neue Versammlung auf die dritte Nundine anberaumt werden mußte. Aber während der Versammlung ward das Volk von den Patriciern mit dem Gefolge ihrer Clien- ten, die sich auf dem Forum vertheilt hatten, gestört, beleidigt, verhöhnt, gemißhandelt, und das Zusammen- treten der Tribus mit Gewalt verhindert. Nur Scheu für das Andenken der Vorfahren scheint die Geschicht- schreiber von dem Bekenntniß zurückzuhalten, es sey da- mals oft in der Stadt und auf dem Forum mit den Waf- fen gefochten worden 53). Unzweydeutig hat von der Wildheit dieser Zeiten Dio Cassius geredet, der keineswe- ges geneigt war die Sünden der republikanischen Zeit mit Schonung zu verdecken. Nach ihm scheuten die Patricier offenbaren Kampf, aber sie befreyten sich durch Meuchel- mord von den gefährlichsten unter ihren Gegnern 54).
Der Anführer jener Gewaltthätigkeiten, und daher seines Standes Liebling, war Cäso Quinctius, stolz und gefürchtet durch den in Kriegen wohl erworbnen Ruhm ausgezeichnetes Muths. Wäre auch die Beschuldigung welche seine Verurtheilung entschied, durch ein unverdäch- tiges Urtheil für erdichtet erklärt, so konnte sie doch nur dadurch allgemeinen Glauben gefunden haben daß damals Mißhandlungen bis zu tödtlicher Verwundung gegen ver- haßte Männer aus dem Volk, und bandenweises Umher-
53) Man sehe Livius Erzählung III. c. 11. Saepe pulsi foro tribuni, fus[ - 1 Zeichen fehlt] ac fugata plebs est.
54) Zonaras [ - 1 Zeichen fehlt]I. c. 17. Oi Eupatridai phaneros men ou panu antepratton, plen brakheon; lathra de sukhnou`s ton thrasutat[ - 1 Zeichen fehlt]n ephoneuon. Also nicht Genucius allein.
neue Verſammlung auf die dritte Nundine anberaumt werden mußte. Aber waͤhrend der Verſammlung ward das Volk von den Patriciern mit dem Gefolge ihrer Clien- ten, die ſich auf dem Forum vertheilt hatten, geſtoͤrt, beleidigt, verhoͤhnt, gemißhandelt, und das Zuſammen- treten der Tribus mit Gewalt verhindert. Nur Scheu fuͤr das Andenken der Vorfahren ſcheint die Geſchicht- ſchreiber von dem Bekenntniß zuruͤckzuhalten, es ſey da- mals oft in der Stadt und auf dem Forum mit den Waf- fen gefochten worden 53). Unzweydeutig hat von der Wildheit dieſer Zeiten Dio Caſſius geredet, der keineswe- ges geneigt war die Suͤnden der republikaniſchen Zeit mit Schonung zu verdecken. Nach ihm ſcheuten die Patricier offenbaren Kampf, aber ſie befreyten ſich durch Meuchel- mord von den gefaͤhrlichſten unter ihren Gegnern 54).
Der Anfuͤhrer jener Gewaltthaͤtigkeiten, und daher ſeines Standes Liebling, war Caͤſo Quinctius, ſtolz und gefuͤrchtet durch den in Kriegen wohl erworbnen Ruhm ausgezeichnetes Muths. Waͤre auch die Beſchuldigung welche ſeine Verurtheilung entſchied, durch ein unverdaͤch- tiges Urtheil fuͤr erdichtet erklaͤrt, ſo konnte ſie doch nur dadurch allgemeinen Glauben gefunden haben daß damals Mißhandlungen bis zu toͤdtlicher Verwundung gegen ver- haßte Maͤnner aus dem Volk, und bandenweiſes Umher-
53) Man ſehe Livius Erzaͤhlung III. c. 11. Sæpe pulsi foro tribuni, fus[ – 1 Zeichen fehlt] ac fugata plebs est.
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neue Verſammlung auf die dritte Nundine anberaumt
werden mußte. Aber waͤhrend der Verſammlung ward
das Volk von den Patriciern mit dem Gefolge ihrer Clien-
ten, die ſich auf dem Forum vertheilt hatten, geſtoͤrt,
beleidigt, verhoͤhnt, gemißhandelt, und das Zuſammen-
treten der Tribus mit Gewalt verhindert. Nur Scheu
fuͤr das Andenken der Vorfahren ſcheint die Geſchicht-
ſchreiber von dem Bekenntniß zuruͤckzuhalten, es ſey da-
mals oft in der Stadt und auf dem Forum mit den Waf-
fen gefochten worden 53). Unzweydeutig hat von der
Wildheit dieſer Zeiten Dio Caſſius geredet, der keineswe-
ges geneigt war die Suͤnden der republikaniſchen Zeit mit
Schonung zu verdecken. Nach ihm ſcheuten die Patricier
offenbaren Kampf, aber ſie befreyten ſich durch Meuchel-
mord von den gefaͤhrlichſten unter ihren Gegnern 54).
Der Anfuͤhrer jener Gewaltthaͤtigkeiten, und daher
ſeines Standes Liebling, war Caͤſo Quinctius, ſtolz und
gefuͤrchtet durch den in Kriegen wohl erworbnen Ruhm
ausgezeichnetes Muths. Waͤre auch die Beſchuldigung
welche ſeine Verurtheilung entſchied, durch ein unverdaͤch-
tiges Urtheil fuͤr erdichtet erklaͤrt, ſo konnte ſie doch nur
dadurch allgemeinen Glauben gefunden haben daß damals
Mißhandlungen bis zu toͤdtlicher Verwundung gegen ver-
haßte Maͤnner aus dem Volk, und bandenweiſes Umher-
53) Man ſehe Livius Erzaͤhlung III. c. 11. Sæpe pulsi foro
tribuni, fus_ ac fugata plebs est.
54) Zonaras _I. c. 17. Οἱ Εὐπατρίδαι φανερῶς μὲν οὐ πάνυ
ἀντέπραττον, πλὴν βραχέων· λάϑρα δὲ συχνȣ`ς τῶν
ϑρασυτάτ_ν ἐφόνευον. Alſo nicht Genucius allein.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/68>, abgerufen am 17.02.2025.
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