Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

10. Zur Ausführung dieses Gesetzes sollen Decem-
virn vom Volk erwählt werden 51).

11. Dieses Plebiscit soll als Grundgesetz von beyden
Ständen beschworen werden 52).

Nach dieser Darstellung bedarf es wohl jetzt so wenig
einer Rechtfertigung des licinischen Ackergesetzes, als der
Volkstribun vor seinen Zuhörern eine weitläuftige Ent-

wickelung
handgreiflicher Irrthum, daß nur Emendation Sinn schaf-
fen kann. Columella aber ist der Geschichte so unkundig
daß er die erste Ackervertheilung, wodurch der Senat nach
der Verbannung der Könige das Volk zu gewinnen suchte,
einem Volkstribunen, dem Licinius, zuschreibt. Eine As-
signation war vom Zweck des licinischen Gesetzes unzertrenn-
lich, so sehr, daß wir ohne Zeugniß das Daseyn solcher An-
ordnungen darin annehmen dürften und müßten. Aber die
licinischen sieben Jugern waren sprichwörtlich, obwohl schon
früher herkömmliches Maaß. Sieben Jugern sind ungefähr
6, 86 Magdeburger Morgen, und um so mehr hinreichend
eine Familie zu ernähren, da sie außerdem genügendes
Weideland hatte.
51) Eine außerordentliche Magistratur, ein Collegium von
größerer oder geringerer Zahl, ward zur Ausführung eines
jeden Ackergesetzes ernannt. Gewöhnlich waren es Trium-
virn: ich nehme hier Decemvirn an, nach dem Senatus-
consult bey Dionysius. Consularische Senatoren, von denen
er redet, können es freylich nicht gewesen seyn: denn der
Tribun übertrug die Ausführung gewiß nicht den Patriciern
allein: und Consulare im strengen Wortsinn hatte Rom da-
mals vielleicht gar nicht.
52) Appian a. a. O.

10. Zur Ausfuͤhrung dieſes Geſetzes ſollen Decem-
virn vom Volk erwaͤhlt werden 51).

11. Dieſes Plebiſcit ſoll als Grundgeſetz von beyden
Staͤnden beſchworen werden 52).

Nach dieſer Darſtellung bedarf es wohl jetzt ſo wenig
einer Rechtfertigung des liciniſchen Ackergeſetzes, als der
Volkstribun vor ſeinen Zuhoͤrern eine weitlaͤuftige Ent-

wickelung
handgreiflicher Irrthum, daß nur Emendation Sinn ſchaf-
fen kann. Columella aber iſt der Geſchichte ſo unkundig
daß er die erſte Ackervertheilung, wodurch der Senat nach
der Verbannung der Koͤnige das Volk zu gewinnen ſuchte,
einem Volkstribunen, dem Licinius, zuſchreibt. Eine Aſ-
ſignation war vom Zweck des liciniſchen Geſetzes unzertrenn-
lich, ſo ſehr, daß wir ohne Zeugniß das Daſeyn ſolcher An-
ordnungen darin annehmen duͤrften und muͤßten. Aber die
liciniſchen ſieben Jugern waren ſprichwoͤrtlich, obwohl ſchon
fruͤher herkoͤmmliches Maaß. Sieben Jugern ſind ungefaͤhr
6, 86 Magdeburger Morgen, und um ſo mehr hinreichend
eine Familie zu ernaͤhren, da ſie außerdem genuͤgendes
Weideland hatte.
51) Eine außerordentliche Magiſtratur, ein Collegium von
groͤßerer oder geringerer Zahl, ward zur Ausfuͤhrung eines
jeden Ackergeſetzes ernannt. Gewoͤhnlich waren es Trium-
virn: ich nehme hier Decemvirn an, nach dem Senatus-
conſult bey Dionyſius. Conſulariſche Senatoren, von denen
er redet, koͤnnen es freylich nicht geweſen ſeyn: denn der
Tribun uͤbertrug die Ausfuͤhrung gewiß nicht den Patriciern
allein: und Conſulare im ſtrengen Wortſinn hatte Rom da-
mals vielleicht gar nicht.
52) Appian a. a. O.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0416" n="400"/>
        <p>10. Zur Ausfu&#x0364;hrung die&#x017F;es Ge&#x017F;etzes &#x017F;ollen Decem-<lb/>
virn vom Volk erwa&#x0364;hlt werden <note place="foot" n="51)">Eine außerordentliche Magi&#x017F;tratur, ein Collegium von<lb/>
gro&#x0364;ßerer oder geringerer Zahl, ward zur Ausfu&#x0364;hrung eines<lb/>
jeden Ackerge&#x017F;etzes ernannt. Gewo&#x0364;hnlich waren es Trium-<lb/>
virn: ich nehme hier Decemvirn an, nach dem Senatus-<lb/>
con&#x017F;ult bey Diony&#x017F;ius. Con&#x017F;ulari&#x017F;che Senatoren, von denen<lb/>
er redet, ko&#x0364;nnen es freylich nicht gewe&#x017F;en &#x017F;eyn: denn der<lb/>
Tribun u&#x0364;bertrug die Ausfu&#x0364;hrung gewiß nicht den Patriciern<lb/>
allein: und Con&#x017F;ulare im &#x017F;trengen Wort&#x017F;inn hatte Rom da-<lb/>
mals vielleicht gar nicht.</note>.</p><lb/>
        <p>11. Die&#x017F;es Plebi&#x017F;cit &#x017F;oll als Grundge&#x017F;etz von beyden<lb/>
Sta&#x0364;nden be&#x017F;chworen werden <note place="foot" n="52)">Appian a. a. O.</note>.</p><lb/>
        <p>Nach die&#x017F;er Dar&#x017F;tellung bedarf es wohl jetzt &#x017F;o wenig<lb/>
einer Rechtfertigung des licini&#x017F;chen Ackerge&#x017F;etzes, als der<lb/>
Volkstribun vor &#x017F;einen Zuho&#x0364;rern eine weitla&#x0364;uftige Ent-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wickelung</fw><lb/><note xml:id="note-0416" prev="#note-0415" place="foot" n="50)">handgreiflicher Irrthum, daß nur Emendation Sinn &#x017F;chaf-<lb/>
fen kann. Columella aber i&#x017F;t der Ge&#x017F;chichte &#x017F;o unkundig<lb/>
daß er die er&#x017F;te Ackervertheilung, wodurch der Senat nach<lb/>
der Verbannung der Ko&#x0364;nige das Volk zu gewinnen &#x017F;uchte,<lb/>
einem Volkstribunen, dem Licinius, zu&#x017F;chreibt. Eine A&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ignation war vom Zweck des licini&#x017F;chen Ge&#x017F;etzes unzertrenn-<lb/>
lich, &#x017F;o &#x017F;ehr, daß wir ohne Zeugniß das Da&#x017F;eyn &#x017F;olcher An-<lb/>
ordnungen darin annehmen du&#x0364;rften und mu&#x0364;ßten. Aber die<lb/>
licini&#x017F;chen &#x017F;ieben Jugern waren &#x017F;prichwo&#x0364;rtlich, obwohl &#x017F;chon<lb/>
fru&#x0364;her herko&#x0364;mmliches Maaß. Sieben Jugern &#x017F;ind ungefa&#x0364;hr<lb/>
6, 86 Magdeburger Morgen, und um &#x017F;o mehr hinreichend<lb/>
eine Familie zu erna&#x0364;hren, da &#x017F;ie außerdem genu&#x0364;gendes<lb/>
Weideland hatte.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0416] 10. Zur Ausfuͤhrung dieſes Geſetzes ſollen Decem- virn vom Volk erwaͤhlt werden 51). 11. Dieſes Plebiſcit ſoll als Grundgeſetz von beyden Staͤnden beſchworen werden 52). Nach dieſer Darſtellung bedarf es wohl jetzt ſo wenig einer Rechtfertigung des liciniſchen Ackergeſetzes, als der Volkstribun vor ſeinen Zuhoͤrern eine weitlaͤuftige Ent- wickelung 50) 51) Eine außerordentliche Magiſtratur, ein Collegium von groͤßerer oder geringerer Zahl, ward zur Ausfuͤhrung eines jeden Ackergeſetzes ernannt. Gewoͤhnlich waren es Trium- virn: ich nehme hier Decemvirn an, nach dem Senatus- conſult bey Dionyſius. Conſulariſche Senatoren, von denen er redet, koͤnnen es freylich nicht geweſen ſeyn: denn der Tribun uͤbertrug die Ausfuͤhrung gewiß nicht den Patriciern allein: und Conſulare im ſtrengen Wortſinn hatte Rom da- mals vielleicht gar nicht. 52) Appian a. a. O. 50) handgreiflicher Irrthum, daß nur Emendation Sinn ſchaf- fen kann. Columella aber iſt der Geſchichte ſo unkundig daß er die erſte Ackervertheilung, wodurch der Senat nach der Verbannung der Koͤnige das Volk zu gewinnen ſuchte, einem Volkstribunen, dem Licinius, zuſchreibt. Eine Aſ- ſignation war vom Zweck des liciniſchen Geſetzes unzertrenn- lich, ſo ſehr, daß wir ohne Zeugniß das Daſeyn ſolcher An- ordnungen darin annehmen duͤrften und muͤßten. Aber die liciniſchen ſieben Jugern waren ſprichwoͤrtlich, obwohl ſchon fruͤher herkoͤmmliches Maaß. Sieben Jugern ſind ungefaͤhr 6, 86 Magdeburger Morgen, und um ſo mehr hinreichend eine Familie zu ernaͤhren, da ſie außerdem genuͤgendes Weideland hatte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/416
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/416>, abgerufen am 23.11.2024.