Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Volskern, daß die unglücklichen Verführten bald nach-
her vertilgt wurden. Als Manlius in seine Wohnung
zurückgekehrt war, begann er seine Anhänger dort bey
sich zu versammeln, und wenigstens erschien er jetzt als
ein trotzendes Partheyhaupt, mit dunkeln Absichten, und
entschlossen der Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Die
Lage seines Hauses auf der Burg machte diese Versamm-
lungen je zahlreicher sie wurden immer gefährlicher: die
Besetzung des Capitols durch das Volk wäre drohender
gewesen als die des Aventinus.

Ob aber Manlius entschiedene hochverrätherische
Absichten bey sich ausgebildet, ob er eine unzweydeutig
verbrecherische Unternehmung seinen Anhängern angedeu-
tet hat; darüber fand Livius in seinen Annalen auch
nicht einmal eine bestimmte Beschuldigung 22). Wir
könnten ihn für einen gefährlichen Bürger halten der
nicht mit Unrecht fiel weil er in seinem Herzen nicht
schuldlos war; der aber dennoch vielleicht nie bis zum
Verbrechen gekommen wäre, wenn seine Handlungen
in einem verlängerten Leben über ihn hätten richten sol-
len. Alles hängt davon ab, ob es wahr sey daß ihn
die Volkstribunen als Hochverräther angeklagt haben:
dann kann er nicht von einer feindseligen Faction un-
terdrückt seyn: und als seine Ankläger werden zwey Tri-
bunen aus den edelsten und unabhängigsten plebejischen

22) Quae praeter coetus multitudinis, seditiosasque voces, et
largitionem, et fallax indicium, pertinentia proprie ad
regni crimen -- objecta sint -- apud neminem auctorem
invenio.
Livius VI. c. 20.

Volskern, daß die ungluͤcklichen Verfuͤhrten bald nach-
her vertilgt wurden. Als Manlius in ſeine Wohnung
zuruͤckgekehrt war, begann er ſeine Anhaͤnger dort bey
ſich zu verſammeln, und wenigſtens erſchien er jetzt als
ein trotzendes Partheyhaupt, mit dunkeln Abſichten, und
entſchloſſen der Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Die
Lage ſeines Hauſes auf der Burg machte dieſe Verſamm-
lungen je zahlreicher ſie wurden immer gefaͤhrlicher: die
Beſetzung des Capitols durch das Volk waͤre drohender
geweſen als die des Aventinus.

Ob aber Manlius entſchiedene hochverraͤtheriſche
Abſichten bey ſich ausgebildet, ob er eine unzweydeutig
verbrecheriſche Unternehmung ſeinen Anhaͤngern angedeu-
tet hat; daruͤber fand Livius in ſeinen Annalen auch
nicht einmal eine beſtimmte Beſchuldigung 22). Wir
koͤnnten ihn fuͤr einen gefaͤhrlichen Buͤrger halten der
nicht mit Unrecht fiel weil er in ſeinem Herzen nicht
ſchuldlos war; der aber dennoch vielleicht nie bis zum
Verbrechen gekommen waͤre, wenn ſeine Handlungen
in einem verlaͤngerten Leben uͤber ihn haͤtten richten ſol-
len. Alles haͤngt davon ab, ob es wahr ſey daß ihn
die Volkstribunen als Hochverraͤther angeklagt haben:
dann kann er nicht von einer feindſeligen Faction un-
terdruͤckt ſeyn: und als ſeine Anklaͤger werden zwey Tri-
bunen aus den edelſten und unabhaͤngigſten plebejiſchen

22) Quæ præter cœtus multitudinis, seditiosasque voces, et
largitionem, et fallax indicium, pertinentia proprie ad
regni crimen — objecta sint — apud neminem auctorem
invenio.
Livius VI. c. 20.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0342" n="326"/>
Volskern, daß die unglu&#x0364;cklichen Verfu&#x0364;hrten bald nach-<lb/>
her vertilgt wurden. Als Manlius in &#x017F;eine Wohnung<lb/>
zuru&#x0364;ckgekehrt war, begann er &#x017F;eine Anha&#x0364;nger dort bey<lb/>
&#x017F;ich zu ver&#x017F;ammeln, und wenig&#x017F;tens er&#x017F;chien er jetzt als<lb/>
ein trotzendes Partheyhaupt, mit dunkeln Ab&#x017F;ichten, und<lb/>
ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en der Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Die<lb/>
Lage &#x017F;eines Hau&#x017F;es auf der Burg machte die&#x017F;e Ver&#x017F;amm-<lb/>
lungen je zahlreicher &#x017F;ie wurden immer gefa&#x0364;hrlicher: die<lb/>
Be&#x017F;etzung des Capitols durch das Volk wa&#x0364;re drohender<lb/>
gewe&#x017F;en als die des Aventinus.</p><lb/>
        <p>Ob aber Manlius ent&#x017F;chiedene hochverra&#x0364;theri&#x017F;che<lb/>
Ab&#x017F;ichten bey &#x017F;ich ausgebildet, ob er eine unzweydeutig<lb/>
verbrecheri&#x017F;che Unternehmung &#x017F;einen Anha&#x0364;ngern angedeu-<lb/>
tet hat; daru&#x0364;ber fand Livius in &#x017F;einen Annalen auch<lb/>
nicht einmal eine be&#x017F;timmte Be&#x017F;chuldigung <note place="foot" n="22)"><hi rendition="#aq">Quæ præter c&#x0153;tus multitudinis, seditiosasque voces, et<lb/>
largitionem, et fallax indicium, pertinentia proprie ad<lb/>
regni crimen &#x2014; objecta sint &#x2014; apud neminem auctorem<lb/>
invenio.</hi> Livius <hi rendition="#aq">VI. c.</hi> 20.</note>. Wir<lb/>
ko&#x0364;nnten ihn fu&#x0364;r einen gefa&#x0364;hrlichen Bu&#x0364;rger halten der<lb/>
nicht mit Unrecht fiel weil er in &#x017F;einem Herzen nicht<lb/>
&#x017F;chuldlos war; der aber dennoch vielleicht nie bis zum<lb/>
Verbrechen gekommen wa&#x0364;re, wenn &#x017F;eine Handlungen<lb/>
in einem verla&#x0364;ngerten Leben u&#x0364;ber ihn ha&#x0364;tten richten &#x017F;ol-<lb/>
len. Alles ha&#x0364;ngt davon ab, ob es wahr &#x017F;ey daß ihn<lb/>
die Volkstribunen als Hochverra&#x0364;ther angeklagt haben:<lb/>
dann kann er nicht von einer feind&#x017F;eligen Faction un-<lb/>
terdru&#x0364;ckt &#x017F;eyn: und als &#x017F;eine Ankla&#x0364;ger werden zwey Tri-<lb/>
bunen aus den edel&#x017F;ten und unabha&#x0364;ngig&#x017F;ten plebeji&#x017F;chen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0342] Volskern, daß die ungluͤcklichen Verfuͤhrten bald nach- her vertilgt wurden. Als Manlius in ſeine Wohnung zuruͤckgekehrt war, begann er ſeine Anhaͤnger dort bey ſich zu verſammeln, und wenigſtens erſchien er jetzt als ein trotzendes Partheyhaupt, mit dunkeln Abſichten, und entſchloſſen der Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Die Lage ſeines Hauſes auf der Burg machte dieſe Verſamm- lungen je zahlreicher ſie wurden immer gefaͤhrlicher: die Beſetzung des Capitols durch das Volk waͤre drohender geweſen als die des Aventinus. Ob aber Manlius entſchiedene hochverraͤtheriſche Abſichten bey ſich ausgebildet, ob er eine unzweydeutig verbrecheriſche Unternehmung ſeinen Anhaͤngern angedeu- tet hat; daruͤber fand Livius in ſeinen Annalen auch nicht einmal eine beſtimmte Beſchuldigung 22). Wir koͤnnten ihn fuͤr einen gefaͤhrlichen Buͤrger halten der nicht mit Unrecht fiel weil er in ſeinem Herzen nicht ſchuldlos war; der aber dennoch vielleicht nie bis zum Verbrechen gekommen waͤre, wenn ſeine Handlungen in einem verlaͤngerten Leben uͤber ihn haͤtten richten ſol- len. Alles haͤngt davon ab, ob es wahr ſey daß ihn die Volkstribunen als Hochverraͤther angeklagt haben: dann kann er nicht von einer feindſeligen Faction un- terdruͤckt ſeyn: und als ſeine Anklaͤger werden zwey Tri- bunen aus den edelſten und unabhaͤngigſten plebejiſchen 22) Quæ præter cœtus multitudinis, seditiosasque voces, et largitionem, et fallax indicium, pertinentia proprie ad regni crimen — objecta sint — apud neminem auctorem invenio. Livius VI. c. 20.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/342
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/342>, abgerufen am 18.05.2024.