Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Als aber die Veliterner Tusculum belagerten, und
ein römisches Municipium in Gefahr war, da hinderten
die Führer des Volks nicht daß Militartribunen erwählt
wurden und ein Heer zum Entsatz führten (385). Von
Tusculum zogen sie vor Veliträ, wo sie die Legionen un-
ter dem Vorwand der Belagerung hielten. Jetzt, da ein
Krieg sich erhoben hatte dessen Beendigung vom Senat
abhing, aus dem die Nation nicht willkührlich zurückwei-
chen, am wenigsten ihr Heer ohne Oberbefehl verwaiset
lassen konnte, jetzt versagte den Tribunen der Einfluß der
Wahlverhinderung. Doch blieb ihnen das Volk treu;
und unter Licinius und Sextius achtem Tribunat bildeten
nur noch fünf Volkstribunen, und diese muthlos und
kleinlaut, die Opposition. Bey der folgenden Wahl
scheint endlich das ganze Collegium gleichgesinnt gewesen
zu seyn. Das sagt auch Livius am Anfang der Erzählung
von den Unruhen des Jahrs 387 mit klaren Worten 58):
obwohl er, mit beyspielloser Vergeßlichkeit, wenige Zei-
len nachher von dem Streit der Tribunen gegen ihre wi-
dersprechenden Collegen redet. Dies widerlegt aber der
Anblick der Vorgänge. Gleich am Anfang des Jahrs
brachten die Volkstribunen die Annahme ihrer Gesetze
zur Entscheidung, wie man eilt wenn endlich ein uner-
trägliches Hinderniß entfernt ist welches uns jahrelang
gefesselt hatte. Der Senat aber kehrte zu den äußersten
Mitteln der innern Fehden zurück, welche, so lange

58) Cum tribus vocarentur, -- nec intercessio collegarum
latoribus obstaret, trepidi Patres ad -- ultima auxilia --
decurrunt.
Livius VI. c. 38.

Als aber die Veliterner Tusculum belagerten, und
ein roͤmiſches Municipium in Gefahr war, da hinderten
die Fuͤhrer des Volks nicht daß Militartribunen erwaͤhlt
wurden und ein Heer zum Entſatz fuͤhrten (385). Von
Tusculum zogen ſie vor Velitraͤ, wo ſie die Legionen un-
ter dem Vorwand der Belagerung hielten. Jetzt, da ein
Krieg ſich erhoben hatte deſſen Beendigung vom Senat
abhing, aus dem die Nation nicht willkuͤhrlich zuruͤckwei-
chen, am wenigſten ihr Heer ohne Oberbefehl verwaiſet
laſſen konnte, jetzt verſagte den Tribunen der Einfluß der
Wahlverhinderung. Doch blieb ihnen das Volk treu;
und unter Licinius und Sextius achtem Tribunat bildeten
nur noch fuͤnf Volkstribunen, und dieſe muthlos und
kleinlaut, die Oppoſition. Bey der folgenden Wahl
ſcheint endlich das ganze Collegium gleichgeſinnt geweſen
zu ſeyn. Das ſagt auch Livius am Anfang der Erzaͤhlung
von den Unruhen des Jahrs 387 mit klaren Worten 58):
obwohl er, mit beyſpielloſer Vergeßlichkeit, wenige Zei-
len nachher von dem Streit der Tribunen gegen ihre wi-
derſprechenden Collegen redet. Dies widerlegt aber der
Anblick der Vorgaͤnge. Gleich am Anfang des Jahrs
brachten die Volkstribunen die Annahme ihrer Geſetze
zur Entſcheidung, wie man eilt wenn endlich ein uner-
traͤgliches Hinderniß entfernt iſt welches uns jahrelang
gefeſſelt hatte. Der Senat aber kehrte zu den aͤußerſten
Mitteln der innern Fehden zuruͤck, welche, ſo lange

58) Cum tribus vocarentur, — nec intercessio collegarum
latoribus obstaret, trepidi Patres ad — ultima auxilia —
decurrunt.
Livius VI. c. 38.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0425" n="409"/>
        <p>Als aber die Veliterner Tusculum belagerten, und<lb/>
ein ro&#x0364;mi&#x017F;ches Municipium in Gefahr war, da hinderten<lb/>
die Fu&#x0364;hrer des Volks nicht daß Militartribunen erwa&#x0364;hlt<lb/>
wurden und ein Heer zum Ent&#x017F;atz fu&#x0364;hrten (385). Von<lb/>
Tusculum zogen &#x017F;ie vor Velitra&#x0364;, wo &#x017F;ie die Legionen un-<lb/>
ter dem Vorwand der Belagerung hielten. Jetzt, da ein<lb/>
Krieg &#x017F;ich erhoben hatte de&#x017F;&#x017F;en Beendigung vom Senat<lb/>
abhing, aus dem die Nation nicht willku&#x0364;hrlich zuru&#x0364;ckwei-<lb/>
chen, am wenig&#x017F;ten ihr Heer ohne Oberbefehl verwai&#x017F;et<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en konnte, jetzt ver&#x017F;agte den Tribunen der Einfluß der<lb/>
Wahlverhinderung. Doch blieb ihnen das Volk treu;<lb/>
und unter Licinius und Sextius achtem Tribunat bildeten<lb/>
nur noch fu&#x0364;nf Volkstribunen, und die&#x017F;e muthlos und<lb/>
kleinlaut, die Oppo&#x017F;ition. Bey der folgenden Wahl<lb/>
&#x017F;cheint endlich das ganze Collegium gleichge&#x017F;innt gewe&#x017F;en<lb/>
zu &#x017F;eyn. Das &#x017F;agt auch Livius am Anfang der Erza&#x0364;hlung<lb/>
von den Unruhen des Jahrs 387 mit klaren Worten <note place="foot" n="58)"><hi rendition="#aq">Cum tribus vocarentur, &#x2014; nec intercessio collegarum<lb/>
latoribus obstaret, trepidi Patres ad &#x2014; ultima auxilia &#x2014;<lb/>
decurrunt.</hi> Livius <hi rendition="#aq">VI. c.</hi> 38.</note>:<lb/>
obwohl er, mit bey&#x017F;piello&#x017F;er Vergeßlichkeit, wenige Zei-<lb/>
len nachher von dem Streit der Tribunen gegen ihre wi-<lb/>
der&#x017F;prechenden Collegen redet. Dies widerlegt aber der<lb/>
Anblick der Vorga&#x0364;nge. Gleich am Anfang des Jahrs<lb/>
brachten die Volkstribunen die Annahme ihrer Ge&#x017F;etze<lb/>
zur Ent&#x017F;cheidung, wie man eilt wenn endlich ein uner-<lb/>
tra&#x0364;gliches Hinderniß entfernt i&#x017F;t welches uns jahrelang<lb/>
gefe&#x017F;&#x017F;elt hatte. Der Senat aber kehrte zu den a&#x0364;ußer&#x017F;ten<lb/>
Mitteln der innern Fehden zuru&#x0364;ck, welche, &#x017F;o lange<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[409/0425] Als aber die Veliterner Tusculum belagerten, und ein roͤmiſches Municipium in Gefahr war, da hinderten die Fuͤhrer des Volks nicht daß Militartribunen erwaͤhlt wurden und ein Heer zum Entſatz fuͤhrten (385). Von Tusculum zogen ſie vor Velitraͤ, wo ſie die Legionen un- ter dem Vorwand der Belagerung hielten. Jetzt, da ein Krieg ſich erhoben hatte deſſen Beendigung vom Senat abhing, aus dem die Nation nicht willkuͤhrlich zuruͤckwei- chen, am wenigſten ihr Heer ohne Oberbefehl verwaiſet laſſen konnte, jetzt verſagte den Tribunen der Einfluß der Wahlverhinderung. Doch blieb ihnen das Volk treu; und unter Licinius und Sextius achtem Tribunat bildeten nur noch fuͤnf Volkstribunen, und dieſe muthlos und kleinlaut, die Oppoſition. Bey der folgenden Wahl ſcheint endlich das ganze Collegium gleichgeſinnt geweſen zu ſeyn. Das ſagt auch Livius am Anfang der Erzaͤhlung von den Unruhen des Jahrs 387 mit klaren Worten 58): obwohl er, mit beyſpielloſer Vergeßlichkeit, wenige Zei- len nachher von dem Streit der Tribunen gegen ihre wi- derſprechenden Collegen redet. Dies widerlegt aber der Anblick der Vorgaͤnge. Gleich am Anfang des Jahrs brachten die Volkstribunen die Annahme ihrer Geſetze zur Entſcheidung, wie man eilt wenn endlich ein uner- traͤgliches Hinderniß entfernt iſt welches uns jahrelang gefeſſelt hatte. Der Senat aber kehrte zu den aͤußerſten Mitteln der innern Fehden zuruͤck, welche, ſo lange 58) Cum tribus vocarentur, — nec intercessio collegarum latoribus obstaret, trepidi Patres ad — ultima auxilia — decurrunt. Livius VI. c. 38.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/425
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/425>, abgerufen am 19.05.2024.