Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.deren Spur schon längst verloschen ist. Der spiel D 3
deren Spur ſchon längſt verloſchen iſt. Der ſpiel D 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0069" n="53[65]"/> deren Spur ſchon längſt verloſchen iſt. Der<lb/> ſicherſte Beweis, daß wir unſer Leben nicht ſowohl<lb/> nach Stunden und Jahren, ſondern nach dem vie-<lb/> len oder wenigen Guten, das wir vollendet haben,<lb/> berechnen ſollten. Wohl uns, wenn wir in dieſem<lb/><hi rendition="#fr">edlen</hi> Sinn ſchon <hi rendition="#fr">lange</hi> und <hi rendition="#fr">viel</hi> gelebt haben!<lb/> Wohl uns, wenn ſich heute, da das ſcheidende<lb/> Jahr uns zurückſehn heißt, die Stunden Schaaren-<lb/> weiſe in unſer Gedächtniß drängen, wo wir für<lb/> unſer und für fremdes Wohl arbeiteten; wo wir<lb/> unſern Geiſt anbauten, erhöhten, veredelten; wo<lb/> wir unſern Verſtand an Gegenſtänden übten, die<lb/> einer ſo hohen und auszeichnenden Kraft würdig<lb/> waren; wo wir durch Forſchen und Prüfen Wahr-<lb/> heit in unſre Begriffe brachten, und uns dadurch<lb/> an feſte unerſchütterte Grundſätze des Handelns<lb/> gewöhnten; wo wir uns dies reine Licht der Wahr-<lb/> heit leiten ließen, und alle Jrrlichter des Vorur-<lb/> theils, der herrſchenden Mode und der Thorheiten<lb/> dieſer Zeit nicht achteten; wo wir es wagten unter<lb/> vielen Unweiſen Weiſe, unter vielen Nichtchriſten oder<lb/> Scheinchriſten, Chriſten und wahre thätige Chriſten<lb/> zu ſeyn; wo wir uns ſelbſt bekämpften und überwan-<lb/> den; wo wir der Stimme unſers Gewiſſens, den<lb/> Warnungen des Wortes Gottes, dem großen Bey-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ſpiel</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53[65]/0069]
deren Spur ſchon längſt verloſchen iſt. Der
ſicherſte Beweis, daß wir unſer Leben nicht ſowohl
nach Stunden und Jahren, ſondern nach dem vie-
len oder wenigen Guten, das wir vollendet haben,
berechnen ſollten. Wohl uns, wenn wir in dieſem
edlen Sinn ſchon lange und viel gelebt haben!
Wohl uns, wenn ſich heute, da das ſcheidende
Jahr uns zurückſehn heißt, die Stunden Schaaren-
weiſe in unſer Gedächtniß drängen, wo wir für
unſer und für fremdes Wohl arbeiteten; wo wir
unſern Geiſt anbauten, erhöhten, veredelten; wo
wir unſern Verſtand an Gegenſtänden übten, die
einer ſo hohen und auszeichnenden Kraft würdig
waren; wo wir durch Forſchen und Prüfen Wahr-
heit in unſre Begriffe brachten, und uns dadurch
an feſte unerſchütterte Grundſätze des Handelns
gewöhnten; wo wir uns dies reine Licht der Wahr-
heit leiten ließen, und alle Jrrlichter des Vorur-
theils, der herrſchenden Mode und der Thorheiten
dieſer Zeit nicht achteten; wo wir es wagten unter
vielen Unweiſen Weiſe, unter vielen Nichtchriſten oder
Scheinchriſten, Chriſten und wahre thätige Chriſten
zu ſeyn; wo wir uns ſelbſt bekämpften und überwan-
den; wo wir der Stimme unſers Gewiſſens, den
Warnungen des Wortes Gottes, dem großen Bey-
ſpiel
D 3
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