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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Der Prätor wollte nicht daß das willkührlich ver-
liehene
(precario) gegen den Geber als fester Besitz be-
hauptet werde, während er diesen, wie er bestand,
(uti possidetis) unter seinen Schutz nahm: aber er
schützte nicht weniger den unabhängigen kleinen Besitzer,
indem er den gewaltsamen Besitz (vi) für ungültig
erklärte. Auch über diesen klagen die Gracchen und alle
Tribunen ihres Zeitalters bitterlich: während der Soldat
gegen den Feind diente, vertrieb der mächtige nach seinem
Gütchen lüsterne Nachbar sein Weib und seine Kinder.
Dies war bey Eigenthum offenbar unmöglich: bey der
Entfernung vieler Landschaften von römischer Jurisdic-
tion konnte es leicht auf dem Gemeinlande geschehen.
Dem Abwesenden, dem Reichen wie dem Armen, konn-
ten ihm unbewußt (clam) Felder von den Nachbarn
entzogen werden; hier schützte keine Limitation. Auch in
solchen Fällen gewährte der Prätor Hülfe; und in kei-
nem Fall konnte der entzogene Besitz durch Verjährung
verlohren gehen, welche nur das Eigenthum betraf.
Alle Deutung auf das Verhältniß zum Staat ward
durch die Formel einer vom andern (alter ab altero)
ausgeschlossen.

Man bezieht die Interdicte auf das prätorische Eigen-
thum: eine besendere Sorgfalt für dieses, und Wich-
tigkeit desselben in den alten Zeiten der Republik, ehe
die Ertheilung des Bürgerrechts an Latiner und Itali-
ker alles umgestaltete, scheint mir gar nicht im römi-
schen Sinn. Als Bestätigung der Beziehung auf den
Besitz des Gemeinlands läßt sich vielleicht auch anfüh-

Der Praͤtor wollte nicht daß das willkuͤhrlich ver-
liehene
(precario) gegen den Geber als feſter Beſitz be-
hauptet werde, waͤhrend er dieſen, wie er beſtand,
(uti possidetis) unter ſeinen Schutz nahm: aber er
ſchuͤtzte nicht weniger den unabhaͤngigen kleinen Beſitzer,
indem er den gewaltſamen Beſitz (vi) fuͤr unguͤltig
erklaͤrte. Auch uͤber dieſen klagen die Gracchen und alle
Tribunen ihres Zeitalters bitterlich: waͤhrend der Soldat
gegen den Feind diente, vertrieb der maͤchtige nach ſeinem
Guͤtchen luͤſterne Nachbar ſein Weib und ſeine Kinder.
Dies war bey Eigenthum offenbar unmoͤglich: bey der
Entfernung vieler Landſchaften von roͤmiſcher Jurisdic-
tion konnte es leicht auf dem Gemeinlande geſchehen.
Dem Abweſenden, dem Reichen wie dem Armen, konn-
ten ihm unbewußt (clam) Felder von den Nachbarn
entzogen werden; hier ſchuͤtzte keine Limitation. Auch in
ſolchen Faͤllen gewaͤhrte der Praͤtor Huͤlfe; und in kei-
nem Fall konnte der entzogene Beſitz durch Verjaͤhrung
verlohren gehen, welche nur das Eigenthum betraf.
Alle Deutung auf das Verhaͤltniß zum Staat ward
durch die Formel einer vom andern (alter ab altero)
ausgeſchloſſen.

Man bezieht die Interdicte auf das praͤtoriſche Eigen-
thum: eine beſendere Sorgfalt fuͤr dieſes, und Wich-
tigkeit deſſelben in den alten Zeiten der Republik, ehe
die Ertheilung des Buͤrgerrechts an Latiner und Itali-
ker alles umgeſtaltete, ſcheint mir gar nicht im roͤmi-
ſchen Sinn. Als Beſtaͤtigung der Beziehung auf den
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[373/0389] Der Praͤtor wollte nicht daß das willkuͤhrlich ver- liehene (precario) gegen den Geber als feſter Beſitz be- hauptet werde, waͤhrend er dieſen, wie er beſtand, (uti possidetis) unter ſeinen Schutz nahm: aber er ſchuͤtzte nicht weniger den unabhaͤngigen kleinen Beſitzer, indem er den gewaltſamen Beſitz (vi) fuͤr unguͤltig erklaͤrte. Auch uͤber dieſen klagen die Gracchen und alle Tribunen ihres Zeitalters bitterlich: waͤhrend der Soldat gegen den Feind diente, vertrieb der maͤchtige nach ſeinem Guͤtchen luͤſterne Nachbar ſein Weib und ſeine Kinder. Dies war bey Eigenthum offenbar unmoͤglich: bey der Entfernung vieler Landſchaften von roͤmiſcher Jurisdic- tion konnte es leicht auf dem Gemeinlande geſchehen. Dem Abweſenden, dem Reichen wie dem Armen, konn- ten ihm unbewußt (clam) Felder von den Nachbarn entzogen werden; hier ſchuͤtzte keine Limitation. Auch in ſolchen Faͤllen gewaͤhrte der Praͤtor Huͤlfe; und in kei- nem Fall konnte der entzogene Beſitz durch Verjaͤhrung verlohren gehen, welche nur das Eigenthum betraf. Alle Deutung auf das Verhaͤltniß zum Staat ward durch die Formel einer vom andern (alter ab altero) ausgeſchloſſen. Man bezieht die Interdicte auf das praͤtoriſche Eigen- thum: eine beſendere Sorgfalt fuͤr dieſes, und Wich- tigkeit deſſelben in den alten Zeiten der Republik, ehe die Ertheilung des Buͤrgerrechts an Latiner und Itali- ker alles umgeſtaltete, ſcheint mir gar nicht im roͤmi- ſchen Sinn. Als Beſtaͤtigung der Beziehung auf den Beſitz des Gemeinlands laͤßt ſich vielleicht auch anfuͤh-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/389>, abgerufen am 22.11.2024.