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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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vielmehr, weil die Gefahr zu groß war als daß der Rath-
schluß gewöhnlicher Befehlshaber sie abwehren konnte:
weil man den Blick vor ihr schloß um ihr mit blinder Ver-
wegenheit zu begegnen: weil weder die Anführer sich Er-
folg durch Feldherrnkunst verheissen durften, noch ihnen
die Nation vertraute. Es war Verhängniß des Schick-
sals, welches den Fall Roms beschlossen hatte.

Doch waren die Römer nicht ohne einen Oberbefehls-
haber: Q. Sulpicius hat unter seinen Collegen das trau-
rige Vor[r]echt als solcher in dieser Schlacht 43) und
bey dem Abschluß des Loskaufs der Stadt 44) genannt
zu werden; eine Auszeichnung auf die seine Nachkom-
men nicht eitel gewesen seyn werden. Auch ist Livius
Beschuldigung daß die Militartribunen versäumt hätten
den Schutz der Götter vor der Schlacht durch Opfer
zu gewinnen auf einem Mißverständniß gegründet. Q.
Sulpicius hatte geopfert, und konnte nach dem Zeichen
vielleicht Sieg hoffen: aber er hatte das Schicksal an
einem schwarzen Tage gefragt, an dem die heiligen Zei-
chen täuschten 45).

Den gallischen Feldherrn nennt die Geschichte Bren-
nus, wie den welcher hundert und sieben Jahre später
die östlichen Celten auf dem unglücklichen Zuge gegen
Delphi führte: sey es daß später die Annalisten Roms
diesen in der griechischen Geschichte berühmten Nahmen
auf den Anführer der Senoner übertrugen, um ihrer
älteren Geschichte das bewegtere Leben zu verleihen wel-

43) Gellius V. c. 17.
44) Livius V. c. 48.
45) Verrius Flaccus bey Gellius a. a. O.

vielmehr, weil die Gefahr zu groß war als daß der Rath-
ſchluß gewoͤhnlicher Befehlshaber ſie abwehren konnte:
weil man den Blick vor ihr ſchloß um ihr mit blinder Ver-
wegenheit zu begegnen: weil weder die Anfuͤhrer ſich Er-
folg durch Feldherrnkunſt verheiſſen durften, noch ihnen
die Nation vertraute. Es war Verhaͤngniß des Schick-
ſals, welches den Fall Roms beſchloſſen hatte.

Doch waren die Roͤmer nicht ohne einen Oberbefehls-
haber: Q. Sulpicius hat unter ſeinen Collegen das trau-
rige Vor[r]echt als ſolcher in dieſer Schlacht 43) und
bey dem Abſchluß des Loskaufs der Stadt 44) genannt
zu werden; eine Auszeichnung auf die ſeine Nachkom-
men nicht eitel geweſen ſeyn werden. Auch iſt Livius
Beſchuldigung daß die Militartribunen verſaͤumt haͤtten
den Schutz der Goͤtter vor der Schlacht durch Opfer
zu gewinnen auf einem Mißverſtaͤndniß gegruͤndet. Q.
Sulpicius hatte geopfert, und konnte nach dem Zeichen
vielleicht Sieg hoffen: aber er hatte das Schickſal an
einem ſchwarzen Tage gefragt, an dem die heiligen Zei-
chen taͤuſchten 45).

Den galliſchen Feldherrn nennt die Geſchichte Bren-
nus, wie den welcher hundert und ſieben Jahre ſpaͤter
die oͤſtlichen Celten auf dem ungluͤcklichen Zuge gegen
Delphi fuͤhrte: ſey es daß ſpaͤter die Annaliſten Roms
dieſen in der griechiſchen Geſchichte beruͤhmten Nahmen
auf den Anfuͤhrer der Senoner uͤbertrugen, um ihrer
aͤlteren Geſchichte das bewegtere Leben zu verleihen wel-

43) Gellius V. c. 17.
44) Livius V. c. 48.
45) Verrius Flaccus bey Gellius a. a. O.
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[270/0286] vielmehr, weil die Gefahr zu groß war als daß der Rath- ſchluß gewoͤhnlicher Befehlshaber ſie abwehren konnte: weil man den Blick vor ihr ſchloß um ihr mit blinder Ver- wegenheit zu begegnen: weil weder die Anfuͤhrer ſich Er- folg durch Feldherrnkunſt verheiſſen durften, noch ihnen die Nation vertraute. Es war Verhaͤngniß des Schick- ſals, welches den Fall Roms beſchloſſen hatte. Doch waren die Roͤmer nicht ohne einen Oberbefehls- haber: Q. Sulpicius hat unter ſeinen Collegen das trau- rige Vorrecht als ſolcher in dieſer Schlacht 43) und bey dem Abſchluß des Loskaufs der Stadt 44) genannt zu werden; eine Auszeichnung auf die ſeine Nachkom- men nicht eitel geweſen ſeyn werden. Auch iſt Livius Beſchuldigung daß die Militartribunen verſaͤumt haͤtten den Schutz der Goͤtter vor der Schlacht durch Opfer zu gewinnen auf einem Mißverſtaͤndniß gegruͤndet. Q. Sulpicius hatte geopfert, und konnte nach dem Zeichen vielleicht Sieg hoffen: aber er hatte das Schickſal an einem ſchwarzen Tage gefragt, an dem die heiligen Zei- chen taͤuſchten 45). Den galliſchen Feldherrn nennt die Geſchichte Bren- nus, wie den welcher hundert und ſieben Jahre ſpaͤter die oͤſtlichen Celten auf dem ungluͤcklichen Zuge gegen Delphi fuͤhrte: ſey es daß ſpaͤter die Annaliſten Roms dieſen in der griechiſchen Geſchichte beruͤhmten Nahmen auf den Anfuͤhrer der Senoner uͤbertrugen, um ihrer aͤlteren Geſchichte das bewegtere Leben zu verleihen wel- 43) Gellius V. c. 17. 44) Livius V. c. 48. 45) Verrius Flaccus bey Gellius a. a. O.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/286>, abgerufen am 24.11.2024.