der Feinde. Diese war so entschieden daß Antium dem Sieger die Thore öffnete: eine Stadt reich durch Schif- fahrt, aber verrufen bey den Griechen durch ihren Miß- brauch zur Seeräuberey. Dies war eine glänzende Ero- berung, die einzige des ganzen Zeitraums, und nur ein kurzer Besitz. Im folgenden Jahr ward eine Colonie hin- gesandt: aber so schwach und zwecklos wurde damals noch von den Römern und Latinern dieses gewaltige Mittel der Befestigung der Herrschaft gebraucht, daß die zurückge- bliebenen Volsker schon im Jahr 295 ihre neuen Mitbür- ger überwältigten, zum Theil verführten, ihre Unabhän- gigkeit und das verlohrne Landeigenthum wieder gewannen. Viele Antiater waren ausgewandert und hatten sich nach Eceträ und zu den Aequern begeben, sey es, daß nur die denen ihr Land genommen war, entweder weil sie aus- gezeichnet wurden, oder weil es in dem Umfang des zur Assignation abgerissenen Bezirks der Feldmark lag, ihre Heimath verließen; oder daß die Stadt durch bürgerliche Zwietracht von einer Parthey übergeben war, vor deren Herrschaft die unterliegende auswanderte. Daß Antium so römisch geworden sey, machen viele Umstände glaub- lich; es war nicht nur ein großer Theil der alten Bürger in die Colonie aufgenommen, sondern sie waren die weit überwiegende Mehrheit: eine Seestadt hatte von Ein- schließung nichts zu befürchten, und fast alle Mauern wa- ren damals noch den Römern und Latinern zu fest: also deutet schon eine freywillige Uebergabe, wie sie auch in der Geschichte gemeldet wird, auf Verrath und entzweyte Factionen, Eben so hatte sich Veliträ früher, auch wohl
der Feinde. Dieſe war ſo entſchieden daß Antium dem Sieger die Thore oͤffnete: eine Stadt reich durch Schif- fahrt, aber verrufen bey den Griechen durch ihren Miß- brauch zur Seeraͤuberey. Dies war eine glaͤnzende Ero- berung, die einzige des ganzen Zeitraums, und nur ein kurzer Beſitz. Im folgenden Jahr ward eine Colonie hin- geſandt: aber ſo ſchwach und zwecklos wurde damals noch von den Roͤmern und Latinern dieſes gewaltige Mittel der Befeſtigung der Herrſchaft gebraucht, daß die zuruͤckge- bliebenen Volsker ſchon im Jahr 295 ihre neuen Mitbuͤr- ger uͤberwaͤltigten, zum Theil verfuͤhrten, ihre Unabhaͤn- gigkeit und das verlohrne Landeigenthum wieder gewannen. Viele Antiater waren ausgewandert und hatten ſich nach Ecetraͤ und zu den Aequern begeben, ſey es, daß nur die denen ihr Land genommen war, entweder weil ſie aus- gezeichnet wurden, oder weil es in dem Umfang des zur Aſſignation abgeriſſenen Bezirks der Feldmark lag, ihre Heimath verließen; oder daß die Stadt durch buͤrgerliche Zwietracht von einer Parthey uͤbergeben war, vor deren Herrſchaft die unterliegende auswanderte. Daß Antium ſo roͤmiſch geworden ſey, machen viele Umſtaͤnde glaub- lich; es war nicht nur ein großer Theil der alten Buͤrger in die Colonie aufgenommen, ſondern ſie waren die weit uͤberwiegende Mehrheit: eine Seeſtadt hatte von Ein- ſchließung nichts zu befuͤrchten, und faſt alle Mauern wa- ren damals noch den Roͤmern und Latinern zu feſt: alſo deutet ſchon eine freywillige Uebergabe, wie ſie auch in der Geſchichte gemeldet wird, auf Verrath und entzweyte Factionen, Eben ſo hatte ſich Velitraͤ fruͤher, auch wohl
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der Feinde. Dieſe war ſo entſchieden daß Antium dem
Sieger die Thore oͤffnete: eine Stadt reich durch Schif-
fahrt, aber verrufen bey den Griechen durch ihren Miß-
brauch zur Seeraͤuberey. Dies war eine glaͤnzende Ero-
berung, die einzige des ganzen Zeitraums, und nur ein
kurzer Beſitz. Im folgenden Jahr ward eine Colonie hin-
geſandt: aber ſo ſchwach und zwecklos wurde damals noch
von den Roͤmern und Latinern dieſes gewaltige Mittel der
Befeſtigung der Herrſchaft gebraucht, daß die zuruͤckge-
bliebenen Volsker ſchon im Jahr 295 ihre neuen Mitbuͤr-
ger uͤberwaͤltigten, zum Theil verfuͤhrten, ihre Unabhaͤn-
gigkeit und das verlohrne Landeigenthum wieder gewannen.
Viele Antiater waren ausgewandert und hatten ſich nach
Ecetraͤ und zu den Aequern begeben, ſey es, daß nur
die denen ihr Land genommen war, entweder weil ſie aus-
gezeichnet wurden, oder weil es in dem Umfang des zur
Aſſignation abgeriſſenen Bezirks der Feldmark lag, ihre
Heimath verließen; oder daß die Stadt durch buͤrgerliche
Zwietracht von einer Parthey uͤbergeben war, vor deren
Herrſchaft die unterliegende auswanderte. Daß Antium
ſo roͤmiſch geworden ſey, machen viele Umſtaͤnde glaub-
lich; es war nicht nur ein großer Theil der alten Buͤrger
in die Colonie aufgenommen, ſondern ſie waren die weit
uͤberwiegende Mehrheit: eine Seeſtadt hatte von Ein-
ſchließung nichts zu befuͤrchten, und faſt alle Mauern wa-
ren damals noch den Roͤmern und Latinern zu feſt: alſo
deutet ſchon eine freywillige Uebergabe, wie ſie auch in der
Geſchichte gemeldet wird, auf Verrath und entzweyte
Factionen, Eben ſo hatte ſich Velitraͤ fruͤher, auch wohl
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/102>, abgerufen am 23.11.2024.
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