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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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weder die Tiber die vejentanische Feldmark gegen die
Streifereyen so zahlreicher Horden, noch die schwachen
Mauern latinischer Städte: damals kann ein Theil je-
ner untergegangenen Orte vertilgt seyn, deren trauriges
Verzeichniß Plinius giebt: und die geflüchteten Römer
mögen bis tief in Latium vom Verderben erreicht wor-
den seyn. Die Uebriggebliebenen hatten alles verlohren
was nicht nach Veji und auf das Capitol gerettet ward,
und der größte Theil ihrer Habseligkeiten mußte in der
Stadt zurückgelassen seyn, da selbst von den Heiligthü-
mern nur ein kleiner Theil fortgeschafft, das meiste ver-
graben war. Um so mehr müssen wir, wenn auch Me-
tall und Geld fortgebracht werden konnten, an den Schä-
tzen zweifeln welche nach Diodor auf dem Capitol ge-
häuft waren. Am linken Ufer der Tiber konnte der Land-
mann, wenn er nicht schon vor der Schlacht geflüchtet
war, nicht einmal sein Vieh forttreiben, da der Feind
schon am Tage nach der Schlacht vor Rom erschien,
folglich auch die ganze Gegend um die Stadt bedeckte.
Die Zerstörung der Gebäude hat sich, nach damaliger
Kriegssitte, nothwendig auf jedes Dorf erstreckt welches
nicht zufällig unberührt blieb. Und dieses Elend traf
nicht nur ein armes, auf seinen Boden und seinen Fleiß
beschränktes, sondern ein verschuldetes und verarmtes,
durch Steuern lange hartgedrücktes Volk, welches sich
nur eben durch die erzwungenen Landanweisungen zu erho-
len angefangen hatte.

Daher darf das Grauen womit das Volk auf die Wie-
dererbauung der Stadt hinblickte, und sein heftiges Ver-

langen

weder die Tiber die vejentaniſche Feldmark gegen die
Streifereyen ſo zahlreicher Horden, noch die ſchwachen
Mauern latiniſcher Staͤdte: damals kann ein Theil je-
ner untergegangenen Orte vertilgt ſeyn, deren trauriges
Verzeichniß Plinius giebt: und die gefluͤchteten Roͤmer
moͤgen bis tief in Latium vom Verderben erreicht wor-
den ſeyn. Die Uebriggebliebenen hatten alles verlohren
was nicht nach Veji und auf das Capitol gerettet ward,
und der groͤßte Theil ihrer Habſeligkeiten mußte in der
Stadt zuruͤckgelaſſen ſeyn, da ſelbſt von den Heiligthuͤ-
mern nur ein kleiner Theil fortgeſchafft, das meiſte ver-
graben war. Um ſo mehr muͤſſen wir, wenn auch Me-
tall und Geld fortgebracht werden konnten, an den Schaͤ-
tzen zweifeln welche nach Diodor auf dem Capitol ge-
haͤuft waren. Am linken Ufer der Tiber konnte der Land-
mann, wenn er nicht ſchon vor der Schlacht gefluͤchtet
war, nicht einmal ſein Vieh forttreiben, da der Feind
ſchon am Tage nach der Schlacht vor Rom erſchien,
folglich auch die ganze Gegend um die Stadt bedeckte.
Die Zerſtoͤrung der Gebaͤude hat ſich, nach damaliger
Kriegsſitte, nothwendig auf jedes Dorf erſtreckt welches
nicht zufaͤllig unberuͤhrt blieb. Und dieſes Elend traf
nicht nur ein armes, auf ſeinen Boden und ſeinen Fleiß
beſchraͤnktes, ſondern ein verſchuldetes und verarmtes,
durch Steuern lange hartgedruͤcktes Volk, welches ſich
nur eben durch die erzwungenen Landanweiſungen zu erho-
len angefangen hatte.

Daher darf das Grauen womit das Volk auf die Wie-
dererbauung der Stadt hinblickte, und ſein heftiges Ver-

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[288/0304] weder die Tiber die vejentaniſche Feldmark gegen die Streifereyen ſo zahlreicher Horden, noch die ſchwachen Mauern latiniſcher Staͤdte: damals kann ein Theil je- ner untergegangenen Orte vertilgt ſeyn, deren trauriges Verzeichniß Plinius giebt: und die gefluͤchteten Roͤmer moͤgen bis tief in Latium vom Verderben erreicht wor- den ſeyn. Die Uebriggebliebenen hatten alles verlohren was nicht nach Veji und auf das Capitol gerettet ward, und der groͤßte Theil ihrer Habſeligkeiten mußte in der Stadt zuruͤckgelaſſen ſeyn, da ſelbſt von den Heiligthuͤ- mern nur ein kleiner Theil fortgeſchafft, das meiſte ver- graben war. Um ſo mehr muͤſſen wir, wenn auch Me- tall und Geld fortgebracht werden konnten, an den Schaͤ- tzen zweifeln welche nach Diodor auf dem Capitol ge- haͤuft waren. Am linken Ufer der Tiber konnte der Land- mann, wenn er nicht ſchon vor der Schlacht gefluͤchtet war, nicht einmal ſein Vieh forttreiben, da der Feind ſchon am Tage nach der Schlacht vor Rom erſchien, folglich auch die ganze Gegend um die Stadt bedeckte. Die Zerſtoͤrung der Gebaͤude hat ſich, nach damaliger Kriegsſitte, nothwendig auf jedes Dorf erſtreckt welches nicht zufaͤllig unberuͤhrt blieb. Und dieſes Elend traf nicht nur ein armes, auf ſeinen Boden und ſeinen Fleiß beſchraͤnktes, ſondern ein verſchuldetes und verarmtes, durch Steuern lange hartgedruͤcktes Volk, welches ſich nur eben durch die erzwungenen Landanweiſungen zu erho- len angefangen hatte. Daher darf das Grauen womit das Volk auf die Wie- dererbauung der Stadt hinblickte, und ſein heftiges Ver- langen

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/304>, abgerufen am 25.11.2024.