieſer nahen, uns alle erwartenden Ewigkeit wieder.
Dieſer na[hen], uns alle erwartenden Ewig- keit — ſag ich; denn [ – 3 Zeichen fehlen] iſt ſie, wenn wir auch noch in den Morgen- oder Mitta[gsſt]unden unſers Lebens wären, und wenn auch unſre Sonne ihren ganzen Lauf vollendete, die doch [ – 2 Zeichen fehlen][ – 5 Zeichen fehlen]t am Mit- tage ſchon untergehn kann. Sie kömmt gewiß; gewiſſer als irgend etwas, das wir in der Zukunft vermuthen können, und nimmt uns in ihr Reich auf, um uns auf einen viel andern Schauplatz des Denkens und Handelns zu verſetzen.
Und doch wird eben da alles davon abhängen, wie wir uns hier zu denken und zu handeln gewöhn- ten; wir werden gerade ſo vollkommen oder ſo un- vollkommen, ſo reif oder ſo unreif, ſo fähig oder
unfähig
D 4
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[55[67]/0071]
lich zuſammenſchrumpft und ſelbſt die ſchwächſten
Ueberreſte von Lebenskraft verliert? Und ein ſolcher
Geiſt ſollte leben? Ach! er wähnt nur, daß er
lebt, da er doch todt iſt! —
Wenn ſolche Betrachtungen über die Zeit dem
Schluß eines Jahres angemeſſen ſind, ſo ſind es
wohl Betrachtungen über die Ewigkeit nicht min-
der. Jch denke, wir überlaſſen uns ihnen noch
einige Augenblicke. Wer weiß, wir finden ſie einſt
in dieſer nahen, uns alle erwartenden Ewigkeit
wieder.
Dieſer nahen, uns alle erwartenden Ewig-
keit — ſag ich; denn ___ iſt ſie, wenn wir auch
noch in den Morgen- oder Mittagsſtunden unſers
Lebens wären, und wenn auch unſre Sonne ihren
ganzen Lauf vollendete, die doch __ _____t am Mit-
tage ſchon untergehn kann. Sie kömmt gewiß;
gewiſſer als irgend etwas, das wir in der Zukunft
vermuthen können, und nimmt uns in ihr Reich
auf, um uns auf einen viel andern Schauplatz des
Denkens und Handelns zu verſetzen.
Und doch wird eben da alles davon abhängen,
wie wir uns hier zu denken und zu handeln gewöhn-
ten; wir werden gerade ſo vollkommen oder ſo un-
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 55[67]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/71>, abgerufen am 16.02.2025.
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