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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Jahrs, L. Furius und A. Manlius, ahnden, welche er
demnach vor das Volksgericht citirte 35). Es ist nicht
gemeldet, worauf der Tribun die Anklage richtete; damit
sie nicht zum zwecklosen und wilden Streit werde, forderte
sie wohl nur Geldstrafe. Dieser Anklage nun konnten die
Patricier nichts entgegensetzen als die unredliche Ausrede
wodurch die Consuln des damaligen Jahrs die Forderun-
gen des Tribuns abgewiesen, und ihn grade zu heftigeren
Schritten gezwungen hatten: jener Senatsbeschluß habe
nur die nächsten Consuln verpflichtet, -- von denen wenig-
stens Q. Fabius schon im Grabe lag -- jetzt sey die Sa-
che veraltet. Genucius hatte der Volksgemeinde geschwo-
ren seine Anklage sich nicht entreissen zu lassen: seine Col-
legen waren unerschütterlich und unbestechlich wie er.

Die Verurtheilung der Angeklagten war gewiß: eine
Frevelthat, die ein schreckliches Licht auf den Zustand der
Zeiten wirft, vereitelte das Gericht. Schon lange war
das Volk versammelt, mit den übrigen Tribunen; man
harrte auf den ausbleibenden Ankläger. Endlich ward ge-
melder er liege todt in seinem Hause. Es war kein Tod
von der Hand des Schicksals. Livius, nach dessen Vor-
urtheil sonst die Rechtlichkeit wenigstens so sehr als das
Recht bey den Patriciern war, muß den Glauben wel-
chen die Umstände dieses Todes aufdringen, durch das
einstimmige Zeugniß der Annalen bestätigt gefunden ha-
ben, weil er gar keinen Zweifel über verübten Meuchel-

mord
35) Dionysius IX. c. 57. Livius II. c. 54. Der letzte über-
geht den Gegenstand der Anklage.

Jahrs, L. Furius und A. Manlius, ahnden, welche er
demnach vor das Volksgericht citirte 35). Es iſt nicht
gemeldet, worauf der Tribun die Anklage richtete; damit
ſie nicht zum zweckloſen und wilden Streit werde, forderte
ſie wohl nur Geldſtrafe. Dieſer Anklage nun konnten die
Patricier nichts entgegenſetzen als die unredliche Ausrede
wodurch die Conſuln des damaligen Jahrs die Forderun-
gen des Tribuns abgewieſen, und ihn grade zu heftigeren
Schritten gezwungen hatten: jener Senatsbeſchluß habe
nur die naͤchſten Conſuln verpflichtet, — von denen wenig-
ſtens Q. Fabius ſchon im Grabe lag — jetzt ſey die Sa-
che veraltet. Genucius hatte der Volksgemeinde geſchwo-
ren ſeine Anklage ſich nicht entreiſſen zu laſſen: ſeine Col-
legen waren unerſchuͤtterlich und unbeſtechlich wie er.

Die Verurtheilung der Angeklagten war gewiß: eine
Frevelthat, die ein ſchreckliches Licht auf den Zuſtand der
Zeiten wirft, vereitelte das Gericht. Schon lange war
das Volk verſammelt, mit den uͤbrigen Tribunen; man
harrte auf den ausbleibenden Anklaͤger. Endlich ward ge-
melder er liege todt in ſeinem Hauſe. Es war kein Tod
von der Hand des Schickſals. Livius, nach deſſen Vor-
urtheil ſonſt die Rechtlichkeit wenigſtens ſo ſehr als das
Recht bey den Patriciern war, muß den Glauben wel-
chen die Umſtaͤnde dieſes Todes aufdringen, durch das
einſtimmige Zeugniß der Annalen beſtaͤtigt gefunden ha-
ben, weil er gar keinen Zweifel uͤber veruͤbten Meuchel-

mord
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[32/0048] Jahrs, L. Furius und A. Manlius, ahnden, welche er demnach vor das Volksgericht citirte 35). Es iſt nicht gemeldet, worauf der Tribun die Anklage richtete; damit ſie nicht zum zweckloſen und wilden Streit werde, forderte ſie wohl nur Geldſtrafe. Dieſer Anklage nun konnten die Patricier nichts entgegenſetzen als die unredliche Ausrede wodurch die Conſuln des damaligen Jahrs die Forderun- gen des Tribuns abgewieſen, und ihn grade zu heftigeren Schritten gezwungen hatten: jener Senatsbeſchluß habe nur die naͤchſten Conſuln verpflichtet, — von denen wenig- ſtens Q. Fabius ſchon im Grabe lag — jetzt ſey die Sa- che veraltet. Genucius hatte der Volksgemeinde geſchwo- ren ſeine Anklage ſich nicht entreiſſen zu laſſen: ſeine Col- legen waren unerſchuͤtterlich und unbeſtechlich wie er. Die Verurtheilung der Angeklagten war gewiß: eine Frevelthat, die ein ſchreckliches Licht auf den Zuſtand der Zeiten wirft, vereitelte das Gericht. Schon lange war das Volk verſammelt, mit den uͤbrigen Tribunen; man harrte auf den ausbleibenden Anklaͤger. Endlich ward ge- melder er liege todt in ſeinem Hauſe. Es war kein Tod von der Hand des Schickſals. Livius, nach deſſen Vor- urtheil ſonſt die Rechtlichkeit wenigſtens ſo ſehr als das Recht bey den Patriciern war, muß den Glauben wel- chen die Umſtaͤnde dieſes Todes aufdringen, durch das einſtimmige Zeugniß der Annalen beſtaͤtigt gefunden ha- ben, weil er gar keinen Zweifel uͤber veruͤbten Meuchel- mord 35) Dionyſius IX. c. 57. Livius II. c. 54. Der letzte uͤber- geht den Gegenſtand der Anklage.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/48>, abgerufen am 26.04.2024.