ser Gefahren und ihrer Abwendung gedenkt auch Poly- bius 36): höchst abweichend von der Erzählung des römi- schen Geschichtschreibers. Eine Verschiedenheit die uns wohl berechtigt die von diesem geschilderten Schlachten und Siege zu bezweifeln: während es doch auch gar nicht denkbar ist daß sie ohne allen Stoff erdichtet seyen, und jene Kriegszüge so schnell und so thatenlos abgewandt wä- ren wie sie von dem Griechen erzählt werden. Anstatt wi- dersprechendes zu vermitteln, können wir nur beyde Er- zählungen neben einander stellen.
Nach der Räumung Roms waren, wie Polybius mel- det, die gallischen Völker in Italien theils durch innere Kriege, theils durch Angriffe der Alpenvölker gehindert ihre Eroberungen auszudehnen: Umstände, welche auch in späterer Zeit fortwürkend das übrige Italien vorzüglich gerettet zu haben scheinen. Im dreyßigsten Jahre nach der Einnahme Roms, welches das Jahr 394 seyn würde, wären sie mit einem großen Heer unerwartet bey Alba er- schienen: die Römer, abgeschnitten von der Bundesge- nossen Hülfe, hätten sich in die Mauern der Stadt einge- schlossen. Von einem zweyten Zuge, zwölf Jahre später, also im Jahre 406, unternommen, hätten die Römer zei- tige Kunde erhalten; mit ihren Verbündeten hätten sie den Feind im Felde erwartet. Es sey Zwietracht unter den Galliern entstanden, und sie hätten sich, mit dem Schein einer Flucht, zurückgezogen.
Die römischen Heldenlieder haben einen Zweykampf besungen worin der römische Jüngling T. Manlius einen
36) A. a. O.
ſer Gefahren und ihrer Abwendung gedenkt auch Poly- bius 36): hoͤchſt abweichend von der Erzaͤhlung des roͤmi- ſchen Geſchichtſchreibers. Eine Verſchiedenheit die uns wohl berechtigt die von dieſem geſchilderten Schlachten und Siege zu bezweifeln: waͤhrend es doch auch gar nicht denkbar iſt daß ſie ohne allen Stoff erdichtet ſeyen, und jene Kriegszuͤge ſo ſchnell und ſo thatenlos abgewandt waͤ- ren wie ſie von dem Griechen erzaͤhlt werden. Anſtatt wi- derſprechendes zu vermitteln, koͤnnen wir nur beyde Er- zaͤhlungen neben einander ſtellen.
Nach der Raͤumung Roms waren, wie Polybius mel- det, die galliſchen Voͤlker in Italien theils durch innere Kriege, theils durch Angriffe der Alpenvoͤlker gehindert ihre Eroberungen auszudehnen: Umſtaͤnde, welche auch in ſpaͤterer Zeit fortwuͤrkend das uͤbrige Italien vorzuͤglich gerettet zu haben ſcheinen. Im dreyßigſten Jahre nach der Einnahme Roms, welches das Jahr 394 ſeyn wuͤrde, waͤren ſie mit einem großen Heer unerwartet bey Alba er- ſchienen: die Roͤmer, abgeſchnitten von der Bundesge- noſſen Huͤlfe, haͤtten ſich in die Mauern der Stadt einge- ſchloſſen. Von einem zweyten Zuge, zwoͤlf Jahre ſpaͤter, alſo im Jahre 406, unternommen, haͤtten die Roͤmer zei- tige Kunde erhalten; mit ihren Verbuͤndeten haͤtten ſie den Feind im Felde erwartet. Es ſey Zwietracht unter den Galliern entſtanden, und ſie haͤtten ſich, mit dem Schein einer Flucht, zuruͤckgezogen.
Die roͤmiſchen Heldenlieder haben einen Zweykampf beſungen worin der roͤmiſche Juͤngling T. Manlius einen
36) A. a. O.
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ſer Gefahren und ihrer Abwendung gedenkt auch Poly-
bius 36): hoͤchſt abweichend von der Erzaͤhlung des roͤmi-
ſchen Geſchichtſchreibers. Eine Verſchiedenheit die uns
wohl berechtigt die von dieſem geſchilderten Schlachten
und Siege zu bezweifeln: waͤhrend es doch auch gar nicht
denkbar iſt daß ſie ohne allen Stoff erdichtet ſeyen, und
jene Kriegszuͤge ſo ſchnell und ſo thatenlos abgewandt waͤ-
ren wie ſie von dem Griechen erzaͤhlt werden. Anſtatt wi-
derſprechendes zu vermitteln, koͤnnen wir nur beyde Er-
zaͤhlungen neben einander ſtellen.
Nach der Raͤumung Roms waren, wie Polybius mel-
det, die galliſchen Voͤlker in Italien theils durch innere
Kriege, theils durch Angriffe der Alpenvoͤlker gehindert
ihre Eroberungen auszudehnen: Umſtaͤnde, welche auch
in ſpaͤterer Zeit fortwuͤrkend das uͤbrige Italien vorzuͤglich
gerettet zu haben ſcheinen. Im dreyßigſten Jahre nach
der Einnahme Roms, welches das Jahr 394 ſeyn wuͤrde,
waͤren ſie mit einem großen Heer unerwartet bey Alba er-
ſchienen: die Roͤmer, abgeſchnitten von der Bundesge-
noſſen Huͤlfe, haͤtten ſich in die Mauern der Stadt einge-
ſchloſſen. Von einem zweyten Zuge, zwoͤlf Jahre ſpaͤter,
alſo im Jahre 406, unternommen, haͤtten die Roͤmer zei-
tige Kunde erhalten; mit ihren Verbuͤndeten haͤtten ſie
den Feind im Felde erwartet. Es ſey Zwietracht unter
den Galliern entſtanden, und ſie haͤtten ſich, mit dem
Schein einer Flucht, zuruͤckgezogen.
Die roͤmiſchen Heldenlieder haben einen Zweykampf
beſungen worin der roͤmiſche Juͤngling T. Manlius einen
36) A. a. O.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/471>, abgerufen am 22.11.2024.
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