Summe von Gutem hervorbringen, die mit allen ih- ren unbeschreiblich seligen Folgen zu würken in un- sern Kräften stand, wenn wir -- diese Kräfte ange- wendet hätten. O Gott, wer von uns ist so rein, daß ihn diese Vorstellung ganz ruhig lassen könnte! Wem fallen hier nicht Stunden und Tage in Menge auf, wo wir das kostbarste Gut, die Zeit, verschwen- derisch durchbrachten; ein Gut, das uns erst zum Genuß aller andern fähig macht, und das du uns mit so milder Hand gabst; diese kostbare Zeit, wo nicht mit Lastern und Untugenden, doch mit Spielen oder thörichten Eitelkeiten entweihten, die nicht (was sie seyn dürfen) -- Mittel zur Erheiterung und Stär- kung unsers Geistes, -- sondern beynah ernsthafte Beschäfftigungen und wichtige Angelegenheiten wur- den, und uns viel zu sehr einuahmen! Und ist es nicht traurig zu denken, daß selbst diese Reue, mit welcher das Andenken solcher Stunden und Tage uns quält, nichts in dem, was geschehen ist, abändern kann?
Laßt uns ferner bedenken, daß es uns bey aller Zeitverschwendung doch gleichwohl gar nicht an Erinnerungen fehlen konnte, wie unbeschreib- lich kurz und unsicher sie sey. Wer hat nicht die
Erfah-
Summe von Gutem hervorbringen, die mit allen ih- ren unbeſchreiblich ſeligen Folgen zu würken in un- ſern Kräften ſtand, wenn wir — dieſe Kräfte ange- wendet hätten. O Gott, wer von uns iſt ſo rein, daß ihn dieſe Vorſtellung ganz ruhig laſſen könnte! Wem fallen hier nicht Stunden und Tage in Menge auf, wo wir das koſtbarſte Gut, die Zeit, verſchwen- deriſch durchbrachten; ein Gut, das uns erſt zum Genuß aller andern fähig macht, und das du uns mit ſo milder Hand gabſt; dieſe koſtbare Zeit, wo nicht mit Laſtern und Untugenden, doch mit Spielen oder thörichten Eitelkeiten entweihten, die nicht (was ſie ſeyn dürfen) — Mittel zur Erheiterung und Stär- kung unſers Geiſtes, — ſondern beynah ernſthafte Beſchäfftigungen und wichtige Angelegenheiten wur- den, und uns viel zu ſehr einuahmen! Und iſt es nicht traurig zu denken, daß ſelbſt dieſe Reue, mit welcher das Andenken ſolcher Stunden und Tage uns quält, nichts in dem, was geſchehen iſt, abändern kann?
Laßt uns ferner bedenken, daß es uns bey aller Zeitverſchwendung doch gleichwohl gar nicht an Erinnerungen fehlen konnte, wie unbeſchreib- lich kurz und unſicher ſie ſey. Wer hat nicht die
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[48[60]/0064]
Summe von Gutem hervorbringen, die mit allen ih-
ren unbeſchreiblich ſeligen Folgen zu würken in un-
ſern Kräften ſtand, wenn wir — dieſe Kräfte ange-
wendet hätten. O Gott, wer von uns iſt ſo rein,
daß ihn dieſe Vorſtellung ganz ruhig laſſen könnte!
Wem fallen hier nicht Stunden und Tage in Menge
auf, wo wir das koſtbarſte Gut, die Zeit, verſchwen-
deriſch durchbrachten; ein Gut, das uns erſt zum
Genuß aller andern fähig macht, und das du uns
mit ſo milder Hand gabſt; dieſe koſtbare Zeit, wo
nicht mit Laſtern und Untugenden, doch mit Spielen
oder thörichten Eitelkeiten entweihten, die nicht (was
ſie ſeyn dürfen) — Mittel zur Erheiterung und Stär-
kung unſers Geiſtes, — ſondern beynah ernſthafte
Beſchäfftigungen und wichtige Angelegenheiten wur-
den, und uns viel zu ſehr einuahmen! Und iſt es
nicht traurig zu denken, daß ſelbſt dieſe Reue, mit
welcher das Andenken ſolcher Stunden und Tage uns
quält, nichts in dem, was geſchehen iſt, abändern
kann?
Laßt uns ferner bedenken, daß es uns bey
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 48[60]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/64>, abgerufen am 18.06.2024.
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