Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

nun aufhört, von so viel Beschwerden und Lasten,
die von unserm Körper unzertrennbar sind, ge-
drückt zu werden; aufhört, von Schmerzen und
Krankheiten, die dem Geiste selbst seine Heiterkeit
und Ruhe nehmen, etwas zu wissen; aufhört, sei-
nen thätigen, wißbegierigen Geist jeden Augenblick
durch die Schranken dieses irrdischen Leibes einge-
schränkt und zurückgehalten zu fühlen: -- wie gern
würde er das Andenken hieran, das noch immer
auch für die meisten Christen so viel widriges hat,
bey sich erneuern lassen, oder auch freywillig selbst
erneuern!

An dem ersten Abend des Todestages Jesu hat-
te gewiß der Gedanke an sein Grab für die From-
men, die um ihn weinten, mehr Tröstendes, als
Schreckliches. Da litt er doch nun nicht mehr;
dahin verfolgte ihn doch kein Feind, und wenn er
ihn verfolgt hätte, so wäre es doch immer nicht Er
selbst,
es wäre nur seine Hülle gewesen. In jedem
Sinn war da Ruhe nach dem schweren Kampf, und
ewiger Friede vor Schmerz und Quaal. Laßt uns
ihre Nachfolger werden, und die Stätten vielmehr
segnen, als fürchten, wo entschlafene Brüder friedlich
Staub und Erde deckt.

Oder

nun aufhört, von ſo viel Beſchwerden und Laſten,
die von unſerm Körper unzertrennbar ſind, ge-
drückt zu werden; aufhört, von Schmerzen und
Krankheiten, die dem Geiſte ſelbſt ſeine Heiterkeit
und Ruhe nehmen, etwas zu wiſſen; aufhört, ſei-
nen thätigen, wißbegierigen Geiſt jeden Augenblick
durch die Schranken dieſes irrdiſchen Leibes einge-
ſchränkt und zurückgehalten zu fühlen: — wie gern
würde er das Andenken hieran, das noch immer
auch für die meiſten Chriſten ſo viel widriges hat,
bey ſich erneuern laſſen, oder auch freywillig ſelbſt
erneuern!

An dem erſten Abend des Todestages Jeſu hat-
te gewiß der Gedanke an ſein Grab für die From-
men, die um ihn weinten, mehr Tröſtendes, als
Schreckliches. Da litt er doch nun nicht mehr;
dahin verfolgte ihn doch kein Feind, und wenn er
ihn verfolgt hätte, ſo wäre es doch immer nicht Er
ſelbſt,
es wäre nur ſeine Hülle geweſen. In jedem
Sinn war da Ruhe nach dem ſchweren Kampf, und
ewiger Friede vor Schmerz und Quaal. Laßt uns
ihre Nachfolger werden, und die Stätten vielmehr
ſegnen, als fürchten, wo entſchlafene Brüder friedlich
Staub und Erde deckt.

Oder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0175" n="159[171]"/>
nun aufhört, von &#x017F;o viel Be&#x017F;chwerden und La&#x017F;ten,<lb/>
die von un&#x017F;erm Körper unzertrennbar &#x017F;ind, ge-<lb/>
drückt zu werden; aufhört, von Schmerzen und<lb/>
Krankheiten, die dem Gei&#x017F;te &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine Heiterkeit<lb/>
und Ruhe nehmen, etwas zu wi&#x017F;&#x017F;en; aufhört, &#x017F;ei-<lb/>
nen thätigen, wißbegierigen Gei&#x017F;t jeden Augenblick<lb/>
durch die Schranken die&#x017F;es irrdi&#x017F;chen Leibes einge-<lb/>
&#x017F;chränkt und zurückgehalten zu fühlen: &#x2014; wie gern<lb/>
würde er das Andenken hieran, das noch immer<lb/>
auch für die mei&#x017F;ten Chri&#x017F;ten &#x017F;o viel widriges hat,<lb/>
bey &#x017F;ich erneuern la&#x017F;&#x017F;en, oder auch freywillig &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
erneuern!</p><lb/>
          <p>An dem er&#x017F;ten Abend des Todestages Je&#x017F;u hat-<lb/>
te gewiß der Gedanke an &#x017F;ein Grab für die From-<lb/>
men, die um ihn weinten, mehr Trö&#x017F;tendes, als<lb/>
Schreckliches. <hi rendition="#fr">Da</hi> litt er doch nun nicht mehr;<lb/><hi rendition="#fr">dahin</hi> verfolgte ihn doch kein Feind, und wenn er<lb/>
ihn verfolgt hätte, &#x017F;o wäre es doch immer nicht <hi rendition="#fr">Er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t,</hi> es wäre nur &#x017F;eine Hülle gewe&#x017F;en. In <hi rendition="#fr">jedem</hi><lb/>
Sinn war da Ruhe nach dem &#x017F;chweren Kampf, und<lb/>
ewiger Friede vor Schmerz und Quaal. Laßt uns<lb/>
ihre Nachfolger werden, und die Stätten vielmehr<lb/>
&#x017F;egnen, als fürchten, wo ent&#x017F;chlafene Brüder friedlich<lb/>
Staub und Erde deckt.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Oder</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159[171]/0175] nun aufhört, von ſo viel Beſchwerden und Laſten, die von unſerm Körper unzertrennbar ſind, ge- drückt zu werden; aufhört, von Schmerzen und Krankheiten, die dem Geiſte ſelbſt ſeine Heiterkeit und Ruhe nehmen, etwas zu wiſſen; aufhört, ſei- nen thätigen, wißbegierigen Geiſt jeden Augenblick durch die Schranken dieſes irrdiſchen Leibes einge- ſchränkt und zurückgehalten zu fühlen: — wie gern würde er das Andenken hieran, das noch immer auch für die meiſten Chriſten ſo viel widriges hat, bey ſich erneuern laſſen, oder auch freywillig ſelbſt erneuern! An dem erſten Abend des Todestages Jeſu hat- te gewiß der Gedanke an ſein Grab für die From- men, die um ihn weinten, mehr Tröſtendes, als Schreckliches. Da litt er doch nun nicht mehr; dahin verfolgte ihn doch kein Feind, und wenn er ihn verfolgt hätte, ſo wäre es doch immer nicht Er ſelbſt, es wäre nur ſeine Hülle geweſen. In jedem Sinn war da Ruhe nach dem ſchweren Kampf, und ewiger Friede vor Schmerz und Quaal. Laßt uns ihre Nachfolger werden, und die Stätten vielmehr ſegnen, als fürchten, wo entſchlafene Brüder friedlich Staub und Erde deckt. Oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/175
Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 159[171]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/175>, abgerufen am 23.11.2024.