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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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langen mit dieser Quaal verschont zu bleiben ihm nicht
ganz als verwerfliche Feigheit angerechnet werden. Wie
eng und gering auch die Hütte war welche dem alten Rö-
mer selbst in der Zeit der Größe der guten Zeit genügte,
auch sie konnte, der alles verlohren hatte, nicht ohne
Schulden zu machen aufführen. Und dabey lag Veji
vor aller Augen, schon vor der Verwüstung Roms durch
schönere Gebäude anlockender als die Stadt selbst, und
wenigstens für die jetzt übrige Volksmenge hinreichend ge-
räumig, wenn es auch früher nur einen Theil hätte fassen
können. Daher empfand das Volk den Befehl des Se-
nats: daß die Stadt innerhalb eines Jahrs wieder aufge-
baut seyn müsse, was dann noch unvollendet stehe dem
Staat anheimfallen solle: als eine unleidliche Tyranney.
Freylich war hier auch das Interesse der Stände getheilt.
Das Gemeinland, dessen Besitz für die Patricier die höchste
Wichtigkeit hatte, muß größtentheils auf dem linken
Ufer der Tiber gelegen haben, und war, wenn Rom ver-
lassen ward, fast aufgegeben, wenigstens dem unmittel-
baren Schutz der Waffen entzogen: dem Volk aber war
das vejentanische Gebiet, wo ihm so große Strecken ange-
wiesen waren, wichtiger, und größere Nähe ihrer Stadt
und ihres Landeigenthums wohlthätig. Dennoch, wenn
auch Selbstsucht bey der Beharrlichkeit des Senats nicht
ohne Einfluß seyn konnte, so darf man doch nicht zwei-
feln daß auch größere Ansichten sie bestimmten, und noch
weniger verkennen daß der harte Druck der Gegenwart der
späteren Größe Roms unvermeidlicher Preis war. Die
zerstörte Stadt aufzugeben wäre ein Bekenntniß von

Zweiter Theil. T

langen mit dieſer Quaal verſchont zu bleiben ihm nicht
ganz als verwerfliche Feigheit angerechnet werden. Wie
eng und gering auch die Huͤtte war welche dem alten Roͤ-
mer ſelbſt in der Zeit der Groͤße der guten Zeit genuͤgte,
auch ſie konnte, der alles verlohren hatte, nicht ohne
Schulden zu machen auffuͤhren. Und dabey lag Veji
vor aller Augen, ſchon vor der Verwuͤſtung Roms durch
ſchoͤnere Gebaͤude anlockender als die Stadt ſelbſt, und
wenigſtens fuͤr die jetzt uͤbrige Volksmenge hinreichend ge-
raͤumig, wenn es auch fruͤher nur einen Theil haͤtte faſſen
koͤnnen. Daher empfand das Volk den Befehl des Se-
nats: daß die Stadt innerhalb eines Jahrs wieder aufge-
baut ſeyn muͤſſe, was dann noch unvollendet ſtehe dem
Staat anheimfallen ſolle: als eine unleidliche Tyranney.
Freylich war hier auch das Intereſſe der Staͤnde getheilt.
Das Gemeinland, deſſen Beſitz fuͤr die Patricier die hoͤchſte
Wichtigkeit hatte, muß groͤßtentheils auf dem linken
Ufer der Tiber gelegen haben, und war, wenn Rom ver-
laſſen ward, faſt aufgegeben, wenigſtens dem unmittel-
baren Schutz der Waffen entzogen: dem Volk aber war
das vejentaniſche Gebiet, wo ihm ſo große Strecken ange-
wieſen waren, wichtiger, und groͤßere Naͤhe ihrer Stadt
und ihres Landeigenthums wohlthaͤtig. Dennoch, wenn
auch Selbſtſucht bey der Beharrlichkeit des Senats nicht
ohne Einfluß ſeyn konnte, ſo darf man doch nicht zwei-
feln daß auch groͤßere Anſichten ſie beſtimmten, und noch
weniger verkennen daß der harte Druck der Gegenwart der
ſpaͤteren Groͤße Roms unvermeidlicher Preis war. Die
zerſtoͤrte Stadt aufzugeben waͤre ein Bekenntniß von

Zweiter Theil. T
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[289/0305] langen mit dieſer Quaal verſchont zu bleiben ihm nicht ganz als verwerfliche Feigheit angerechnet werden. Wie eng und gering auch die Huͤtte war welche dem alten Roͤ- mer ſelbſt in der Zeit der Groͤße der guten Zeit genuͤgte, auch ſie konnte, der alles verlohren hatte, nicht ohne Schulden zu machen auffuͤhren. Und dabey lag Veji vor aller Augen, ſchon vor der Verwuͤſtung Roms durch ſchoͤnere Gebaͤude anlockender als die Stadt ſelbſt, und wenigſtens fuͤr die jetzt uͤbrige Volksmenge hinreichend ge- raͤumig, wenn es auch fruͤher nur einen Theil haͤtte faſſen koͤnnen. Daher empfand das Volk den Befehl des Se- nats: daß die Stadt innerhalb eines Jahrs wieder aufge- baut ſeyn muͤſſe, was dann noch unvollendet ſtehe dem Staat anheimfallen ſolle: als eine unleidliche Tyranney. Freylich war hier auch das Intereſſe der Staͤnde getheilt. Das Gemeinland, deſſen Beſitz fuͤr die Patricier die hoͤchſte Wichtigkeit hatte, muß groͤßtentheils auf dem linken Ufer der Tiber gelegen haben, und war, wenn Rom ver- laſſen ward, faſt aufgegeben, wenigſtens dem unmittel- baren Schutz der Waffen entzogen: dem Volk aber war das vejentaniſche Gebiet, wo ihm ſo große Strecken ange- wieſen waren, wichtiger, und groͤßere Naͤhe ihrer Stadt und ihres Landeigenthums wohlthaͤtig. Dennoch, wenn auch Selbſtſucht bey der Beharrlichkeit des Senats nicht ohne Einfluß ſeyn konnte, ſo darf man doch nicht zwei- feln daß auch groͤßere Anſichten ſie beſtimmten, und noch weniger verkennen daß der harte Druck der Gegenwart der ſpaͤteren Groͤße Roms unvermeidlicher Preis war. Die zerſtoͤrte Stadt aufzugeben waͤre ein Bekenntniß von Zweiter Theil. T

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/305>, abgerufen am 22.11.2024.