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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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kann folglich nicht als Widerlegung ihres Daseyns gel-
ten; wir dürfen aus innern Beweisen folgern was fac-
tisch darzulegen zufällige Zerstörung der Zeugnisse viel-
leicht auf immer unmöglich gemacht hat, vielleicht auch
nur einem beleseneren und glücklicheren Forscher vor-
behalten ist.

Es ist klar daß die ganze Kunst der Agrimensoren
die ursprünglichen Gränzscheiden zu entdecken, an der
Freyheit einzelne Landstücke von willkührlichem Umfang
zu veräußern hätte scheitern müssen: und, gewohnt diese
vorauszusetzen, finden wir jene eben deswegen zwecklos
und widersinnig. Die ursprünglichen Gränzen mochten
sie ausmitteln, aber von nun an entschieden nur Kauf-
briefe und andere Documente: und wenn diese nicht
vollkommen geometrisch bestimmt abgefaßt waren, so
konnte kein Eigenthum unsicherer seyn als Erwerbungen
auf limitirtem Boden, wo die in derselben Centurie Be-
güterten die Controverse de modo erheben konnten.

Dies führt auf die Vermuthung daß ein assignir-
ter Fundus als eine geschlossene Hufe, als ein Ganzes
in unveränderlichen Gränzen, anzusehen ist. Eine Vor-
stellung welche schon in den Grundzwecken der Limita-
tion ihre Bewährung zu haben scheint.

Aus den Pandecten, Inschriften, und alten Urkun-
den, ist bekannt daß ein Fundus häufig einen eigen-
thümlichen Nahmen trug, nicht nach dem jedesmaligen
Besitzer veränderlich, sondern so fortdauernd daß noch
jetzt, wer diesen Spuren nachginge, ohne Zweifel, vor-
züglich in der römischen Campania und Sabina, viele

kann folglich nicht als Widerlegung ihres Daſeyns gel-
ten; wir duͤrfen aus innern Beweiſen folgern was fac-
tiſch darzulegen zufaͤllige Zerſtoͤrung der Zeugniſſe viel-
leicht auf immer unmoͤglich gemacht hat, vielleicht auch
nur einem beleſeneren und gluͤcklicheren Forſcher vor-
behalten iſt.

Es iſt klar daß die ganze Kunſt der Agrimenſoren
die urſpruͤnglichen Graͤnzſcheiden zu entdecken, an der
Freyheit einzelne Landſtuͤcke von willkuͤhrlichem Umfang
zu veraͤußern haͤtte ſcheitern muͤſſen: und, gewohnt dieſe
vorauszuſetzen, finden wir jene eben deswegen zwecklos
und widerſinnig. Die urſpruͤnglichen Graͤnzen mochten
ſie ausmitteln, aber von nun an entſchieden nur Kauf-
briefe und andere Documente: und wenn dieſe nicht
vollkommen geometriſch beſtimmt abgefaßt waren, ſo
konnte kein Eigenthum unſicherer ſeyn als Erwerbungen
auf limitirtem Boden, wo die in derſelben Centurie Be-
guͤterten die Controverſe de modo erheben konnten.

Dies fuͤhrt auf die Vermuthung daß ein aſſignir-
ter Fundus als eine geſchloſſene Hufe, als ein Ganzes
in unveraͤnderlichen Graͤnzen, anzuſehen iſt. Eine Vor-
ſtellung welche ſchon in den Grundzwecken der Limita-
tion ihre Bewaͤhrung zu haben ſcheint.

Aus den Pandecten, Inſchriften, und alten Urkun-
den, iſt bekannt daß ein Fundus haͤufig einen eigen-
thuͤmlichen Nahmen trug, nicht nach dem jedesmaligen
Beſitzer veraͤnderlich, ſondern ſo fortdauernd daß noch
jetzt, wer dieſen Spuren nachginge, ohne Zweifel, vor-
zuͤglich in der roͤmiſchen Campania und Sabina, viele

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[392/0408] kann folglich nicht als Widerlegung ihres Daſeyns gel- ten; wir duͤrfen aus innern Beweiſen folgern was fac- tiſch darzulegen zufaͤllige Zerſtoͤrung der Zeugniſſe viel- leicht auf immer unmoͤglich gemacht hat, vielleicht auch nur einem beleſeneren und gluͤcklicheren Forſcher vor- behalten iſt. Es iſt klar daß die ganze Kunſt der Agrimenſoren die urſpruͤnglichen Graͤnzſcheiden zu entdecken, an der Freyheit einzelne Landſtuͤcke von willkuͤhrlichem Umfang zu veraͤußern haͤtte ſcheitern muͤſſen: und, gewohnt dieſe vorauszuſetzen, finden wir jene eben deswegen zwecklos und widerſinnig. Die urſpruͤnglichen Graͤnzen mochten ſie ausmitteln, aber von nun an entſchieden nur Kauf- briefe und andere Documente: und wenn dieſe nicht vollkommen geometriſch beſtimmt abgefaßt waren, ſo konnte kein Eigenthum unſicherer ſeyn als Erwerbungen auf limitirtem Boden, wo die in derſelben Centurie Be- guͤterten die Controverſe de modo erheben konnten. Dies fuͤhrt auf die Vermuthung daß ein aſſignir- ter Fundus als eine geſchloſſene Hufe, als ein Ganzes in unveraͤnderlichen Graͤnzen, anzuſehen iſt. Eine Vor- ſtellung welche ſchon in den Grundzwecken der Limita- tion ihre Bewaͤhrung zu haben ſcheint. Aus den Pandecten, Inſchriften, und alten Urkun- den, iſt bekannt daß ein Fundus haͤufig einen eigen- thuͤmlichen Nahmen trug, nicht nach dem jedesmaligen Beſitzer veraͤnderlich, ſondern ſo fortdauernd daß noch jetzt, wer dieſen Spuren nachginge, ohne Zweifel, vor- zuͤglich in der roͤmiſchen Campania und Sabina, viele

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/408>, abgerufen am 22.11.2024.