deinem Lehrer fordern. Es ist sogar seine Pflicht, oft die alten, sehr oft gesagten Wahrheiten wieder ins Andenken zu bringen. Du würdest auch Ursache haben, den Eindruck, den das Neue und Ungewöhn- liche auf dich macht, und selbst die lebhafteste Rüh- rung für verdächtig zu halten, weil sie so leicht mehr von den äußern Umständen, als von der Kraft und der Wichtigkeit der Wahrheiten selbst, herkommen konnte. Aber wenn die bekannteste Lehre des Chri- stenthums dir neue Freude, neuen Trost, neue Auf- munterung giebt; wenn die Vorstellung der bekann- testen Pflicht dich beschämt, dir zeigt, wie weit du noch darinn zurück bist, in dir Entschlüsse, mehr über sie zu denken, sie fleißiger zu üben, erweckt, dann bist du sicher, daß es nicht der Mann, der redete, nicht der Ton, in dem er sprach, nicht die Einkleidung, in der er etwas vortrug, sondern die Sache selbst war, durch die du gerührt und gebessert wurdest.
Geh nicht in die Kirchen, um die Prediger zu beurtheilen. -- Es ist unwillkührlich, daß dir der eine mehr als der andre gefällt, und es ist billig, daß man den erleuchteten, rechtschaffnen und geschick- ten Lehrer höher, als den unwissenden und leichtsin- nigen, achte. Aber es sollte nicht der Hauptzweck seyn, warum wir Predigten hörten. Es ist keine
Predigt
B 5
deinem Lehrer fordern. Es iſt ſogar ſeine Pflicht, oft die alten, ſehr oft geſagten Wahrheiten wieder ins Andenken zu bringen. Du würdeſt auch Urſache haben, den Eindruck, den das Neue und Ungewöhn- liche auf dich macht, und ſelbſt die lebhafteſte Rüh- rung für verdächtig zu halten, weil ſie ſo leicht mehr von den äußern Umſtänden, als von der Kraft und der Wichtigkeit der Wahrheiten ſelbſt, herkommen konnte. Aber wenn die bekannteſte Lehre des Chri- ſtenthums dir neue Freude, neuen Troſt, neue Auf- munterung giebt; wenn die Vorſtellung der bekann- teſten Pflicht dich beſchämt, dir zeigt, wie weit du noch darinn zurück biſt, in dir Entſchlüſſe, mehr über ſie zu denken, ſie fleißiger zu üben, erweckt, dann biſt du ſicher, daß es nicht der Mann, der redete, nicht der Ton, in dem er ſprach, nicht die Einkleidung, in der er etwas vortrug, ſondern die Sache ſelbſt war, durch die du gerührt und gebeſſert wurdeſt.
Geh nicht in die Kirchen, um die Prediger zu beurtheilen. — Es iſt unwillkührlich, daß dir der eine mehr als der andre gefällt, und es iſt billig, daß man den erleuchteten, rechtſchaffnen und geſchick- ten Lehrer höher, als den unwiſſenden und leichtſin- nigen, achte. Aber es ſollte nicht der Hauptzweck ſeyn, warum wir Predigten hörten. Es iſt keine
Predigt
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[25[37]/0041]
deinem Lehrer fordern. Es iſt ſogar ſeine Pflicht,
oft die alten, ſehr oft geſagten Wahrheiten wieder
ins Andenken zu bringen. Du würdeſt auch Urſache
haben, den Eindruck, den das Neue und Ungewöhn-
liche auf dich macht, und ſelbſt die lebhafteſte Rüh-
rung für verdächtig zu halten, weil ſie ſo leicht mehr
von den äußern Umſtänden, als von der Kraft und
der Wichtigkeit der Wahrheiten ſelbſt, herkommen
konnte. Aber wenn die bekannteſte Lehre des Chri-
ſtenthums dir neue Freude, neuen Troſt, neue Auf-
munterung giebt; wenn die Vorſtellung der bekann-
teſten Pflicht dich beſchämt, dir zeigt, wie weit du
noch darinn zurück biſt, in dir Entſchlüſſe, mehr über
ſie zu denken, ſie fleißiger zu üben, erweckt, dann biſt
du ſicher, daß es nicht der Mann, der redete, nicht
der Ton, in dem er ſprach, nicht die Einkleidung,
in der er etwas vortrug, ſondern die Sache ſelbſt
war, durch die du gerührt und gebeſſert wurdeſt.
Geh nicht in die Kirchen, um die Prediger zu
beurtheilen. — Es iſt unwillkührlich, daß dir der
eine mehr als der andre gefällt, und es iſt billig,
daß man den erleuchteten, rechtſchaffnen und geſchick-
ten Lehrer höher, als den unwiſſenden und leichtſin-
nigen, achte. Aber es ſollte nicht der Hauptzweck
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 25[37]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/41>, abgerufen am 16.02.2025.
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